dessen Jnneres nur eine trostlose Leere darbietet, zwar vor- übergehend zerstreuen, ihn seinen Zustand vorübergehend vergessen lassen, aber nimmermehr ihm das Glück selbst oder einen ausreichenden Ersatz für dasselbe gewähren. Jhre rechte Bedeutung und einen bleibenden Werth erhält jede geistige Beschäftigung, sie heiße wie sie wolle, erst dann, wenn sie im Dienste einer anderen Macht steht, ohne deren Wirksamkeit unser Gemüth gar nicht die rechte Ruhe findet, um sich geistigen Beschäftigungen mit ungetheilter Aufmerk- samkeit und mit wahrem Jnteresse zu widmen. Wie wäre es sonst auch zu erklären, daß in einer Zeit, in welcher die Beschäftigung mit geistigen Dingen so allgemein ist, das Glück so selten gefunden wird? Wie gering ist wohl ver- hältnißmäßig unter den Vielen, welche vorzugsweise geistigen Beschäftigungen zugewandt sind, die Zahl Derjenigen, welche nicht von innerem Zwiespalt, nicht von innerer Leere ge- quält werden! Und wie Viele wenden sich nur deßwegen so eifrig geistigen Beschäftigungen zu, weil ihr Blick dadurch von ihrem eigenen Jnnern und von dessen trostlosem Zu- stande auf Anderes abgelenkt wird! Und dann: Wenn in der Ausbildung unseres denkenden Geistes die Bedingung des Glückes liegen würde, wie tief beklagenswerth würden nicht alle die Millionen Menschen sein, deren äußere Ver- hältnisse eine Betheiligung an den Erzeugnissen unserer Bil- dung gar nicht erlauben können? Muß nicht nothwendig die unendliche Mehrzahl der Menschen auf ein so geringes Maß von Ausbildung ihrer Geisteskräfte und auf eine so spärliche Beschäftigung mit geistigen Dingen beschränkt blei- ben, daß ihnen in einem solchen Falle jeder Zugang zum Glück so gut wie abgeschnitten wäre? Finden wir aber nicht
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deſſen Jnneres nur eine troſtloſe Leere darbietet, zwar vor- übergehend zerſtreuen, ihn ſeinen Zuſtand vorübergehend vergeſſen laſſen, aber nimmermehr ihm das Glück ſelbſt oder einen ausreichenden Erſatz für daſſelbe gewähren. Jhre rechte Bedeutung und einen bleibenden Werth erhält jede geiſtige Beſchäftigung, ſie heiße wie ſie wolle, erſt dann, wenn ſie im Dienſte einer anderen Macht ſteht, ohne deren Wirkſamkeit unſer Gemüth gar nicht die rechte Ruhe findet, um ſich geiſtigen Beſchäftigungen mit ungetheilter Aufmerk- ſamkeit und mit wahrem Jntereſſe zu widmen. Wie wäre es ſonſt auch zu erklären, daß in einer Zeit, in welcher die Beſchäftigung mit geiſtigen Dingen ſo allgemein iſt, das Glück ſo ſelten gefunden wird? Wie gering iſt wohl ver- hältnißmäßig unter den Vielen, welche vorzugsweiſe geiſtigen Beſchäftigungen zugewandt ſind, die Zahl Derjenigen, welche nicht von innerem Zwieſpalt, nicht von innerer Leere ge- quält werden! Und wie Viele wenden ſich nur deßwegen ſo eifrig geiſtigen Beſchäftigungen zu, weil ihr Blick dadurch von ihrem eigenen Jnnern und von deſſen troſtloſem Zu- ſtande auf Anderes abgelenkt wird! Und dann: Wenn in der Ausbildung unſeres denkenden Geiſtes die Bedingung des Glückes liegen würde, wie tief beklagenswerth würden nicht alle die Millionen Menſchen ſein, deren äußere Ver- hältniſſe eine Betheiligung an den Erzeugniſſen unſerer Bil- dung gar nicht erlauben können? Muß nicht nothwendig die unendliche Mehrzahl der Menſchen auf ein ſo geringes Maß von Ausbildung ihrer Geiſteskräfte und auf eine ſo ſpärliche Beſchäftigung mit geiſtigen Dingen beſchränkt blei- ben, daß ihnen in einem ſolchen Falle jeder Zugang zum Glück ſo gut wie abgeſchnitten wäre? Finden wir aber nicht
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deſſen Jnneres nur eine troſtloſe Leere darbietet, zwar vor-
übergehend zerſtreuen, ihn ſeinen Zuſtand vorübergehend
vergeſſen laſſen, aber nimmermehr ihm das Glück ſelbſt oder
einen ausreichenden Erſatz für daſſelbe gewähren. Jhre
rechte Bedeutung und einen bleibenden Werth erhält jede
geiſtige Beſchäftigung, ſie heiße wie ſie wolle, erſt dann,
wenn ſie im Dienſte einer anderen Macht ſteht, ohne deren
Wirkſamkeit unſer Gemüth gar nicht die rechte Ruhe findet,
um ſich geiſtigen Beſchäftigungen mit ungetheilter Aufmerk-
ſamkeit und mit wahrem Jntereſſe zu widmen. Wie wäre
es ſonſt auch zu erklären, daß in einer Zeit, in welcher die
Beſchäftigung mit geiſtigen Dingen ſo allgemein iſt, das
Glück ſo ſelten gefunden wird? Wie gering iſt wohl ver-
hältnißmäßig unter den Vielen, welche vorzugsweiſe geiſtigen
Beſchäftigungen zugewandt ſind, die Zahl Derjenigen, welche
nicht von innerem Zwieſpalt, nicht von innerer Leere ge-
quält werden! Und wie Viele wenden ſich nur deßwegen ſo
eifrig geiſtigen Beſchäftigungen zu, weil ihr Blick dadurch
von ihrem eigenen Jnnern und von deſſen troſtloſem Zu-
ſtande auf Anderes abgelenkt wird! Und dann: Wenn in
der Ausbildung unſeres denkenden Geiſtes die Bedingung
des Glückes liegen würde, wie tief beklagenswerth würden
nicht alle die Millionen Menſchen ſein, deren äußere Ver-
hältniſſe eine Betheiligung an den Erzeugniſſen unſerer Bil-
dung gar nicht erlauben können? Muß nicht nothwendig
die unendliche Mehrzahl der Menſchen auf ein ſo geringes
Maß von Ausbildung ihrer Geiſteskräfte und auf eine ſo
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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/39>, abgerufen am 16.07.2024.
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