Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Der Arbeitgeber. Nr. 705. Frankfurt a. M., 5. November 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] aus welchem alles Silber geschwunden ist. Jn Lyon, wo keine
Münze ist, fertigen die Goldschmiede aus Silber=Luxuswaaren Silber-
münzen an. Jm Jndre=Departement gibt der Generaleinnehmer für
jede ihm übergebene 1000 Francs=Note kleine Abschnitte aus; in
Evreux, einer ziemlich ansehnlichen Stadt der [unleserliches Material - 7 Zeichen fehlen]Normane, gibt die
Municipalität Papiergeld in Stücken von 1, 2, 5, 10 und 25 Frcs.
aus. Die von der neuen Diskontobank in Havre emittirten 5 und
10 Francs=Noten wurden anfangs bereitwillig im Verkehr genommen,
als aber die Regierungsbehörden die Annahme verweigerten, erlitten
sie ein starkes Disagio; indeß wuchs das Vertranen wieder, als der
Generaleinnehmer in Rouen auf Jntervention der Handelskammer sich
zu der Annahme der Noten bereit erklärte. Am 8. Oktober waren
indeß kaum einige hundert Francs noch im Umlauf. Jn Bordeaux
hat man, um dem Mangel an Silbergeld abzuhelfen, den Vorschlag
gemacht, daß die englischen Sovereigns zu 25 Frcs. und die halben
Sovereigns zu 12 Frcs. 50 Cts. cirkuliren sollen. Die Herren
Calvet u. Comp. erklärten, daß sie für 25--50,000 Frcs. englische
Münzen monatlich herbeischaffen können, und daß andere Häuser im
Stande sind, noch mehr herbeizuschaffen. Allein der Sovereign hat
einen Werth von 25 Frcs. 20 Cts. und der Transport kostet auch
etwas: wer soll also diese Mehrkosten tragen und wie will man ver-
hindern, daß einzelne Personen die herübergeschaften Münzen zu
25 Frcs. aufkaufen und ansammeln? Die Eisenbahn=Gesellschaften
haben ihre Zins= und Dividenden=Zahlungen suspendirt, was für un-
zählige Familien, die ihr Vermögen in solchen Papieren angelegt
haben, große Verlegenheiten zur Folge hat. Die Bahnen haben aber
alle Beschwerden mit Rücksicht auf ihre Statuten abgelehnt, da sie ihre
Einnahmen zunächst zur Erhaltung des Betriebs, sodann zur Zins-
zahlung für die Anleihen, und ferner für den Amortisationsfond ver-
wenden müssen, ehe sie an die Aktionäre eine Zahlung leisten dürfen.
Sehr ernstlich wird überall die Frage diskutirt, wovon im nächsten
Jahre die Bevölkerung leben soll. Jn 14 Departements, welche
durch den Krieg verwüstet sind, ist keine Kultur möglich, und in den
übrig bleibenden 75 ist die gesammte jugendliche Arbeitskraft zur
Armee eingezogen. Man schlägt vor, die Kultur aller nicht absolut
nothwendigen Produkte wie Tabak, Maulbeeren, Krapp zu sistiren,
nur Weizen und Kartoffeln zu bauen, und kein Stück Land brach
liegen zu lassen. Das Brachland nimmt in Frankreich ziemlich den
zehnten Theil alles kulturfähigen Bodens ein. ( Bremer Hdlsbl. )

* Die deutschen Lebensversicherungsgesellschaften im J. 1869.
Das Lebensversicherungsgeschäft erzielte im J. 1869 in jeder Be-
ziehung günstige Resultate. Die Zahl der deutschen Lebensversicherungs-
Anstalten hat sich in ihm um eine, nämlich um die auf Gegenseitig-
keit beruhende "Vaterländische Lebensversicherungsbank in Wien"
vermehrt, und es gibt dieser Anstalten zur Zeit 40, wovon 23 im
Norddeutschen Bund, 5 in Süddeutschland, 10 im deutschen Oestreich
innerhalb der ehmaligen Bundesgrenzen und 2 in der deutschen
Schweiz ihren Sitz haben. -- Die obengenannte Wiener Lebensver-
sicherungsbank hat noch keinen vollständigen Rechenschaftsbericht er-
stattet und deshalb in nachstehender Uebersicht noch keinen Platz
gefunden. Ebenso sind von 4 Anstalten in Oestreich für 1869 theils
noch gar keine, theils nur ungenügende Berichte erschienen und mußten
daher für diese allgemeine Abschätzungen vorgenommen werden. Bei
den somit hier berücksichtigten 39 Anstalten haben sich nun im Jahr
1869: 95,696 Personen mit Lebensversicherungen neu betheiligt und
einschließlich der Nachversicherungen im Ganzen eine Summe von
81,856,206 Thlr. auf den Fall ihres Todes versichert. Diesen
Betrag erreichte der neue Zugang noch in keinem Jahre. Es ist
im Lauf von 1869 die Zahl der Versicherten um 14,16 pCt. und
die Versicherungssumme um 12,35 pCt. gestiegen. Sehr bedeutend
aber war auch wieder der Abgang bei Lebzeiten, der sich auf
32,112 Personen mit 28,873,982 Thlr. belief. Mehr als der
dritte Theil der neu abgeschlossenen Versicherungen wurde daher den
Anstalten durch den Abgang bei Lebzeiten wieder entzogen. Der
Durchschnitt der an Lebensversicherungen auf einen Kopf gezeichneten
Summen war Ende 1869: 935 Thlr. Die in Bezug auf die
Versicherungssumme bedeutendsten Anstalten sind die Gothaer mit
65 1 / 10 Mill. Thlrn., die Germania in Stettin mit49 1 / 8 Mill.
Thlrn. und die Concordia in Cöln mit26 3 / 5 Mill. Thlrn. Von
den obigen Angaben wären allerdings die Summen abzuziehen, welche
bei anderen Jnstituten in Rückversicherung gegeben sind, doch geben
die Berichte darüber keine Auskunft. Soweit die Rückversicherungen
in den Berichten angegeben sind, beziffern sie sich auf 8,671,685 Thlr.
[Spaltenumbruch] Auf die gesammten 456,144 Policen im Belauf von 426,703,174 Thlr.
sind im vorigen Jahr von den betheiligten Versicherungen, einschließ-
lich der Zinsen auf frühere Leistungen, 16,944,625 Thlr. eingezahlt
worden. Auf jeden Versicherten kommt daher im Durchschnitt eine
Einlage von 37 Thlr. Für 7011 gestorbene Versicherte wurden wäh-
rend des vorigen Jahres Erbschaften im Belaufe von 6,090,974 Thlr.
ausgezahlt, so daß sich im Durchschnitt jede derselben auf 869 Thlr.
belief.

