Allgemeine Zeitung, Nr. 99, 9. April 1849.[Spaltenumbruch]
ist Cardinal Giraud, Erzbischof von Cambrai, von Gaeta zurück am Die Cholera ist wieder im Zunehmen. Am Freitag zählte man in Das Budget des Ministeriums des Innern wurde in der gestrigen * Marseille, 2 April. Durch das Dampfschiff Courrier-Corse er- Niederland. Amsterdam, 2 April. Das Ministerinm wird sich bei Wie- Italien. * Neapel, 28 März. Daß nun wirklich jede Hoffnung zu friedli- Rom, 28 März. Außer dem Silbergeschirr des päpstlichen * Rom, 30 März. Wenig oder nichts haben die Besitzenden bis *) Dieses Finanzmanöver ist nichts neues. "Le grand livre de la dette
publique" war eine Erfindung Cambons, der als guter Republicaner den französischen Staatspapieren dadurch einen Werth zu geben wußte daß er die königlichen und republicanischen Schulden zusammenwarf. "Il faut uniformiser et republicaniser la dette!" hatte Cambon ge. sagt, und seine vom Standpunkt der Revolution höchst geniale Maßregel leistete, was er selbst von ihr rühmte: "De cette maniere la dette contractee par le despotisme ne pourra plus etre distinguee de celle contractee depuis la revolution; et je desie mon- seigneur le despotisme sil ressuscite, de reconnaltre son an- cien dette lorsqu'elle sera consondue avec la nouvelle. Cette operation saite vous verrez le capitaliste qui desire un roi parcequ'il a un roi pour debiteur, et qui craint de perdre sa creance, si son debiteur n'est pas retabli, desirer la republique, qui sera devenue sa debitrice, parcequ'il craindra de perdre son capital en la perdant." A. d. R. [Spaltenumbruch]
iſt Cardinal Giraud, Erzbiſchof von Cambrai, von Gaëta zurück am Die Cholera iſt wieder im Zunehmen. Am Freitag zählte man in Das Budget des Miniſteriums des Innern wurde in der geſtrigen * Marſeille, 2 April. Durch das Dampfſchiff Courrier-Corſe er- Niederland. ⏝ Amſterdam, 2 April. Das Miniſterinm wird ſich bei Wie- Italien. * Neapel, 28 März. Daß nun wirklich jede Hoffnung zu friedli- ⨪ Rom, 28 März. Außer dem Silbergeſchirr des päpſtlichen * Rom, 30 März. Wenig oder nichts haben die Beſitzenden bis *) Dieſes Finanzmanöver iſt nichts neues. „Le grand livre de la dette
publique“ war eine Erfindung Cambons, der als guter Republicaner den franzöſiſchen Staatspapieren dadurch einen Werth zu geben wußte daß er die königlichen und republicaniſchen Schulden zuſammenwarf. „Il faut uniformiser et républicaniser la dette!“ hatte Cambon ge. ſagt, und ſeine vom Standpunkt der Revolution höchſt geniale Maßregel leiſtete, was er ſelbſt von ihr rühmte: „De cette manière la dette contractée par le despotisme ne pourra plus ètre distinguée de celle contractée dépuis la révolution; et je déſie mon- seigneur le despotisme sil ressuscite, de reconnaltre son an- cien dette lorsqu’elle sera conſondue avec la nouvelle. Cette opération ſaite vous verrez le capitaliste qui désire un roi parcequ’il a un roi pour débiteur, et qui craint de perdre sa créance, si son débiteur n’est pas rétabli, désirer la république, qui sera devenue sa débitrice, parcequ’il craindra de perdre son capital en la perdant.