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Der Arbeitgeber. Nr. 698. Frankfurt a. M., 17. September 1870.

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Der "Arbeitgeber" erscheint
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die "Patentliste" monatlich.
Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen
3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr.,
bei allen übrigen deutschen
Postämtern 2 fl. 55 kr. od.
1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die
dreispaltige Petitzeile od. deren
Raum 6 kr. Der Betrag wird
durch Postnachnahme erhoben.
Kleine Beträge können durch
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werden.
Red. des "Arbeitgeber",
Gallusgasse 9.
in Frankfurt a. M.

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Der
Arbeitgeber.
Archiv für die gesammte Volkswirthschaft,
Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche.
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Bestellungen werden von allen
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gen, von letzteren auch Jnse-
rate
jederzeit angenommen.
Briefe werden franco erbeten.
Das Patent= u. Maschinen-
Geschäft des "Arbeitgeber"
übernimmt die Ausführung
neuer Erfindungen, vermit-
telt den Ankauf ( zum Fabrik-
preis ) und Verkauf von Ma-
schinen aller Art, es besorgt
Patente für alle Länder und
übernimmt deren Ver-
werthung.

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Nro 698.
Usingen bei
Frankfurt a. M., 17. September
1870.


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des "Arbeitgeber" bitten wir möglichst bald einzu-
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den, so bitten wir alle Bestellungen bei der Post zu
machen oder direkt an uns zu richten.

Preis pr. Halbjahr 2 fl. 20 kr., einschließlich Postaufschlag
2 fl. 55 kr. ( 1 Thlr. 20 ) , in Preußen mit Zeitungssteuer 3 fl. 2 kr.



Selbstbesteuerung.

Die Theilnahmlosigkeit unserer Reichen am öffentlichen Leben
und deren knauserhafte Betheiligung an Sammlungen für allgemeine
Zwecke ist schon oft Gegenstand des Tadels gewesen. Es ist in der
That beschämend für unser Nationalgefühl zu sehen, wie erbärmlich
die Gaben unserer reichen Leute bei solchen Gelegenheiten ausfallen;
gerade die jetzige große Zeit, die einen Wendepunkt in der poli-
tischen Entwicklung ganz Europa's bildet, hat davon den sprechend-
sten Beweis geliefert. Vielfache Millionäre haben sich nicht geschämt,
Beiträge zu geben, die mit ihrem Vermögen und dem, was andere
Mitbürger geleistet haben, in keinem Verhältnisse stehen.

Bei anderer Gelegenheit ist schon darauf hingewiesen worden,
daß es bei uns noch nicht Volkssitte ist, bei Sammlungen zu
Zwecken des allgemeinen Wohles freigebig zu sein. Bei Festen und
Zweckessen 5--6 Thlr. für Champagner auszugeben, besinnt sich Nie-
mand, für einen allgemeinen Zweck aber eine gleiche Summe herzu-
geben, hält man für zuviel. Unser Volk ist noch nicht daran gewöhnt,
sich selbst zu besteuern und zu erröthen vor der Beisteuer geringerer
Beträge als sie nach den Vermögensverhältnissen schicklich sind. Es
muß geradezu als schmutzig bezeichnet werden, wenn ein Mann von
dem Range eines preußischen Staatsministers und Be-
sitzer eines unermeßlichen Vermögens 100 Thaler,
sage Einhundert Thaler,
für die im jetzigen Kriege Verwun-
deten gibt, und ein Fürst, der, wie man sagt, der größte Grund-
besitzer in Deutschland ist, und dessen Einkommen nach Millionen
zählt: 500 Thaler. Deutsche Kaufleute in London, die an
Reichthum lange nicht diesen oder den ersten unserer Firmen gleich-
kommen, haben 1000, 1200 und sogar 1500 L. St. ( mehr als
10,000 Thaler ) gegeben, und ein Freiherr von Rothschild
schämt sich nicht, kaum 3000 Thaler zu geben, nicht mehr als die
dem Beispiele ihres hochherzigen Gatten folgende Gräfin Reichenbach.
Ein in Dresden lebender Deutsch=Russe hat 10,000 Thaler ge-
zeichnet, ohne entfernt mit dem Reichthume der oben Genannten
konkurriren zu können. Jn Amerika, wo Leute von gleichem Ver-
mögen Hunderttausende gespendet haben, würde man Knicker wie
Jene mit Spott und Hohn überschütten; bei uns findet man nichts
Auffallendes darin. Wären die Franzosen nach Frankfurt gekom-
men, Herr von Rothschild hätte ganz anders in seinen Geldbeutel
greifen müssen, und es wäre fraglich gewesen, ob er etwas zurück-
erhalten.