* Schulwesen. Jn der Rheinprovinz wird sehr über den
Mangel an Elementarlehrern geklagt. Die Zahl der jungen Leute,
welche sich auf das Elementar=Schulamt vorbereiten, nimmt von Jahr
zu Jahr ab; jährlich fehlen 103 Lehrer. Um dem Mangel abzu-
helfen wurde die Errichtung von tüchtigen Präparandenschulen, wie
solche schon vielfach und mit Erfolg bestehen, empfohlen. Dieses ist
ein Quacksalbermittel; will man das Uebel von Grund aus kuriren,
so muß man die Schullehrer besser besolden, dann kommen sie von
selbst, und man braucht sie nicht durch Präparandenschulen zu pressen,
wie man dies mit Matrosen zu thun pflegt.

-- Zur Organisation des Volksschulwesens im Elsaß ist,
sicherem Vernehmen der "Neuw. Ztg." nach, Seminardirektor Schollen-
bruch aus Neuwied von der preußischen Regierung auf unbestimmte
Zeit nach Straßburg beordert worden.

* Universitätswesen. Man schreibt aus Heidelberg: Mit
den Wintervorlesungen an hiesiger Universität wird es schlimm aus-
sehen. Zu der ersten Jmmatrikulation haben sich nur 60 Studirende
angemeldet und im Ganzen sind deren nur wenige über 100 dort
anwesend, obgleich die Vorlesungen schon zu Anfang der vorigen
Woche hätten beginnen sollen. Viele Professoren werden wegen
Mangel an Zuhörern gar nicht, andere nur vor Einzelnen lesen können.

* Frauenbildung. Jn Prag hat sich ein Konsortium von
Professoren der Polytechnik und des Gymnasiums zur Errichtung eines
Gymnasiums für Mädchen gebildet.

-- Vor dem Obergericht in New=York, als Appellations-
instanz, schwebt die Frage, ob Frauen als Advokaten zuzulassen seien;
das Gericht von Jllinois hatte darin gegen eine Mrs. Bradwell
entschieden. -- Die republikanische Konvention von Massachusetts hat
sich gegen das Stimmrecht der Frauen ausgesprochen.

* Mittelrheinischer Fabrikanten=Verein. Der Mittelrheinische
Fabrikanten=Verein hat den Beschluß gefaßt, zur gründlichen Erör-
terung der wirthschaftlichen Seite einer Annexion von Elsaß und
Lothringen eine Versammlung aller interessirten deutschen Jndustriellen
in eine passend gelegene Stadt -- etwa Mannheim -- zu berufen.
Diese Versammlung will zunächst nur die zwischen der deutschen und
der elsässischen Jndustrie obwaltenden Beziehungen zur Erörterung
bringen.

* Arbeiter=Angelegenheiten. Die sämmtlichen Güterbodenar-
beiter der niederschlesisch=märkischen Eisenbahn in Berlin haben die
Arbeit eingestellt. Um Stockungen im Geschäftsbetrieb zu vermeiden,
sind vorläufig Mannschaften der Berliner Garnison gegen einen Tage-
lohn von17 1 / 2 Sgr. requririt worden.

-- Der Ausstand der Kohlenarbeiter Thorncliffe's, der fast
1 1 / 2 Jahre dauerte und mit einer Niederlage der Arbeiter endete,
soll denselben 20,000 Ls. gekostet haben. Was hätte man damit
zum dauernden Wohle der Leute machen können!

* Deutsche in Amerika. Jn der deutschen Presse Nordamerikas
hat sich ein lebhafter Streit über eine Aeußerung Friedr. Kapp's
erhoben, daß die Deutschen in den Vereinigten Staaten keine Zukunft
hätten, sondern daß es ihre Bestimmung sei, in der englischen Nation
spurlos auf= d. h. unterzugehen. Kapp wird ein Amerikaflüchtiger
genannt, der zu sehr in einseitiger Anschauung befangen sei: die
Deutschen in Amerika seien im Gegentheil bestimmt das Hauptele-
ment der amerikanischen Nation zu bilden, wie die raschere Vermeh-
rung derselben beweise.

* Kriegskosten. Der Magistrat von Naumburg hat dem Ma-
gistrat zu Berlin mitgetheilt, daß bei ihm in Anregung gekommen
sei, ob die städtischen Verwaltungen nicht alle die ihren Gemeinden
durch den Krieg erwachsenen Kosten zusammenstellen sollen, damit sie
bei Festsetzung der Kriegskosten=Entschädigung, welche von Frankreich
gezahlt werden soll, in Betracht gezogen werden können. Allerdings
würde manche Stadt und namentlich Berlin eine sehr beträchtliche
Summe zu liquidiren haben. Dieser Tage haben die Stadtverord-
neten wieder 100,000 Thlr. zur Unterstützung der bedürftigen Frauen
der Reservisten und Landwehrmänner ausgesetzt.

