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Der Arbeitgeber. Nr. 699. Frankfurt a. M., 24. September 1870.

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[Spaltenumbruch] Die Schule Weihenstephan bei München hat bereits eine derartige
Feuerwehr eingerichtet.

* Arbeiter=Angelegenheiten. Sehr wohlthuend ist es zu lesen,
wie überall die Arbeiter sich selbst Lohnabzüge machen, um die Fa-
milien ihrer Brüder, die im Krieg sind, zu unterstützen. [unleserliches Material - 3 Zeichen fehlen]Das kittet
und wird um so segensreicher wirken, je weiter man das System der
gegenseitigen Hilfe, das ja nichts anderes als eine entwickeltere Form
der Selbsthilfe ist, in Anwendung bringt. Wenn Schulze=Delitzsch
mit seinen großen Erfolgen gar nicht vorhanden wäre, so könnten
wir doch die Arbeiter auf die Juden hinweisen, von denen es ja
bekannt ist, daß sie zusammen halten und sich gegenseitig helfen.
Mit daraus lassen sich ihre finanziellen Erfolge erklären. Jeder Ar-
beiter hat das Recht, sich Vermögen zu erwerben, und eine gut
organisirte Wirthschaft wird ihm dies zu erleichtern suchen; er aber
muß angriffsweise vorgehen, und sein Wahlspruch muß sein: Hilf
dir selbst und helfet Euch untereinander. Dies ist wohl ein sicheres
Mittel, um aus einem Proletarier einen Mann mit Vermögen, wenn
auch vielfach von bescheidenem Umfang, zu machen.

* Arbeitmarkt. Wir machen Erzieherinnen und Lehrerinnen,
sowie Eltern und Schulvorstände darauf aufmerksam, daß der Verein
der Lehrerinnen und Erzieherinnen in Berlin ( Schönhausen 163,
Frl. A. Schmidt ) unentgeltlich Stellen vermittelt.

* Elsaß und Lothringen, soweit sie an Deutschland fallen,
enthalten ungefähr 200 Quadratmeilen mit1 1 / 2 Mill. Einwohner,
nämlich Elsaß 157,2 Quadratmeilen mit 1,190,000 Einw. und
Lothringen zwischen Dietenhofen, Metz, Saarburg und den Vogesen
etwa 400,000 Einw. Der Zollverein wächst dadurch mit Luxem-
burg auf ca. 9800 Quadratmeilen mit 40,200,000 Einwohner und
ganz Deutschland ( mit Deutsch=Oestreich ) auf 48,000,000 Einw.

* Hundesteuer. Jm Großherzogthum Hessen waren im Jahre
1869: 25,152 Hunde vorhanden, für welche 2 fl. und 1509 für
welche 45 kr. Steuer bezahlt wurden per Jahr. Der Gesammtertrag
der Steuer war demnach 51,435 fl. 45 kr. -- Daraus geht hervor,
daß die Luxushunde viel zu schwach besteuert sind. Von dem Futter,
das 25,152 Hunde fressen, ohne irgend einen Ersatz zu geben als
das Vergnügen, könnten einige Tausend Schweine leben, welche jeden-
falls eine wirthschaftlich bessere Verwerthung fänden.

Handel und Verkehr.

* Geldwesen. Die Schweiz hat bekanntlich dasselbe Geld wie
Frankreich; sie ist daher sehr vom französischen Geldmarkt abhängig.
Diese Abhängigkeit hat nun gleich bei Beginn des Krieges große
Nachtheile gebracht. Um sich selbständiger zu machen will nun die
Eidgenossenschaft ihre Münze erweitern, damit dieselbe in den Stand
gesetzt werde schweizerische Gold= und Silbermünzen zu prägen. Seit
1850 hat die Schweiz keine Fünffrankenstücke mehr geprägt, und als
Goldstücke cirkulirten die in Frankreich, Belgien und Jtalien ausge-
prägten Münzen. Das englische Münzgeld in der Schweiz schätzt
man auf 5 Millionen. Dasselbe ist zwar schon seit längerer Zeit
vom Staat tarifirt, allein es hat trotzdem nur schwer Eingang in
den Privatverkehr gefunden. Man beabsichtigt daher dieses Geld in
der Schweiz umzuprägen.

