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Allgemeine Zeitung, Nr. 89, 1. April 1900.

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Sonntag, Drittes Blatt Nr. 89 der Allgemeinen Zeitung. 1. April 1900.
[Spaltenumbruch]
Großbritannien.
Die irische Reise der Königin.

Man kann nicht gerade be-
haupten, daß die Irländer dem Besuch der Königin
mit besonderer Begeisterung entgegensehen, aber es ist auch
andrerseits vollständig ausgeschlossen, daß sie von dem Volke,
das ihre Regierung so glühend haßt, unfreundlich empfangen
oder gar, wie furchtsame Gemüther behaupteten, insultirt
werden wird. In Dublin selbst ist nach den letzten Berichten
überhaupt nichts genaues über das Datum der Ankunft, das
Programm der Empfangsfeierlichkeiten etc. bekannt, und offi-
zielle Ankündigungen hierüber sind bis jetzt noch nicht erlassen.
Die Bevölkerung sieht dem hohen Besuche anscheinend ziemlich
gleichmüthig entgegen und recht bezeichnend hiefür ist ein
kleines Stimmungsbild, das der Dubliner Korrespondent der
"Evening News" seinem Blatte schickt. Er hat aufmerksam
umhergehorcht und hat allerlei Leute, auch den "man in the
street"
über ihre Ansicht gefragt. Dabei hat er die Ueber-
zeugung gewonnen, daß die verschiedenen Anreizungen zu
Unhöflichkeiten, die leider nicht unterblieben sind, ohne jeden
Erfolg sein werden, und daß das irische Volk die greise
Monarchin mit aller Ehrfurcht willkommen heißen wird.
"Wir eine Lady insultiren? Ihr müßt die Irländer mächtig
schlecht kennen, wenn Ihr uns so etwas zutraut," sagte einer
der Befragten, und fügte wohlwollend hinzu: "Gott verdamme
Euer Land und alles was darin ist, und ich hoffe, die
Buren werden Euch Alle zu Brei schlagen. Aber das kann
uns nicht dazu bringen, eine Lady zu insultiren, noch dazu
eine gute alte Lady, wie sie. Nein, "sorr", wir werden Alle
erfreut sein, sie zu sehen." Die Königin wird also in Irland
nicht insultirt werden und vielleicht werden manche Handels-
leute ihre Anwesenheit segnen. Denn Handel und Wandel
liegen in Dublin arg danieder. Dublin ist monatelang eine
verödete, traurige Stadt gewesen und vielmal schwerer lastet
der Krieg auf dieser Stadt, als auf London. Die Hälfte der
Leute, die man auf der Straße trifft, sagt der Korrespondent
der "Evening News", tragen den ernsten Weidenzweig (irisches
Trauerabzeichen) anstatt des fröhlichen grünen Shamrock.
Traurig dareinschauende Frauen in Schwarz scheinen allein
die Bevölkerung der Stadt zu bilden; die Lücken in den
Reihen der Füsiliere haben Dublin in eine Stadt der Traner
verwandelt. Ein Kaufmann versicherte dem Journalisten: "Ich
glaube nicht, daß in diesem Winter ein einziges Tanzfest in
Dublin abgehalten worden ist und wir haben nie eine so
schlechte Saison in unserm Leben gehabt, die Ankunft der
Königin wird hierin etwas Aenderung schaffen." "Aber,"
fährt der Korrespondent fort, "die geschäftlichen Rücksichten
sind von ganz untergeordneter Bedeutung. Es gibt nicht
viele Irländer, die wenig Respekt vor der Krone, aber dafür
desto mehr für eine halbe Krone (21/2 Schillingstück) haben."

Die anglo-amerikanischen Beziehungen.

Aus parlamentarischen Kreisen,
die der ministeriellen Seite des Hauses angehören, wird mit-
getheilt, daß der diplomatische Feldzug der Washingtoner
Regierung
zugunsten der Politik der "offenen Thür"
in China seinen Ursprung in Besprechungen zwischen Lord
Salisbury und Hay hatte, als Letzterer noch amerikanischer
Botschafter in London war. Auf Veranlassung des Präsi-
denten Mc Kinley hatte Hay mit Lord Salisbury die Frage
erörtert, auf welche Weise sich am besten die Zustimmung der
Mächte in jener wichtigen Angelegenheit erlangen ließe. Die
amerikanische Regierung war bereit, das britische Kabinet zu
unterstützen, wenn dieses die Mächte zur Herstellung eines
Uebereinkommens auffordern wollte; aber Lord Salisbury
sah sofort, eine wie günstige Gelegenheit sich hier bot, die
amerikanische Regierung zur Vorkämpferin für die "offene
Thür" zu machen. Er trug daher, da ja die Vereinigten
Staaten in dieser Angelegenheit als uneigennütziger angesehen
würden, der Washingtoner Regierung die Initiative an. Dieser
Plan wurde auch befolgt, nachdem Hay seinen Posten in
London mit dem Ministeramt in Washington vertauscht hatte.
Seitdem hat Lord Salisbury sich aufs angelegentlichste be-
müht, dem englandfreundlichen Staatssekretär Hay in jeder
nur möglichen Angelegenheit Entgegenkommen zu zeigen. Es
hat das der Regierung Mc Kinley's indeß bisher noch wenig
genützt. Der britische Premierminister hätte ihr z. B. gern
einen "Erfolg" in dem Alaska-Grenzstreit gegönnt, aber Canada
lehnte es entschieden ab und lehnt es heute, wo es Eng-
land in Südafrika Hülfe geleistet hat, noch viel entschiedener
ab, seine Interessen der anglo-amerikanischen Freundschaft
zum Opfer bringen zu lassen. Der Hay-Panncefote-Vertrag,
in welchem England auf sein Recht der Mitaufsicht über den
Nicaragua-Kanal verzichtete, war gleichfalls von Lord Salis-
bury als ein kleiner "Erfolg" für die McKinley'sche Ver-
waltung gedacht. Aber auch mit dieser Liebenswürdigkeit
scheint der britische Premierminister kein Glück haben zu sollen.
Die Opposition gegen den Vertrag kommt aus dem eigenen
Lager des Präsidenten, da die britischen Zugeständnisse den
Chauvinisten in der republikanischen Partei noch nicht weit
genug gehen. Auch die Shamrock-Tändelei und der Besuch
der Königin in Dublin sollten die amerikanische Politik stärken.
Sie bezwecken selbstverständlich vor allem, eine Versöhnung
Irlands mit England anzubahnen. Zugleich aber hatte die
britische Regierung im Auge, daß diese den Iren daheim be-
wiesenen Gunstbezeigungen auch in den Vereinigten Staaten
ihre Wirkung nicht verfehlen und den Präsidenten von der
Feindschaft der amerikanischen Iren befreien würden, was
natürlich im Hinblick auf die bevorstehende Präsidentenwahl
von äußerster Wichtigkeit wäre. Aber auch hierin haben
Lord Salisbury und seine Kollegen sich augenscheinlich
geirrt. Die Iren in Amerika verhöhnten am St. Patrick-
Tage in öffentlichen Versammlungen die plötzliche eng-
lische Begeisterung für den Shamrock als einen englischen
Humbug; und die Aufmerksamkeit, die die Königin Victoria
ihrem alten Heimathland zu erweisen beabsichtigt, hat
in keiner Weise ihre Feindschaft gegen McKinley gemildert,
dem sie vor allen Dingen nicht verzeihen können, daß er in
dem Burenkampfe auf der Seite Salisbury's und Chamber-
lains steht. Sie haben neuerdings sogar eine sehr energische
Agitation, die auch von einflußreichen Deutsch-Amerikanern
unterstützt sein soll, in Scene gesetzt, um Hay, "den Freund
Englands", zum Rücktritt aus dem Kabinet zu zwingen. Die
Freundschaft Lord Salisbury's, anstatt ihnen zu nützen, scheint
also dem Präsidenten und dem Staatssekretär Hay nur zu
schaden -- und zwar nicht allein bei der demokratischen Partei
und bei dem irischen und dem deutschen Element, sondern
unter ihrer eigenen unmittelbaren Gefolgschaft. Mit Bezug
auf diesen letzteren Punkt schreibt heute der New-Yorker
Berichterstatter des "Manchester Gnardian":

"Eine bedeutende
[Spaltenumbruch] und im Wachsen begriffene Gruppe der republikanischen Partei
blickt mit Widerwillen auf Hay's Zusammenwirken mit der
englischen Diplomatie; und daß sie gern seine Pläne durch-
kreuzen und ihn demüthigen würde, ist nicht zu leugnen.
Das traurigste an der ganzen Sache ist die daraus gewonnene
Erkenntniß, daß die Feindschaft gegen England noch als ein
mächtiger politischer Faktor fortbesteht. Ein erfahrener Be-
obachter unsrer politischen Verhältnisse und der internationalen
Beziehungen erklärte mir neulich, er hoffe, Lord Salisbury's
Regierung sei sich bewußt, wie sehr der Burenkrieg dazu bei-
getragen habe, das gute Einverständniß mit den Vereinigten
Staaten zu erschüttern, und daß heute viele unsrer einfluß-
reichen Politiker ebenso bereit sind, einen Streit mit England
aufzunehmen, als je zuvor in der Geschichte unsres Landes."
Frankreich
Die Assumptionisten.

