Allgemeine Zeitung, Nr. 89, 1. April 1900.Nr. 89. München, Sonntag Allgemeine Zeitung 1. April 1900. [Spaltenumbruch]
Deutsches Reich. Ausweg einer Subkommission zur Entwerfung eines Der Bund der Landwirthe und die auswärtige Politik. * Die "Deutsche Tagesztg." schreibt in einer Deutscher Verein für den Schutz des gewerblichen Eigenthums. * Der Deutsche Verein für den Schutz des gewerblichen Propaganda der That. * Unter der vorstehenden Ueberschrift spricht sich in dem "Wenn man das ganze Getriebe gründlich kennen gelernt Wer zu dem Zweck, die Propaganda der That zu ent- Aufgaben der neuen Verwaltung in Deutsch-Samoa. * Aus Apia wird unter dem 23. Februar von wohl- Es ist natürlich, daß sich Weiße und Eingeborene zur In Samoa ist die Frage der Besteuerung der Ein- Von gleicher Wichtigkeit werden eventuelle Abände- Sollte nach Samoa deutsches Geld eingeführt Hof- und Personalnachrichten. * Berlin, 31. März.Tel. Der Kaiser und die Baden: Aufhebung der Beamtenkantionen. * Anläßlich eines aus dem Hause gestellten Antrags er- * In der Mittheilung einer Resolution des Deutsch-russischen Vereins bezüglich des Fleischeinfuhrverbots, welche wir dieser Tage veröffentlichten, muß es Zeile 2 und folgende heißen: "Der in ca. 200 bedeutenden Industrie- und Handelshäusern, 21 Handels- kammern und 7 großen Verbänden einen sehr großen Theil u. s. w." Oesterreich-Ungarn. Zum ungarischen Minister am königlichen Hostager wurde an Stelle des kürzlich aus Gesundheitsrücksichten zurück- Zur Lage. -- Von den Landtagen. * Die seit Vertagung des Reichsraths und der Verstän- Rußland. Persien als Absatzmarkt für russische Waaren. * Nach einem kürzlich eingelaufenen Bericht des russischen [irrelevantes Material]
Nr. 89. München, Sonntag Allgemeine Zeitung 1. April 1900. [Spaltenumbruch]
Deutſches Reich. Ausweg einer Subkommiſſion zur Entwerfung eines Der Bund der Landwirthe und die auswärtige Politik. * Die „Deutſche Tagesztg.“ ſchreibt in einer Deutſcher Verein für den Schutz des gewerblichen Eigenthums. * Der Deutſche Verein für den Schutz des gewerblichen Propaganda der That. * Unter der vorſtehenden Ueberſchrift ſpricht ſich in dem „Wenn man das ganze Getriebe gründlich kennen gelernt Wer zu dem Zweck, die Propaganda der That zu ent- Aufgaben der neuen Verwaltung in Deutſch-Samoa. * Aus Apia wird unter dem 23. Februar von wohl- Es iſt natürlich, daß ſich Weiße und Eingeborene zur In Samoa iſt die Frage der Beſteuerung der Ein- Von gleicher Wichtigkeit werden eventuelle Abände- Sollte nach Samoa deutſches Geld eingeführt Hof- und Perſonalnachrichten. * Berlin, 31. März.Tel. Der Kaiſer und die Baden: Aufhebung der Beamtenkantionen. * Anläßlich eines aus dem Hauſe geſtellten Antrags er- * In der Mittheilung einer Reſolution des Deutſch-ruſſiſchen Vereins bezüglich des Fleiſcheinfuhrverbots, welche wir dieſer Tage veröffentlichten, muß es Zeile 2 und folgende heißen: „Der in ca. 200 bedeutenden Induſtrie- und Handelshäuſern, 21 Handels- kammern und 7 großen Verbänden einen ſehr großen Theil u. ſ. w.“ Oeſterreich-Ungarn. Zum ungariſchen Miniſter am königlichen Hoſtager wurde an Stelle des kürzlich aus Geſundheitsrückſichten zurück- Zur Lage. — Von den Landtagen. * Die ſeit Vertagung des Reichsraths und der Verſtän- Rußland. Perſien als Abſatzmarkt für ruſſiſche Waaren. * Nach einem kürzlich eingelaufenen Bericht des ruſſiſchen [irrelevantes Material]