* Banken. Der neueste Ausweis der Frankfurter Bank
zeigt eine Vermehrung des Baarvorrathes um 2,145,100 fl. und der
verschiedenen Aktiven um 355,000 fl., dagegen eine Verminderung
der Diskonten um 1,897,000 fl., des Lombards um 1,018,600 fl.,
der fremden Wechsel um 269,600 fl., der Staatspapiere um 198,700 fl.,
der Banknotencirculation um 122,500 fl. und der Giro=Guthaben
um 946,000 fl. Gleichfalls abgenommen haben die Geld=Depositen
um 220,500 fl. und die umlaufenden Geldscheine um 46,000 fl.
Wie die Ziffern zeigen, ist der Stand der Bank ein überaus gün-
stiger, und zeigt, daß die Physiognomie des Frankfurter Geldmarktes
nach allen Seiten hin befriedigend und gesund ist.

* Darlehenskassen. Die Darlehenskassen des Norddeutschen
Bundes sollen Berliner Blätter zufolge demnächst ihre Thätigkeit
wieder einstellen, da sich herausgestellt hat, daß dieselben nach glück-
licher Wendung des Krieges ziemlich überflüssig geworden sind. Von
den 30 Millionen, die ursprünglich ausgegeben werden sollten, waren
Ende August noch keine 3 Millionen ausgegeben.

[Spaltenumbruch]

* Falsche amerikanische 50 Dollars=Noten. Es cirkuliren in
Nordamerika bedeutende Summen falscher 50 Dollars=Noten, die man
neuerdings auch nach Europa zu bringen sucht. Es ist daher Vor-
sicht in dieser Beziehung geboten.

* Dividenden. Die hessische Ludwigsbahn zahlt für
das laufende Jahr eine Abschlagsdividende von 2 pCt.

* Eisenbahnwesen. Eröffnet wurde die Eisenbahnstrecke Brünn-
Znaim.

* Rheinschifffahrt. Die diesjährige Session der Rheinschifffahrts-
Kommission, welche von den Regierungen sämmtlicher Rhein=Ufer-
staaten beschickt wird, mußte des Krieges wegen auf einen späteren
Termin verschoben werden. Hoffentlich hat schon bei der nächsten
Session Frankreich nicht mehr das Recht als Rhein=Uferstaat sich an
der Kommission zu betheiligen.

* Kreuzbandsendungen. Bisher war es im Norddeutschen Bund
nicht erlaubt Preiscourante per Kreuzband zu versenden, auf welchen
außer den geschriebenen Preisen auch noch geschriebene Angaben über
Skonto und Lieferungsort sich befanden. Nach einem Bescheid des
k. preuß. Obertribunal ist dies jetzt zulässig. Der immerhin wichtige
Bescheid lautet: "Wenn der Absender den Preis seiner Waaren an-
geben darf, so darf er alles Das vermerken, was nöthig ist, um dem
Adressaten erkennbar zu machen, wie viel er für eine bestimmte
Quantität der Waare zu bezahlen hat. Hat der Absender verschie-
dene Preise für verschiedene Fälle, z. B. je nach der Größe der
Quantität oder je nachdem auf Kredit oder gegen Baarzahlung ge-
kauft wird, so enthält die Angabe dieser Modifikation nichts als die
Angabe der Preise. Ebenso gehören aber auch diejenigen Worte,
welche die freie Beförderung der Waaren bis zu einem bestimmten
Orte ausdrücken, lediglich zur Preisbezeichnung, denn sie heben hervor,
daß in dem Preise zugleich die Transportkosten bis zu jenem Orte
enthalten sind, und ohne diese Worte wäre also der Verkaufspreis
nicht in voller Deutlichkeit und Bestimmtheit erkennbar geworden."

Gewerbe.

