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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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Entwickelung und Befriedigung unserer sittlichen Natur,
sondern auch die Möglichkeit des Glaubens an eine höhere
sittliche Macht und an unsere eigene der Vergänglichkeit
nicht unterworfene Persönlichkeit. Nur durch die Entwicke-
lung und Kräftigung unserer eigenen sittlichen Natur wer-
den wir in den Stand gesetzt, das Sittliche in seiner Eigen-
thümlichkeit deutlich zu erfassen. So wenig der Blindgebo-
rene durch Schilderungen und Beschreibungen in den Stand
gesetzt wird, sich ein Bild von den Farben und von der äuße-
ren Erscheinung der Natur zu machen, ebenso wenig vermag
irgend Jemand, welcher nicht auf dem Wege der sittlichen
Erfahrung zum Bewußtsein des Sittlichen gelangte, auf dem
Wege der verständigen Belehrung dahin zu gelangen. Wie
wollen wir aber den Glauben an ein sittliche Macht
bei Denjenigen begründen, welchen das Sittliche überhaupt
nichts als ein leerer Schall ist? Und dann, wie sollen wir
an die Fortdauer unserer Persönlichkeit glauben,
wenn wir uns dieser Persönlichkeit, welche wesentlich sitt-
licher Natur ist, gar nicht bewußt sind?



IV. Die Bildung.

Das Bestehen der Staaten beruht auf dem Glauben an
die Existenz einer höheren sittlichen Macht, welcher wir
Ehrfurcht und Gehorsam schuldig sind. Dieser Glaube so-
wohl als das innere Glück aller Einzelnen beruht auf der
Entwickelung und Befriedigung unserer sittlichen Natur,
welche ebenso wesentlich verschieden ist von unserer denken-
den als von unserer sinnlichen Natur. Was thut nun unsere

Entwickelung und Befriedigung unſerer ſittlichen Natur,
ſondern auch die Möglichkeit des Glaubens an eine höhere
ſittliche Macht und an unſere eigene der Vergänglichkeit
nicht unterworfene Perſönlichkeit. Nur durch die Entwicke-
lung und Kräftigung unſerer eigenen ſittlichen Natur wer-
den wir in den Stand geſetzt, das Sittliche in ſeiner Eigen-
thümlichkeit deutlich zu erfaſſen. So wenig der Blindgebo-
rene durch Schilderungen und Beſchreibungen in den Stand
geſetzt wird, ſich ein Bild von den Farben und von der äuße-
ren Erſcheinung der Natur zu machen, ebenſo wenig vermag
irgend Jemand, welcher nicht auf dem Wege der ſittlichen
Erfahrung zum Bewußtſein des Sittlichen gelangte, auf dem
Wege der verſtändigen Belehrung dahin zu gelangen. Wie
wollen wir aber den Glauben an ein ſittliche Macht
bei Denjenigen begründen, welchen das Sittliche überhaupt
nichts als ein leerer Schall iſt? Und dann, wie ſollen wir
an die Fortdauer unſerer Perſönlichkeit glauben,
wenn wir uns dieſer Perſönlichkeit, welche weſentlich ſitt-
licher Natur iſt, gar nicht bewußt ſind?



IV. Die Bildung.

Das Beſtehen der Staaten beruht auf dem Glauben an
die Exiſtenz einer höheren ſittlichen Macht, welcher wir
Ehrfurcht und Gehorſam ſchuldig ſind. Dieſer Glaube ſo-
wohl als das innere Glück aller Einzelnen beruht auf der
Entwickelung und Befriedigung unſerer ſittlichen Natur,
welche ebenſo weſentlich verſchieden iſt von unſerer denken-
den als von unſerer ſinnlichen Natur. Was thut nun unſere

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[41/0047] Entwickelung und Befriedigung unſerer ſittlichen Natur, ſondern auch die Möglichkeit des Glaubens an eine höhere ſittliche Macht und an unſere eigene der Vergänglichkeit nicht unterworfene Perſönlichkeit. Nur durch die Entwicke- lung und Kräftigung unſerer eigenen ſittlichen Natur wer- den wir in den Stand geſetzt, das Sittliche in ſeiner Eigen- thümlichkeit deutlich zu erfaſſen. So wenig der Blindgebo- rene durch Schilderungen und Beſchreibungen in den Stand geſetzt wird, ſich ein Bild von den Farben und von der äuße- ren Erſcheinung der Natur zu machen, ebenſo wenig vermag irgend Jemand, welcher nicht auf dem Wege der ſittlichen Erfahrung zum Bewußtſein des Sittlichen gelangte, auf dem Wege der verſtändigen Belehrung dahin zu gelangen. Wie wollen wir aber den Glauben an ein ſittliche Macht bei Denjenigen begründen, welchen das Sittliche überhaupt nichts als ein leerer Schall iſt? Und dann, wie ſollen wir an die Fortdauer unſerer Perſönlichkeit glauben, wenn wir uns dieſer Perſönlichkeit, welche weſentlich ſitt- licher Natur iſt, gar nicht bewußt ſind? IV. Die Bildung. Das Beſtehen der Staaten beruht auf dem Glauben an die Exiſtenz einer höheren ſittlichen Macht, welcher wir Ehrfurcht und Gehorſam ſchuldig ſind. Dieſer Glaube ſo- wohl als das innere Glück aller Einzelnen beruht auf der Entwickelung und Befriedigung unſerer ſittlichen Natur, welche ebenſo weſentlich verſchieden iſt von unſerer denken- den als von unſerer ſinnlichen Natur. Was thut nun unſere

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/47>, abgerufen am 28.03.2024.