[Spaltenumbruch] aus welchem alles Silber geschwunden ist. Jn Lyon, wo keine
Münze ist, fertigen die Goldschmiede aus Silber=Luxuswaaren Silber-
münzen an. Jm Jndre=Departement gibt der Generaleinnehmer für
jede ihm übergebene 1000 Francs=Note kleine Abschnitte aus; in
Evreux, einer ziemlich ansehnlichen Stadt der [unleserliches Material – 7 Zeichen fehlen]Normane, gibt die
Municipalität Papiergeld in Stücken von 1, 2, 5, 10 und 25 Frcs.
aus. Die von der neuen Diskontobank in Havre emittirten 5 und
10 Francs=Noten wurden anfangs bereitwillig im Verkehr genommen,
als aber die Regierungsbehörden die Annahme verweigerten, erlitten
sie ein starkes Disagio; indeß wuchs das Vertranen wieder, als der
Generaleinnehmer in Rouen auf Jntervention der Handelskammer sich
zu der Annahme der Noten bereit erklärte. Am 8. Oktober waren
indeß kaum einige hundert Francs noch im Umlauf. Jn Bordeaux
hat man, um dem Mangel an Silbergeld abzuhelfen, den Vorschlag
gemacht, daß die englischen Sovereigns zu 25 Frcs. und die halben
Sovereigns zu 12 Frcs. 50 Cts. cirkuliren sollen. Die Herren
Calvet u. Comp. erklärten, daß sie für 25--50,000 Frcs. englische
Münzen monatlich herbeischaffen können, und daß andere Häuser im
Stande sind, noch mehr herbeizuschaffen. Allein der Sovereign hat
einen Werth von 25 Frcs. 20 Cts. und der Transport kostet auch
etwas: wer soll also diese Mehrkosten tragen und wie will man ver-
hindern, daß einzelne Personen die herübergeschaften Münzen zu
25 Frcs. aufkaufen und ansammeln? Die Eisenbahn=Gesellschaften
haben ihre Zins= und Dividenden=Zahlungen suspendirt, was für un-
zählige Familien, die ihr Vermögen in solchen Papieren angelegt
haben, große Verlegenheiten zur Folge hat. Die Bahnen haben aber
alle Beschwerden mit Rücksicht auf ihre Statuten abgelehnt, da sie ihre
Einnahmen zunächst zur Erhaltung des Betriebs, sodann zur Zins-
zahlung für die Anleihen, und ferner für den Amortisationsfond ver-
wenden müssen, ehe sie an die Aktionäre eine Zahlung leisten dürfen.
Sehr ernstlich wird überall die Frage diskutirt, wovon im nächsten
Jahre die Bevölkerung leben soll. Jn 14 Departements, welche
durch den Krieg verwüstet sind, ist keine Kultur möglich, und in den
übrig bleibenden 75 ist die gesammte jugendliche Arbeitskraft zur
Armee eingezogen. Man schlägt vor, die Kultur aller nicht absolut
nothwendigen Produkte wie Tabak, Maulbeeren, Krapp zu sistiren,
nur Weizen und Kartoffeln zu bauen, und kein Stück Land brach
liegen zu lassen. Das Brachland nimmt in Frankreich ziemlich den
zehnten Theil alles kulturfähigen Bodens ein. ( Bremer Hdlsbl. )

* Die deutschen Lebensversicherungsgesellschaften im J. 1869.
Das Lebensversicherungsgeschäft erzielte im J. 1869 in jeder Be-
ziehung günstige Resultate. Die Zahl der deutschen Lebensversicherungs-
Anstalten hat sich in ihm um eine, nämlich um die auf Gegenseitig-
keit beruhende „Vaterländische Lebensversicherungsbank in Wien“
vermehrt, und es gibt dieser Anstalten zur Zeit 40, wovon 23 im
Norddeutschen Bund, 5 in Süddeutschland, 10 im deutschen Oestreich
innerhalb der ehmaligen Bundesgrenzen und 2 in der deutschen
Schweiz ihren Sitz haben. -- Die obengenannte Wiener Lebensver-
sicherungsbank hat noch keinen vollständigen Rechenschaftsbericht er-
stattet und deshalb in nachstehender Uebersicht noch keinen Platz
gefunden. Ebenso sind von 4 Anstalten in Oestreich für 1869 theils
noch gar keine, theils nur ungenügende Berichte erschienen und mußten
daher für diese allgemeine Abschätzungen vorgenommen werden. Bei
den somit hier berücksichtigten 39 Anstalten haben sich nun im Jahr
1869: 95,696 Personen mit Lebensversicherungen neu betheiligt und
einschließlich der Nachversicherungen im Ganzen eine Summe von
81,856,206 Thlr. auf den Fall ihres Todes versichert. Diesen
Betrag erreichte der neue Zugang noch in keinem Jahre. Es ist
im Lauf von 1869 die Zahl der Versicherten um 14,16 pCt. und
die Versicherungssumme um 12,35 pCt. gestiegen. Sehr bedeutend
aber war auch wieder der Abgang bei Lebzeiten, der sich auf
32,112 Personen mit 28,873,982 Thlr. belief. Mehr als der
dritte Theil der neu abgeschlossenen Versicherungen wurde daher den
Anstalten durch den Abgang bei Lebzeiten wieder entzogen. Der
Durchschnitt der an Lebensversicherungen auf einen Kopf gezeichneten
Summen war Ende 1869: 935 Thlr. Die in Bezug auf die
Versicherungssumme bedeutendsten Anstalten sind die Gothaer mit
65 1 / 10 Mill. Thlrn., die Germania in Stettin mit49 1 / 8 Mill.
Thlrn. und die Concordia in Cöln mit26 3 / 5 Mill. Thlrn. Von
den obigen Angaben wären allerdings die Summen abzuziehen, welche
bei anderen Jnstituten in Rückversicherung gegeben sind, doch geben
die Berichte darüber keine Auskunft. Soweit die Rückversicherungen
in den Berichten angegeben sind, beziffern sie sich auf 8,671,685 Thlr.
[Spaltenumbruch] Auf die gesammten 456,144 Policen im Belauf von 426,703,174 Thlr.
sind im vorigen Jahr von den betheiligten Versicherungen, einschließ-
lich der Zinsen auf frühere Leistungen, 16,944,625 Thlr. eingezahlt
worden. Auf jeden Versicherten kommt daher im Durchschnitt eine
Einlage von 37 Thlr. Für 7011 gestorbene Versicherte wurden wäh-
rend des vorigen Jahres Erbschaften im Belaufe von 6,090,974 Thlr.
ausgezahlt, so daß sich im Durchschnitt jede derselben auf 869 Thlr.
belief.