Die Nachricht, die zuerst mit
großem Unglauben aufgenommen wurde, hat sich bestätigt.
Pater Bailly und die übrigen Mönche des Assumptio-
nistenordens
scheiden auf den ausdrücklichen Befehl des
Papstes aus der Redaktion der "Croix" aus und werden
durch Laien ersetzt. Die klerikale Presse gibt die Richtigkeit
nun auch zu wenn sie auch den Rückzug damit beschönigt,
daß Pater Bailly eine große Sehnsucht empfunden habe, die
übliche Pilgerfahrt nach Jerusalem, für die der Orden ein
eigenes Schiff besitzt, selbst mitzumachen. Nur darin gehen
die Lesarten auseinander, ob Leo XIII. "proprio motu" oder
auf den dringenden Wunsch der französischen Regierung den
streitsüchtigen und wenig wahrheitsliebenden Patres die Mög-
lichkeit entzogen habe, fürderhin bei Bekämpfung der Republik
mit Rochefort und Drumont zu wetteifern. Die klerikale
Presse versichert, der Papst habe aus eigenem Ermessen ge-
handelt. Dann wäre sein Vorgehen aber erst recht eine harte
Verurtheilung der Patres. Gerade darum ist es aber auch
erlaubt, anzunehmen, daß die Maßregel trotzdem als ein
diplomatischer Erfolg der französischen Regierung anzusehen
ist. Mit der Verweltlichung der "Croix", deren Politik
natürlich die gleiche bleiben wird, die aber doch Mühe haben
dürfte, die populär gehaltenen Artikel Bailly's, der "Le
Moine" zeichnete, zu ersetzen, sind die Prüfungen des Ordens
noch nicht zu Ende. Der Fiskus, der mehrere Prozesse gegen
ihn verloren hat, weil er nicht beweisen konnte, daß die werth-
volle Liegenschaft der Rue Francois-Premier dem Orden
wirklich gehöre, hat den Muth noch nicht verloren. Bei der
Haussuchung, die dem letzten Prozeß wegen ungesetzlicher
Vereinsbildung vorausging, war ein Dokument gefunden
worden, worin der angebliche Besitzer der Liegenschaft gegen-
über seinen natürlichen Erben erklärt, daß er nur für die
Form Grundeigenthümer sei und daß sie es ebenso zu halten
hätten. Auf dieses Dokument gestützt, wird der Fiskus wahr-
scheinlich mit mehr Erfolg als bisher die besonderen Regeln
des "Zuwachsgesetzes" auf die Hochburg des Ordens in
Paris anwenden können. Nur in einem Punkt ist die Re-
gierung geneigt, der Milde Gehör zu schenken. Die über-
seeischen Niederlassungen der Assumptionisten sollen nämlich
nicht nur unbehelligt bleiben, sondern nach wie vor eine
staatliche Unterstützung überall da empfangen, wo sie zur
Ausbreitung der französischen Sprache beitragen. Logisch ist
es freilich nicht, einen Mönchsorden, dem man in Frankreich
die Existenzberechtigung abspricht, in den Kolonien und im
Ausland staatlich zu unterstützen, aber Frankreich verfügt für
sein großes Kolonialgebiet über so wenig kolonisatorische
Kräfte, daß selbst die entschiedensten Priesterfresser der Re-
gierung aus dieser Inkonsequenz keinen Vorwurf machen.

Fürsorge für die Bauarbeiter.

Es wird dem Bautenminister
Bandin von den Einen als weise Vorsicht, von den Anderen
als ängstliche Sorge ausgelegt, daß er an die Lage gedacht
hat, welche nach der Beendig[ung] der Bauten auf dem
Ausstellungsgebiete unter den Werkleuten entstehen
könnte. Er hat daher auf den verschiedenen Bauplätzen zur
Kenntniß der Arbeiter gebracht, wo sie dann in der Pro-
vinz
bei Straßen- und Eisenbahnbauten sichere Beschäftigung
finden würden. Die Maueranschläge ertheilen ausführliche
Auskunft über die Arbeitskräfte, deren man an den ver-
schiedenen Orten bedarf, und über die jeweiligen Lohnver-
verhältnisse. Die großen Eisenbahngesellschaften werden im
Laufe des Jahres 7800 Erdarbeiter, 2400 Maurer, 800
Zimmerleute, 450 Schreiner, 500 Anstreicher und 450 Metall-
arbeiter beschäftigen können.

Hochpolitisches aus England.

Von einem hervorragenden fran-
zösischen Finanzmann, der kürzlich Gelegenheit hatte, sich in
London über die Absichten der leitenden englischen Kreise zu unter-
richten, wird versichert, daß nach seinen Wahrnehmungen die
jüngsten allarmirenden Nachrichten aus Bulgarien in
England keinerlei Beunruhigung hervorgerufen haben. Die
britische Diplomatie sei von Gedanken an Unternehmungen
im europäischen Orient weit entfernt und, wenn sie Jemand
einen Gefallen damit erweisen könne, bereit, ein umfassendes
protocole de desinteressement für sämmtliche Balkanfragen
zu unterzeichnen. Lord Salisbury werde augesichts der be-
friedigenden Entwicklung der britischen Reichspolitik in den
für England wichtigsten Gebieten etwaige Grenzverschiebungen
zwischen Bulgarien, Serbien und Montenegro nicht mehr als
eine die Interessen des Vereinigten Königreichs berührende
Aenderung der Weltlage ansehen. Ein Versuch, die Auf-
merksamkeit der britischen Staatsmänner durch Wirren im
Südosten des europäischen Festlandes ihren eigentlichen Auf-
gaben abzuziehen, habe also keine Aussicht auf Erfolg.

Rußland.
Englische Schiffskapitäne.

* Die "Nowoje Wremja" veröffentlicht eine ihr von der
Schwarzmeerküste eingesandte Klage gegen die englischen
Schiffskapitäne.
Unter den Schiffskapitänen aller Nationen
seien die englischen auf Fahrten die unvorsichtigsten rück-
sichtslosesten
und darum auch die gefährlichsten. Ruß-
land habe oft durch die englische Unordnung zu leiden. Noch
kürzlich kam im Bosporus ein russischer Dampfer durch einen
englischen zu Schaden. Der Gewährsmann der "Nowoje
Wremja" erklärt, daß die englischen Schiffe auf dem Schwarzen
Meer und auch auf anderen Meeren den ihnen begegnenden
Fahrzeugen nie den Weg freigeben, daß sie die dringendsten
Vorsichtsregeln außer acht lassen, indem sie z. B. bei Rebel
und Schneestürmen mit Volldampf fahren, und daß sie nicht
selten den von ihnen beschädigten Schiffen keine Hülfe er-
[Spaltenumbruch] weisen. Untergänge von Schiffen und Verluste von Menschen-
leben können die Folge dieser Rücksichtslosigkeit sein, und
solche Folgen sind aus der Schiffahrtspraxis allerdings
auch allgemein bekannt. Die Matrosen südlicher rus-
sischer Häfen pflegen zu erzählen, daß die eng-
lischen Schiffskapitäne für jedes Schiff, das sie in
den Grund bohren, eine Prämie erhalten Diese volks-
thümliche Fabel sei schon der stärkste Beweis gegen die Eng-
länder. Französische und deutsche Schiffer wüßten auch genug
von den englischen Unthaten zu erzählen. Die Sache sei um
so betrübender, als die wirthschaftlichen Lebensinteressen des
ganzen russischen Südens von der bedrohten Schwarzmeer-
Schiffahrt abhängen und Rußland kein spezielles Schiffahrts-
gericht für die Handelsflotte besitze. Die englischen Kapitäne
gehen darum bei ihren völkerrechtswidrigen Vergehen ge-
wöhnlich straffrei aus. Dagegen verfahren die Engländer
selbst unerhört streng betreffs der Verletzungen der Meer-
fahrtsordnung, wenn sie darunter zu leiden haben. Als vor
einigen Jahren ein spanisches Schiff ein englisches anfuhr
und sich, ohne Hülfe zu leisten, in einem Hafen verbarg,
wurde der Vorfall sogleich in London bekannt und die Eng-
länder verlangten nichts mehr und nichts weniger, als daß
der spanische Kapitän gehängt werde. -- Es ist nicht das
erstemal, daß derartige Klagen über die englischen Schiffs-
kapitäne auftreten, und man braucht kaum anzunehmen, daß
der Gewährsmann der "Nowoje Wremja" zu stark aufgetragen
habe

