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Der Arbeitgeber. Nr. 701. Frankfurt a. M., 8. Oktober 1870.

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Der "Arbeitgeber" erscheint
wöchentlich,
die "Patentliste" monatlich.
Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen
3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr.,
bei allen übrigen deutschen
Postämtern 2 fl. 55 kr. od.
1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die
dreispaltige Petitzeile od. deren
Raum 6 kr. Der Betrag wird
durch Postnachnahme erhoben.
Kleine Beträge können durch
Briefmarken ausgeglichen
werden.
Red. des "Arbeitgeber",
Gallusgasse 9.
in Frankfurt a. M.

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Der
Arbeitgeber.
Archiv für die gesammte Volkswirthschaft,
Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche.
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Bestellungen werden von allen
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gen, von letzteren auch Jnse-
rate
jederzeit angenommen.
Briefe werden franco erbeten.
Das Patent= u. Maschinen-
Geschäft des "Arbeitgeber"
übernimmt die Ausführung
neuer Erfindungen, vermit-
telt den Ankauf ( zum Fabrik-
preis ) und Verkauf von Ma-
schinen aller Art, es besorgt
Patente für alle Länder und
übernimmt deren Ver-
werthung.

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Nro 701.
Usingen bei
Frankfurt a. M., 8. Oktober
1870.


[Beginn Spaltensatz]
Arbeitvermittlung.
II.

P. B. Kommen wir nun zur Vermittlung von Arbeit in den
einzelnen Geschäftszweigen.

Die ständige Klage unserer Landwirthe ist Mangel an Ar-
beitern. Welchen Landwirthen fehlen sie? Den kleinen Bauern,
die mit Weib und Kind selbst arbeiten, meistens nicht, da diese über-
haupt weniger Taglöhner gebrauchen. Sie fehlen dem reicheren
Bauer, dessen eigene Arbeitskräfte nicht im Verhältniß zu der Arbeit
auf seinen Feldern stehen; ferner den sogenannten Manschettenbauern,
in der Regel vermögende und mehr oder weniger gebildete Besitzer
kleiner Bauerngüter, die wohl selbst in der Hauptsache mit Hand
anlegen, allein deren Kinder, Verwandte ec. für andere Berufsarten
vorbereitet werden; hauptsächlich aber fehlen sie den größeren und
großen Landwirthen. Trotz diesem offenbaren Mangel ist die Ver-
mittlung von landwirthschaftlichen Arbeitern noch gering; und nur
die allerneueste Zeit hat darin etwas größere Anstrengungen gemacht,
durch die Einführung schwedischer Dienstboten für Landwirthe. Wie
ist hier, bei offenbarem Arbeitermangel überhaupt für landwirthschaft-
liche Zwecke, abzuhelfen? Auf den ersten Blick scheint guter Rath
sehr theuer zu sein; allein er scheint es auch nur, es kostet nicht
allzuviel Ueberlegung, um guten Rath zu finden. Man hat allerlei
Palliativmittel empfohlen, um dem Uebel zu steuern, so unter an-
derem die Anschaffung von Maschinen, die Verwendung von Jndustrie-
arbeitern, welche augenblicklich nicht beschäftigt sind ec. Allein es
waren und sind dieses nur Palliativmittel, sie können nicht von
Grund aus helfen. Die Anschaffung landwirthschaftlicher Maschinen
ist allerdings sehr zu empfehlen, und brauchen wir darüber kein
Wort mehr zu verlieren; allein die Maschinen genügen nicht,
sie sind nicht im Stande den gegenwärtigen Arbeitermangel allein
zu heben. Was die Verwendung von Jndustriearbeitern betrifft,
die augenblicklich beschäftigungslos, so hat sich dieselbe nirgends be-
währt. Jndustriearbeit und Feldarbeit sind zwei zu grundverschiedene
Dinge, um für dieselbe Hand zu passen; außerdem bleiben diese
Leute nur so lange der Landwirthschaft zur Verfügung bis
ihre Jndustrie wieder geht. Wie ist da zu helfen? Die Nachfrage
ist eine Massennachfrage, das Angebot muß daher ein Massenangebot
sein. Das letztere kann auf zwei Wegen beschafft werden, entweder
durch Einwanderung geeigneter Arbeiter aus fremden Ländem,
oder aber durch Einwanderung von Arbeitskräften aus armen
Gegenden in reiche Gegenden, und zwar innerhalb der Grenzen des
eigenen Landes, also innerhalb der Grenzen Deutschlands. Jn beiden
Fällen kommt es darauf an die für die deutsche Landwirthschaft ge-
eigneten Kräfte ausfindig zu machen. Vorhanden sind sie,
dies können wir jetzt schon sagen, und darin liegt die Bürgschaft,
daß dem Uebel zu steuern ist; die Arbeitskräfte sind nur richtig zu
translociren und das Bedürfniß ist befriedigt.