“ A. d. R. <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0007" n="1519"/><cb/> iſt Cardinal Giraud, Erzbiſchof von Cambrai, von Ga<hi rendition="#aq">ë</hi>ta zurück am<lb/> 29 März in Marſeille angekommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Die Cholera iſt wieder im Zunehmen. Am Freitag zählte man in<lb/> der Salpetrière 28 Erkrankungs- und 17 Sterbefälle, am Samstag 52<lb/> und 35, am Sonntag und Montag 41 und 40. In vierzehn Kranken-<lb/> häuſern der Hauptſtadt war der Stand am 2 April dieſer: erkrankt<lb/> 852, geſtorben 481, Zuwachs 183. Unter den Erkrankten wird<lb/> auch der Biſchof Fayet von Orleans (der Freund Cavaignacs) genannt,<lb/> und es war ſchon die Nachricht von ſeinem Tod verbreitet, die jedoch wider-<lb/> rufen worden iſt. Ueber den Stand der Seuche in den Wohnungen wird<lb/> noch immer nichts veröffentlicht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Das Budget des Miniſteriums des Innern wurde in der geſtrigen<lb/> Sitzung, ohne ernſtliche Debatte, vollends erledigt. Es iſt nur zu er-<lb/> wähnen daß die Nationalverſammlung dießmal weniger unbedingt ihr<lb/> Sparſyſtem verfolgt hat. Unter anderm iſt ein Poſten von 1,600,000 Fr.<lb/> zur Unterſtützung fremder Flüchtlinge ausgeſetzt, und die Budgetcommiſ-<lb/> ſion hatte vorgeſchlagen 200,000 Fr. davon zu ſtreichen. Dieſer Abzug<lb/> wurde verworfen. Heute ging man zum Budget des Unterrichtsminiſte-<lb/> riums über. Die Verhandlung war nicht ſehr erheblich, aber ſie wurde<lb/> durch mehrere Zwiſchenfälle unterbrochen welche die Gemüther in nicht ge-<lb/> ringe Aufregung verſetzten. Zuerſt wurde der Tod des Biſchofs Fayet<lb/> von Orleans und des Hrn. Culmann, Abgeordneten des Oberrheins, an-<lb/> gezeigt, welche beide, wie es ſcheint, an der Cholera geſtorben find; dann<lb/> Urlaubsgeſuche der HH. Payer und Laumondais wegen Erkrankung,<lb/> wahrſcheinlich auch an der Cholera; und nach einiger Zeit einzneuer To-<lb/> desfall, der des Hrn. Ballot. Die HH. Teulon, Hamard und Brey-<lb/> maud find gleichfalls erkrankt. Endlich brachte einer der Miniſter einen<lb/> Geſetzentwurf ein, Sanitätsmaßregeln und Unterſtützung der Cholera-<lb/> kranken betreffend, und verlangte daß die Sache als dringlich behandelt<lb/> werde. Der Choleraſchrecken ſcheint in die Verſammlung gefahren zu<lb/> ſeyn, denn mitten in der Discuſſion erhob ſich eine Anzahl Mitglieder<lb/> und bat daß die Sitzung zehn Minuten ausgeſetzt werde, damit der Saal<lb/> gelüftet werden und man draußen friſche Luft ſchöpfen könne. Dieß ge-<lb/> ſchah. Die Dringlichkeit wurde auch für den Bericht des Generals La-<lb/> moricière über die bewaffnete Macht begehrt, der, wenn die beantragte<lb/> neue Wehrverfaſſung angenommen wird, dem Staat für dieſes und das<lb/> nächſte Jahr, ohne Verminderung des Effectivſtands, eine Erſparniß von<lb/> 260 Millionen Fr. verſpricht. Das Einſteherweſen iſt hier neu geregelt,<lb/> und zwar ſo daß diejenigen die ſich dem Militärdienſt entziehen, nicht nur<lb/> einen Erſatzmann zu ſtellen, ſondern