Aus der Geschäftswelt.

* Ueber ein neues Reklamemittel wird uns geschrieben:
Vor einigen Tagen sah ich auf der Straße eine Karte liegen, die
einem Eisenbahnbillet glich. In der Meinung, ein Passant habe
seine Fahrkarte verloren, hob ich dieselbe auf. Das Kärtchen
hatte genau Farbe und Facon eines Bahnbillets 2. Klasse, aber
der Aufdruck war ein anderer, es war ein Ermäßigungs-
billet für das Variete Colosseum.
Auf der Rückseite
stand klar und deutlich: "Diese Karte, an der Kasse abgegeben,
berechtigt zur Ermäßigung von 25 Pf für Entree ins Kolosseum."
Ich traute der Sache jedoch nicht recht und um meine Neugierde
zu befriedigen, ging ich abends an die Kasse ins Colosseum und
präsentirte mein Kärtchen. Es war wirklich alles in Ordnung.
Man ließ mich auf Grund dieser Legitimation um 25 Pf. billiger
ein als zum Normalpreis an der Abendkasse. Es ist dies eine wirklich ge-
lungene Art von Reklame, der Neuzeit entsprechend und praktisch; Hr.
Direktor Böhmert hat hier eine wirklich gute Idee gehabt. Man
findet nun Geld oder doch zum mindesten Geldeswerth auf der
Straße; statt um 1 M. kommt man um 75 Pf in das Colosseum,
das ein reichhaltiges, interessantes Programm bietet und auch,
soweit Küche und Keller in Betracht kommen, nichts zu wünschen
läßt. Man mag also die kleinen grünen Karten, wenn man sie
auf der Straße findet getrost aufheben

Außer Verantwortung der Redaktion:
Herren- und Knaben-Konfektionsgeschäft, München,
Rosenthal 4.

Ein elegantes Herren- und Knaben-Konfektionsgeschäft
hat sich unter der Firma Siegfried Schlamme hier etablirt. Die
Kleider werden aus den feinsten und besten Stoffen nach der letzten
Mode hergestellt und werden ungeachtet dessen billigst, jedoch zu fixen
Preisen
berechnet, ohne daß der Käuser in irgend einer Weise über-
vortheilt würde. Der große Konsum wird es ermöglichen, diesem
Prinzip treu zu bleiben. Das Bestreben dieses Geschäfts basirt nur
auf strengster Reellität. Hr. Schlamme wird bemüht sein, durch
flotte, prompte Bedienung sich einen Stock von Kunden zu sammeln,
die, wenn sie sich von der Solidität der Geschäftsgebahrung über-
zeugen, gern wiederkommen. Wir wünschen dem neuen Unternehmen
den besten Erfolg und lebhaftesten Zuspruch.

Auszeichnung.

Die bekannte Kakao- und Schokoladen-Fabrik
Hewel u. Veithen, Köln am Rhein, alleinige Fabrikanten der
überall verbreiteten Dr. Lahmann'schen Nährsalz-Präparate,
wurde in Anerkennung ihrer Verdienste auf dem Gebiete der hygieinischen
Volksernährung von Seiner Majestät dem Kaiser von Oesterreich und
König von Ungarn mit dem Titel "Kaiserl. und Königl. Hof-Liese-
ranten" ausgezeichnet.



[irrelevantes Material]
Sonntag, Drittes Blatt Nr. 89 der Allgemeinen Zeitung. 1. April 1900.
[Spaltenumbruch]
Großbritannien.
Die iriſche Reiſe der Königin.

Man kann nicht gerade be-
haupten, daß die Irländer dem Beſuch der Königin
mit beſonderer Begeiſterung entgegenſehen, aber es iſt auch
andrerſeits vollſtändig ausgeſchloſſen, daß ſie von dem Volke,
das ihre Regierung ſo glühend haßt, unfreundlich empfangen
oder gar, wie furchtſame Gemüther behaupteten, inſultirt
werden wird. In Dublin ſelbſt iſt nach den letzten Berichten
überhaupt nichts genaues über das Datum der Ankunft, das
Programm der Empfangsfeierlichkeiten ꝛc. bekannt, und offi-
zielle Ankündigungen hierüber ſind bis jetzt noch nicht erlaſſen.
Die Bevölkerung ſieht dem hohen Beſuche anſcheinend ziemlich
gleichmüthig entgegen und recht bezeichnend hiefür iſt ein
kleines Stimmungsbild, das der Dubliner Korreſpondent der
„Evening News“ ſeinem Blatte ſchickt. Er hat aufmerkſam
umhergehorcht und hat allerlei Leute, auch den „man in the
street“
über ihre Anſicht gefragt. Dabei hat er die Ueber-
zeugung gewonnen, daß die verſchiedenen Anreizungen zu
Unhöflichkeiten, die leider nicht unterblieben ſind, ohne jeden
Erfolg ſein werden, und daß das iriſche Volk die greiſe
Monarchin mit aller Ehrfurcht willkommen heißen wird.
„Wir eine Lady inſultiren? Ihr müßt die Irländer mächtig
ſchlecht kennen, wenn Ihr uns ſo etwas zutraut,“ ſagte einer
der Befragten, und fügte wohlwollend hinzu: „Gott verdamme
Euer Land und alles was darin iſt, und ich hoffe, die
Buren werden Euch Alle zu Brei ſchlagen. Aber das kann
uns nicht dazu bringen, eine Lady zu inſultiren, noch dazu
eine gute alte Lady, wie ſie. Nein, „sorr“, wir werden Alle
erfreut ſein, ſie zu ſehen.“ Die Königin wird alſo in Irland
nicht inſultirt werden und vielleicht werden manche Handels-
leute ihre Anweſenheit ſegnen. Denn Handel und Wandel
liegen in Dublin arg danieder. Dublin iſt monatelang eine
verödete, traurige Stadt geweſen und vielmal ſchwerer laſtet
der Krieg auf dieſer Stadt, als auf London. Die Hälfte der
Leute, die man auf der Straße trifft, ſagt der Korreſpondent
der „Evening News“, tragen den ernſten Weidenzweig (iriſches
Trauerabzeichen) anſtatt des fröhlichen grünen Shamrock.
Traurig dareinſchauende Frauen in Schwarz ſcheinen allein
die Bevölkerung der Stadt zu bilden; die Lücken in den
Reihen der Füſiliere haben Dublin in eine Stadt der Traner
verwandelt. Ein Kaufmann verſicherte dem Journaliſten: „Ich
glaube nicht, daß in dieſem Winter ein einziges Tanzfeſt in
Dublin abgehalten worden iſt und wir haben nie eine ſo
ſchlechte Saiſon in unſerm Leben gehabt, die Ankunft der
Königin wird hierin etwas Aenderung ſchaffen.“ „Aber,“
fährt der Korreſpondent fort, „die geſchäftlichen Rückſichten
ſind von ganz untergeordneter Bedeutung. Es gibt nicht
viele Irländer, die wenig Reſpekt vor der Krone, aber dafür
deſto mehr für eine halbe Krone (2½ Schillingſtück) haben.“

Die anglo-amerikaniſchen Beziehungen.