Die Einführung schwedischer Dienstboten von außen ist nichts
anderes als eine Arbeitvermittlung von einem Land zum andern.
So viel uns bekannt, ist diese Einführung geglückt, und dürfte dies
daher ermuntern, auf dem angebahnten Weg weiter zu gehen. Da-
gegen ist noch wenig geschehen um solche Wanderungen oder besser
Versetzungen im innern Land richtig einzuleiten. Die spora-
dischen Wanderungen der Eichsfelder, Lipper, Fulder, Odenwälder ec.
die sich jedes Jahr nur auf gewisse Zeiten den Landwirthen zur
Verfügung stellen, und dann wieder heimkehren, genügen nicht. Die
[Spaltenumbruch] Landwirthschaft verlangt angesessene Arbeiter, vollständig einge-
wanderte Arbeiter, die ihren Wohnsitz fest und dauernd auf ihren
Gütern, in ihren Dörfern nehmen. Und hier fehlts. Daß diese
Auswanderung der landwirthschaftlichen Bevölkerung innerhalb der
Grenzen unseres Vaterlandes noch so wenig oder selten stattfindet,
hat unserer Ansicht nach zwei Ursachen. Erstens sitzt der landw.
Taglöhner fester, er ist durch ein, wenn auch verschuldetes, Häuschen,
oder ein Paar verschuldete Aeckerchen an seine Heimath gebunden;
diese muß er erst verkaufen, gut los werden, ehe er weiter kann,
während der Städter, der Jndustriearbeiter seinen Ranzen schnürt,
seine Koffer packt und höchstens entbehrlichen Krempel rasch veräußert
und weiter zieht. Dann ist das Heimathgefühl bei der ländlichen
Bevölkerung viel stärker als bei der städtischen. Und doch entschließt
sie sich zur Auswanderung nach Amerika, warum nicht nach einer
benachbarten oder entfernter liegenden Provinz? Weil den Leuten einmal
das Wort Freizügigkeit noch nicht zu Fleisch und Blut geworden
ist, und weil für die Auswanderung nach den Vereinigten Staaten
ganze Regimenter von Agenten und Agentchen arbeiten, für die Ein-
wanderung in irgend eine Provinz aber -- Niemand. Der schwäbische
Taglöhner, der arme Schwarzwälder, der Mann von der Rhön ec.
sie alle wissen, daß es keine so große Schwierigkeiten macht nach
Amerika zu gehen, die größte ist der Schmerz, den das Heimweh
verursacht; daß Auswanderung erlaubt ist und sich drüben besser leben
läßt; sie kennen sogar genau alle Formalitäten, die sie zu erfüllen haben,
wenn sie nach Amerika gehen wollen; allein daß sie viel leichter nach
Rheinhessen z. B. auswandern können, und daselbst ebenfalls und
sichere Arbeit, ohne zu großes Risiko, erhalten können -- daran haben
sie und wahrscheinlich auch andere Leute nicht gedacht.