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="Seite 3.[3]"/> <fw place="top" type="header">Nr. 89. <hi rendition="#b">München, Sonntag Allgemeine Zeitung</hi> 1. April 1900.</fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#c">Deutſches Reich.</hi> </hi> </head><lb/> <div xml:id="a03b" prev="#a03a" type="jComment" n="3"> <p>Ausweg einer Subkommiſſion zur Entwerfung eines<lb/> Planes, wies Herr Gröber ſchroff zurück. Statt deſſen<lb/> drehte er den Spieß um und verlangte von der Regierung<lb/> einen ſolchen Plan, indem er zugleich für den Fall der<lb/> Nichterfüllung des Verlangens mit Ablehnung der ganzen<lb/> Vorlage drohte. Werden ſich die verbündeten Regierungen<lb/> nunmehr einſchüchtern laſſen? Wenn nicht, ſo ſehen wir<lb/> auch hier keine Grundlage für eine poſitive Löſung.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Der Bund der Landwirthe und die auswärtige Politik.</hi> </hi> </head><lb/> <p>* Die <hi rendition="#g">„Deutſche Tagesztg.“</hi> ſchreibt in einer<lb/> umfangreichen Auslaſſung über Deutſchlands auswärtige<lb/> Politik, daß ſie die in der letzten Zeit erfolgten Aufklä-<lb/> rungen, betreffs der Abſichten und des Programms der Lei-<lb/> tung unſerer auswärtigen Angelegenheiten, <hi rendition="#g">„mit Dank<lb/> entgegennehme.“</hi> Zu jenen Aufklärungen rechnet die<lb/> „Deutſche Tagesztg.“ einmal den ſcharfen halbamtlichen<lb/> Widerſpruch gegen allerhand Ausſtreuungen eines Berliner<lb/> Journals, das Deutſchland im Schlepptaue Englands er-<lb/> ſcheinen ließ, zum zweiten die Erklärungen, die <hi rendition="#g">Graf Bü-<lb/> low</hi> jüngſt in der Budgetkommiſſion in Bezug auf das<lb/> Anwachſen der <hi rendition="#g">imperialiſtiſchen Strömung in<lb/> Großbritannien,</hi> in Bezug auf das Zurücktreten<lb/> der Kabinetspolitik gegenüber den Volksleidenſchaften, ge-<lb/> than hat. Wenn die „Deutſche Tagesztg.“ die letztere Aus-<lb/> laſſung dahin auslegt, daß der wirthſchaftliche Neid der<lb/> Engländer gegen uns im Wachſen ſei, daß die engliſche<lb/> Ländergier immer weiter ausgreife, daß die britiſche Regie-<lb/> rung der Volksleidenſchaft ſchließlich nachgeben-<hi rendition="#g">müſſe,</hi><lb/> und daß das Ende die <hi rendition="#g">unvermeidliche</hi> (kriegeriſche)<lb/> Auseinanderſetzung zwiſchen Deutſchland und Großbritan-<lb/> nien ſein werde, ſo geht die „Deutſche Tagesztg.“ einen<lb/> und daß das Ende die <hi rendition="#g">unvermeidliche</hi> (kriegeriſche)<lb/> Bülow eine kriegeriſche Auseinanderſetzung zwiſchen<lb/> Deutſchland und Großbritannien geſchildert, ſondern er<lb/> hat nur, und ſicherlich mit vollem Recht, die <hi rendition="#g">Möglich-<lb/> keit</hi> angedeutet, daß ſie eintreten könne. Derartige Ent-<lb/> wicklungen als unvermeidlich anzukündigen, hat auch Fürſt<lb/> Bismarck abgelehnt, indem er betonte, daß unvorher-<lb/> geſehene Wendungen eintreten können, welche die anſchei-<lb/> nend ſicherſte Vorausſage zunichte machen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Deutſcher Verein für den Schutz des gewerblichen Eigenthums.