Bei allen solchen Gelegenheiten sind es stets die armen und
mittleren Volksklassen, welche nicht blos relativ, sondern auch faktisch
[Spaltenumbruch] das Meiste geben, während die Reichen doch bei weitem den größten
Vortheil davon haben. Von den fast 300,000 fl., welche in Frank-
furt z. B. gesammelt wurden, stammt der geringste Theil von den
Reichen. Die Opfer, welche die Mittelklassen bringen, sind aber
um so höher anzuschlagen, als sie nicht immer vom Ueberfluß ge-
nommen sind. Wenn ein Familienvater, der ein Einkommen von
1000 Thaler hat, 10 davon hergibt, so ist dieß mehr als wenn
ein Millionär, der 40,000 Thaler Einkommen hat, das Tausendfache
gibt, denn mit 30,000 Thaler Einkommen kann man noch recht
gut leben, ohne sich große Entbehrungen aufzuerlegen. Und ist es
denn schließlich nicht klüger, freiwillig sich ein Opfer aufzulegen, als
später den zehnfachen Schaden zu erleiden? Jst es denn nicht prak-
tischer und ökonomischer, sofort eine, wenn auch bedeutende Summe
herzugeben, wenn dadurch der Krieg rascher beendet, der Verkehr
rascher wieder hergestellt, und dadurch große Verluste in den Ge-
schäften vermieden werden?

Es ist also nicht blos ein Zeichen gewöhnlichen Charakters,
sondern auch großer Beschränktheit, wenn unsere reichen Leute zu
Sammlungen für öffentliche Zwecke so wenig beisteuern. Für
Richard Cobden wurden, damit er sich ganz dem öffentlichen
Wöhle widmen könne, in wenig Tagen 20,000 L. St. gesammelt,
und als er dieses Vermögen in einer Handelskrisis verloren, so
wurde binnen Kurzem die gleiche Summe nochmals gesammelt.
Dergleichen National=Dotationen, wie sie bei uns nur in vereinzelten
Fällen vorgekommen sind, müßten weit mehr Volkssitte werden.
Der Gewinn davon für unsere Entwicklung wäre ein sehr bedeu-
tender. Für die Jnvaliden des jetzigen Krieges und die Hinter-
bliebenen müßte unserer Ansicht nach ebenso wie in Amerika reich-
lich
gesorgt werden. Die Männer, welche ihr Leben für das
Vaterland in die Schanze schlugen und zu Krüppeln geschossen
wurden, dürfen unter keiner Bedingung darben. Reicht die Kriegs-
entschädigung dazu nicht aus, so muß es erste Aufgabe des nun wieder-
erstehenden deutschen Parlaments sein, eine progressive Kriegssteuer
auszuschreiben, welche hier ausreichend sorgt. Es gibt aber außer-
halb der Staats=Fürsorge Dinge genug, für welche die Privatthätig-
keit zu sorgen hat; ohne Männer aber, welche sich dergleichen an-
nehmen und es gleichsam als ihre Lebensaufgabe betrachten, ist wenig
zu erreichen. Auf politischem Gebiete hat man es bereits versucht,
ohne über die zeitweise Unterstützung ihres Amtes entsetzter Patrioten
oder diätenloser Abgeordneten hinaus zu kommen. Jn dieser Be-
ziehung können wir von den Engländern und Amerikanern sehr viel
lernen, und es würde bei uns weit besser aussehen, wenn man diese
Bahn mehr betreten und wenn sich auch mehr wohlhabende unab-
hängige Männer, wie es in England allgemein ist, dem öffentlichen
Leben widmeten; denn leider sind die Männer, welche die Fähigkeiten
besitzen, etwas für das Land zu leisten, und auch Neigung dazu
haben, meist arme Teufel, deren gemeinnützige Wirksamkeit durch die
Nothwendigkeit für ihren Unterhalt zu sorgen, gelähmt wird. Jm
norddeutschen Reichstage entscheidet jetzt schon zu einem großen Theil
nicht die Fähigkeit, sondern das Geld über die Wahlen. Es ist dieß
weder politisch klug noch wirthschaftlich. Durch solche unzeitige
Sparsamkeit öffentlichen Verhältnissen gegenüber verliert man auf
anderer Seite oft das Hundertfache, oder entbehrt den Vortheil,
welchen rechtzeitige richtige Ausgaben gebracht hätten. Wir glauben
wenigstens, daß der materielle Vortheil, den Cobden's Thätigkeit
England gebracht hat, 10mal höher anzuschlagen ist, als die 40,000 L.
St., welche er erhielt. Die allgemeine Aufmerksamkeit muß aber
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Zwecke ist schon oft Gegenstand des Tadels gewesen. Es ist in der
That beschämend für unser Nationalgefühl zu sehen, wie erbärmlich
die Gaben unserer reichen Leute bei solchen Gelegenheiten ausfallen;
gerade die jetzige große Zeit, die einen Wendepunkt in der poli-
tischen Entwicklung ganz Europa's bildet, hat davon den sprechend-
sten Beweis geliefert. Vielfache Millionäre haben sich nicht geschämt,
Beiträge zu geben, die mit ihrem Vermögen und dem, was andere
Mitbürger geleistet haben, in keinem Verhältnisse stehen.