* Schulwesen. Jn der Rheinprovinz wird sehr über den
Mangel an Elementarlehrern geklagt. Die Zahl der jungen Leute,
welche sich auf das Elementar=Schulamt vorbereiten, nimmt von Jahr
zu Jahr ab; jährlich fehlen 103 Lehrer. Um dem Mangel abzu-
helfen wurde die Errichtung von tüchtigen Präparandenschulen, wie
solche schon vielfach und mit Erfolg bestehen, empfohlen. Dieses ist
ein Quacksalbermittel; will man das Uebel von Grund aus kuriren,
so muß man die Schullehrer besser besolden, dann kommen sie von
selbst, und man braucht sie nicht durch Präparandenschulen zu pressen,
wie man dies mit Matrosen zu thun pflegt.

-- Zur Organisation des Volksschulwesens im Elsaß ist,
sicherem Vernehmen der „Neuw. Ztg.“ nach, Seminardirektor Schollen-
bruch aus Neuwied von der preußischen Regierung auf unbestimmte
Zeit nach Straßburg beordert worden.

* Universitätswesen. Man schreibt aus Heidelberg: Mit
den Wintervorlesungen an hiesiger Universität wird es schlimm aus-
sehen. Zu der ersten Jmmatrikulation haben sich nur 60 Studirende
angemeldet und im Ganzen sind deren nur wenige über 100 dort
anwesend, obgleich die Vorlesungen schon zu Anfang der vorigen
Woche hätten beginnen sollen. Viele Professoren werden wegen
Mangel an Zuhörern gar nicht, andere nur vor Einzelnen lesen können.

* Frauenbildung. Jn Prag hat sich ein Konsortium von
Professoren der Polytechnik und des Gymnasiums zur Errichtung eines
Gymnasiums für Mädchen gebildet.

-- Vor dem Obergericht in New=York, als Appellations-
instanz, schwebt die Frage, ob Frauen als Advokaten zuzulassen seien;
das Gericht von Jllinois hatte darin gegen eine Mrs. Bradwell
entschieden. -- Die republikanische Konvention von Massachusetts hat
sich gegen das Stimmrecht der Frauen ausgesprochen.

* Mittelrheinischer Fabrikanten=Verein. Der Mittelrheinische
Fabrikanten=Verein hat den Beschluß gefaßt, zur gründlichen Erör-
terung der wirthschaftlichen Seite einer Annexion von Elsaß und
Lothringen eine Versammlung aller interessirten deutschen Jndustriellen
in eine passend gelegene Stadt -- etwa Mannheim -- zu berufen.
Diese Versammlung will zunächst nur die zwischen der deutschen und
der elsässischen Jndustrie obwaltenden Beziehungen zur Erörterung
bringen.

* Arbeiter=Angelegenheiten. Die sämmtlichen Güterbodenar-
beiter der niederschlesisch=märkischen Eisenbahn in Berlin haben die
Arbeit eingestellt. Um Stockungen im Geschäftsbetrieb zu vermeiden,
sind vorläufig Mannschaften der Berliner Garnison gegen einen Tage-
lohn von17 1 / 2 Sgr. requririt worden.

-- Der Ausstand der Kohlenarbeiter Thorncliffe's, der fast
1 1 / 2 Jahre dauerte und mit einer Niederlage der Arbeiter endete,
soll denselben 20,000 Ls. gekostet haben. Was hätte man damit
zum dauernden Wohle der Leute machen können!

* Deutsche in Amerika. Jn der deutschen Presse Nordamerikas
hat sich ein lebhafter Streit über eine Aeußerung Friedr. Kapp's
erhoben, daß die Deutschen in den Vereinigten Staaten keine Zukunft
hätten, sondern daß es ihre Bestimmung sei, in der englischen Nation
spurlos auf= d. h. unterzugehen. Kapp wird ein Amerikaflüchtiger
genannt, der zu sehr in einseitiger Anschauung befangen sei: die
Deutschen in Amerika seien im Gegentheil bestimmt das Hauptele-
ment der amerikanischen Nation zu bilden, wie die raschere Vermeh-
rung derselben beweise.

