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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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zu können glaubet, und dieser heißt das Jnteresse Aller.
Da habt ihr euch gerade an den rechten Messias gewendet.

Jst denn das nicht gerade der Grundsatz, von welchem
die Anarchie ausgeht? Glauben denn alle Leute, ein
Jnteresse an der Erhaltung des Staates zu haben? Gibt es
nicht zahlreiche, mit großer Energie ausgerüstete Massen von
Proletariern, welche euch mit Hohnlachen sagen werden,
daß sie bei einem allgemeinen Durcheinander nichts zu ver-
lieren, aber viel zu gewinnen haben, und daß daher ihr
Jnteresse nicht sowohl in der Erhaltung als im Umsturz des
Staates liege? Ob sie sich in dieser Ansicht irren oder nicht,
das thut gar nichts zur Sache. Sie haben diese Ansicht
einmal und werden darnach handeln. Und gibt es nicht
neben diesen Massen wieder unzählige Andere, welche zwar
keinen allgemeinen Umsturz, welcher ihrem Jnteresse
nicht zusagt, wohl aber einen theilweisen Umsturz wol-
len? gibt es nicht Unzählige, welche zwar nicht "theilen"
wollen, aber die Republik verlangen, weil sie sich ein-
bilden, daß diese ihrem Jnteresse besser entspreche? Mit
welchem Rechte wollt ihr diesen Leuten Widerstand leisten?
Sie berufen sich ja auf den von euch selbst anerkannten
Grundsatz, auf das Jnteresse. Jhr werdet daher euren
Grundsatz wohl dahin erklären müssen, daß ihr im "wohl-
verstandenen" Jnteresse Aller nur denjenigen Personen Ein-
fluß auf die Regierung gestatten wollet, welche ein Jnteresse
an der Erhaltung des Bestehenden haben. Angenommen
aber auch, ihr seiet im Stande, diese dadurch herauszufin-
den, daß ihr den Besitz als die Grundlage der Berechti-
gung zur Theilnahme an der Regierung aufstellt und unter
den Besitzenden wieder dem größeren Besitz das Uebergewicht

zu können glaubet, und dieſer heißt das Jntereſſe Aller.
Da habt ihr euch gerade an den rechten Meſſias gewendet.

Jſt denn das nicht gerade der Grundſatz, von welchem
die Anarchie ausgeht? Glauben denn alle Leute, ein
Jntereſſe an der Erhaltung des Staates zu haben? Gibt es
nicht zahlreiche, mit großer Energie ausgerüſtete Maſſen von
Proletariern, welche euch mit Hohnlachen ſagen werden,
daß ſie bei einem allgemeinen Durcheinander nichts zu ver-
lieren, aber viel zu gewinnen haben, und daß daher ihr
Jntereſſe nicht ſowohl in der Erhaltung als im Umſturz des
Staates liege? Ob ſie ſich in dieſer Anſicht irren oder nicht,
das thut gar nichts zur Sache. Sie haben dieſe Anſicht
einmal und werden darnach handeln. Und gibt es nicht
neben dieſen Maſſen wieder unzählige Andere, welche zwar
keinen allgemeinen Umſturz, welcher ihrem Jntereſſe
nicht zuſagt, wohl aber einen theilweiſen Umſturz wol-
len? gibt es nicht Unzählige, welche zwar nicht „theilen
wollen, aber die Republik verlangen, weil ſie ſich ein-
bilden, daß dieſe ihrem Jntereſſe beſſer entſpreche? Mit
welchem Rechte wollt ihr dieſen Leuten Widerſtand leiſten?
Sie berufen ſich ja auf den von euch ſelbſt anerkannten
Grundſatz, auf das Jntereſſe. Jhr werdet daher euren
Grundſatz wohl dahin erklären müſſen, daß ihr im „wohl-
verſtandenen“ Jntereſſe Aller nur denjenigen Perſonen Ein-
fluß auf die Regierung geſtatten wollet, welche ein Jntereſſe
an der Erhaltung des Beſtehenden haben. Angenommen
aber auch, ihr ſeiet im Stande, dieſe dadurch herauszufin-
den, daß ihr den Beſitz als die Grundlage der Berechti-
gung zur Theilnahme an der Regierung aufſtellt und unter
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[21/0027] zu können glaubet, und dieſer heißt das Jntereſſe Aller. Da habt ihr euch gerade an den rechten Meſſias gewendet. Jſt denn das nicht gerade der Grundſatz, von welchem die Anarchie ausgeht? Glauben denn alle Leute, ein Jntereſſe an der Erhaltung des Staates zu haben? Gibt es nicht zahlreiche, mit großer Energie ausgerüſtete Maſſen von Proletariern, welche euch mit Hohnlachen ſagen werden, daß ſie bei einem allgemeinen Durcheinander nichts zu ver- lieren, aber viel zu gewinnen haben, und daß daher ihr Jntereſſe nicht ſowohl in der Erhaltung als im Umſturz des Staates liege? Ob ſie ſich in dieſer Anſicht irren oder nicht, das thut gar nichts zur Sache. Sie haben dieſe Anſicht einmal und werden darnach handeln. Und gibt es nicht neben dieſen Maſſen wieder unzählige Andere, welche zwar keinen allgemeinen Umſturz, welcher ihrem Jntereſſe nicht zuſagt, wohl aber einen theilweiſen Umſturz wol- len? gibt es nicht Unzählige, welche zwar nicht „theilen“ wollen, aber die Republik verlangen, weil ſie ſich ein- bilden, daß dieſe ihrem Jntereſſe beſſer entſpreche? Mit welchem Rechte wollt ihr dieſen Leuten Widerſtand leiſten? Sie berufen ſich ja auf den von euch ſelbſt anerkannten Grundſatz, auf das Jntereſſe. Jhr werdet daher euren Grundſatz wohl dahin erklären müſſen, daß ihr im „wohl- verſtandenen“ Jntereſſe Aller nur denjenigen Perſonen Ein- fluß auf die Regierung geſtatten wollet, welche ein Jntereſſe an der Erhaltung des Beſtehenden haben. Angenommen aber auch, ihr ſeiet im Stande, dieſe dadurch herauszufin- den, daß ihr den Beſitz als die Grundlage der Berechti- gung zur Theilnahme an der Regierung aufſtellt und unter den Beſitzenden wieder dem größeren Beſitz das Uebergewicht

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/27>, abgerufen am 28.03.2024.