auch noch Einzahlungen zu machen<lb/> haben, woraus ein Capitalvermögen gebildet werden ſoll zu Gunſten de-<lb/> rer die das Loos zu den Waffen ruft. Der Kriegsminiſter erhob Einrede,<lb/> aber da Hr. <hi rendition="#g">Goudchaux</hi> im Namen der Budgetcommiſſion erklärte die-<lb/> ſer habe nichts dawider daß der Entwurf auf nächſten Montag auf die<lb/> Tagesordnung geſetzt werde, ſo wurde dem Anſinnen Folge gegeben. Die-<lb/> ſelbe Berückſichtigung wünſchte der Miniſterpräſident, Hr. <hi rendition="#g">Odilon-<lb/> Barrot</hi>, für die zweite Verleſung des Geſetzes übeꝛ die Gerichtsverfaſ-<lb/> ſung und der Finanzwiniſter für die Colonialentſchädigung. Dieſe<lb/> Geſetzentwürfe erhielten für einige der nächſten Sitzungen die Priori-<lb/> tät. So häufen ſich, während die Nationalverſammlung ihrem Ende ent-<lb/> gegengeht, fortwährend die Arbeiten, und es fragt ſich ob ſie alle, oder<lb/> nur die wichtigſten noch zu Stande bringen wird. Inzwiſchen iſt das<lb/> Clubgeſetz wie verſchollen, die Regierung ſcheint es fallen zu laſſen. Im<lb/> Verlauf der Sitzung hatte der Finanzminiſter mehreren Repräſentanten<lb/> erzählt Hr. v. Rothſchild habe am Morgen die Nachricht erhalten daß der<lb/> König von Preußen die deutſche Kaiſerkrone angenommen. — General<lb/> Changarnier hat ſich die Subſcription verbeten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">* Marſeille,</hi> 2 April.</dateline><lb/> <p>Durch das Dampfſchiff Courrier-Corſe er-<lb/> halten wir Nachricht von Sicilien, wornach der letzte Vergleichsverſuch der<lb/> franzöſiſchen und engliſchen Bevollmächtigten ganz fruchtlos geblieben iſt.<lb/> Der König von Neapel erfuhr in Ga<hi rendition="#aq">ë</hi>ta den Erfolg der Bemühungen der<lb/> vermittelnden Mächte, und wir werden nun bald von dem Beginn der<lb/> Feindfeligkeiten hören. Das Schiff hat in Genua angehalten, und fand<lb/> dieſe Stadt in einem höchſt geſetzloſen Zuſtande; eine Partei Aufrührer<lb/> hatte ſich, wie es heißt, der Feſtungswerke bemächtigt, ohne daß die bewaff-<lb/> nete Macht den geringſten Widerſtand geleiſtet hätte; dann ſoll eine provi-<lb/> ſoriſche Regierung eingeſetzt worden ſeyn, welche den Waffenſtillſtand nicht<lb/> anerkennt. Einſtweilen hat der engliſche Conſul der neuen Regierung er-<lb/> kärt daß, wenn ſie nicht im Stande wäre ſeinen Landsleuten den gehörigen<lb/> Schutz zu gewähren, er ſie durch die in dem Hafen vor Anker liegenden<lb/> engliſchen Kriegsſchiffe beſchützen laſſen würde.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Niederland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>⏝ <hi rendition="#b">Amſterdam,</hi> 2 April.</dateline><lb/> <p>Das Miniſterinm wird ſich bei Wie-<lb/> dereröffnung der Generalſtaaten kaum lange halten können. Seine Geſetz-<lb/><cb/> entwürfe finden in den Abtheilungen ſtrengen und unerbittlichen Tadel.<lb/> Beſonders ungünſtig lautet das Urtheil über den Finanzentwurf zur<lb/> Deckung des Deficits, im Bericht der zweiten Kammer ausgeſprochen.