* Kriegskosten. Der Magistrat von Naumburg hat dem Ma-
gistrat zu Berlin mitgetheilt, daß bei ihm in Anregung gekommen
sei, ob die städtischen Verwaltungen nicht alle die ihren Gemeinden
durch den Krieg erwachsenen Kosten zusammenstellen sollen, damit sie
bei Festsetzung der Kriegskosten=Entschädigung, welche von Frankreich
gezahlt werden soll, in Betracht gezogen werden können. Allerdings
würde manche Stadt und namentlich Berlin eine sehr beträchtliche
Summe zu liquidiren haben. Dieser Tage haben die Stadtverord-
neten wieder 100,000 Thlr. zur Unterstützung der bedürftigen Frauen
der Reservisten und Landwehrmänner ausgesetzt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jFinancialNews">
        <div type="jFinancialNews">
          <div type="jArticle">
            <p><pb facs="#f0003"/><cb n="8806"/>
aus welchem alles Silber geschwunden ist. Jn Lyon, wo keine<lb/>
Münze ist, fertigen die Goldschmiede aus Silber=Luxuswaaren Silber-<lb/>
münzen an. Jm Jndre=Departement gibt der Generaleinnehmer für<lb/>
jede ihm übergebene 1000 Francs=Note kleine Abschnitte aus; in<lb/>
Evreux, einer ziemlich ansehnlichen Stadt der <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="7"/>Normane, gibt die<lb/>
Municipalität Papiergeld in Stücken von 1, 2, 5, 10 und 25 Frcs.<lb/>
aus. Die von der neuen Diskontobank in Havre emittirten 5 und<lb/>
10 Francs=Noten wurden anfangs bereitwillig im Verkehr genommen,<lb/>
als aber die Regierungsbehörden die Annahme verweigerten, erlitten<lb/>
sie ein starkes Disagio; indeß wuchs das Vertranen wieder, als der<lb/>
Generaleinnehmer in Rouen auf Jntervention der Handelskammer sich<lb/>
zu der Annahme der Noten bereit erklärte. Am 8. Oktober waren<lb/>
indeß kaum einige hundert Francs noch im Umlauf. Jn Bordeaux<lb/>
hat man, um dem Mangel an Silbergeld abzuhelfen, den Vorschlag<lb/>
gemacht, daß die englischen Sovereigns zu 25 Frcs. und die halben<lb/>
Sovereigns zu 12 Frcs. 50 Cts. cirkuliren sollen. Die Herren<lb/>
Calvet u. Comp. erklärten, daß sie für 25--50,000 Frcs. englische<lb/>
Münzen monatlich herbeischaffen können, und daß andere Häuser im<lb/>
Stande sind, noch mehr herbeizuschaffen. Allein der Sovereign hat<lb/>
einen Werth von 25 Frcs. 20 Cts. und der Transport kostet auch<lb/>
etwas: wer soll also diese Mehrkosten tragen und wie will man ver-<lb/>
hindern, daß einzelne Personen die herübergeschaften Münzen zu<lb/>
25 Frcs. aufkaufen und ansammeln? Die Eisenbahn=Gesellschaften<lb/>
haben ihre Zins= und Dividenden=Zahlungen suspendirt, was für un-<lb/>
zählige Familien, die ihr Vermögen in solchen Papieren angelegt<lb/>
haben, große Verlegenheiten zur Folge hat. Die Bahnen haben aber<lb/>
alle Beschwerden mit Rücksicht auf ihre Statuten abgelehnt, da sie ihre<lb/>
Einnahmen zunächst zur Erhaltung des Betriebs, sodann zur Zins-<lb/>
zahlung für die Anleihen, und ferner für den Amortisationsfond ver-<lb/>
wenden müssen, ehe sie an die Aktionäre eine Zahlung leisten dürfen.<lb/>
Sehr ernstlich wird überall die Frage diskutirt, wovon im nächsten<lb/>
Jahre die Bevölkerung leben soll. Jn 14 Departements, welche<lb/>
durch den Krieg verwüstet sind, ist keine Kultur möglich, und in den<lb/>
übrig bleibenden 75 ist die gesammte jugendliche Arbeitskraft zur<lb/>
Armee eingezogen. Man schlägt vor, die Kultur aller nicht absolut<lb/>
nothwendigen Produkte wie Tabak, Maulbeeren, Krapp zu sistiren,<lb/>
nur Weizen und Kartoffeln zu bauen, und kein Stück Land brach<lb/>
liegen zu lassen. Das Brachland nimmt in Frankreich ziemlich den<lb/>
zehnten Theil alles kulturfähigen Bodens ein. ( Bremer Hdlsbl. ) </p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Die deutschen Lebensversicherungsgesellschaften im J. 1869.<lb/>
Das Lebensversicherungsgeschäft erzielte im J. 1869 in jeder Be-<lb/>
ziehung günstige Resultate. Die Zahl der deutschen Lebensversicherungs-<lb/>
Anstalten hat sich in ihm um eine, nämlich um die auf Gegenseitig-<lb/>
keit beruhende &#x201E;Vaterländische Lebensversicherungsbank in Wien&#x201C;<lb/>
vermehrt, und es gibt dieser Anstalten zur Zeit 40, wovon 23 im<lb/>
Norddeutschen Bund, 5 in Süddeutschland, 10 im deutschen Oestreich<lb/>
innerhalb der ehmaligen Bundesgrenzen und 2 in der deutschen<lb/>
Schweiz ihren Sitz haben. -- Die obengenannte Wiener Lebensver-<lb/>
sicherungsbank hat noch keinen vollständigen Rechenschaftsbericht er-<lb/>
stattet und deshalb in nachstehender Uebersicht noch keinen Platz<lb/>
gefunden. Ebenso sind von 4 Anstalten in Oestreich für 1869 theils<lb/>
noch gar keine, theils nur ungenügende Berichte erschienen und mußten<lb/>
daher für diese allgemeine Abschätzungen vorgenommen werden. Bei<lb/>
den somit hier berücksichtigten 39 Anstalten haben sich nun im Jahr<lb/>
1869: 95,696 Personen mit Lebensversicherungen neu betheiligt und<lb/>
einschließlich der Nachversicherungen im Ganzen eine Summe von<lb/>
81,856,206 Thlr. auf den Fall ihres Todes versichert. Diesen<lb/>
Betrag erreichte der neue Zugang noch in keinem Jahre. Es ist<lb/>
im Lauf von 1869 die Zahl der Versicherten um 14,16 pCt. und<lb/>
die Versicherungssumme um 12,35 pCt. gestiegen. Sehr bedeutend<lb/>
aber war auch wieder der Abgang bei Lebzeiten, der sich auf<lb/>