</hi> </hi> </head><lb/> <p>* Der Deutſche Verein für den <hi rendition="#g">Schutz des gewerblichen<lb/> Eigenthums</hi> hielt am 29. März dieſee Jahres im Saale des<lb/> Kaiſerlichen Patentamts zu Berlin eine gut befuchte Ver-<lb/> ſammlung ab. Ergänzend iſt darüber folgendes zu berichten.<lb/> Hr. Patentanwalt Loubier, der über das Waarenverzeichniß unter<lb/> dem Geſetz zum Schutz der Waarenzeichen ſprach, kam zu dem<lb/> von der Mehrheit der Anweſenden als durchaus richtig an-<lb/> erkannten Schluß, daß die Vorſchrift des <hi rendition="#g">Waarenzeichen-<lb/> geſetzes,</hi> wonach die Eintragung nur für beſtimmte Waaren<lb/> zuläſſig ſei, eine ſchwere Beläſtigung ſolcher Induſtrien und<lb/> Handelsfirmen bedeute, welche einen derartig umfaſſenden Waaren-<lb/> vertrieb haben, daß eine Aufzählung der einzelnen Waaren un-<lb/> möglich ſcheint. Dies gilt beſonders auch von Exportfirmen. Es<lb/> wurde der Wunſch ausgeſprochen, daß das Patentamt von ſeiner<lb/> diskretionären Befugniß Gebrauch mache, ſtatt der Aufzählung<lb/> der einzelnen Waaren auch die Angabe von Gattungen und<lb/> größeren allgemeinen Gruppen von Waaren zuzulaſſen. Hierauf<lb/> ſprach Hr. Privatdozent <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Paul <hi rendition="#g">Alexander-Katz</hi> über die<lb/> Nichtigkeit eines Patents wegen Kolliſion mit einem früher an-<lb/> gemeldeten Patent. Er legte ſeinen intereſſanten Ausführungen<lb/> eine neue Entſcheidung des Reichsgerichts zugrunde, nach welcher<lb/> auch ein ſchon erloſchenes Patent die Eintragung eines ſpäter<lb/> angemeldeten, mit dem erſten identiſchen Patents nichtig mache.<lb/> Dieſer in der deutſchen Rechtſprechung neu eingeführte Grundſatz<lb/> wurde als ein erfreulicher Fortſchritt begrüßt und als Zeichen<lb/> der Annäherung an die Grundſätze der engliſchen Rechtſprechung,<lb/> wonach es der Hauptzweck des Patentrechts ſein müſſe, die Er-<lb/> findungen dem Publikum zuzuführen und zu verhindern, daß<lb/> ſolche Patente, welche ſchon im Einzelbeſitz geweſen und dann er-<lb/> loſchen ſind, nachträglich zum Gegenſtand einer neuen Anmeldung<lb/> gemacht werden können. Der Vorſitzende der Verſammlung theilte<lb/> noch mit, daß ein Theil der Berichte für den im Mai ſtatt-<lb/> findenden Frankfurter Kongreß für gewerblichen Rechtsſchutz ſchon<lb/> fertig vorliege. Die Theilnahme der füddeutſchen und weſt-<lb/> deutſchen Induſtrien an dieſem Kongreß ſcheint ſehr rege werden<lb/> zu wollen.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Propaganda der That.</hi> </hi> </head><lb/> <p>* Unter der vorſtehenden Ueberſchrift ſpricht ſich in dem<lb/> Anarchiſtenblatt <hi rendition="#g">„Neues Leben“</hi> ein gewiſſer „Nero“ über<lb/> die <hi rendition="#g">Propaganda der That</hi> aus. Angeblich liegt es<lb/> „Nero“ fern, die Propaganda der That zu empfehlen, aber<lb/> — „ebenſowenig kann ich dieſelbe auch nicht (<hi rendition="#aq">sie!