Bei anderer Gelegenheit ist schon darauf hingewiesen worden,
daß es bei uns noch nicht Volkssitte ist, bei Sammlungen zu
Zwecken des allgemeinen Wohles freigebig zu sein. Bei Festen und
Zweckessen 5--6 Thlr. für Champagner auszugeben, besinnt sich Nie-
mand, für einen allgemeinen Zweck aber eine gleiche Summe herzu-
geben, hält man für zuviel. Unser Volk ist noch nicht daran gewöhnt,
sich selbst zu besteuern und zu erröthen vor der Beisteuer geringerer
Beträge als sie nach den Vermögensverhältnissen schicklich sind. Es
muß geradezu als schmutzig bezeichnet werden, wenn ein Mann von
dem Range eines preußischen Staatsministers und Be-
sitzer eines unermeßlichen Vermögens 100 Thaler,
sage Einhundert Thaler,
für die im jetzigen Kriege Verwun-
deten gibt, und ein Fürst, der, wie man sagt, der größte Grund-
besitzer in Deutschland ist, und dessen Einkommen nach Millionen
zählt: 500 Thaler. Deutsche Kaufleute in London, die an
Reichthum lange nicht diesen oder den ersten unserer Firmen gleich-
kommen, haben 1000, 1200 und sogar 1500 L. St. ( mehr als
10,000 Thaler ) gegeben, und ein Freiherr von Rothschild
schämt sich nicht, kaum 3000 Thaler zu geben, nicht mehr als die
dem Beispiele ihres hochherzigen Gatten folgende Gräfin Reichenbach.
Ein in Dresden lebender Deutsch=Russe hat 10,000 Thaler ge-
zeichnet, ohne entfernt mit dem Reichthume der oben Genannten
konkurriren zu können. Jn Amerika, wo Leute von gleichem Ver-
mögen Hunderttausende gespendet haben, würde man Knicker wie
Jene mit Spott und Hohn überschütten; bei uns findet man nichts
Auffallendes darin. Wären die Franzosen nach Frankfurt gekom-
men, Herr von Rothschild hätte ganz anders in seinen Geldbeutel
greifen müssen, und es wäre fraglich gewesen, ob er etwas zurück-
erhalten.