32,112 Personen mit 28,873,982 Thlr. belief. Mehr als der<lb/>
dritte Theil der neu abgeschlossenen Versicherungen wurde daher den<lb/>
Anstalten durch den Abgang bei Lebzeiten wieder entzogen. Der<lb/>
Durchschnitt der an Lebensversicherungen auf einen Kopf gezeichneten<lb/>
Summen war Ende 1869: 935 Thlr. Die in Bezug auf die<lb/>
Versicherungssumme bedeutendsten Anstalten sind die Gothaer mit<lb/>
65 1 / 10 Mill. Thlrn., die Germania in Stettin mit49 1 / 8 Mill.<lb/>
Thlrn. und die Concordia in Cöln mit26 3 / 5 Mill. Thlrn. Von<lb/>
den obigen Angaben wären allerdings die Summen abzuziehen, welche<lb/>
bei anderen Jnstituten in Rückversicherung gegeben sind, doch geben<lb/>
die Berichte darüber keine Auskunft. Soweit die Rückversicherungen<lb/>
in den Berichten angegeben sind, beziffern sie sich auf 8,671,685 Thlr.<lb/><cb n="8807"/>
Auf die gesammten 456,144 Policen im Belauf von 426,703,174 Thlr.<lb/>
sind im vorigen Jahr von den betheiligten Versicherungen, einschließ-<lb/>
lich der Zinsen auf frühere Leistungen, 16,944,625 Thlr. eingezahlt<lb/>
worden. Auf jeden Versicherten kommt daher im Durchschnitt eine<lb/>
Einlage von 37 Thlr. Für 7011 gestorbene Versicherte wurden wäh-<lb/>
rend des vorigen Jahres Erbschaften im Belaufe von 6,090,974 Thlr.<lb/>
ausgezahlt, so daß sich im Durchschnitt jede derselben auf 869 Thlr.<lb/>
belief.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Schulwesen. Jn der <hi rendition="#g">Rheinprovinz</hi> wird sehr über den<lb/>
Mangel an Elementarlehrern geklagt. Die Zahl der jungen Leute,<lb/>
welche sich auf das Elementar=Schulamt vorbereiten, nimmt von Jahr<lb/>
zu Jahr ab; jährlich fehlen 103 Lehrer. Um dem Mangel abzu-<lb/>
helfen wurde die Errichtung von tüchtigen Präparandenschulen, wie<lb/>
solche schon vielfach und mit Erfolg bestehen, empfohlen. Dieses ist<lb/>
ein Quacksalbermittel; will man das Uebel von Grund aus kuriren,<lb/>
so muß man die Schullehrer besser besolden, dann kommen sie von<lb/>
selbst, und man braucht sie nicht durch Präparandenschulen zu pressen,<lb/>
wie man dies mit Matrosen zu thun pflegt.</p><lb/>
            <p>-- Zur Organisation des Volksschulwesens im <hi rendition="#g">Elsaß</hi> ist,<lb/>
sicherem Vernehmen der &#x201E;Neuw. Ztg.&#x201C; nach, Seminardirektor Schollen-<lb/>
bruch aus Neuwied von der preußischen Regierung auf unbestimmte<lb/>
Zeit nach Straßburg beordert worden.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Universitätswesen. Man schreibt aus <hi rendition="#g">Heidelberg:</hi> Mit<lb/>
den Wintervorlesungen an hiesiger Universität wird es schlimm aus-<lb/>
sehen. Zu der ersten Jmmatrikulation haben sich nur 60 Studirende<lb/>
angemeldet und im Ganzen sind deren nur wenige über 100 dort<lb/>
anwesend, obgleich die Vorlesungen schon zu Anfang der vorigen<lb/>
Woche hätten beginnen sollen. Viele Professoren werden wegen<lb/>
Mangel an Zuhörern gar nicht, andere nur vor Einzelnen lesen können.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Frauenbildung. Jn <hi rendition="#g">Prag</hi> hat sich ein Konsortium von<lb/>
Professoren der Polytechnik und des Gymnasiums zur Errichtung eines<lb/>
Gymnasiums für Mädchen gebildet.</p><lb/>
            <p>-- Vor dem Obergericht in <hi rendition="#g">New=York,</hi> als Appellations-<lb/>
instanz, schwebt die Frage, ob Frauen als Advokaten zuzulassen seien;<lb/>
das Gericht von Jllinois hatte darin gegen eine Mrs. Bradwell<lb/>
entschieden. -- Die republikanische Konvention von Massachusetts hat<lb/>
sich gegen das Stimmrecht der Frauen ausgesprochen.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Mittelrheinischer Fabrikanten=Verein. Der Mittelrheinische<lb/>
Fabrikanten=Verein hat den Beschluß gefaßt, zur gründlichen Erör-<lb/>
terung der wirthschaftlichen Seite einer Annexion von Elsaß und<lb/>
Lothringen eine Versammlung aller interessirten deutschen Jndustriellen<lb/>
in eine passend gelegene Stadt -- etwa Mannheim -- zu berufen.<lb/>
Diese Versammlung will zunächst nur die zwischen der deutschen und<lb/>
der elsässischen Jndustrie obwaltenden Beziehungen zur Erörterung<lb/>
bringen.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Arbeiter=Angelegenheiten. Die sämmtlichen Güterbodenar-<lb/>
beiter der niederschlesisch=märkischen Eisenbahn in <hi rendition="#g">Berlin</hi> haben die<lb/>
Arbeit eingestellt. Um Stockungen im Geschäftsbetrieb zu vermeiden,<lb/>
sind vorläufig Mannschaften der Berliner Garnison gegen einen Tage-<lb/>
lohn von17 1 / 2 Sgr. requririt worden.</p><lb/>
            <p>-- Der Ausstand der Kohlenarbeiter <hi rendition="#g">Thorncliffe's,</hi> der fast<lb/>
1 1 / 2 Jahre dauerte und mit einer Niederlage der Arbeiter endete,<lb/>
soll denselben 20,000 Ls. gekostet haben. Was hätte man damit<lb/>
zum dauernden Wohle der Leute machen können!</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Deutsche in Amerika. Jn der deutschen Presse Nordamerikas<lb/>
hat sich ein lebhafter Streit über eine Aeußerung <hi rendition="#g">Friedr. Kapp's</hi><lb/>
erhoben, daß die Deutschen in den Vereinigten Staaten keine Zukunft<lb/>
hätten, sondern daß es ihre Bestimmung sei, in der englischen Nation<lb/>
spurlos auf= d. h. unterzugehen. Kapp wird ein Amerikaflüchtiger<lb/>