<lb/> Man will weder von Einkommen- noch von andern Steuern etwas wiſſen,<lb/> und ſo verſchiedene Anſichten auch in den Bureaux über die Deckung des<lb/> Deficits hervortraten, allgemein fand man daß wir an den alten Steuern<lb/> ſchon genug aufzubringen haben. Mehr Eingang fanden die Plane: des<lb/> Hrn. Sloet Ländereien auf Java zu verkaufen, anderer Mitglieder um<lb/> Papierheld zu creiren, und ſelbſt ein Project für einige Jahre durchgreifende<lb/> Erſparniſſe im Staatshaushalte vorzunehmen. Auch fehlt es nicht an an-<lb/> dern ſcharfen und bittern Anmerkungen, die in demſelben Maße bei der Be-<lb/> urtheilung des Entwurfs über Verantwortlichkeit der Miniſter laut wur-<lb/> den. Wilhelm <hi rendition="#aq">II</hi> werden einige Monumente geſetzt werden. Die Theil-<lb/> nahme dafür iſt im Lande ſehr groß. Bei der Expedition gegen Bali be-<lb/> finden ſich viele Deutſche welche im vorigen Jahr als Freiſchärler nach<lb/> Schleswig-Holſtein gezogen waren.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">* Neapel,</hi> 28 März.</dateline><lb/> <p>Daß nun wirklich jede Hoffnung zu friedli-<lb/> cher Beilegung der ficiliſchen Sache verſchwunden iſt, entnimmt man aus<lb/> den beifolgenden Mittheilungen des Miniſterconſeilspräfidenten Cariati<lb/> an die hieſtgen Conſuln. Filangieri iſt vor wenigen Tagen von Ga<hi rendition="#aq">ë</hi>ta<lb/> aus nach Meſſina abgegangen, und zwar, wie man hört, gar nicht mit gro-<lb/> ßer Zuverſicht auf den Erfolg ſeiner Unternehmung. Es iſt begreiflich<lb/> daß er findet, man habe deu Sicilianern viel zu lange Zeit gelaſſen ſich zu<lb/> verzweifelter Gegenwehr vorzubereiten, und was im letzten September ein<lb/> Kinderſpiel geweſen wäre habe gegenwärtig ernſtliche Schwierigkeiten. —<lb/> Man erwartet hier ein neues Preßgeſetz, das durch eine für jedes politiſche<lb/> Tagblatt zu ſtellende bedeutende Caution die Reihen der Oppoſitionszei-<lb/> tungen bedeutend lichten würde. (Wir tragen die officiellen Acten-<lb/> ſtücke nach.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>⨪ <hi rendition="#b">Rom,</hi> 28 März.</dateline><lb/> <p>Außer dem Silbergeſchirr des päpſtlichen<lb/> Haushaltes mußten auch die Weihgefäße in die Münze wandern, welche<lb/> in der Capelle Paolino a. S. Pietro aufbewahrt wurden, worunter ſich<lb/> auch die „goldene Roſe“ befand, im Werth von 4000 Scudi und meiſter-<lb/> hafter Arbeit. Die Verhandlungen der Interventionsmächte in Gaëta be-<lb/> gannen am 23. Es nahmen daran Theil: Cardinal Antonelli, Graf<lb/> Eſterhazy, d’Arcourt, Martinez de la Roſa. — Folgende Arten der<lb/> Schatzſcheine als 2,500,000 päpſtliche Chirographen, 600,000 durch<lb/> Decret des Conſtglio und der Deputirten, 600,000 durch Decret der provi-<lb/> ſchen Regierung, 200,000 durch Decret des Magiſtrats von Bologna<lb/> emittirte und als nationale anerkannte wurden zu einer einzigen Kategorie<lb/> umgewandelt. Dadurch kommen die Beſitzer der erſten Claſſe in großen<lb/> Schaden, denn da ihnen vom Papſt eine Hypothek zugeſichert war, hatten<lb/> ſie einen ſichern Werth. Die andern Schatzſcheine konnten dagegen vom<lb/> Papſt leicht annullirt werden.