Aus parlamentariſchen Kreiſen,
die der miniſteriellen Seite des Hauſes angehören, wird mit-
getheilt, daß der diplomatiſche Feldzug der Waſhingtoner
Regierung
zugunſten der Politik der „offenen Thür“
in China ſeinen Urſprung in Beſprechungen zwiſchen Lord
Salisbury und Hay hatte, als Letzterer noch amerikaniſcher
Botſchafter in London war. Auf Veranlaſſung des Präſi-
denten Mc Kinley hatte Hay mit Lord Salisbury die Frage
erörtert, auf welche Weiſe ſich am beſten die Zuſtimmung der
Mächte in jener wichtigen Angelegenheit erlangen ließe. Die
amerikaniſche Regierung war bereit, das britiſche Kabinet zu
unterſtützen, wenn dieſes die Mächte zur Herſtellung eines
Uebereinkommens auffordern wollte; aber Lord Salisbury
ſah ſofort, eine wie günſtige Gelegenheit ſich hier bot, die
amerikaniſche Regierung zur Vorkämpferin für die „offene
Thür“ zu machen. Er trug daher, da ja die Vereinigten
Staaten in dieſer Angelegenheit als uneigennütziger angeſehen
würden, der Waſhingtoner Regierung die Initiative an. Dieſer
Plan wurde auch befolgt, nachdem Hay ſeinen Poſten in
London mit dem Miniſteramt in Waſhington vertauſcht hatte.
Seitdem hat Lord Salisbury ſich aufs angelegentlichſte be-
müht, dem englandfreundlichen Staatsſekretär Hay in jeder
nur möglichen Angelegenheit Entgegenkommen zu zeigen. Es
hat das der Regierung Mc Kinley’s indeß bisher noch wenig
genützt. Der britiſche Premierminiſter hätte ihr z. B. gern
einen „Erfolg“ in dem Alaska-Grenzſtreit gegönnt, aber Canada
lehnte es entſchieden ab und lehnt es heute, wo es Eng-
land in Südafrika Hülfe geleiſtet hat, noch viel entſchiedener
ab, ſeine Intereſſen der anglo-amerikaniſchen Freundſchaft
zum Opfer bringen zu laſſen. Der Hay-Panncefote-Vertrag,
in welchem England auf ſein Recht der Mitaufſicht über den
Nicaragua-Kanal verzichtete, war gleichfalls von Lord Salis-
bury als ein kleiner „Erfolg“ für die McKinley’ſche Ver-
waltung gedacht. Aber auch mit dieſer Liebenswürdigkeit
ſcheint der britiſche Premierminiſter kein Glück haben zu ſollen.
Die Oppoſition gegen den Vertrag kommt aus dem eigenen
Lager des Präſidenten, da die britiſchen Zugeſtändniſſe den
Chauviniſten in der republikaniſchen Partei noch nicht weit
genug gehen. Auch die Shamrock-Tändelei und der Beſuch
der Königin in Dublin ſollten die amerikaniſche Politik ſtärken.
Sie bezwecken ſelbſtverſtändlich vor allem, eine Verſöhnung
Irlands mit England anzubahnen. Zugleich aber hatte die
britiſche Regierung im Auge, daß dieſe den Iren daheim be-
wieſenen Gunſtbezeigungen auch in den Vereinigten Staaten
ihre Wirkung nicht verfehlen und den Präſidenten von der
Feindſchaft der amerikaniſchen Iren befreien würden, was
natürlich im Hinblick auf die bevorſtehende Präſidentenwahl
von äußerſter Wichtigkeit wäre. Aber auch hierin haben
Lord Salisbury und ſeine Kollegen ſich augenſcheinlich
geirrt. Die Iren in Amerika verhöhnten am St. Patrick-
Tage in öffentlichen Verſammlungen die plötzliche eng-
liſche Begeiſterung für den Shamrock als einen engliſchen
Humbug; und die Aufmerkſamkeit, die die Königin Victoria
ihrem alten Heimathland zu erweiſen beabſichtigt, hat
in keiner Weiſe ihre Feindſchaft gegen McKinley gemildert,
dem ſie vor allen Dingen nicht verzeihen können, daß er in
dem Burenkampfe auf der Seite Salisbury’s und Chamber-
lains ſteht. Sie haben neuerdings ſogar eine ſehr energiſche
Agitation, die auch von einflußreichen Deutſch-Amerikanern
unterſtützt ſein ſoll, in Scene geſetzt, um Hay, „den Freund
Englands“, zum Rücktritt aus dem Kabinet zu zwingen. Die
Freundſchaft Lord Salisbury’s, anſtatt ihnen zu nützen, ſcheint
alſo dem Präſidenten und dem Staatsſekretär Hay nur zu
ſchaden — und zwar nicht allein bei der demokratiſchen Partei
und bei dem iriſchen und dem deutſchen Element, ſondern
unter ihrer eigenen unmittelbaren Gefolgſchaft. Mit Bezug
auf dieſen letzteren Punkt ſchreibt heute der New-Yorker
Berichterſtatter des „Mancheſter Gnardian“:

„Eine bedeutende
[Spaltenumbruch] und im Wachſen begriffene Gruppe der republikaniſchen Partei
blickt mit Widerwillen auf Hay’s Zuſammenwirken mit der
engliſchen Diplomatie; und daß ſie gern ſeine Pläne durch-
kreuzen und ihn demüthigen würde, iſt nicht zu leugnen.
Das traurigſte an der ganzen Sache iſt die daraus gewonnene
Erkenntniß, daß die Feindſchaft gegen England noch als ein
mächtiger politiſcher Faktor fortbeſteht. Ein erfahrener Be-
obachter unſrer politiſchen Verhältniſſe und der internationalen
Beziehungen erklärte mir neulich, er hoffe, Lord Salisbury’s
Regierung ſei ſich bewußt, wie ſehr der Burenkrieg dazu bei-
getragen habe, das gute Einverſtändniß mit den Vereinigten
Staaten zu erſchüttern, und daß heute viele unſrer einfluß-
reichen Politiker ebenſo bereit ſind, einen Streit mit England
aufzunehmen, als je zuvor in der Geſchichte unſres Landes.“
Frankreich
Die Aſſumptioniſten.

Die Nachricht, die zuerſt mit
großem Unglauben aufgenommen wurde, hat ſich beſtätigt.
Pater Bailly und die übrigen Mönche des Aſſumptio-
niſtenordens
ſcheiden auf den ausdrücklichen Befehl des
Papſtes aus der Redaktion der „Croix“ aus und werden
durch Laien erſetzt. Die klerikale Preſſe gibt die Richtigkeit
nun auch zu wenn ſie auch den Rückzug damit beſchönigt,
daß Pater Bailly eine große Sehnſucht empfunden habe, die
übliche Pilgerfahrt nach Jeruſalem, für die der Orden ein
eigenes Schiff beſitzt, ſelbſt mitzumachen. Nur darin gehen
die Lesarten auseinander, ob Leo XIII. „proprio motu“ oder
auf den dringenden Wunſch der franzöſiſchen Regierung den
ſtreitſüchtigen und wenig wahrheitsliebenden Patres die Mög-
lichkeit entzogen habe, fürderhin bei Bekämpfung der Republik
mit Rochefort und Drumont zu wetteifern. Die klerikale
Preſſe verſichert, der Papſt habe aus eigenem Ermeſſen ge-
handelt. Dann wäre ſein Vorgehen aber erſt recht eine harte
Verurtheilung der Patres. Gerade darum iſt es aber auch
erlaubt, anzunehmen, daß die Maßregel trotzdem als ein
diplomatiſcher Erfolg der franzöſiſchen Regierung anzuſehen
iſt. Mit der Verweltlichung der „Croix“, deren Politik
natürlich die gleiche bleiben wird, die aber doch Mühe haben
dürfte, die populär gehaltenen Artikel Bailly’s, der „Le
Moine“ zeichnete, zu erſetzen, ſind die Prüfungen des Ordens
noch nicht zu Ende. Der Fiskus, der mehrere Prozeſſe gegen
ihn verloren hat, weil er nicht beweiſen konnte, daß die werth-
volle Liegenſchaft der Rue François-Premier dem Orden
wirklich gehöre, hat den Muth noch nicht verloren. Bei der
Hausſuchung, die dem letzten Prozeß wegen ungeſetzlicher
Vereinsbildung vorausging, war ein Dokument gefunden
worden, worin der angebliche Beſitzer der Liegenſchaft gegen-
über ſeinen natürlichen Erben erklärt, daß er nur für die
Form Grundeigenthümer ſei und daß ſie es ebenſo zu halten
hätten. Auf dieſes Dokument geſtützt, wird der Fiskus wahr-
ſcheinlich mit mehr Erfolg als bisher die beſonderen Regeln
des „Zuwachsgeſetzes“ auf die Hochburg des Ordens in
Paris anwenden können. Nur in einem Punkt iſt die Re-
gierung geneigt, der Milde Gehör zu ſchenken. Die über-
ſeeiſchen Niederlaſſungen der Aſſumptioniſten ſollen nämlich
nicht nur unbehelligt bleiben, ſondern nach wie vor eine
ſtaatliche Unterſtützung überall da empfangen, wo ſie zur
Ausbreitung der franzöſiſchen Sprache beitragen. Logiſch iſt
es freilich nicht, einen Mönchsorden, dem man in Frankreich
die Exiſtenzberechtigung abſpricht, in den Kolonien und im
Ausland ſtaatlich zu unterſtützen, aber Frankreich verfügt für
ſein großes Kolonialgebiet über ſo wenig koloniſatoriſche
Kräfte, daß ſelbſt die entſchiedenſten Prieſterfreſſer der Re-
gierung aus dieſer Inkonſequenz keinen Vorwurf machen.