</hi>) ver-<lb/> dammen“. Weßhalb „Nero“ die Propaganda der That nicht<lb/> verdammt, darüber ſagt er das Nachſtehende:</p><lb/> <quote>„Wenn man das ganze Getriebe gründlich kennen gelernt<lb/> hat, womit man der Maſſe Sand in die Augen ſtreut, dann weiß<lb/> man auch, daß einer jeden That, gleichviel, ob gut oder bös, eine<lb/> Urſache zugrunde lag. Keine Urſache ohne Wirkung, das ſollte<lb/> doch heute ſchon jeder Proletar wiſſen. In den ſogenannten<lb/> beſſeren Kreiſen ſcheint das nicht der Fall zu ſein, denn gerade<lb/> jene Kreiſe ſind es, die zur Propaganda der That aufreizen,<lb/><hi rendition="#g">oder ſollte das keine Aufreizung ſein,</hi> wenn ich geſund<lb/> und kräftig voll Lebensluſt gern arbeiten will und Jener kommt<lb/> und ſagt, wenn du arbeiten willſt, was in dieſem Fall gleich-<lb/> bedeutend mit Leben iſt, ſo mußt du mir ſo oder ſoviel <hi rendition="#g">von<lb/> dieſem Arbeitsertrag abgeben,</hi> damit ich und meines-<lb/> gleichen ein ſorgenloſes und genußreiches Leben führen können,<lb/> und daß wir dich beherrſchen, damit du nicht an deiner Sklaven-<lb/> kette rütteln kannſt.“</quote><lb/> <p>Wer zu dem Zweck, die Propaganda der That zu ent-<lb/> ſchuldigen, die Konſtruktion der „Aufreizung“ ſich ſo leicht<lb/> macht, deſſen Entſchuldigung der Propaganda der That <hi rendition="#g">läuft<lb/> auf ihre Empfehlung hinaus.</hi></p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Aufgaben der neuen Verwaltung in Deutſch-Samoa.</hi> </hi> </head><lb/> <p>* Aus <hi rendition="#g">Apia</hi> wird unter dem 23. Februar von wohl-<lb/> informirter Seite geſchrieben:</p><lb/> <p>Es iſt natürlich, daß ſich Weiße und Eingeborene zur<lb/> Zeit eifrig mit den der neuen Verwaltung zunächſt obliegenden<lb/> wichtigen Fragen beſchäftigen. Da iſt zunächſt die <hi rendition="#g">Beſteue-<lb/> rung der Eingeborenen.</hi> Nach Art. <hi rendition="#aq">VI</hi> des Berliner<lb/> Vertrags war den Eingeborenen die äußerſt geringe Kopf-<lb/> ſteuer von 1 Dollar pro Jahr auferlegt, welche ſich aber nur<lb/> auf den männlichen Theil der Bevölkerung bezog, und zwar<lb/> erſt von dem Zeitpunkt ab, wo ein junger Mann kräftig<lb/> genug iſt, eine Kokosnußpalme zu erklettern. Die hohe Kom-<lb/> miſſion für Samoa hat vorgeſchlagen, die Beſteuerung dahin<lb/> abzuändern, daß ein jeder Samoaner im Alter von 16 bis<lb/> 45 Jahren eine Kopfſteuer von 2 Dollars jährlich zahlen ſoll.<lb/> Es ſteht zu hoffen, daß ſeitens der neuen Verwaltung dieſer<lb/> Vorſchlag der Kommiſſion keine Berückſichtigung finden wird,<lb/><cb/> denn ein unpraktiſcheres Syſtem läßt ſich ſchwer ausdenken.<lb/> Es iſt eine allbekannte Thatſache, daß nicht <hi rendition="#g">ein</hi> Samoaner<lb/> aus Hunderten, ja Tauſenden, ſein Alter auch nur einiger-<lb/> maßen zuverläſſig angeben kann. Wie ſoll ein Steuerkollektor<lb/> imſtande ſein, zu entſcheiden, ob ein junger Samoaner 15<lb/> oder 16 Jahre alt iſt? Wird nicht ein jeder Samoaner von<lb/> höchſtens 40 Jahren feierlichſt ſchwören, 45 Jahre alt zu<lb/> ſein? Dieſes Syſtem würde daher eine Schraube von Schwierig-<lb/> keiten ohne Ende ſein und gerechte Einziehung der Steuer zur<lb/> Unmöglichkeit machen.