<note place="foot" n="*)">Dieſes Finanzmanöver iſt nichts neues. „<hi rendition="#aq">Le grand livre de la dette<lb/> publique</hi>“ war eine Erfindung Cambons, der als guter Republicaner<lb/> den franzöſiſchen Staatspapieren dadurch einen Werth zu geben wußte<lb/> daß er die königlichen und republicaniſchen Schulden zuſammenwarf. „<hi rendition="#aq">Il<lb/> faut uniformiser et républicaniser la dette!</hi>“ hatte Cambon ge.<lb/> ſagt, und ſeine vom Standpunkt der Revolution höchſt geniale Maßregel<lb/> leiſtete, was er ſelbſt von ihr rühmte: „<hi rendition="#aq">De cette manière la dette<lb/> contractée par le despotisme ne pourra plus ètre distinguée<lb/> de celle contractée dépuis la révolution; et je déſie mon-<lb/> seigneur le despotisme sil ressuscite, de reconnaltre son an-<lb/> cien dette lorsqu’elle sera conſondue avec la nouvelle. Cette<lb/> opération ſaite vous verrez le capitaliste qui désire un roi<lb/> parcequ’il a un roi pour débiteur, et qui craint de perdre sa<lb/> créance, si son débiteur n’est pas rétabli, désirer la république,<lb/> qui sera devenue sa débitrice, parcequ’il craindra de perdre<lb/> son capital en la perdant.</hi>“ <hi rendition="#et">A. d. R.</hi></note></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">* Rom</hi>, 30 März.</dateline><lb/> <p>Wenig oder nichts haben die Beſitzenden bis<lb/> jetzt zur Zwangsanleihe bezahlt. Die Abſchätzung war ganz willkürlich<lb/> und die Reichſten flüchteten mit ihren Koſtbarkeiten. Nun ſind wir am<lb/> Ende des Monats ſchon und faſt niemand hat die erſte Rate bezahlt! Es<lb/> kommt jetzt auf daß einzelne Legionäre von Haus zu Haus gehen und ſich<lb/> Bezahlung erzwingen. Der Major Amadei, vom republicaniſchen Genie-<lb/> corps, iſt auf neapolitaniſchem Gebiet wegen verſuchter Verführung der<lb/> Vorpoſten verhaftet worden. Als Repreſſalie ergriff man in Terracina<lb/> zwei Brüder des Card. Antonelli als Geiſeln und drohte ſie zu tödten. —<lb/> Die ſiciliſche Regierung hat die römiſche Republik nicht anerkannt. Dieſe<lb/> Nachricht bringt neue Verwirrung. So ſieht ſich denn die Republik nicht<lb/> allein von den auswärtigen, ſondern auch von italieniſchen Staaten<lb/> verlaſſen, mit Ausnahme des einzigen Toscana. Freilich wird man nicht<lb/> begreifen wie eine factiſche, von der Revolution gegründete Macht wie<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1519/0007]
iſt Cardinal Giraud, Erzbiſchof von Cambrai, von Gaëta zurück am
29 März in Marſeille angekommen.
Die Cholera iſt wieder im Zunehmen. Am Freitag zählte man in
der Salpetrière 28 Erkrankungs- und 17 Sterbefälle, am Samstag 52
und 35, am Sonntag und Montag 41 und 40. In vierzehn Kranken-
häuſern der Hauptſtadt war der Stand am 2 April dieſer: erkrankt
852, geſtorben 481, Zuwachs 183. Unter den Erkrankten wird
auch der Biſchof Fayet von Orleans (der Freund Cavaignacs) genannt,
und es war ſchon die Nachricht von ſeinem Tod verbreitet, die jedoch wider-
rufen worden iſt. Ueber den Stand der Seuche in den Wohnungen wird
noch immer nichts veröffentlicht.