Fürſorge für die Bauarbeiter.

Es wird dem Bautenminiſter
Bandin von den Einen als weiſe Vorſicht, von den Anderen
als ängſtliche Sorge ausgelegt, daß er an die Lage gedacht
hat, welche nach der Beendig[ung] der Bauten auf dem
Ausſtellungsgebiete unter den Werkleuten entſtehen
könnte. Er hat daher auf den verſchiedenen Bauplätzen zur
Kenntniß der Arbeiter gebracht, wo ſie dann in der Pro-
vinz
bei Straßen- und Eiſenbahnbauten ſichere Beſchäftigung
finden würden. Die Maueranſchläge ertheilen ausführliche
Auskunft über die Arbeitskräfte, deren man an den ver-
ſchiedenen Orten bedarf, und über die jeweiligen Lohnver-
verhältniſſe. Die großen Eiſenbahngeſellſchaften werden im
Laufe des Jahres 7800 Erdarbeiter, 2400 Maurer, 800
Zimmerleute, 450 Schreiner, 500 Anſtreicher und 450 Metall-
arbeiter beſchäftigen können.

Hochpolitiſches aus England.

Von einem hervorragenden fran-
zöſiſchen Finanzmann, der kürzlich Gelegenheit hatte, ſich in
London über die Abſichten der leitenden engliſchen Kreiſe zu unter-
richten, wird verſichert, daß nach ſeinen Wahrnehmungen die
jüngſten allarmirenden Nachrichten aus Bulgarien in
England keinerlei Beunruhigung hervorgerufen haben. Die
britiſche Diplomatie ſei von Gedanken an Unternehmungen
im europäiſchen Orient weit entfernt und, wenn ſie Jemand
einen Gefallen damit erweiſen könne, bereit, ein umfaſſendes
protocole de désintéressement für ſämmtliche Balkanfragen
zu unterzeichnen. Lord Salisbury werde augeſichts der be-
friedigenden Entwicklung der britiſchen Reichspolitik in den
für England wichtigſten Gebieten etwaige Grenzverſchiebungen
zwiſchen Bulgarien, Serbien und Montenegro nicht mehr als
eine die Intereſſen des Vereinigten Königreichs berührende
Aenderung der Weltlage anſehen. Ein Verſuch, die Auf-
merkſamkeit der britiſchen Staatsmänner durch Wirren im
Südoſten des europäiſchen Feſtlandes ihren eigentlichen Auf-
gaben abzuziehen, habe alſo keine Ausſicht auf Erfolg.

Rußland.
Engliſche Schiffskapitäne.

* Die „Nowoje Wremja“ veröffentlicht eine ihr von der
Schwarzmeerküſte eingeſandte Klage gegen die engliſchen
Schiffskapitäne.
Unter den Schiffskapitänen aller Nationen
ſeien die engliſchen auf Fahrten die unvorſichtigſten rück-
ſichtsloſeſten
und darum auch die gefährlichſten. Ruß-
land habe oft durch die engliſche Unordnung zu leiden. Noch
kürzlich kam im Bosporus ein ruſſiſcher Dampfer durch einen
engliſchen zu Schaden. Der Gewährsmann der „Nowoje
Wremja“ erklärt, daß die engliſchen Schiffe auf dem Schwarzen
Meer und auch auf anderen Meeren den ihnen begegnenden
Fahrzeugen nie den Weg freigeben, daß ſie die dringendſten
Vorſichtsregeln außer acht laſſen, indem ſie z. B. bei Rebel
und Schneeſtürmen mit Volldampf fahren, und daß ſie nicht
ſelten den von ihnen beſchädigten Schiffen keine Hülfe er-
[Spaltenumbruch] weiſen. Untergänge von Schiffen und Verluſte von Menſchen-
leben können die Folge dieſer Rückſichtsloſigkeit ſein, und
ſolche Folgen ſind aus der Schiffahrtspraxis allerdings
auch allgemein bekannt. Die Matroſen ſüdlicher ruſ-
ſiſcher Häfen pflegen zu erzählen, daß die eng-
liſchen Schiffskapitäne für jedes Schiff, das ſie in
den Grund bohren, eine Prämie erhalten Dieſe volks-
thümliche Fabel ſei ſchon der ſtärkſte Beweis gegen die Eng-
länder. Franzöſiſche und deutſche Schiffer wüßten auch genug
von den engliſchen Unthaten zu erzählen. Die Sache ſei um
ſo betrübender, als die wirthſchaftlichen Lebensintereſſen des
ganzen ruſſiſchen Südens von der bedrohten Schwarzmeer-
Schiffahrt abhängen und Rußland kein ſpezielles Schiffahrts-
gericht für die Handelsflotte beſitze. Die engliſchen Kapitäne
gehen darum bei ihren völkerrechtswidrigen Vergehen ge-
wöhnlich ſtraffrei aus. Dagegen verfahren die Engländer
ſelbſt unerhört ſtreng betreffs der Verletzungen der Meer-
fahrtsordnung, wenn ſie darunter zu leiden haben. Als vor
einigen Jahren ein ſpaniſches Schiff ein engliſches anfuhr
und ſich, ohne Hülfe zu leiſten, in einem Hafen verbarg,
wurde der Vorfall ſogleich in London bekannt und die Eng-
länder verlangten nichts mehr und nichts weniger, als daß
der ſpaniſche Kapitän gehängt werde. — Es iſt nicht das
erſtemal, daß derartige Klagen über die engliſchen Schiffs-
kapitäne auftreten, und man braucht kaum anzunehmen, daß
der Gewährsmann der „Nowoje Wremja“ zu ſtark aufgetragen
habe

Aus der Geſchäftswelt.