* Patentwesen. Die meisten wissenschaftlichen Gegner des Patent-
wesens sind es mit, weil ihre Studirstube zu weit von der Praxis
abliegt. Sie gehen daher von Dingen aus oder nehmen Dinge an,
die in der Praxis niemals oder doch selten, wie dies eine theoretische
Annahme eben ist ( trifft sie ists ein Spielgewinn bei 10,000 Loosen ) ,
vorkommen. Aus diesen unrichtigen Voraussetzungen und Annahmen
von geschäftlichen Prozessen, die in Wirklichkeit wenig oder gar nicht
stattfinden, folgen dann ungerechtfertigte Schlüsse.

So sagt Herr Professor Schäffle in seinem höchst empfehlens-
werthen Buch "Kapitalismus und Sozialismus" unter anderm über
Patente auch folgendes: "Wer als Lohnarbeiter etwas besonders
leistet, etwa als Virtuose, bekommt bei vielleicht gleicher oder geringerer
Arbeit das Vierfache des gewöhnlichen Gehaltes; wer als gut rech-
nender Leihkapitalist 6 pCt. Vereinigte Staatenbonds vor 6 Jahren
zum Kurs von 39 erwarb, während dieselben jetzt auf 92 stehen,
hat ein gutes Werthpapier, welches ihm 15 pCt. Leihrente gibt; wer
eine Theuerung gut voraus berechnet, eine bedeutende Erfindung
macht und rasch ausbeutet, wer in Bauplätzen gut spekulirt
gelangt zum Bezug von Extragewinn ec. Und ferner: Jndem Ein-
zelne außergewöhnliches Einkommen erlangen, gewinnt doch das Ganze,
weil die Renten nur in Durchführung des mindesten Kostenwerthes
und in Ermittlung des höchsten Gebrauchswerthes erzielbar sind.
Meist hören sie bald auf; denn die Konkurrenz vermindert den
Rentenbetrag, und der vorübergehende Rentenbezug hat dann vielleicht
dauernden ökonomischen Fortschritt des Ganzen vermittelt. Z. B.
bei neuen Erfindungen, die zuerst rentabel sind, dann aber
allgemein nachgemacht werden.
"

Wie nun, fragen wir, wenn der Erfinder seine Erfindung nicht
rasch ausbeutet?
Herr Schäffle gibt selbst die Antwort darauf:
"meist hören sie ( die Extragewinne ) ganz auf"; der Erfinder hat
den ökonomischen Fortschritt der Menschheit gefördert, sich aber viel-
leicht ruinirt. Kann dann der Erfinder seine Erfindung so rasch aus-
beuten wie der Kaufmann eine Konjunktur? Hier ist der Angel-
punkt, um den sich Alles dreht. Wer nur 14 Tage durch die Praxis
gelaufen ist und sich nur flüchtig umgesehen hat, weiß, daß das

[Spaltenumbruch] Die Schule Weihenstephan bei München hat bereits eine derartige
Feuerwehr eingerichtet.

* Arbeiter=Angelegenheiten. Sehr wohlthuend ist es zu lesen,
wie überall die Arbeiter sich selbst Lohnabzüge machen, um die Fa-
milien ihrer Brüder, die im Krieg sind, zu unterstützen. [unleserliches Material – 3 Zeichen fehlen]Das kittet
und wird um so segensreicher wirken, je weiter man das System der
gegenseitigen Hilfe, das ja nichts anderes als eine entwickeltere Form
der Selbsthilfe ist, in Anwendung bringt. Wenn Schulze=Delitzsch
mit seinen großen Erfolgen gar nicht vorhanden wäre, so könnten
wir doch die Arbeiter auf die Juden hinweisen, von denen es ja
bekannt ist, daß sie zusammen halten und sich gegenseitig helfen.
Mit daraus lassen sich ihre finanziellen Erfolge erklären. Jeder Ar-
beiter hat das Recht, sich Vermögen zu erwerben, und eine gut
organisirte Wirthschaft wird ihm dies zu erleichtern suchen; er aber
muß angriffsweise vorgehen, und sein Wahlspruch muß sein: Hilf
dir selbst und helfet Euch untereinander. Dies ist wohl ein sicheres
Mittel, um aus einem Proletarier einen Mann mit Vermögen, wenn
auch vielfach von bescheidenem Umfang, zu machen.