Das Budget des Miniſteriums des Innern wurde in der geſtrigen
Sitzung, ohne ernſtliche Debatte, vollends erledigt. Es iſt nur zu er-
wähnen daß die Nationalverſammlung dießmal weniger unbedingt ihr
Sparſyſtem verfolgt hat. Unter anderm iſt ein Poſten von 1,600,000 Fr.
zur Unterſtützung fremder Flüchtlinge ausgeſetzt, und die Budgetcommiſ-
ſion hatte vorgeſchlagen 200,000 Fr. davon zu ſtreichen. Dieſer Abzug
wurde verworfen. Heute ging man zum Budget des Unterrichtsminiſte-
riums über. Die Verhandlung war nicht ſehr erheblich, aber ſie wurde
durch mehrere Zwiſchenfälle unterbrochen welche die Gemüther in nicht ge-
ringe Aufregung verſetzten. Zuerſt wurde der Tod des Biſchofs Fayet
von Orleans und des Hrn. Culmann, Abgeordneten des Oberrheins, an-
gezeigt, welche beide, wie es ſcheint, an der Cholera geſtorben find; dann
Urlaubsgeſuche der HH. Payer und Laumondais wegen Erkrankung,
wahrſcheinlich auch an der Cholera; und nach einiger Zeit einzneuer To-
desfall, der des Hrn. Ballot. Die HH. Teulon, Hamard und Brey-
maud find gleichfalls erkrankt. Endlich brachte einer der Miniſter einen
Geſetzentwurf ein, Sanitätsmaßregeln und Unterſtützung der Cholera-
kranken betreffend, und verlangte daß die Sache als dringlich behandelt
werde. Der Choleraſchrecken ſcheint in die Verſammlung gefahren zu
ſeyn, denn mitten in der Discuſſion erhob ſich eine Anzahl Mitglieder
und bat daß die Sitzung zehn Minuten ausgeſetzt werde, damit der Saal
gelüftet werden und man draußen friſche Luft ſchöpfen könne. Dieß ge-
ſchah. Die Dringlichkeit wurde auch für den Bericht des Generals La-
moricière über die bewaffnete Macht begehrt, der, wenn die beantragte
neue Wehrverfaſſung angenommen wird, dem Staat für dieſes und das
nächſte Jahr, ohne Verminderung des Effectivſtands, eine Erſparniß von
260 Millionen Fr. verſpricht. Das Einſteherweſen iſt hier neu geregelt,
und zwar ſo daß diejenigen die ſich dem Militärdienſt entziehen, nicht nur
einen Erſatzmann zu ſtellen, ſondern auch noch Einzahlungen zu machen
haben, woraus ein Capitalvermögen gebildet werden ſoll zu Gunſten de-
rer die das Loos zu den Waffen ruft. Der Kriegsminiſter erhob Einrede,
aber da Hr. Goudchaux im Namen der Budgetcommiſſion erklärte die-
ſer habe nichts dawider daß der Entwurf auf nächſten Montag auf die
Tagesordnung geſetzt werde, ſo wurde dem Anſinnen Folge gegeben. Die-
ſelbe Berückſichtigung wünſchte der Miniſterpräſident, Hr. Odilon-
Barrot, für die zweite Verleſung des Geſetzes übeꝛ die Gerichtsverfaſ-
ſung und der Finanzwiniſter für die Colonialentſchädigung. Dieſe
Geſetzentwürfe erhielten für einige der nächſten Sitzungen die Priori-
tät. So häufen ſich, während die Nationalverſammlung ihrem Ende ent-
gegengeht, fortwährend die Arbeiten, und es fragt ſich ob ſie alle, oder
nur die wichtigſten noch zu Stande bringen wird. Inzwiſchen iſt das
Clubgeſetz wie verſchollen, die Regierung ſcheint es fallen zu laſſen. Im
Verlauf der Sitzung hatte der Finanzminiſter mehreren Repräſentanten
erzählt Hr. v. Rothſchild habe am Morgen die Nachricht erhalten daß der
König von Preußen die deutſche Kaiſerkrone angenommen. — General
Changarnier hat ſich die Subſcription verbeten.