* Ueber ein neues Reklamemittel wird uns geſchrieben:
Vor einigen Tagen ſah ich auf der Straße eine Karte liegen, die
einem Eiſenbahnbillet glich. In der Meinung, ein Paſſant habe
ſeine Fahrkarte verloren, hob ich dieſelbe auf. Das Kärtchen
hatte genau Farbe und Façon eines Bahnbillets 2. Klaſſe, aber
der Aufdruck war ein anderer, es war ein Ermäßigungs-
billet für das Variété Coloſſeum.
Auf der Rückſeite
ſtand klar und deutlich: „Dieſe Karte, an der Kaſſe abgegeben,
berechtigt zur Ermäßigung von 25 Pf für Entree ins Koloſſeum.“
Ich traute der Sache jedoch nicht recht und um meine Neugierde
zu befriedigen, ging ich abends an die Kaſſe ins Coloſſeum und
präſentirte mein Kärtchen. Es war wirklich alles in Ordnung.
Man ließ mich auf Grund dieſer Legitimation um 25 Pf. billiger
ein als zum Normalpreis an der Abendkaſſe. Es iſt dies eine wirklich ge-
lungene Art von Reklame, der Neuzeit entſprechend und praktiſch; Hr.
Direktor Böhmert hat hier eine wirklich gute Idee gehabt. Man
findet nun Geld oder doch zum mindeſten Geldeswerth auf der
Straße; ſtatt um 1 M. kommt man um 75 Pf in das Coloſſeum,
das ein reichhaltiges, intereſſantes Programm bietet und auch,
ſoweit Küche und Keller in Betracht kommen, nichts zu wünſchen
läßt. Man mag alſo die kleinen grünen Karten, wenn man ſie
auf der Straße findet getroſt aufheben

Außer Verantwortung der Redaktion:
Herren- und Knaben-Konfektionsgeſchäft, München,
Roſenthal 4.

Ein elegantes Herren- und Knaben-Konfektionsgeſchäft
hat ſich unter der Firma Siegfried Schlamme hier etablirt. Die
Kleider werden aus den feinſten und beſten Stoffen nach der letzten
Mode hergeſtellt und werden ungeachtet deſſen billigſt, jedoch zu fixen
Preiſen
berechnet, ohne daß der Käuſer in irgend einer Weiſe über-
vortheilt würde. Der große Konſum wird es ermöglichen, dieſem
Prinzip treu zu bleiben. Das Beſtreben dieſes Geſchäfts baſirt nur
auf ſtrengſter Reellität. Hr. Schlamme wird bemüht ſein, durch
flotte, prompte Bedienung ſich einen Stock von Kunden zu ſammeln,
die, wenn ſie ſich von der Solidität der Geſchäftsgebahrung über-
zeugen, gern wiederkommen. Wir wünſchen dem neuen Unternehmen
den beſten Erfolg und lebhafteſten Zuſpruch.

Auszeichnung.

Die bekannte Kakao- und Schokoladen-Fabrik
Hewel u. Veithen, Köln am Rhein, alleinige Fabrikanten der
überall verbreiteten Dr. Lahmann’ſchen Nährſalz-Präparate,
wurde in Anerkennung ihrer Verdienſte auf dem Gebiete der hygieiniſchen
Volksernährung von Seiner Majeſtät dem Kaiſer von Oeſterreich und
König von Ungarn mit dem Titel „Kaiſerl. und Königl. Hof-Lieſe-
ranten“ ausgezeichnet.