* Arbeitmarkt. Wir machen Erzieherinnen und Lehrerinnen,
sowie Eltern und Schulvorstände darauf aufmerksam, daß der Verein
der Lehrerinnen und Erzieherinnen in Berlin ( Schönhausen 163,
Frl. A. Schmidt ) unentgeltlich Stellen vermittelt.

* Elsaß und Lothringen, soweit sie an Deutschland fallen,
enthalten ungefähr 200 Quadratmeilen mit1 1 / 2 Mill. Einwohner,
nämlich Elsaß 157,2 Quadratmeilen mit 1,190,000 Einw. und
Lothringen zwischen Dietenhofen, Metz, Saarburg und den Vogesen
etwa 400,000 Einw. Der Zollverein wächst dadurch mit Luxem-
burg auf ca. 9800 Quadratmeilen mit 40,200,000 Einwohner und
ganz Deutschland ( mit Deutsch=Oestreich ) auf 48,000,000 Einw.

* Hundesteuer. Jm Großherzogthum Hessen waren im Jahre
1869: 25,152 Hunde vorhanden, für welche 2 fl. und 1509 für
welche 45 kr. Steuer bezahlt wurden per Jahr. Der Gesammtertrag
der Steuer war demnach 51,435 fl. 45 kr. -- Daraus geht hervor,
daß die Luxushunde viel zu schwach besteuert sind. Von dem Futter,
das 25,152 Hunde fressen, ohne irgend einen Ersatz zu geben als
das Vergnügen, könnten einige Tausend Schweine leben, welche jeden-
falls eine wirthschaftlich bessere Verwerthung fänden.

Handel und Verkehr.

* Geldwesen. Die Schweiz hat bekanntlich dasselbe Geld wie
Frankreich; sie ist daher sehr vom französischen Geldmarkt abhängig.
Diese Abhängigkeit hat nun gleich bei Beginn des Krieges große
Nachtheile gebracht. Um sich selbständiger zu machen will nun die
Eidgenossenschaft ihre Münze erweitern, damit dieselbe in den Stand
gesetzt werde schweizerische Gold= und Silbermünzen zu prägen. Seit
1850 hat die Schweiz keine Fünffrankenstücke mehr geprägt, und als
Goldstücke cirkulirten die in Frankreich, Belgien und Jtalien ausge-
prägten Münzen. Das englische Münzgeld in der Schweiz schätzt
man auf 5 Millionen. Dasselbe ist zwar schon seit längerer Zeit
vom Staat tarifirt, allein es hat trotzdem nur schwer Eingang in
den Privatverkehr gefunden. Man beabsichtigt daher dieses Geld in
der Schweiz umzuprägen.

* Banken. Der neueste Ausweis der Frankfurter Bank
zeigt eine Vermehrung des Baarvorrathes um 2,145,100 fl. und der
verschiedenen Aktiven um 355,000 fl., dagegen eine Verminderung
der Diskonten um 1,897,000 fl., des Lombards um 1,018,600 fl.,
der fremden Wechsel um 269,600 fl., der Staatspapiere um 198,700 fl.,
der Banknotencirculation um 122,500 fl. und der Giro=Guthaben
um 946,000 fl. Gleichfalls abgenommen haben die Geld=Depositen
um 220,500 fl. und die umlaufenden Geldscheine um 46,000 fl.
Wie die Ziffern zeigen, ist der Stand der Bank ein überaus gün-
stiger, und zeigt, daß die Physiognomie des Frankfurter Geldmarktes
nach allen Seiten hin befriedigend und gesund ist.