Es ist aber jetzt Zeit daran zu denken, wenn dem Uebel gesteuert
werden soll. Die Tausende von deutschen Auswanderern, welche meist
mit kräftigen Armen nach Amerika ziehen, sind für Deutschland ver-
loren, und diese Auswanderung ist gegenüber dem offenbaren Mangel
an Arbeitkräften in Deutschland selbst geradezu ein Hohn auf den
gesunden Menschenverstand, ein Zeichen von erschrecklicher Kurzsichtig-
keit oder gar Blindheit. Es mag ja wahr sein, daß die auswan-
dernden Leute, an der Stelle wo sie eben saßen, ein schlechtes
Auskommen hatten; aber ist es darum nöthig, gerade nach Amerika
zu gehen, um eine Stelle zu finden, wo es ihnen besser geht? Gibt
es im eigenen Vaterland nicht noch andere Wo's? Ja wohl gibt
es deren, die Klagen über Mangel an landw. Arbeitern wären ja
sonst nicht vorhanden. Die Auswanderung unserer Taglöhner
ist daher schlecht geleitet.
Darin liegt's. Der Strom dürfte
nicht aus dem Lande geführt, sondern müßte in kleinen Flüssen in die
arbeitmangelnden Distrikte Deutschlands geleitet werden. Von selbst
thut er dies nicht; er bedarf zu dieser Arbeit vielmehr Pioniere,
guter Jngenieure und praktischer Volkswirthe, die das Bett des großen
Stromes abgraben und in die richtigen kleinen Flußbette hinein
führen. Hier ist ganz besonders Arbeit für landwirthschaftl. Vereine
durch Anstellung von sachverständigen Einwanderungsagenten. Und
zwar geschäftlich muß die Sache angepackt werden, wie es die Ameri-
kaner thun; organisirte Agenturen müssen errichtet werden, und wenn
es richtig gemacht ist, muß die ganze auswandernde Taglöhnerbevöl-
kerung erst dieses Sieb der für die deutsche Landwirthschaft arbeiten-
den Agenten passiren. Was durch die Masche geht, mag als Schiffs-
fracht nach Amerika dienen. Das Hemd ist näher als der Rock;
aber so müssen beide denken, Gutsbesitzer und Taglöhner, und daß
hauptsächlich letztere so denken, dafür müssen Agitationen sorgen; sie
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II.

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einzelnen Geschäftszweigen.

Die ständige Klage unserer Landwirthe ist Mangel an Ar-
beitern. Welchen Landwirthen fehlen sie? Den kleinen Bauern,
die mit Weib und Kind selbst arbeiten, meistens nicht, da diese über-
haupt weniger Taglöhner gebrauchen. Sie fehlen dem reicheren
Bauer, dessen eigene Arbeitskräfte nicht im Verhältniß zu der Arbeit
auf seinen Feldern stehen; ferner den sogenannten Manschettenbauern,
in der Regel vermögende und mehr oder weniger gebildete Besitzer
kleiner Bauerngüter, die wohl selbst in der Hauptsache mit Hand
anlegen, allein deren Kinder, Verwandte ec. für andere Berufsarten
vorbereitet werden; hauptsächlich aber fehlen sie den größeren und
großen Landwirthen. Trotz diesem offenbaren Mangel ist die Ver-
mittlung von landwirthschaftlichen Arbeitern noch gering; und nur
die allerneueste Zeit hat darin etwas größere Anstrengungen gemacht,
durch die Einführung schwedischer Dienstboten für Landwirthe. Wie
ist hier, bei offenbarem Arbeitermangel überhaupt für landwirthschaft-
liche Zwecke, abzuhelfen? Auf den ersten Blick scheint guter Rath
sehr theuer zu sein; allein er scheint es auch nur, es kostet nicht
allzuviel Ueberlegung, um guten Rath zu finden. Man hat allerlei
Palliativmittel empfohlen, um dem Uebel zu steuern, so unter an-
derem die Anschaffung von Maschinen, die Verwendung von Jndustrie-
arbeitern, welche augenblicklich nicht beschäftigt sind ec. Allein es
waren und sind dieses nur Palliativmittel, sie können nicht von
Grund aus helfen. Die Anschaffung landwirthschaftlicher Maschinen
ist allerdings sehr zu empfehlen, und brauchen wir darüber kein
Wort mehr zu verlieren; allein die Maschinen genügen nicht,
sie sind nicht im Stande den gegenwärtigen Arbeitermangel allein
zu heben. Was die Verwendung von Jndustriearbeitern betrifft,
die augenblicklich beschäftigungslos, so hat sich dieselbe nirgends be-
währt. Jndustriearbeit und Feldarbeit sind zwei zu grundverschiedene
Dinge, um für dieselbe Hand zu passen; außerdem bleiben diese
Leute nur so lange der Landwirthschaft zur Verfügung bis
ihre Jndustrie wieder geht. Wie ist da zu helfen? Die Nachfrage
ist eine Massennachfrage, das Angebot muß daher ein Massenangebot
sein. Das letztere kann auf zwei Wegen beschafft werden, entweder
durch Einwanderung geeigneter Arbeiter aus fremden Ländem,
oder aber durch Einwanderung von Arbeitskräften aus armen
Gegenden in reiche Gegenden, und zwar innerhalb der Grenzen des
eigenen Landes, also innerhalb der Grenzen Deutschlands. Jn beiden
Fällen kommt es darauf an die für die deutsche Landwirthschaft ge-
eigneten Kräfte ausfindig zu machen. Vorhanden sind sie,
dies können wir jetzt schon sagen, und darin liegt die Bürgschaft,
daß dem Uebel zu steuern ist; die Arbeitskräfte sind nur richtig zu
translociren und das Bedürfniß ist befriedigt.