</p><lb/> <p>In Samoa iſt die Frage der Beſteuerung der Ein-<lb/> geborenen eng mit der <hi rendition="#g">Arbeiterfrage</hi> verknüpft. Man<lb/> ſollte daher den moraliſchen Einfluß, welchen die Beſteuerung<lb/> auf die Eingeborenen, wenn richtig angewendet, haben kann,<lb/> nicht aus dem Auge verlieren. Wird ein jeder Samoaner<lb/> für den ihm auferlegten Steuerbetrag perſönlich verantwort-<lb/> lich gehalten, ſo werden die Eingeborenen den Werth ihrer<lb/> Arbeit und den Werth des ihnen für ihre Arbeit gezahlten<lb/> Lohnes kennen und ſchätzen lernen und mit der Zeit die<lb/> Nothwendigkeit und den Vortheil der regelmäßigen Arbeit<lb/> einſehen, ein Erfolg, der nicht zu erzielen iſt, wenn man die<lb/> ganzen Diſtrikte beſteuert. Vielleicht wäre es auch räthlich,<lb/> die Kopfſteuer in eine <hi rendition="#g">Beſitzſteuer</hi> umzuwandeln, und da<lb/> das einzige greifbare, Sicherheit gewährleiſtende Eigenthum<lb/> des Samoaners ſein Haus iſt, ſo müßte es eine Haus- und<lb/> Hüttenſteuer ſein. Da jedoch die Häuſer der Samoaner ſehr<lb/> verſchieden in Bauart, Werth und Größe ſind, ſo könnte die<lb/> Steuer keine für alle gleichmäßige ſein, ſondern die großen<lb/> impoſanten Häuptlingshäuſer müßten höher beſteuert werden<lb/> als die Hütten und Außenhäuſer der gewöhnlichen Leute.<lb/> Mit dieſem Syſtem der Beſteuerung ließe ſich auch eine<lb/><hi rendition="#g">Kontrole der Behauſungen in hygieniſcher und<lb/> ſanitärer Beziehung</hi> verbinden und erleichtern. Die<lb/> geradezu erſtaunlichen Erfolge in Deutſch-Oſtafrika mit der<lb/> Hüttenſteuer ſollten einen Verſuch in gleicher Richtung auch<lb/> für Samoa rathſam erſcheinen laſſen.</p><lb/> <p>Von gleicher Wichtigkeit werden eventuelle <hi rendition="#g">Abände-<lb/> rungen der Landgeſetze</hi> ſein. Nach dem Berliner Vertrag<lb/> iſt den Eingeborenen verboten, außerhalb der Municipalität<lb/> Land zu verkaufen, und dürfen ſie ſolches nur mit Zuſtim-<lb/> mung des Obergerichtes auf eine Reihe von Jahren ver-<lb/> pachten. Es wird nun die Frage ſein, ob die neue Verwal-<lb/> tung dieſe Beſtimmung aufrechterhält, oder vielleicht alles<lb/> von den Eingeborenen nicht bewohnte oder bebaute Land als<lb/> Regierungsbeſitz erklärt. Soll aus den Inſeln etwas ordent-<lb/> liches werden, ſo muß der <hi rendition="#g">Pflanzungsbetrieb er-<lb/> weitert</hi> und müſſen <hi rendition="#g">weiße Auſiedler</hi> herangezogen wer-<lb/> den. Zweifellos bieten große Strecken Landes auf den Höhen-<lb/> zügen im Innern der Inſeln, welche zur Zeit wilder Buſch,<lb/> ſozuſagen Urwald und weder von den Eingeborenen bewohnt<lb/> noch bebaut ſind, brauchbaren Boden für allerhand tropiſche<lb/> Kulturanlagen, ſobald ſie durch <hi rendition="#g">Wegebau</hi> zugänglich ge-<lb/> macht ſind. Dies erfordert aber zunächſt die <hi rendition="#g">Löſung der<lb/> Arbeiterfrage,</hi> ſolange die Samoaner nicht zu an-<lb/> dauernder Arbeit zu bewegen ſind, beziehungsweiſe erzogen<lb/> werden. Der Nachtrag zu dem deutſch-engliſchen Abkommen,<lb/> in welchem den Deutſchen das Recht zugeſtanden wird, auf<lb/> allen jetzt in britiſchem Beſitz befindlichen Salomonsinſeln<lb/> Arbeiter zu rekrutiren unter denſelben Bedingungen wie<lb/> nicht auf den Inſeln ſeßhafte Briten, iſt für Samoa<lb/> von beſonderer Wichtigkeit, Es iſt zweifellos, daß durch<lb/> den deutſch-engliſchen Vertrag von 1884, durch welchen<lb/> die deutſch-engliſche Demarkationslinie in der Südſee feſtgeſetzt<lb/> wurde und die ſüdlichen Salomonsinſeln in britiſchen Beſitz<lb/> kamen, der deutſche Pflanzungsbetrieb auf Samoa auf das<lb/> empfindlichſte geſchädigt und eine Erweiterung desſelben un-<lb/> möglich gemacht wurde; denn beſonders