genannt, der zu sehr in einseitiger Anschauung befangen sei: die<lb/>
Deutschen in Amerika seien im Gegentheil bestimmt das Hauptele-<lb/>
ment der amerikanischen Nation zu bilden, wie die raschere Vermeh-<lb/>
rung derselben beweise.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Kriegskosten. Der Magistrat von Naumburg hat dem Ma-<lb/>
gistrat zu Berlin mitgetheilt, daß bei ihm in Anregung gekommen<lb/>
sei, ob die städtischen Verwaltungen nicht alle die ihren Gemeinden<lb/>
durch den Krieg erwachsenen Kosten zusammenstellen sollen, damit sie<lb/>
bei Festsetzung der Kriegskosten=Entschädigung, welche von Frankreich<lb/>
gezahlt werden soll, in Betracht gezogen werden können. Allerdings<lb/>
würde manche Stadt und namentlich Berlin eine sehr beträchtliche<lb/>
Summe zu liquidiren haben. Dieser Tage haben die Stadtverord-<lb/>
neten wieder 100,000 Thlr. zur Unterstützung der bedürftigen Frauen<lb/>
der Reservisten und Landwehrmänner ausgesetzt.</p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0003] aus welchem alles Silber geschwunden ist. Jn Lyon, wo keine Münze ist, fertigen die Goldschmiede aus Silber=Luxuswaaren Silber- münzen an. Jm Jndre=Departement gibt der Generaleinnehmer für jede ihm übergebene 1000 Francs=Note kleine Abschnitte aus; in Evreux, einer ziemlich ansehnlichen Stadt der _______Normane, gibt die Municipalität Papiergeld in Stücken von 1, 2, 5, 10 und 25 Frcs. aus. Die von der neuen Diskontobank in Havre emittirten 5 und 10 Francs=Noten wurden anfangs bereitwillig im Verkehr genommen, als aber die Regierungsbehörden die Annahme verweigerten, erlitten sie ein starkes Disagio; indeß wuchs das Vertranen wieder, als der Generaleinnehmer in Rouen auf Jntervention der Handelskammer sich zu der Annahme der Noten bereit erklärte. Am 8. Oktober waren indeß kaum einige hundert Francs noch im Umlauf. Jn Bordeaux hat man, um dem Mangel an Silbergeld abzuhelfen, den Vorschlag gemacht, daß die englischen Sovereigns zu 25 Frcs. und die halben Sovereigns zu 12 Frcs. 50 Cts. cirkuliren sollen. Die Herren Calvet u. Comp. erklärten, daß sie für 25--50,000 Frcs. englische Münzen monatlich herbeischaffen können, und daß andere Häuser im Stande sind, noch mehr herbeizuschaffen. Allein der Sovereign hat einen Werth von 25 Frcs. 20 Cts. und der Transport kostet auch etwas: wer soll also diese Mehrkosten tragen und wie will man ver- hindern, daß einzelne Personen die herübergeschaften Münzen zu 25 Frcs. aufkaufen und ansammeln? Die Eisenbahn=Gesellschaften haben ihre Zins= und Dividenden=Zahlungen suspendirt, was für un- zählige Familien, die ihr Vermögen in solchen Papieren angelegt haben, große Verlegenheiten zur Folge hat. Die Bahnen haben aber alle Beschwerden mit Rücksicht auf ihre Statuten abgelehnt, da sie ihre Einnahmen zunächst zur Erhaltung des Betriebs, sodann zur Zins- zahlung für die Anleihen, und ferner für den Amortisationsfond ver- wenden müssen, ehe sie an die Aktionäre eine Zahlung leisten dürfen. Sehr ernstlich wird überall die Frage diskutirt, wovon im nächsten Jahre die Bevölkerung leben soll. Jn 14 Departements, welche durch den Krieg verwüstet sind, ist keine Kultur möglich, und in den übrig bleibenden 75 ist die gesammte jugendliche Arbeitskraft zur Armee eingezogen. Man schlägt vor, die Kultur aller nicht absolut nothwendigen Produkte wie Tabak, Maulbeeren, Krapp zu sistiren, nur Weizen und Kartoffeln zu bauen, und kein Stück Land brach liegen zu lassen. Das Brachland nimmt in Frankreich ziemlich den zehnten Theil alles kulturfähigen Bodens ein. ( Bremer Hdlsbl. ) * Die deutschen Lebensversicherungsgesellschaften im J. 1869. Das Lebensversicherungsgeschäft erzielte im J. 1869 in jeder Be- ziehung günstige Resultate. Die Zahl der deutschen Lebensversicherungs- Anstalten hat sich in ihm um eine, nämlich um die auf Gegenseitig- keit beruhende „Vaterländische Lebensversicherungsbank in Wien“ vermehrt, und es gibt dieser Anstalten zur Zeit 40, wovon 23 im Norddeutschen Bund, 5 in Süddeutschland, 10 im deutschen Oestreich innerhalb der ehmaligen Bundesgrenzen und 2 in der deutschen Schweiz ihren Sitz haben. -- Die obengenannte Wiener Lebensver- sicherungsbank hat noch keinen vollständigen Rechenschaftsbericht er- stattet und deshalb in nachstehender Uebersicht noch keinen Platz gefunden. Ebenso sind von 4 Anstalten in Oestreich für 1869 theils noch gar keine, theils nur ungenügende Berichte erschienen und mußten daher für diese allgemeine Abschätzungen vorgenommen werden. Bei den somit hier berücksichtigten 39 Anstalten haben sich nun im Jahr 1869: 95,696 Personen mit Lebensversicherungen neu betheiligt und einschließlich der Nachversicherungen im Ganzen eine Summe von 81,856,206 Thlr. auf den Fall ihres Todes versichert. Diesen Betrag erreichte der neue Zugang noch in keinem Jahre. Es ist im Lauf von 1869 die Zahl der Versicherten um 14,16 pCt. und die Versicherungssumme um 12,35 pCt. gestiegen. Sehr bedeutend aber war auch wieder der Abgang bei Lebzeiten, der sich auf 32,112 Personen mit 28,873,982 Thlr. belief. Mehr als der dritte Theil der neu abgeschlossenen Versicherungen wurde daher den Anstalten durch den Abgang bei Lebzeiten wieder entzogen. Der Durchschnitt der an Lebensversicherungen auf einen Kopf gezeichneten