Die Einführung schwedischer Dienstboten von außen ist nichts
anderes als eine Arbeitvermittlung von einem Land zum andern.
So viel uns bekannt, ist diese Einführung geglückt, und dürfte dies
daher ermuntern, auf dem angebahnten Weg weiter zu gehen. Da-
gegen ist noch wenig geschehen um solche Wanderungen oder besser
Versetzungen im innern Land richtig einzuleiten. Die spora-
dischen Wanderungen der Eichsfelder, Lipper, Fulder, Odenwälder ec.
die sich jedes Jahr nur auf gewisse Zeiten den Landwirthen zur
Verfügung stellen, und dann wieder heimkehren, genügen nicht. Die
[Spaltenumbruch] Landwirthschaft verlangt angesessene Arbeiter, vollständig einge-
wanderte Arbeiter, die ihren Wohnsitz fest und dauernd auf ihren
Gütern, in ihren Dörfern nehmen. Und hier fehlts. Daß diese
Auswanderung der landwirthschaftlichen Bevölkerung innerhalb der
Grenzen unseres Vaterlandes noch so wenig oder selten stattfindet,
hat unserer Ansicht nach zwei Ursachen. Erstens sitzt der landw.
Taglöhner fester, er ist durch ein, wenn auch verschuldetes, Häuschen,
oder ein Paar verschuldete Aeckerchen an seine Heimath gebunden;
diese muß er erst verkaufen, gut los werden, ehe er weiter kann,
während der Städter, der Jndustriearbeiter seinen Ranzen schnürt,
seine Koffer packt und höchstens entbehrlichen Krempel rasch veräußert
und weiter zieht. Dann ist das Heimathgefühl bei der ländlichen
Bevölkerung viel stärker als bei der städtischen. Und doch entschließt
sie sich zur Auswanderung nach Amerika, warum nicht nach einer
benachbarten oder entfernter liegenden Provinz? Weil den Leuten einmal
das Wort Freizügigkeit noch nicht zu Fleisch und Blut geworden
ist, und weil für die Auswanderung nach den Vereinigten Staaten
ganze Regimenter von Agenten und Agentchen arbeiten, für die Ein-
wanderung in irgend eine Provinz aber -- Niemand. Der schwäbische
Taglöhner, der arme Schwarzwälder, der Mann von der Rhön ec.
sie alle wissen, daß es keine so große Schwierigkeiten macht nach
Amerika zu gehen, die größte ist der Schmerz, den das Heimweh
verursacht; daß Auswanderung erlaubt ist und sich drüben besser leben
läßt; sie kennen sogar genau alle Formalitäten, die sie zu erfüllen haben,
wenn sie nach Amerika gehen wollen; allein daß sie viel leichter nach
Rheinhessen z. B. auswandern können, und daselbst ebenfalls und
sichere Arbeit, ohne zu großes Risiko, erhalten können -- daran haben
sie und wahrscheinlich auch andere Leute nicht gedacht.