* Darlehenskassen. Die Darlehenskassen des Norddeutschen
Bundes sollen Berliner Blätter zufolge demnächst ihre Thätigkeit
wieder einstellen, da sich herausgestellt hat, daß dieselben nach glück-
licher Wendung des Krieges ziemlich überflüssig geworden sind. Von
den 30 Millionen, die ursprünglich ausgegeben werden sollten, waren
Ende August noch keine 3 Millionen ausgegeben.

[Spaltenumbruch]

* Falsche amerikanische 50 Dollars=Noten. Es cirkuliren in
Nordamerika bedeutende Summen falscher 50 Dollars=Noten, die man
neuerdings auch nach Europa zu bringen sucht. Es ist daher Vor-
sicht in dieser Beziehung geboten.

* Dividenden. Die hessische Ludwigsbahn zahlt für
das laufende Jahr eine Abschlagsdividende von 2 pCt.

* Eisenbahnwesen. Eröffnet wurde die Eisenbahnstrecke Brünn-
Znaim.

* Rheinschifffahrt. Die diesjährige Session der Rheinschifffahrts-
Kommission, welche von den Regierungen sämmtlicher Rhein=Ufer-
staaten beschickt wird, mußte des Krieges wegen auf einen späteren
Termin verschoben werden. Hoffentlich hat schon bei der nächsten
Session Frankreich nicht mehr das Recht als Rhein=Uferstaat sich an
der Kommission zu betheiligen.

* Kreuzbandsendungen. Bisher war es im Norddeutschen Bund
nicht erlaubt Preiscourante per Kreuzband zu versenden, auf welchen
außer den geschriebenen Preisen auch noch geschriebene Angaben über
Skonto und Lieferungsort sich befanden. Nach einem Bescheid des
k. preuß. Obertribunal ist dies jetzt zulässig. Der immerhin wichtige
Bescheid lautet: „Wenn der Absender den Preis seiner Waaren an-
geben darf, so darf er alles Das vermerken, was nöthig ist, um dem
Adressaten erkennbar zu machen, wie viel er für eine bestimmte
Quantität der Waare zu bezahlen hat. Hat der Absender verschie-
dene Preise für verschiedene Fälle, z. B. je nach der Größe der
Quantität oder je nachdem auf Kredit oder gegen Baarzahlung ge-
kauft wird, so enthält die Angabe dieser Modifikation nichts als die
Angabe der Preise. Ebenso gehören aber auch diejenigen Worte,
welche die freie Beförderung der Waaren bis zu einem bestimmten
Orte ausdrücken, lediglich zur Preisbezeichnung, denn sie heben hervor,
daß in dem Preise zugleich die Transportkosten bis zu jenem Orte
enthalten sind, und ohne diese Worte wäre also der Verkaufspreis
nicht in voller Deutlichkeit und Bestimmtheit erkennbar geworden.“

Gewerbe.

* Patentwesen. Die meisten wissenschaftlichen Gegner des Patent-
wesens sind es mit, weil ihre Studirstube zu weit von der Praxis
abliegt. Sie gehen daher von Dingen aus oder nehmen Dinge an,
die in der Praxis niemals oder doch selten, wie dies eine theoretische
Annahme eben ist ( trifft sie ists ein Spielgewinn bei 10,000 Loosen ) ,
vorkommen. Aus diesen unrichtigen Voraussetzungen und Annahmen
von geschäftlichen Prozessen, die in Wirklichkeit wenig oder gar nicht
stattfinden, folgen dann ungerechtfertigte Schlüsse.