Bei allen solchen Gelegenheiten sind es stets die armen und
mittleren Volksklassen, welche nicht blos relativ, sondern auch faktisch
[Spaltenumbruch] das Meiste geben, während die Reichen doch bei weitem den größten
Vortheil davon haben. Von den fast 300,000 fl., welche in Frank-
furt z. B. gesammelt wurden, stammt der geringste Theil von den
Reichen. Die Opfer, welche die Mittelklassen bringen, sind aber
um so höher anzuschlagen, als sie nicht immer vom Ueberfluß ge-
nommen sind. Wenn ein Familienvater, der ein Einkommen von
1000 Thaler hat, 10 davon hergibt, so ist dieß mehr als wenn
ein Millionär, der 40,000 Thaler Einkommen hat, das Tausendfache
gibt, denn mit 30,000 Thaler Einkommen kann man noch recht
gut leben, ohne sich große Entbehrungen aufzuerlegen. Und ist es
denn schließlich nicht klüger, freiwillig sich ein Opfer aufzulegen, als
später den zehnfachen Schaden zu erleiden? Jst es denn nicht prak-
tischer und ökonomischer, sofort eine, wenn auch bedeutende Summe
herzugeben, wenn dadurch der Krieg rascher beendet, der Verkehr
rascher wieder hergestellt, und dadurch große Verluste in den Ge-
schäften vermieden werden?