[irrelevantes Material]
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[0009] Sonntag, Drittes Blatt Nr. 89 der Allgemeinen Zeitung. 1. April 1900. Großbritannien. Die iriſche Reiſe der Königin. ⁑ London, 30. März.Man kann nicht gerade be- haupten, daß die Irländer dem Beſuch der Königin mit beſonderer Begeiſterung entgegenſehen, aber es iſt auch andrerſeits vollſtändig ausgeſchloſſen, daß ſie von dem Volke, das ihre Regierung ſo glühend haßt, unfreundlich empfangen oder gar, wie furchtſame Gemüther behaupteten, inſultirt werden wird. In Dublin ſelbſt iſt nach den letzten Berichten überhaupt nichts genaues über das Datum der Ankunft, das Programm der Empfangsfeierlichkeiten ꝛc. bekannt, und offi- zielle Ankündigungen hierüber ſind bis jetzt noch nicht erlaſſen. Die Bevölkerung ſieht dem hohen Beſuche anſcheinend ziemlich gleichmüthig entgegen und recht bezeichnend hiefür iſt ein kleines Stimmungsbild, das der Dubliner Korreſpondent der „Evening News“ ſeinem Blatte ſchickt. Er hat aufmerkſam umhergehorcht und hat allerlei Leute, auch den „man in the street“ über ihre Anſicht gefragt. Dabei hat er die Ueber- zeugung gewonnen, daß die verſchiedenen Anreizungen zu Unhöflichkeiten, die leider nicht unterblieben ſind, ohne jeden Erfolg ſein werden, und daß das iriſche Volk die greiſe Monarchin mit aller Ehrfurcht willkommen heißen wird. „Wir eine Lady inſultiren? Ihr müßt die Irländer mächtig ſchlecht kennen, wenn Ihr uns ſo etwas zutraut,“ ſagte einer der Befragten, und fügte wohlwollend hinzu: „Gott verdamme Euer Land und alles was darin iſt, und ich hoffe, die Buren werden Euch Alle zu Brei ſchlagen. Aber das kann uns nicht dazu bringen, eine Lady zu inſultiren, noch dazu eine gute alte Lady, wie ſie. Nein, „sorr“, wir werden Alle erfreut ſein, ſie zu ſehen.“ Die Königin wird alſo in Irland nicht inſultirt werden und vielleicht werden manche Handels- leute ihre Anweſenheit ſegnen. Denn Handel und Wandel liegen in Dublin arg danieder. Dublin iſt monatelang eine verödete, traurige Stadt geweſen und vielmal ſchwerer laſtet der Krieg auf dieſer Stadt, als auf London. Die Hälfte der Leute, die man auf der Straße trifft, ſagt der Korreſpondent der „Evening News“, tragen den ernſten Weidenzweig (iriſches Trauerabzeichen) anſtatt des fröhlichen grünen Shamrock. Traurig dareinſchauende Frauen in Schwarz ſcheinen allein die Bevölkerung der Stadt zu bilden; die Lücken in den Reihen der Füſiliere haben Dublin in eine Stadt der Traner verwandelt. Ein Kaufmann verſicherte dem Journaliſten: „Ich glaube nicht, daß in dieſem Winter ein einziges Tanzfeſt in Dublin abgehalten worden iſt und wir haben nie eine ſo ſchlechte Saiſon in unſerm Leben gehabt, die Ankunft der Königin wird hierin etwas Aenderung ſchaffen.“ „Aber,“ fährt der Korreſpondent fort, „die geſchäftlichen Rückſichten ſind von ganz untergeordneter Bedeutung. Es gibt nicht viele Irländer, die wenig Reſpekt vor der Krone, aber dafür deſto mehr für eine halbe Krone (2½ Schillingſtück) haben.“ Die anglo-amerikaniſchen Beziehungen. ϰ. London, 30. März.Aus parlamentariſchen Kreiſen, die der miniſteriellen Seite des Hauſes angehören, wird mit- getheilt, daß der diplomatiſche Feldzug der Waſhingtoner Regierung zugunſten der Politik der „offenen Thür“ in China ſeinen Urſprung in Beſprechungen zwiſchen Lord Salisbury und Hay hatte, als Letzterer noch amerikaniſcher Botſchafter in London war. Auf Veranlaſſung des Präſi- denten Mc Kinley hatte Hay mit Lord Salisbury die Frage erörtert, auf welche Weiſe ſich am beſten die Zuſtimmung der Mächte in jener wichtigen Angelegenheit erlangen ließe. Die amerikaniſche Regierung war bereit, das britiſche Kabinet zu unterſtützen, wenn dieſes die Mächte zur Herſtellung eines Uebereinkommens auffordern wollte; aber Lord Salisbury ſah ſofort, eine wie günſtige Gelegenheit ſich hier bot, die amerikaniſche Regierung zur Vorkämpferin für die „offene Thür“ zu machen. Er trug daher, da ja die Vereinigten Staaten in dieſer Angelegenheit als uneigennütziger angeſehen würden, der Waſhingtoner Regierung die Initiative an. Dieſer Plan wurde auch befolgt, nachdem Hay ſeinen Poſten in London mit dem Miniſteramt in Waſhington vertauſcht hatte. Seitdem hat Lord Salisbury ſich aufs angelegentlichſte be- müht, dem englandfreundlichen Staatsſekretär Hay in jeder nur möglichen Angelegenheit Entgegenkommen zu zeigen. Es hat das der Regierung Mc Kinley’s indeß bisher noch wenig genützt. Der britiſche Premierminiſter hätte ihr z. B. gern einen „Erfolg“ in dem Alaska-Grenzſtreit gegönnt, aber Canada lehnte es entſchieden ab und lehnt es heute, wo es Eng- land in Südafrika Hülfe geleiſtet hat, noch viel entſchiedener ab, ſeine Intereſſen der anglo-amerikaniſchen Freundſchaft zum Opfer bringen zu laſſen. Der Hay-Panncefote-Vertrag, in welchem England auf ſein Recht der Mitaufſicht über den Nicaragua-Kanal verzichtete, war gleichfalls von Lord Salis- bury als ein kleiner „Erfolg“ für die McKinley’ſche Ver- waltung gedacht. Aber auch mit dieſer Liebenswürdigkeit ſcheint der britiſche Premierminiſter kein Glück haben zu ſollen. Die Oppoſition gegen den Vertrag kommt aus dem eigenen Lager des Präſidenten, da die britiſchen Zugeſtändniſſe den Chauviniſten in der republikaniſchen Partei noch nicht weit genug gehen. Auch die Shamrock-Tändelei und der Beſuch der Königin in Dublin ſollten die amerikaniſche Politik ſtärken. Sie bezwecken ſelbſtverſtändlich vor allem, eine Verſöhnung Irlands mit England anzubahnen. Zugleich aber hatte die britiſche Regierung im Auge, daß dieſe den Iren daheim be- wieſenen Gunſtbezeigungen auch in den Vereinigten Staaten ihre Wirkung nicht verfehlen und den Präſidenten von der Feindſchaft der amerikaniſchen Iren befreien würden, was natürlich im Hinblick auf die bevorſtehende Präſidentenwahl von äußerſter Wichtigkeit wäre. Aber auch hierin haben Lord Salisbury und ſeine Kollegen ſich augenſcheinlich geirrt. Die Iren in Amerika verhöhnten am St. Patrick- Tage in öffentlichen Verſammlungen die plötzliche eng- liſche Begeiſterung für den Shamrock als einen engliſchen Humbug; und die Aufmerkſamkeit, die die Königin Victoria ihrem alten Heimathland zu erweiſen beabſichtigt, hat in keiner Weiſe ihre Feindſchaft gegen McKinley gemildert, dem ſie vor allen Dingen nicht verzeihen können, daß er in dem Burenkampfe auf der Seite Salisbury’s und Chamber- lains ſteht. Sie haben neuerdings ſogar eine ſehr energiſche Agitation, die auch von einflußreichen Deutſch-Amerikanern unterſtützt ſein ſoll, in Scene geſetzt, um Hay, „den Freund Englands“, zum Rücktritt aus dem Kabinet zu zwingen. Die Freundſchaft Lord Salisbury’s, anſtatt ihnen zu nützen, ſcheint alſo dem Präſidenten und dem Staatsſekretär Hay nur zu ſchaden — und zwar nicht allein bei der demokratiſchen Partei und bei dem iriſchen und dem deutſchen Element, ſondern unter ihrer eigenen unmittelbaren Gefolgſchaft. Mit Bezug auf dieſen letzteren Punkt ſchreibt heute der New-Yorker Berichterſtatter des „Mancheſter Gnardian“: „Eine bedeutende und im Wachſen begriffene Gruppe der republikaniſchen Partei blickt mit Widerwillen auf Hay’s Zuſammenwirken mit der engliſchen Diplomatie; und daß ſie gern ſeine Pläne durch- kreuzen und ihn demüthigen würde, iſt nicht zu leugnen. Das traurigſte an der ganzen Sache iſt die daraus gewonnene Erkenntniß, daß die Feindſchaft gegen England noch als ein mächtiger politiſcher Faktor fortbeſteht. Ein erfahrener Be- obachter unſrer politiſchen Verhältniſſe und der internationalen Beziehungen erklärte mir neulich, er hoffe, Lord Salisbury’s Regierung ſei ſich bewußt, wie ſehr der Burenkrieg dazu bei- getragen habe, das gute Einverſtändniß mit den Vereinigten Staaten zu erſchüttern, und daß heute viele unſrer einfluß- reichen Politiker ebenſo bereit ſind, einen Streit mit England aufzunehmen, als je zuvor in der Geſchichte unſres Landes.