Es ist aber jetzt Zeit daran zu denken, wenn dem Uebel gesteuert
werden soll. Die Tausende von deutschen Auswanderern, welche meist
mit kräftigen Armen nach Amerika ziehen, sind für Deutschland ver-
loren, und diese Auswanderung ist gegenüber dem offenbaren Mangel
an Arbeitkräften in Deutschland selbst geradezu ein Hohn auf den
gesunden Menschenverstand, ein Zeichen von erschrecklicher Kurzsichtig-
keit oder gar Blindheit. Es mag ja wahr sein, daß die auswan-
dernden Leute, an der Stelle wo sie eben saßen, ein schlechtes
Auskommen hatten; aber ist es darum nöthig, gerade nach Amerika
zu gehen, um eine Stelle zu finden, wo es ihnen besser geht? Gibt
es im eigenen Vaterland nicht noch andere Wo's? Ja wohl gibt
es deren, die Klagen über Mangel an landw. Arbeitern wären ja
sonst nicht vorhanden. Die Auswanderung unserer Taglöhner
ist daher schlecht geleitet.
Darin liegt's. Der Strom dürfte
nicht aus dem Lande geführt, sondern müßte in kleinen Flüssen in die
arbeitmangelnden Distrikte Deutschlands geleitet werden. Von selbst
thut er dies nicht; er bedarf zu dieser Arbeit vielmehr Pioniere,
guter Jngenieure und praktischer Volkswirthe, die das Bett des großen
Stromes abgraben und in die richtigen kleinen Flußbette hinein
führen. Hier ist ganz besonders Arbeit für landwirthschaftl. Vereine
durch Anstellung von sachverständigen Einwanderungsagenten. Und
zwar geschäftlich muß die Sache angepackt werden, wie es die Ameri-
kaner thun; organisirte Agenturen müssen errichtet werden, und wenn
es richtig gemacht ist, muß die ganze auswandernde Taglöhnerbevöl-
kerung erst dieses Sieb der für die deutsche Landwirthschaft arbeiten-
den Agenten passiren. Was durch die Masche geht, mag als Schiffs-
fracht nach Amerika dienen. Das Hemd ist näher als der Rock;
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[0001] Der „Arbeitgeber“ erscheint wöchentlich, die „Patentliste“ monatlich. Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen 3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr., bei allen übrigen deutschen Postämtern 2 fl. 55 kr. od. 1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die dreispaltige Petitzeile od. deren Raum 6 kr. Der Betrag wird durch Postnachnahme erhoben. Kleine Beträge können durch Briefmarken ausgeglichen werden. Red. des „Arbeitgeber“, Gallusgasse 9. in Frankfurt a. M. Der Arbeitgeber. Archiv für die gesammte Volkswirthschaft, Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche. Bestellungen werden von allen Postämtern u. Buchhandlun- gen, von letzteren auch Jnse- rate jederzeit angenommen. Briefe werden franco erbeten. Das Patent= u. Maschinen- Geschäft des „Arbeitgeber“ übernimmt die Ausführung neuer Erfindungen, vermit- telt den Ankauf ( zum Fabrik- preis ) und Verkauf von Ma- schinen aller Art, es besorgt Patente für alle Länder und übernimmt deren Ver- werthung. Nro 701. Usingen bei Frankfurt a. M., 8. Oktober 1870. Arbeitvermittlung. II. P. B. Kommen wir nun zur Vermittlung von Arbeit in den einzelnen Geschäftszweigen. Die ständige Klage unserer Landwirthe ist Mangel an Ar- beitern. Welchen Landwirthen fehlen sie? Den kleinen Bauern, die mit Weib und Kind selbst arbeiten, meistens nicht, da diese über- haupt weniger Taglöhner gebrauchen. Sie fehlen dem reicheren Bauer, dessen eigene Arbeitskräfte nicht im Verhältniß zu der Arbeit auf seinen Feldern stehen; ferner den sogenannten Manschettenbauern, in der Regel vermögende und mehr oder