* Marſeille, 2 April.
Durch das Dampfſchiff Courrier-Corſe er-
halten wir Nachricht von Sicilien, wornach der letzte Vergleichsverſuch der
franzöſiſchen und engliſchen Bevollmächtigten ganz fruchtlos geblieben iſt.
Der König von Neapel erfuhr in Gaëta den Erfolg der Bemühungen der
vermittelnden Mächte, und wir werden nun bald von dem Beginn der
Feindfeligkeiten hören. Das Schiff hat in Genua angehalten, und fand
dieſe Stadt in einem höchſt geſetzloſen Zuſtande; eine Partei Aufrührer
hatte ſich, wie es heißt, der Feſtungswerke bemächtigt, ohne daß die bewaff-
nete Macht den geringſten Widerſtand geleiſtet hätte; dann ſoll eine provi-
ſoriſche Regierung eingeſetzt worden ſeyn, welche den Waffenſtillſtand nicht
anerkennt. Einſtweilen hat der engliſche Conſul der neuen Regierung er-
kärt daß, wenn ſie nicht im Stande wäre ſeinen Landsleuten den gehörigen
Schutz zu gewähren, er ſie durch die in dem Hafen vor Anker liegenden
engliſchen Kriegsſchiffe beſchützen laſſen würde.
Niederland.
⏝ Amſterdam, 2 April.
Das Miniſterinm wird ſich bei Wie-
dereröffnung der Generalſtaaten kaum lange halten können. Seine Geſetz-
entwürfe finden in den Abtheilungen ſtrengen und unerbittlichen Tadel.
Beſonders ungünſtig lautet das Urtheil über den Finanzentwurf zur
Deckung des Deficits, im Bericht der zweiten Kammer ausgeſprochen.
Man will weder von Einkommen- noch von andern Steuern etwas wiſſen,
und ſo verſchiedene Anſichten auch in den Bureaux über die Deckung des
Deficits hervortraten, allgemein fand man daß wir an den alten Steuern
ſchon genug aufzubringen haben. Mehr Eingang fanden die Plane: des
Hrn. Sloet Ländereien auf Java zu verkaufen, anderer Mitglieder um
Papierheld zu creiren, und ſelbſt ein Project für einige Jahre durchgreifende
Erſparniſſe im Staatshaushalte vorzunehmen. Auch fehlt es nicht an an-
dern ſcharfen und bittern Anmerkungen, die in demſelben Maße bei der Be-
urtheilung des Entwurfs über Verantwortlichkeit der Miniſter laut wur-
den. Wilhelm II werden einige Monumente geſetzt werden. Die Theil-
nahme dafür iſt im Lande ſehr groß. Bei der Expedition gegen Bali be-
finden ſich viele Deutſche welche im vorigen Jahr als Freiſchärler nach
Schleswig-Holſtein gezogen waren.
Italien.
* Neapel, 28 März.
Daß nun wirklich jede Hoffnung zu friedli-
cher Beilegung der ficiliſchen Sache verſchwunden iſt, entnimmt man aus
den beifolgenden Mittheilungen des Miniſterconſeilspräfidenten Cariati
an die hieſtgen Conſuln. Filangieri iſt vor wenigen Tagen von Gaëta
aus nach Meſſina abgegangen, und zwar, wie man hört, gar nicht mit gro-
ßer Zuverſicht auf den Erfolg ſeiner Unternehmung. Es iſt begreiflich
daß er findet, man habe deu Sicilianern viel zu lange Zeit gelaſſen ſich zu
verzweifelter Gegenwehr vorzubereiten, und was im letzten September ein
Kinderſpiel geweſen wäre habe gegenwärtig ernſtliche Schwierigkeiten. —
Man erwartet hier ein neues Preßgeſetz, das durch eine für jedes politiſche
Tagblatt zu ſtellende bedeutende Caution die Reihen der Oppoſitionszei-
tungen bedeutend lichten würde. (Wir tragen die officiellen Acten-
ſtücke nach.)