Es ist also nicht blos ein Zeichen gewöhnlichen Charakters,
sondern auch großer Beschränktheit, wenn unsere reichen Leute zu
Sammlungen für öffentliche Zwecke so wenig beisteuern. Für
Richard Cobden wurden, damit er sich ganz dem öffentlichen
Wöhle widmen könne, in wenig Tagen 20,000 L. St. gesammelt,
und als er dieses Vermögen in einer Handelskrisis verloren, so
wurde binnen Kurzem die gleiche Summe nochmals gesammelt.
Dergleichen National=Dotationen, wie sie bei uns nur in vereinzelten
Fällen vorgekommen sind, müßten weit mehr Volkssitte werden.
Der Gewinn davon für unsere Entwicklung wäre ein sehr bedeu-
tender. Für die Jnvaliden des jetzigen Krieges und die Hinter-
bliebenen müßte unserer Ansicht nach ebenso wie in Amerika reich-
lich
gesorgt werden. Die Männer, welche ihr Leben für das
Vaterland in die Schanze schlugen und zu Krüppeln geschossen
wurden, dürfen unter keiner Bedingung darben. Reicht die Kriegs-
entschädigung dazu nicht aus, so muß es erste Aufgabe des nun wieder-
erstehenden deutschen Parlaments sein, eine progressive Kriegssteuer
auszuschreiben, welche hier ausreichend sorgt. Es gibt aber außer-
halb der Staats=Fürsorge Dinge genug, für welche die Privatthätig-
keit zu sorgen hat; ohne Männer aber, welche sich dergleichen an-
nehmen und es gleichsam als ihre Lebensaufgabe betrachten, ist wenig
zu erreichen. Auf politischem Gebiete hat man es bereits versucht,
ohne über die zeitweise Unterstützung ihres Amtes entsetzter Patrioten
oder diätenloser Abgeordneten hinaus zu kommen. Jn dieser Be-
ziehung können wir von den Engländern und Amerikanern sehr viel
lernen, und es würde bei uns weit besser aussehen, wenn man diese
Bahn mehr betreten und wenn sich auch mehr wohlhabende unab-
hängige Männer, wie es in England allgemein ist, dem öffentlichen
Leben widmeten; denn leider sind die Männer, welche die Fähigkeiten
besitzen, etwas für das Land zu leisten, und auch Neigung dazu
haben, meist arme Teufel, deren gemeinnützige Wirksamkeit durch die
Nothwendigkeit für ihren Unterhalt zu sorgen, gelähmt wird. Jm
norddeutschen Reichstage entscheidet jetzt schon zu einem großen Theil
nicht die Fähigkeit, sondern das Geld über die Wahlen. Es ist dieß
weder politisch klug noch wirthschaftlich. Durch solche unzeitige
Sparsamkeit öffentlichen Verhältnissen gegenüber verliert man auf
anderer Seite oft das Hundertfache, oder entbehrt den Vortheil,
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[0001] Der „Arbeitgeber“ erscheint wöchentlich, die „Patentliste“ monatlich. Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen 3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr., bei allen übrigen deutschen Postämtern 2 fl. 55 kr. od. 1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die dreispaltige Petitzeile od. deren Raum 6 kr. Der Betrag wird durch Postnachnahme erhoben. Kleine Beträge können durch Briefmarken ausgeglichen werden. Red. des „Arbeitgeber“, Gallusgasse 9. in Frankfurt a. M. Der Arbeitgeber. Archiv für die gesammte Volkswirthschaft, Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche. Bestellungen werden von allen Postämtern u. Buchhandlun- gen, von letzteren auch Jnse- rate jederzeit angenommen. Briefe werden franco erbeten. Das Patent= u. Maschinen- Geschäft des „Arbeitgeber“ übernimmt die Ausführung neuer Erfindungen, vermit- telt den Ankauf ( zum Fabrik- preis ) und Verkauf von Ma- schinen aller Art, es besorgt Patente für alle Länder und übernimmt deren Ver- werthung. Nro 698. Usingen bei Frankfurt a. M., 17. September 1870. Einladung zum Abonnement. Neue Abonnements auf dasIV. Vierteljahr 1870 des „Arbeitgeber“ bitten wir möglichst bald einzu- reichen. -- Da wir ________nichtshr pr. Buchhandel versen- den, so bitten wir alle Bestellungen bei der Post zu machen oder direkt an uns zu richten. Preis pr. Halbjahr 2 fl. 20 kr., einschließlich Postaufschlag 2 fl. 55 kr. ( 1 Thlr. 20 ) , in Preußen mit Zeitungssteuer 3 fl. 2 kr. Selbstbesteuerung. Die Theilnahmlosigkeit unserer Reichen am öffentlichen Leben und deren knauserhafte Betheiligung an Sammlungen für allgemeine Zwecke ist schon oft Gegenstand des Tadels gewesen. Es ist in der That beschämend für unser Nationalgefühl zu sehen, wie erbärmlich die Gaben unserer reichen Leute bei solchen Gelegenheiten ausfallen; gerade die jetzige große Zeit, die einen Wendepunkt in der poli- tischen Entwicklung ganz Europa's bildet, hat davon den sprechend- sten Beweis geliefert. Vielfache Millionäre haben sich nicht geschämt, Beiträge zu geben, die mit ihrem Vermögen und dem, was andere Mitbürger geleistet haben, in keinem Verhältnisse stehen. Bei anderer Gelegenheit ist schon darauf hingewiesen worden, daß es bei uns noch nicht Volkssitte ist, bei Sammlungen zu Zwecken des allgemeinen Wohles freigebig zu sein. Bei Festen und Zweckessen 5--6 Thlr. für Champagner auszugeben, besinnt sich Nie- mand, für einen allgemeinen Zweck aber eine gleiche Summe herzu- geben, hält man für zuviel. Unser Volk ist noch nicht daran gewöhnt, sich selbst zu besteuern und zu erröthen vor der Beisteuer geringerer Beträge als sie nach den Vermögensverhältnissen schicklich sind. Es muß geradezu als schmutzig bezeichnet