weniger gebildete Besitzer kleiner Bauerngüter, die wohl selbst in der Hauptsache mit Hand anlegen, allein deren Kinder, Verwandte ec. für andere Berufsarten vorbereitet werden; hauptsächlich aber fehlen sie den größeren und großen Landwirthen. Trotz diesem offenbaren Mangel ist die Ver- mittlung von landwirthschaftlichen Arbeitern noch gering; und nur die allerneueste Zeit hat darin etwas größere Anstrengungen gemacht, durch die Einführung schwedischer Dienstboten für Landwirthe. Wie ist hier, bei offenbarem Arbeitermangel überhaupt für landwirthschaft- liche Zwecke, abzuhelfen? Auf den ersten Blick scheint guter Rath sehr theuer zu sein; allein er scheint es auch nur, es kostet nicht allzuviel Ueberlegung, um guten Rath zu finden. Man hat allerlei Palliativmittel empfohlen, um dem Uebel zu steuern, so unter an- derem die Anschaffung von Maschinen, die Verwendung von Jndustrie- arbeitern, welche augenblicklich nicht beschäftigt sind ec. Allein es waren und sind dieses nur Palliativmittel, sie können nicht von Grund aus helfen. Die Anschaffung landwirthschaftlicher Maschinen ist allerdings sehr zu empfehlen, und brauchen wir darüber kein Wort mehr zu verlieren; allein die Maschinen genügen nicht, sie sind nicht im Stande den gegenwärtigen Arbeitermangel allein zu heben. Was die Verwendung von Jndustriearbeitern betrifft, die augenblicklich beschäftigungslos, so hat sich dieselbe nirgends be- währt. Jndustriearbeit und Feldarbeit sind zwei zu grundverschiedene Dinge, um für dieselbe Hand zu passen; außerdem bleiben diese Leute nur so lange der Landwirthschaft zur Verfügung bis ihre Jndustrie wieder geht. Wie ist da zu helfen? Die Nachfrage ist eine Massennachfrage, das Angebot muß daher ein Massenangebot sein. Das letztere kann auf zwei Wegen beschafft werden, entweder durch Einwanderung geeigneter Arbeiter aus fremden Ländem, oder aber durch Einwanderung von Arbeitskräften aus armen Gegenden in reiche Gegenden, und zwar innerhalb der Grenzen des eigenen Landes, also innerhalb der Grenzen Deutschlands. Jn beiden Fällen kommt es darauf an die für die deutsche Landwirthschaft ge- eigneten Kräfte ausfindig zu machen. Vorhanden sind sie, dies können wir jetzt schon sagen, und darin liegt die Bürgschaft, daß dem Uebel zu steuern ist; die Arbeitskräfte sind nur richtig zu translociren und das Bedürfniß ist befriedigt. Die Einführung schwedischer Dienstboten von außen ist nichts anderes als eine Arbeitvermittlung von einem Land zum andern. So viel uns bekannt, ist diese Einführung geglückt, und dürfte dies daher ermuntern, auf dem angebahnten Weg weiter zu gehen. Da- gegen ist noch wenig geschehen um solche Wanderungen oder besser Versetzungen im innern Land richtig einzuleiten. Die spora- dischen Wanderungen der Eichsfelder, Lipper, Fulder, Odenwälder ec. die sich jedes Jahr nur auf gewisse Zeiten den Landwirthen zur Verfügung stellen, und dann wieder heimkehren, genügen nicht. Die Landwirthschaft verlangt angesessene Arbeiter, vollständig einge- wanderte Arbeiter, die ihren Wohnsitz fest und dauernd auf ihren Gütern, in ihren Dörfern nehmen. Und hier fehlts. Daß diese Auswanderung der landwirthschaftlichen Bevölkerung innerhalb der Grenzen unseres Vaterlandes noch so wenig oder selten stattfindet, hat unserer Ansicht nach zwei Ursachen. Erstens sitzt der landw. Taglöhner fester, er ist durch ein, wenn auch verschuldetes, Häuschen, oder ein Paar verschuldete Aeckerchen an