Revolution gelehrt. Jn den französischen Kammern war unter Ludwig Philipp das Proletariat nicht vertreten, nur die Wohlhabenden und Reichen, nur die "großen Jn- teressen" schickten ihre Vertreter dahin. Und dennoch, welches Schauspiel gewährten uns achtzehn Jahre lang jene Kammern? das Schauspiel eines fortwährenden Parteikam- pfes um die Majorität, bei welchem die Regierung alle Stetigkeit, alle Sicherheit und alles Ansehen verlor, eines Kampfes, bei welchem eine unersättliche Begehrlichkeit nach Einfluß, Stellen und Vortheilen aller Art rang und sie auch nur allzu oft auf Kosten des Landes erreichte. Als aber endlich ein festeres Ministerium längere Zeit seine Stellen und die Majorität zu behaupten wußte, und die verschiedenen Minister-Aspiranten die Hoffnung verloren, auf parlamentarischem Wege zur Macht zu gelangen, da wandten sich jene nämlichen Vertreter der großen Jnteressen an die Leidenschaften der Menge, erst nur zum Schein und um zu drohen. Da aber der König sich nicht einschüchtern ließ, so trieben sie es immer stärker, stets in der Hoffnung, daß Ludwig Philipp es nicht werde bis zum Aeußersten ge- langen lassen, und daß die von ihnen erregte Bewegung noch im letzten Augenblick mit ihrem Siege enden werde. Statt dessen flog gegen alles Erwarten die von ihnen selbst geladene Mine in die Luft und vernichtete sie selbst, die Opposition, die Majorität, das Königthum, den Wohlstand und die Ruhe von Millionen Menschen. So spielten mit dem Glück eines großen Landes die Vertreter jener mate- riellen Jnteressen, welche die "sicherste Stütze der Staaten" sind und von Ludwig Philipp so sorgfältig ge- schützt und gepflegt worden waren.
Revolution gelehrt. Jn den franzöſiſchen Kammern war unter Ludwig Philipp das Proletariat nicht vertreten, nur die Wohlhabenden und Reichen, nur die „großen Jn- tereſſen“ ſchickten ihre Vertreter dahin. Und dennoch, welches Schauſpiel gewährten uns achtzehn Jahre lang jene Kammern? das Schauſpiel eines fortwährenden Parteikam- pfes um die Majorität, bei welchem die Regierung alle Stetigkeit, alle Sicherheit und alles Anſehen verlor, eines Kampfes, bei welchem eine unerſättliche Begehrlichkeit nach Einfluß, Stellen und Vortheilen aller Art rang und ſie auch nur allzu oft auf Koſten des Landes erreichte. Als aber endlich ein feſteres Miniſterium längere Zeit ſeine Stellen und die Majorität zu behaupten wußte, und die verſchiedenen Miniſter-Aſpiranten die Hoffnung verloren, auf parlamentariſchem Wege zur Macht zu gelangen, da wandten ſich jene nämlichen Vertreter der großen Jntereſſen an die Leidenſchaften der Menge, erſt nur zum Schein und um zu drohen. Da aber der König ſich nicht einſchüchtern ließ, ſo trieben ſie es immer ſtärker, ſtets in der Hoffnung, daß Ludwig Philipp es nicht werde bis zum Aeußerſten ge- langen laſſen, und daß die von ihnen erregte Bewegung noch im letzten Augenblick mit ihrem Siege enden werde. Statt deſſen flog gegen alles Erwarten die von ihnen ſelbſt geladene Mine in die Luft und vernichtete ſie ſelbſt, die Oppoſition, die Majorität, das Königthum, den Wohlſtand und die Ruhe von Millionen Menſchen. So ſpielten mit dem Glück eines großen Landes die Vertreter jener mate- riellen Jntereſſen, welche die „ſicherſte Stütze der Staaten“ ſind und von Ludwig Philipp ſo ſorgfältig ge- ſchützt und gepflegt worden waren.