So sagt Herr Professor Schäffle in seinem höchst empfehlens-
werthen Buch „Kapitalismus und Sozialismus“ unter anderm über
Patente auch folgendes: „Wer als Lohnarbeiter etwas besonders
leistet, etwa als Virtuose, bekommt bei vielleicht gleicher oder geringerer
Arbeit das Vierfache des gewöhnlichen Gehaltes; wer als gut rech-
nender Leihkapitalist 6 pCt. Vereinigte Staatenbonds vor 6 Jahren
zum Kurs von 39 erwarb, während dieselben jetzt auf 92 stehen,
hat ein gutes Werthpapier, welches ihm 15 pCt. Leihrente gibt; wer
eine Theuerung gut voraus berechnet, eine bedeutende Erfindung
macht und rasch ausbeutet, wer in Bauplätzen gut spekulirt
gelangt zum Bezug von Extragewinn ec. Und ferner: Jndem Ein-
zelne außergewöhnliches Einkommen erlangen, gewinnt doch das Ganze,
weil die Renten nur in Durchführung des mindesten Kostenwerthes
und in Ermittlung des höchsten Gebrauchswerthes erzielbar sind.
Meist hören sie bald auf; denn die Konkurrenz vermindert den
Rentenbetrag, und der vorübergehende Rentenbezug hat dann vielleicht
dauernden ökonomischen Fortschritt des Ganzen vermittelt. Z. B.
bei neuen Erfindungen, die zuerst rentabel sind, dann aber
allgemein nachgemacht werden.

Wie nun, fragen wir, wenn der Erfinder seine Erfindung nicht
rasch ausbeutet?
Herr Schäffle gibt selbst die Antwort darauf:
„meist hören sie ( die Extragewinne ) ganz auf“; der Erfinder hat
den ökonomischen Fortschritt der Menschheit gefördert, sich aber viel-
leicht ruinirt. Kann dann der Erfinder seine Erfindung so rasch aus-
beuten wie der Kaufmann eine Konjunktur? Hier ist der Angel-
punkt, um den sich Alles dreht. Wer nur 14 Tage durch die Praxis
gelaufen ist und sich nur flüchtig umgesehen hat, weiß, daß das