Summen war Ende 1869: 935 Thlr. Die in Bezug auf die Versicherungssumme bedeutendsten Anstalten sind die Gothaer mit 65 1 / 10 Mill. Thlrn., die Germania in Stettin mit49 1 / 8 Mill. Thlrn. und die Concordia in Cöln mit26 3 / 5 Mill. Thlrn. Von den obigen Angaben wären allerdings die Summen abzuziehen, welche bei anderen Jnstituten in Rückversicherung gegeben sind, doch geben die Berichte darüber keine Auskunft. Soweit die Rückversicherungen in den Berichten angegeben sind, beziffern sie sich auf 8,671,685 Thlr. Auf die gesammten 456,144 Policen im Belauf von 426,703,174 Thlr. sind im vorigen Jahr von den betheiligten Versicherungen, einschließ- lich der Zinsen auf frühere Leistungen, 16,944,625 Thlr. eingezahlt worden. Auf jeden Versicherten kommt daher im Durchschnitt eine Einlage von 37 Thlr. Für 7011 gestorbene Versicherte wurden wäh- rend des vorigen Jahres Erbschaften im Belaufe von 6,090,974 Thlr. ausgezahlt, so daß sich im Durchschnitt jede derselben auf 869 Thlr. belief. * Schulwesen. Jn der Rheinprovinz wird sehr über den Mangel an Elementarlehrern geklagt. Die Zahl der jungen Leute, welche sich auf das Elementar=Schulamt vorbereiten, nimmt von Jahr zu Jahr ab; jährlich fehlen 103 Lehrer. Um dem Mangel abzu- helfen wurde die Errichtung von tüchtigen Präparandenschulen, wie solche schon vielfach und mit Erfolg bestehen, empfohlen. Dieses ist ein Quacksalbermittel; will man das Uebel von Grund aus kuriren, so muß man die Schullehrer besser besolden, dann kommen sie von selbst, und man braucht sie nicht durch Präparandenschulen zu pressen, wie man dies mit Matrosen zu thun pflegt. -- Zur Organisation des Volksschulwesens im Elsaß ist, sicherem Vernehmen der „Neuw. Ztg.“ nach, Seminardirektor Schollen- bruch aus Neuwied von der preußischen Regierung auf unbestimmte Zeit nach Straßburg beordert worden. * Universitätswesen. Man schreibt aus Heidelberg: Mit den Wintervorlesungen an hiesiger Universität wird es schlimm aus- sehen. Zu der ersten Jmmatrikulation haben sich nur 60 Studirende angemeldet und im Ganzen sind deren nur wenige über 100 dort anwesend, obgleich die Vorlesungen schon zu Anfang der vorigen Woche hätten beginnen sollen. Viele Professoren werden wegen Mangel an Zuhörern gar nicht, andere nur vor Einzelnen lesen können. * Frauenbildung. Jn Prag hat sich ein Konsortium von Professoren der Polytechnik und des Gymnasiums zur Errichtung eines Gymnasiums für Mädchen gebildet. -- Vor dem Obergericht in New=York, als Appellations- instanz, schwebt die Frage, ob Frauen als Advokaten zuzulassen seien; das Gericht von Jllinois hatte darin gegen eine Mrs. Bradwell entschieden. -- Die republikanische Konvention von Massachusetts hat sich gegen das Stimmrecht der Frauen ausgesprochen. * Mittelrheinischer Fabrikanten=Verein. Der Mittelrheinische Fabrikanten=Verein hat den Beschluß gefaßt, zur gründlichen Erör- terung der wirthschaftlichen Seite einer Annexion von Elsaß und Lothringen eine Versammlung aller interessirten deutschen Jndustriellen in eine passend gelegene Stadt -- etwa Mannheim -- zu berufen. Diese Versammlung will zunächst nur die zwischen der deutschen und der elsässischen Jndustrie obwaltenden Beziehungen zur Erörterung bringen. * Arbeiter=Angelegenheiten. Die sämmtlichen Güterbodenar- beiter der niederschlesisch=märkischen Eisenbahn in Berlin haben die Arbeit eingestellt. Um Stockungen im Geschäftsbetrieb zu vermeiden, sind vorläufig Mannschaften der Berliner Garnison gegen einen Tage- lohn von17 1 / 2 Sgr. requririt worden. -- Der Ausstand der Kohlenarbeiter Thorncliffe's, der fast 1 1 / 2 Jahre dauerte und mit einer Niederlage der Arbeiter endete, soll denselben 20,000 Ls. gekostet haben. Was hätte man damit zum dauernden Wohle der Leute machen können! * Deutsche in Amerika. Jn der deutschen Presse Nordamerikas hat sich ein lebhafter Streit über eine Aeußerung Friedr. Kapp's erhoben, daß die Deutschen in den Vereinigten Staaten keine Zukunft hätten, sondern daß es ihre Bestimmung sei, in der englischen Nation spurlos auf= d. h. unterzugehen. Kapp wird ein Amerikaflüchtiger genannt, der zu sehr in einseitiger Anschauung befangen sei: die Deutschen in Amerika seien im Gegentheil bestimmt das Hauptele- ment der amerikanischen Nation zu bilden, wie die raschere Vermeh- rung derselben beweise. * Kriegskosten. Der Magistrat von Naumburg hat dem Ma- gistrat zu Berlin mitgetheilt, daß bei ihm in Anregung gekommen sei, ob die städtischen Verwaltungen nicht alle die ihren Gemeinden durch den Krieg erwachsenen Kosten zusammenstellen sollen, damit sie bei Festsetzung der Kriegskosten=Entschädigung, welche von Frankreich gezahlt werden soll, in Betracht gezogen werden können. Allerdings würde manche Stadt und namentlich Berlin eine sehr beträchtliche Summe zu liquidiren haben. Dieser Tage haben die Stadtverord- neten wieder 100,000 Thlr. zur Unterstützung der bedürftigen Frauen der Reservisten und Landwehrmänner ausgesetzt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0705_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0705_1870/3
Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 705. Frankfurt a. M., 5. November 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0705_1870/3>, abgerufen am 27.11.2024.