<TEI><text><body><divn="1"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0029"n="23"/>
Revolution</hi> gelehrt. Jn den franzöſiſchen Kammern war<lb/>
unter Ludwig Philipp das Proletariat nicht vertreten, nur<lb/>
die Wohlhabenden und Reichen, nur die „<hirendition="#g">großen Jn-<lb/>
tereſſen</hi>“ſchickten ihre Vertreter dahin. Und dennoch,<lb/>
welches Schauſpiel gewährten uns achtzehn Jahre lang jene<lb/>
Kammern? das Schauſpiel eines fortwährenden Parteikam-<lb/>
pfes um die Majorität, bei welchem die Regierung alle<lb/>
Stetigkeit, alle Sicherheit und alles Anſehen verlor, eines<lb/>
Kampfes, bei welchem eine unerſättliche Begehrlichkeit nach<lb/>
Einfluß, Stellen und Vortheilen aller Art rang und ſie<lb/>
auch nur allzu oft auf Koſten des Landes erreichte. Als<lb/>
aber endlich ein feſteres Miniſterium längere Zeit ſeine<lb/>
Stellen und die Majorität zu behaupten wußte, und die<lb/>
verſchiedenen Miniſter-Aſpiranten die Hoffnung verloren,<lb/>
auf parlamentariſchem Wege zur Macht zu gelangen, da<lb/>
wandten ſich jene nämlichen Vertreter der großen Jntereſſen<lb/>
an die Leidenſchaften der Menge, erſt nur zum Schein und<lb/>
um zu drohen. Da aber der König ſich nicht einſchüchtern<lb/>
ließ, ſo trieben ſie es immer ſtärker, ſtets in der Hoffnung,<lb/>
daß Ludwig Philipp es nicht werde bis zum Aeußerſten ge-<lb/>
langen laſſen, und daß die von ihnen erregte Bewegung<lb/>
noch im letzten Augenblick mit ihrem Siege enden werde.<lb/>
Statt deſſen flog gegen alles Erwarten die von ihnen ſelbſt<lb/>
geladene Mine in die Luft und vernichtete ſie ſelbſt, die<lb/>
Oppoſition, die Majorität, das Königthum, den Wohlſtand<lb/>
und die Ruhe von Millionen Menſchen. So ſpielten mit<lb/>
dem Glück eines großen Landes die Vertreter jener <hirendition="#g">mate-<lb/>
riellen Jntereſſen</hi>, welche die „<hirendition="#g">ſicherſte Stütze der<lb/>
Staaten</hi>“ſind und von Ludwig Philipp ſo ſorgfältig ge-<lb/>ſchützt und gepflegt worden waren.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[23/0029]
Revolution gelehrt. Jn den franzöſiſchen Kammern war
unter Ludwig Philipp das Proletariat nicht vertreten, nur
die Wohlhabenden und Reichen, nur die „großen Jn-
tereſſen“ ſchickten ihre Vertreter dahin. Und dennoch,
welches Schauſpiel gewährten uns achtzehn Jahre lang jene
Kammern? das Schauſpiel eines fortwährenden Parteikam-
pfes um die Majorität, bei welchem die Regierung alle
Stetigkeit, alle Sicherheit und alles Anſehen verlor, eines
Kampfes, bei welchem eine unerſättliche Begehrlichkeit nach
Einfluß, Stellen und Vortheilen aller Art rang und ſie
auch nur allzu oft auf Koſten des Landes erreichte. Als
aber endlich ein feſteres Miniſterium längere Zeit ſeine
Stellen und die Majorität zu behaupten wußte, und die
verſchiedenen Miniſter-Aſpiranten die Hoffnung verloren,
auf parlamentariſchem Wege zur Macht zu gelangen, da
wandten ſich jene nämlichen Vertreter der großen Jntereſſen
an die Leidenſchaften der Menge, erſt nur zum Schein und
um zu drohen. Da aber der König ſich nicht einſchüchtern
ließ, ſo trieben ſie es immer ſtärker, ſtets in der Hoffnung,
daß Ludwig Philipp es nicht werde bis zum Aeußerſten ge-
langen laſſen, und daß die von ihnen erregte Bewegung
noch im letzten Augenblick mit ihrem Siege enden werde.
Statt deſſen flog gegen alles Erwarten die von ihnen ſelbſt
geladene Mine in die Luft und vernichtete ſie ſelbſt, die
Oppoſition, die Majorität, das Königthum, den Wohlſtand
und die Ruhe von Millionen Menſchen. So ſpielten mit
dem Glück eines großen Landes die Vertreter jener mate-
riellen Jntereſſen, welche die „ſicherſte Stütze der
Staaten“ ſind und von Ludwig Philipp ſo ſorgfältig ge-
ſchützt und gepflegt worden waren.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/29>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.