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[0003] Die Schule Weihenstephan bei München hat bereits eine derartige Feuerwehr eingerichtet. * Arbeiter=Angelegenheiten. Sehr wohlthuend ist es zu lesen, wie überall die Arbeiter sich selbst Lohnabzüge machen, um die Fa- milien ihrer Brüder, die im Krieg sind, zu unterstützen. ___Das kittet und wird um so segensreicher wirken, je weiter man das System der gegenseitigen Hilfe, das ja nichts anderes als eine entwickeltere Form der Selbsthilfe ist, in Anwendung bringt. Wenn Schulze=Delitzsch mit seinen großen Erfolgen gar nicht vorhanden wäre, so könnten wir doch die Arbeiter auf die Juden hinweisen, von denen es ja bekannt ist, daß sie zusammen halten und sich gegenseitig helfen. Mit daraus lassen sich ihre finanziellen Erfolge erklären. Jeder Ar- beiter hat das Recht, sich Vermögen zu erwerben, und eine gut organisirte Wirthschaft wird ihm dies zu erleichtern suchen; er aber muß angriffsweise vorgehen, und sein Wahlspruch muß sein: Hilf dir selbst und helfet Euch untereinander. Dies ist wohl ein sicheres Mittel, um aus einem Proletarier einen Mann mit Vermögen, wenn auch vielfach von bescheidenem Umfang, zu machen. * Arbeitmarkt. Wir machen Erzieherinnen und Lehrerinnen, sowie Eltern und Schulvorstände darauf aufmerksam, daß der Verein der Lehrerinnen und Erzieherinnen in Berlin ( Schönhausen 163, Frl. A. Schmidt ) unentgeltlich Stellen vermittelt. * Elsaß und Lothringen, soweit sie an Deutschland fallen, enthalten ungefähr 200 Quadratmeilen mit1 1 / 2 Mill. Einwohner, nämlich Elsaß 157,2 Quadratmeilen mit 1,190,000 Einw. und Lothringen zwischen Dietenhofen, Metz, Saarburg und den Vogesen etwa 400,000 Einw. Der Zollverein wächst dadurch mit Luxem- burg auf ca. 9800 Quadratmeilen mit 40,200,000 Einwohner und ganz Deutschland ( mit Deutsch=Oestreich ) auf 48,000,000 Einw. * Hundesteuer. Jm Großherzogthum Hessen waren im Jahre 1869: 25,152 Hunde vorhanden, für welche 2 fl. und 1509 für welche 45 kr. Steuer bezahlt wurden per Jahr. Der Gesammtertrag der Steuer war demnach 51,435 fl. 45 kr. -- Daraus geht hervor, daß die Luxushunde viel zu schwach besteuert sind. Von dem Futter, das 25,152 Hunde fressen, ohne irgend einen Ersatz zu geben als das Vergnügen, könnten einige Tausend Schweine leben, welche jeden- falls eine wirthschaftlich bessere Verwerthung fänden. Handel und Verkehr. * Geldwesen. Die Schweiz hat bekanntlich dasselbe Geld wie Frankreich; sie ist daher sehr vom französischen Geldmarkt abhängig. Diese Abhängigkeit hat nun gleich bei Beginn des Krieges große Nachtheile gebracht. Um sich selbständiger zu machen will nun die Eidgenossenschaft ihre Münze erweitern, damit dieselbe in den Stand gesetzt werde schweizerische Gold= und Silbermünzen zu prägen. Seit 1850 hat die Schweiz keine Fünffrankenstücke mehr geprägt, und als Goldstücke cirkulirten die in Frankreich, Belgien und Jtalien ausge- prägten Münzen. Das englische Münzgeld in der Schweiz schätzt man auf 5 Millionen. Dasselbe ist zwar schon seit längerer Zeit vom Staat tarifirt, allein es hat trotzdem nur schwer Eingang in den Privatverkehr gefunden. Man beabsichtigt daher dieses Geld in der Schweiz umzuprägen. * Banken. Der neueste Ausweis der Frankfurter Bank zeigt eine Vermehrung des Baarvorrathes um 2,145,100 fl. und der verschiedenen Aktiven um 355,000 fl., dagegen eine Verminderung der Diskonten um 1,897,000 fl., des Lombards um 1,018,600 fl., der fremden Wechsel um 269,600 fl., der Staatspapiere um 198,700 fl., der Banknotencirculation um 122,500 fl. und der Giro=Guthaben um 946,000 fl. Gleichfalls abgenommen haben die Geld=Depositen um 220,500 fl. und die umlaufenden Geldscheine um 46,000 fl. Wie die Ziffern zeigen, ist der Stand der Bank ein überaus gün- stiger, und zeigt, daß die Physiognomie des Frankfurter Geldmarktes nach allen Seiten hin befriedigend und gesund ist. * Darlehenskassen. Die Darlehenskassen des Norddeutschen Bundes sollen Berliner Blätter zufolge demnächst ihre Thätigkeit wieder einstellen, da sich herausgestellt hat, daß dieselben nach glück- licher Wendung des Krieges ziemlich überflüssig geworden sind. Von den 30 Millionen, die ursprünglich ausgegeben werden sollten, waren Ende August noch keine 3 Millionen ausgegeben. * Falsche amerikanische 50 Dollars=Noten. Es cirkuliren