werden, wenn ein Mann von dem Range eines preußischen Staatsministers und Be- sitzer eines unermeßlichen Vermögens 100 Thaler, sage Einhundert Thaler, für die im jetzigen Kriege Verwun- deten gibt, und ein Fürst, der, wie man sagt, der größte Grund- besitzer in Deutschland ist, und dessen Einkommen nach Millionen zählt: 500 Thaler. Deutsche Kaufleute in London, die an Reichthum lange nicht diesen oder den ersten unserer Firmen gleich- kommen, haben 1000, 1200 und sogar 1500 L. St. ( mehr als 10,000 Thaler ) gegeben, und ein Freiherr von Rothschild schämt sich nicht, kaum 3000 Thaler zu geben, nicht mehr als die dem Beispiele ihres hochherzigen Gatten folgende Gräfin Reichenbach. Ein in Dresden lebender Deutsch=Russe hat 10,000 Thaler ge- zeichnet, ohne entfernt mit dem Reichthume der oben Genannten konkurriren zu können. Jn Amerika, wo Leute von gleichem Ver- mögen Hunderttausende gespendet haben, würde man Knicker wie Jene mit Spott und Hohn überschütten; bei uns findet man nichts Auffallendes darin. Wären die Franzosen nach Frankfurt gekom- men, Herr von Rothschild hätte ganz anders in seinen Geldbeutel greifen müssen, und es wäre fraglich gewesen, ob er etwas zurück- erhalten. Bei allen solchen Gelegenheiten sind es stets die armen und mittleren Volksklassen, welche nicht blos relativ, sondern auch faktisch das Meiste geben, während die Reichen doch bei weitem den größten Vortheil davon haben. Von den fast 300,000 fl., welche in Frank- furt z. B. gesammelt wurden, stammt der geringste Theil von den Reichen. Die Opfer, welche die Mittelklassen bringen, sind aber um so höher anzuschlagen, als sie nicht immer vom Ueberfluß ge- nommen sind. Wenn ein Familienvater, der ein Einkommen von 1000 Thaler hat, 10 davon hergibt, so ist dieß mehr als wenn ein Millionär, der 40,000 Thaler Einkommen hat, das Tausendfache gibt, denn mit 30,000 Thaler Einkommen kann man noch recht gut leben, ohne sich große Entbehrungen aufzuerlegen. Und ist es denn schließlich nicht klüger, freiwillig sich ein Opfer aufzulegen, als später den zehnfachen Schaden zu erleiden? Jst es denn nicht prak- tischer und ökonomischer, sofort eine, wenn auch bedeutende Summe herzugeben, wenn dadurch der Krieg rascher beendet, der Verkehr rascher wieder hergestellt, und dadurch große Verluste in den Ge- schäften vermieden werden? Es ist also nicht blos ein Zeichen gewöhnlichen Charakters, sondern auch großer Beschränktheit, wenn unsere reichen Leute zu Sammlungen für öffentliche Zwecke so wenig beisteuern. Für Richard Cobden wurden, damit er sich ganz dem öffentlichen Wöhle widmen könne, in wenig Tagen 20,000 L. St. gesammelt, und als er dieses Vermögen in einer Handelskrisis verloren, so wurde binnen Kurzem die gleiche Summe nochmals gesammelt. Dergleichen National=Dotationen, wie sie bei uns nur in vereinzelten Fällen vorgekommen sind, müßten weit mehr Volkssitte werden. Der Gewinn davon für unsere Entwicklung wäre ein sehr bedeu- tender. Für die Jnvaliden des jetzigen Krieges und die Hinter- bliebenen müßte unserer Ansicht nach ebenso wie in Amerika reich- lich gesorgt werden. Die Männer, welche ihr Leben für das Vaterland in die Schanze schlugen und zu Krüppeln geschossen wurden, dürfen unter keiner Bedingung darben. Reicht die Kriegs- entschädigung dazu nicht aus, so muß es erste Aufgabe des nun wieder- erstehenden deutschen Parlaments sein, eine progressive Kriegssteuer auszuschreiben, welche hier ausreichend sorgt. Es gibt aber außer- halb der Staats=Fürsorge Dinge genug, für welche die Privatthätig- keit zu sorgen hat; ohne Männer aber, welche sich dergleichen an- nehmen und es gleichsam als ihre Lebensaufgabe betrachten, ist wenig zu erreichen. Auf politischem Gebiete hat man es bereits versucht, ohne über die zeitweise Unterstützung ihres Amtes entsetzter Patrioten oder diätenloser Abgeordneten hinaus zu kommen. Jn dieser Be- ziehung können wir von den Engländern und Amerikanern sehr viel lernen, und es würde bei uns weit besser aussehen, wenn man diese Bahn mehr betreten und wenn sich auch mehr wohlhabende unab- hängige Männer, wie es in England allgemein ist, dem öffentlichen Leben widmeten; denn leider sind die Männer, welche die Fähigkeiten besitzen, etwas für das Land zu leisten, und auch Neigung dazu haben, meist arme Teufel, deren gemeinnützige Wirksamkeit durch die Nothwendigkeit für ihren Unterhalt zu sorgen, gelähmt wird. Jm norddeutschen Reichstage entscheidet jetzt schon zu einem großen Theil nicht die Fähigkeit, sondern das Geld über die Wahlen. Es ist dieß weder politisch klug noch wirthschaftlich. Durch solche unzeitige Sparsamkeit öffentlichen Verhältnissen gegenüber verliert man auf anderer Seite oft das Hundertfache, oder entbehrt den Vortheil, welchen rechtzeitige richtige Ausgaben gebracht hätten. Wir glauben wenigstens, daß der materielle Vortheil, den Cobden's Thätigkeit England gebracht hat, 10mal höher anzuschlagen ist, als die 40,000 L. St., welche er erhielt. Die allgemeine Aufmerksamkeit muß aber

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 698. Frankfurt a. M., 17. September 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0698_1870/1>, abgerufen am 21.11.2024.