seine Heimath gebunden; diese muß er erst verkaufen, gut los werden, ehe er weiter kann, während der Städter, der Jndustriearbeiter seinen Ranzen schnürt, seine Koffer packt und höchstens entbehrlichen Krempel rasch veräußert und weiter zieht. Dann ist das Heimathgefühl bei der ländlichen Bevölkerung viel stärker als bei der städtischen. Und doch entschließt sie sich zur Auswanderung nach Amerika, warum nicht nach einer benachbarten oder entfernter liegenden Provinz? Weil den Leuten einmal das Wort Freizügigkeit noch nicht zu Fleisch und Blut geworden ist, und weil für die Auswanderung nach den Vereinigten Staaten ganze Regimenter von Agenten und Agentchen arbeiten, für die Ein- wanderung in irgend eine Provinz aber -- Niemand. Der schwäbische Taglöhner, der arme Schwarzwälder, der Mann von der Rhön ec. sie alle wissen, daß es keine so große Schwierigkeiten macht nach Amerika zu gehen, die größte ist der Schmerz, den das Heimweh verursacht; daß Auswanderung erlaubt ist und sich drüben besser leben läßt; sie kennen sogar genau alle Formalitäten, die sie zu erfüllen haben, wenn sie nach Amerika gehen wollen; allein daß sie viel leichter nach Rheinhessen z. B. auswandern können, und daselbst ebenfalls und sichere Arbeit, ohne zu großes Risiko, erhalten können -- daran haben sie und wahrscheinlich auch andere Leute nicht gedacht. Es ist aber jetzt Zeit daran zu denken, wenn dem Uebel gesteuert werden soll. Die Tausende von deutschen Auswanderern, welche meist mit kräftigen Armen nach Amerika ziehen, sind für Deutschland ver- loren, und diese Auswanderung ist gegenüber dem offenbaren Mangel an Arbeitkräften in Deutschland selbst geradezu ein Hohn auf den gesunden Menschenverstand, ein Zeichen von erschrecklicher Kurzsichtig- keit oder gar Blindheit. Es mag ja wahr sein, daß die auswan- dernden Leute, an der Stelle wo sie eben saßen, ein schlechtes Auskommen hatten; aber ist es darum nöthig, gerade nach Amerika zu gehen, um eine Stelle zu finden, wo es ihnen besser geht? Gibt es im eigenen Vaterland nicht noch andere Wo's? Ja wohl gibt es deren, die Klagen über Mangel an landw. Arbeitern wären ja sonst nicht vorhanden. Die Auswanderung unserer Taglöhner ist daher schlecht geleitet. Darin liegt's. Der Strom dürfte nicht aus dem Lande geführt, sondern müßte in kleinen Flüssen in die arbeitmangelnden Distrikte Deutschlands geleitet werden. Von selbst thut er dies nicht; er bedarf zu dieser Arbeit vielmehr Pioniere, guter Jngenieure und praktischer Volkswirthe, die das Bett des großen Stromes abgraben und in die richtigen kleinen Flußbette hinein führen. Hier ist ganz besonders Arbeit für landwirthschaftl. Vereine durch Anstellung von sachverständigen Einwanderungsagenten. Und zwar geschäftlich muß die Sache angepackt werden, wie es die Ameri- kaner thun; organisirte Agenturen müssen errichtet werden, und wenn es richtig gemacht ist, muß die ganze auswandernde Taglöhnerbevöl- kerung erst dieses Sieb der für die deutsche Landwirthschaft arbeiten- den Agenten passiren. Was durch die Masche geht, mag als Schiffs- fracht nach Amerika dienen. Das Hemd ist näher als der Rock; aber so müssen beide denken, Gutsbesitzer und Taglöhner, und daß hauptsächlich letztere so denken, dafür müssen Agitationen sorgen; sie

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 701. Frankfurt a. M., 8. Oktober 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0701_1870/1>, abgerufen am 29.03.2024.