⨪ Rom, 28 März.
Außer dem Silbergeſchirr des päpſtlichen
Haushaltes mußten auch die Weihgefäße in die Münze wandern, welche
in der Capelle Paolino a. S. Pietro aufbewahrt wurden, worunter ſich
auch die „goldene Roſe“ befand, im Werth von 4000 Scudi und meiſter-
hafter Arbeit. Die Verhandlungen der Interventionsmächte in Gaëta be-
gannen am 23. Es nahmen daran Theil: Cardinal Antonelli, Graf
Eſterhazy, d’Arcourt, Martinez de la Roſa. — Folgende Arten der
Schatzſcheine als 2,500,000 päpſtliche Chirographen, 600,000 durch
Decret des Conſtglio und der Deputirten, 600,000 durch Decret der provi-
ſchen Regierung, 200,000 durch Decret des Magiſtrats von Bologna
emittirte und als nationale anerkannte wurden zu einer einzigen Kategorie
umgewandelt. Dadurch kommen die Beſitzer der erſten Claſſe in großen
Schaden, denn da ihnen vom Papſt eine Hypothek zugeſichert war, hatten
ſie einen ſichern Werth. Die andern Schatzſcheine konnten dagegen vom
Papſt leicht annullirt werden. *)
* Rom, 30 März.
Wenig oder nichts haben die Beſitzenden bis
jetzt zur Zwangsanleihe bezahlt. Die Abſchätzung war ganz willkürlich
und die Reichſten flüchteten mit ihren Koſtbarkeiten. Nun ſind wir am
Ende des Monats ſchon und faſt niemand hat die erſte Rate bezahlt! Es
kommt jetzt auf daß einzelne Legionäre von Haus zu Haus gehen und ſich
Bezahlung erzwingen. Der Major Amadei, vom republicaniſchen Genie-
corps, iſt auf neapolitaniſchem Gebiet wegen verſuchter Verführung der
Vorpoſten verhaftet worden. Als Repreſſalie ergriff man in Terracina
zwei Brüder des Card. Antonelli als Geiſeln und drohte ſie zu tödten. —
Die ſiciliſche Regierung hat die römiſche Republik nicht anerkannt. Dieſe
Nachricht bringt neue Verwirrung. So ſieht ſich denn die Republik nicht
allein von den auswärtigen, ſondern auch von italieniſchen Staaten
verlaſſen, mit Ausnahme des einzigen Toscana. Freilich wird man nicht
begreifen wie eine factiſche, von der Revolution gegründete Macht wie
*) Dieſes Finanzmanöver iſt nichts neues. „Le grand livre de la dette
publique“ war eine Erfindung Cambons, der als guter Republicaner
den franzöſiſchen Staatspapieren dadurch einen Werth zu geben wußte
daß er die königlichen und republicaniſchen Schulden zuſammenwarf. „Il
faut uniformiser et républicaniser la dette!“ hatte Cambon ge.
ſagt, und ſeine vom Standpunkt der Revolution höchſt geniale Maßregel
leiſtete, was er ſelbſt von ihr rühmte: „De cette manière la dette
contractée par le despotisme ne pourra plus ètre distinguée
de celle contractée dépuis la révolution; et je déſie mon-
seigneur le despotisme sil ressuscite, de reconnaltre son an-
cien dette lorsqu’elle sera conſondue avec la nouvelle. Cette
opération ſaite vous verrez le capitaliste qui désire un roi
parcequ’il a un roi pour débiteur, et qui craint de perdre sa
créance, si son débiteur n’est pas rétabli, désirer la république,
qui sera devenue sa débitrice, parcequ’il craindra de perdre
son capital en la perdant.“ A. d. R.
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(2022-09-09T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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