“ Frankreich Die Aſſumptioniſten. V. Paris, 30. März.Die Nachricht, die zuerſt mit großem Unglauben aufgenommen wurde, hat ſich beſtätigt. Pater Bailly und die übrigen Mönche des Aſſumptio- niſtenordens ſcheiden auf den ausdrücklichen Befehl des Papſtes aus der Redaktion der „Croix“ aus und werden durch Laien erſetzt. Die klerikale Preſſe gibt die Richtigkeit nun auch zu wenn ſie auch den Rückzug damit beſchönigt, daß Pater Bailly eine große Sehnſucht empfunden habe, die übliche Pilgerfahrt nach Jeruſalem, für die der Orden ein eigenes Schiff beſitzt, ſelbſt mitzumachen. Nur darin gehen die Lesarten auseinander, ob Leo XIII. „proprio motu“ oder auf den dringenden Wunſch der franzöſiſchen Regierung den ſtreitſüchtigen und wenig wahrheitsliebenden Patres die Mög- lichkeit entzogen habe, fürderhin bei Bekämpfung der Republik mit Rochefort und Drumont zu wetteifern. Die klerikale Preſſe verſichert, der Papſt habe aus eigenem Ermeſſen ge- handelt. Dann wäre ſein Vorgehen aber erſt recht eine harte Verurtheilung der Patres. Gerade darum iſt es aber auch erlaubt, anzunehmen, daß die Maßregel trotzdem als ein diplomatiſcher Erfolg der franzöſiſchen Regierung anzuſehen iſt. Mit der Verweltlichung der „Croix“, deren Politik natürlich die gleiche bleiben wird, die aber doch Mühe haben dürfte, die populär gehaltenen Artikel Bailly’s, der „Le Moine“ zeichnete, zu erſetzen, ſind die Prüfungen des Ordens noch nicht zu Ende. Der Fiskus, der mehrere Prozeſſe gegen ihn verloren hat, weil er nicht beweiſen konnte, daß die werth- volle Liegenſchaft der Rue François-Premier dem Orden wirklich gehöre, hat den Muth noch nicht verloren. Bei der Hausſuchung, die dem letzten Prozeß wegen ungeſetzlicher Vereinsbildung vorausging, war ein Dokument gefunden worden, worin der angebliche Beſitzer der Liegenſchaft gegen- über ſeinen natürlichen Erben erklärt, daß er nur für die Form Grundeigenthümer ſei und daß ſie es ebenſo zu halten hätten. Auf dieſes Dokument geſtützt, wird der Fiskus wahr- ſcheinlich mit mehr Erfolg als bisher die beſonderen Regeln des „Zuwachsgeſetzes“ auf die Hochburg des Ordens in Paris anwenden können. Nur in einem Punkt iſt die Re- gierung geneigt, der Milde Gehör zu ſchenken. Die über- ſeeiſchen Niederlaſſungen der Aſſumptioniſten ſollen nämlich nicht nur unbehelligt bleiben, ſondern nach wie vor eine ſtaatliche Unterſtützung überall da empfangen, wo ſie zur Ausbreitung der franzöſiſchen Sprache beitragen. Logiſch iſt es freilich nicht, einen Mönchsorden, dem man in Frankreich die Exiſtenzberechtigung abſpricht, in den Kolonien und im Ausland ſtaatlich zu unterſtützen, aber Frankreich verfügt für ſein großes Kolonialgebiet über ſo wenig koloniſatoriſche Kräfte, daß ſelbſt die entſchiedenſten Prieſterfreſſer der Re- gierung aus dieſer Inkonſequenz keinen Vorwurf machen. Fürſorge für die Bauarbeiter. * Paris, 30. März.Es wird dem Bautenminiſter Bandin von den Einen als weiſe Vorſicht, von den Anderen als ängſtliche Sorge ausgelegt, daß er an die Lage gedacht hat, welche nach der Beendigung der Bauten auf dem Ausſtellungsgebiete unter den Werkleuten entſtehen könnte. Er hat daher auf den verſchiedenen Bauplätzen zur Kenntniß der Arbeiter gebracht, wo ſie dann in der Pro- vinz bei Straßen- und Eiſenbahnbauten ſichere Beſchäftigung finden würden. Die Maueranſchläge ertheilen ausführliche Auskunft über die Arbeitskräfte, deren man an den ver- ſchiedenen Orten bedarf, und über die jeweiligen Lohnver- verhältniſſe. Die großen Eiſenbahngeſellſchaften werden im Laufe des Jahres 7800 Erdarbeiter, 2400 Maurer, 800 Zimmerleute, 450 Schreiner, 500 Anſtreicher und 450 Metall- arbeiter beſchäftigen können. Hochpolitiſches aus England. λ Paris, 30. März.Von einem hervorragenden fran- zöſiſchen Finanzmann, der kürzlich Gelegenheit hatte, ſich in London über die Abſichten der leitenden engliſchen Kreiſe zu unter- richten, wird verſichert, daß nach ſeinen Wahrnehmungen die jüngſten allarmirenden Nachrichten aus Bulgarien in England keinerlei Beunruhigung hervorgerufen haben. Die britiſche Diplomatie ſei von Gedanken an Unternehmungen im europäiſchen Orient weit entfernt und, wenn ſie Jemand einen Gefallen damit erweiſen könne, bereit, ein umfaſſendes protocole de désintéressement für ſämmtliche Balkanfragen zu unterzeichnen. Lord Salisbury werde augeſichts der be- friedigenden Entwicklung der britiſchen Reichspolitik in den für England wichtigſten Gebieten etwaige Grenzverſchiebungen zwiſchen Bulgarien, Serbien und Montenegro nicht mehr als eine die Intereſſen des Vereinigten Königreichs berührende Aenderung der Weltlage anſehen. Ein Verſuch, die Auf- merkſamkeit der britiſchen Staatsmänner durch Wirren im Südoſten des europäiſchen Feſtlandes ihren eigentlichen Auf- gaben abzuziehen, habe alſo keine Ausſicht auf Erfolg. Rußland. Engliſche Schiffskapitäne. * Die „Nowoje Wremja“ veröffentlicht eine ihr von der Schwarzmeerküſte eingeſandte Klage gegen die engliſchen Schiffskapitäne. Unter den Schiffskapitänen aller Nationen ſeien die engliſchen auf Fahrten die unvorſichtigſten rück- ſichtsloſeſten und darum auch die gefährlichſten. Ruß- land habe oft durch die engliſche Unordnung zu leiden. Noch kürzlich kam im Bosporus ein ruſſiſcher Dampfer durch einen engliſchen zu Schaden. Der Gewährsmann der „Nowoje Wremja“ erklärt, daß die engliſchen Schiffe auf dem Schwarzen Meer und auch auf anderen Meeren den ihnen begegnenden Fahrzeugen nie den Weg freigeben, daß ſie die dringendſten Vorſichtsregeln außer acht laſſen, indem ſie z. B. bei Rebel und Schneeſtürmen mit Volldampf fahren, und daß ſie nicht ſelten den von ihnen beſchädigten Schiffen keine Hülfe er- weiſen. Untergänge von Schiffen und Verluſte von Menſchen- leben können die Folge dieſer Rückſichtsloſigkeit ſein, und ſolche Folgen ſind aus der Schiffahrtspraxis allerdings auch allgemein bekannt. Die Matroſen ſüdlicher ruſ- ſiſcher Häfen pflegen zu erzählen, daß die eng- liſchen Schiffskapitäne für jedes Schiff, das ſie in den Grund bohren, eine Prämie erhalten Dieſe volks- thümliche Fabel ſei ſchon der ſtärkſte Beweis gegen die Eng- länder. Franzöſiſche und deutſche Schiffer wüßten auch genug von den engliſchen Unthaten zu erzählen. Die Sache ſei um ſo betrübender, als die wirthſchaftlichen Lebensintereſſen des ganzen ruſſiſchen Südens von der bedrohten Schwarzmeer- Schiffahrt abhängen und Rußland kein ſpezielles Schiffahrts- gericht für die Handelsflotte beſitze. Die engliſchen Kapitäne gehen darum bei ihren völkerrechtswidrigen Vergehen ge- wöhnlich ſtraffrei aus. Dagegen verfahren die Engländer ſelbſt unerhört ſtreng betreffs der Verletzungen der Meer- fahrtsordnung, wenn ſie darunter zu leiden haben. Als vor einigen Jahren ein ſpaniſches Schiff ein engliſches anfuhr und ſich, ohne Hülfe zu leiſten, in einem Hafen verbarg, wurde der Vorfall ſogleich in London bekannt und die Eng- länder verlangten nichts mehr und nichts weniger, als daß der ſpaniſche Kapitän gehängt werde. — Es iſt nicht das erſtemal, daß derartige Klagen über die engliſchen Schiffs- kapitäne auftreten, und man braucht kaum anzunehmen, daß der Gewährsmann der „Nowoje Wremja“ zu ſtark aufgetragen habe Aus der Geſchäftswelt. * Ueber ein neues Reklamemittel wird uns geſchrieben: Vor einigen Tagen ſah ich auf der Straße eine Karte liegen, die einem Eiſenbahnbillet glich. In der Meinung, ein Paſſant habe ſeine Fahrkarte verloren, hob ich dieſelbe auf. Das Kärtchen hatte genau Farbe und Façon eines Bahnbillets 2. Klaſſe, aber der Aufdruck war ein anderer, es war ein Ermäßigungs- billet für das Variété Coloſſeum. Auf der Rückſeite ſtand klar und deutlich: „Dieſe Karte, an der Kaſſe abgegeben, berechtigt zur Ermäßigung von 25 Pf für Entree ins Koloſſeum.“ Ich traute der Sache jedoch nicht recht und um meine Neugierde zu befriedigen, ging ich abends an die Kaſſe ins Coloſſeum und präſentirte mein Kärtchen. Es war wirklich alles in Ordnung. Man ließ mich auf Grund dieſer Legitimation um 25 Pf. billiger ein als zum Normalpreis an der Abendkaſſe. Es iſt dies eine wirklich ge- lungene Art von Reklame, der Neuzeit entſprechend und praktiſch; Hr. Direktor Böhmert hat hier eine wirklich gute Idee gehabt. Man findet nun Geld oder doch zum mindeſten Geldeswerth auf der Straße; ſtatt um 1 M. kommt man um 75 Pf in das Coloſſeum, das ein reichhaltiges, intereſſantes Programm bietet und auch, ſoweit Küche und Keller in Betracht kommen, nichts zu wünſchen läßt. Man mag alſo die kleinen grünen Karten, wenn man ſie auf der Straße findet getroſt aufheben Außer Verantwortung der Redaktion: Herren- und Knaben-Konfektionsgeſchäft, München, Roſenthal 4.Ein elegantes Herren- und Knaben-Konfektionsgeſchäft hat ſich unter der Firma Siegfried Schlamme hier etablirt. Die Kleider werden aus den feinſten und beſten Stoffen nach der letzten Mode hergeſtellt und werden ungeachtet deſſen billigſt, jedoch zu fixen Preiſen berechnet, ohne daß der Käuſer in irgend einer Weiſe über- vortheilt würde. Der große Konſum wird es ermöglichen, dieſem Prinzip treu zu bleiben. Das Beſtreben dieſes Geſchäfts baſirt nur auf ſtrengſter Reellität. Hr. Schlamme wird bemüht ſein, durch flotte, prompte Bedienung ſich einen Stock von Kunden zu ſammeln, die, wenn ſie ſich von der Solidität der Geſchäftsgebahrung über- zeugen, gern wiederkommen. Wir wünſchen dem neuen Unternehmen den beſten Erfolg und lebhafteſten Zuſpruch. Auszeichnung.Die bekannte Kakao- und Schokoladen-Fabrik Hewel u. Veithen, Köln am Rhein, alleinige Fabrikanten der überall verbreiteten Dr. Lahmann’ſchen Nährſalz-Präparate, wurde in Anerkennung ihrer Verdienſte auf dem Gebiete der hygieiniſchen Volksernährung von Seiner Majeſtät dem Kaiſer von Oeſterreich und König von Ungarn mit dem Titel „Kaiſerl. und Königl. Hof-Lieſe- ranten“ ausgezeichnet. _

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 89, 1. April 1900, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine89_1900/9>, abgerufen am 24.11.2024.