in Nordamerika bedeutende Summen falscher 50 Dollars=Noten, die man neuerdings auch nach Europa zu bringen sucht. Es ist daher Vor- sicht in dieser Beziehung geboten. * Dividenden. Die hessische Ludwigsbahn zahlt für das laufende Jahr eine Abschlagsdividende von 2 pCt. * Eisenbahnwesen. Eröffnet wurde die Eisenbahnstrecke Brünn- Znaim. * Rheinschifffahrt. Die diesjährige Session der Rheinschifffahrts- Kommission, welche von den Regierungen sämmtlicher Rhein=Ufer- staaten beschickt wird, mußte des Krieges wegen auf einen späteren Termin verschoben werden. Hoffentlich hat schon bei der nächsten Session Frankreich nicht mehr das Recht als Rhein=Uferstaat sich an der Kommission zu betheiligen. * Kreuzbandsendungen. Bisher war es im Norddeutschen Bund nicht erlaubt Preiscourante per Kreuzband zu versenden, auf welchen außer den geschriebenen Preisen auch noch geschriebene Angaben über Skonto und Lieferungsort sich befanden. Nach einem Bescheid des k. preuß. Obertribunal ist dies jetzt zulässig. Der immerhin wichtige Bescheid lautet: „Wenn der Absender den Preis seiner Waaren an- geben darf, so darf er alles Das vermerken, was nöthig ist, um dem Adressaten erkennbar zu machen, wie viel er für eine bestimmte Quantität der Waare zu bezahlen hat. Hat der Absender verschie- dene Preise für verschiedene Fälle, z. B. je nach der Größe der Quantität oder je nachdem auf Kredit oder gegen Baarzahlung ge- kauft wird, so enthält die Angabe dieser Modifikation nichts als die Angabe der Preise. Ebenso gehören aber auch diejenigen Worte, welche die freie Beförderung der Waaren bis zu einem bestimmten Orte ausdrücken, lediglich zur Preisbezeichnung, denn sie heben hervor, daß in dem Preise zugleich die Transportkosten bis zu jenem Orte enthalten sind, und ohne diese Worte wäre also der Verkaufspreis nicht in voller Deutlichkeit und Bestimmtheit erkennbar geworden.“ Gewerbe. * Patentwesen. Die meisten wissenschaftlichen Gegner des Patent- wesens sind es mit, weil ihre Studirstube zu weit von der Praxis abliegt. Sie gehen daher von Dingen aus oder nehmen Dinge an, die in der Praxis niemals oder doch selten, wie dies eine theoretische Annahme eben ist ( trifft sie ists ein Spielgewinn bei 10,000 Loosen ) , vorkommen. Aus diesen unrichtigen Voraussetzungen und Annahmen von geschäftlichen Prozessen, die in Wirklichkeit wenig oder gar nicht stattfinden, folgen dann ungerechtfertigte Schlüsse. So sagt Herr Professor Schäffle in seinem höchst empfehlens- werthen Buch „Kapitalismus und Sozialismus“ unter anderm über Patente auch folgendes: „Wer als Lohnarbeiter etwas besonders leistet, etwa als Virtuose, bekommt bei vielleicht gleicher oder geringerer Arbeit das Vierfache des gewöhnlichen Gehaltes; wer als gut rech- nender Leihkapitalist 6 pCt. Vereinigte Staatenbonds vor 6 Jahren zum Kurs von 39 erwarb, während dieselben jetzt auf 92 stehen, hat ein gutes Werthpapier, welches ihm 15 pCt. Leihrente gibt; wer eine Theuerung gut voraus berechnet, eine bedeutende Erfindung macht und rasch ausbeutet, wer in Bauplätzen gut spekulirt gelangt zum Bezug von Extragewinn ec. Und ferner: Jndem Ein- zelne außergewöhnliches Einkommen erlangen, gewinnt doch das Ganze, weil die Renten nur in Durchführung des mindesten Kostenwerthes und in Ermittlung des höchsten Gebrauchswerthes erzielbar sind. Meist hören sie bald auf; denn die Konkurrenz vermindert den Rentenbetrag, und der vorübergehende Rentenbezug hat dann vielleicht dauernden ökonomischen Fortschritt des Ganzen vermittelt. Z. B. bei neuen Erfindungen, die zuerst rentabel sind, dann aber allgemein nachgemacht werden. “ Wie nun, fragen wir, wenn der Erfinder seine Erfindung nicht rasch ausbeutet? Herr Schäffle gibt selbst die Antwort darauf: „meist hören sie ( die Extragewinne ) ganz auf“; der Erfinder hat den ökonomischen Fortschritt der Menschheit gefördert, sich aber viel- leicht ruinirt. Kann dann der Erfinder seine Erfindung so rasch aus- beuten wie der Kaufmann eine Konjunktur? Hier ist der Angel- punkt, um den sich Alles dreht. Wer nur 14 Tage durch die Praxis gelaufen ist und sich nur flüchtig umgesehen hat, weiß, daß das

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 699. Frankfurt a. M., 24. September 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0699_1870/3>, abgerufen am 29.03.2024.