die Arbeiter von den<lb/> Inſeln Malayta und Gnadalcanar hatten ſich für Pflanzungs-<lb/> arbeit in Samoa auf das beſte bewährt, was man von den<lb/> im nördlicher gelegenen deutſchen Schutzgebiete rekrutirten<lb/> Leuten leider nicht ſagen kann. Vielleicht wäre es des Ver-<lb/> ſuches werth, <hi rendition="#g">chineſiſche Arbeiter</hi> aus Deutſch-China, ſei<lb/> es für öffentliche Arbeiten oder Pflanzungsbetrieb, nach Samoa<lb/> einzuführen, aber ſelbſtverſtändlich unter der <hi rendition="#aq">conditio sine<lb/> qua non</hi>, daß ſichere Vorkehrungen getroffen werden, daß die<lb/> Leute nach ihrer kontraktlichen Arbeitszeit wieder zurück nach<lb/> ihrer Heimath befördert werden und auf dieſe Weiſe eine<lb/> dauernde Anſiedelung derſelben in Samoa unter allen Um-<lb/> ſtänden ausgeſchloſſen werde.</p><lb/> <p>Sollte nach Samoa <hi rendition="#g">deutſches Geld</hi> eingeführt<lb/> werden, was wohl ſicher in Ausſicht ſteht, wäre es für<lb/> den Anfang wenigſtens wünſchenswerth, von den kleineren<lb/> Nickel- und Kupfermünzen gänzlich abzuſehen; die kleinſte<lb/> gangbare Münze im hieſigen Verkehr iſt zur Zeit der<lb/> engliſche Sixpence, gleich 50 Pf. Als natürliche Folge der<lb/> Einführung deutſchen Geldes würde ſich ſehr raſch die Noth-<lb/> wendigkeit der Errichtung eines <hi rendition="#g">Bankinſtituts</hi> heraus-<lb/> ſtellen. Da die hieſigen größeren Firmen hauptſächlich mit<lb/> Hamburg in Geſchäftsverbindung ſtehen, ſo liegt es nahe,<lb/> daß ſie der Filiale einer in Hamburg domizilirten Bank den<lb/> Vorzug vor anderen geben würden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Hof- und Perſonalnachrichten.</hi> </hi> </head><lb/> <dateline>* <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 31. März.</dateline> <p><hi rendition="#g">Tel.</hi> Der <hi rendition="#g">Kaiſer</hi> und die<lb/><hi rendition="#g">Kaiſerin</hi> beſuchten heute Vormittag den Reichskanzler<lb/> Fürſten zu <hi rendition="#g">Hohenlohe,</hi> um ihn zu ſeinem Geburtstag zu<lb/> beglückwünſchen. Um 12½ Uhr empfing der Kaiſer den<lb/> Biſchof <hi rendition="#g">Anzer</hi> im Beiſein des Staatsſekretärs des Aeußern,<lb/> Grafen <hi rendition="#g">Bülow,</hi> und des Staatsſekretärs des Reichs-Marine-<lb/> Amts, <hi rendition="#g">Tirpitz.</hi> — Prinz <hi rendition="#g">Georg von Sachſen</hi> trifft heute<lb/> Abend hier ein. — Wie aus <hi rendition="#g">Kiel</hi> hierher gemeldet wird, iſt<lb/> der <hi rendition="#g">Großherzog von Heſſen</hi> zu kurzem Beſuch bei dem<lb/> Prinzen und der Prinzeſſin <hi rendition="#g">Heinrich</hi> von Preußen einge-<lb/> troffen. — Die „Danz. Ztg.“ meldet in Beſtätigung einer<lb/> früheren Nachricht: Das Abſchiedsgeſuch des Generals<lb/> v. <hi rendition="#g">Lentze</hi> wurde vom Kaiſer abgelehnt. Der General bleibt<lb/> an der Spitze des <hi rendition="#aq">XVII.</hi> Armeekorps.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Baden: Aufhebung der Beamtenkantionen.</hi> </hi> </head><lb/> <p>* Anläßlich eines aus dem Hauſe geſtellten Antrags er-<lb/> klärte Finanzminiſter <hi rendition="#g">Buchenberger</hi> in der Budget-<lb/> kommiſſion der Zweiten Kammer, daß die Regierung im<lb/> laufenden Jahre mit der Aufhebung und Rückzahlung der<lb/><hi rendition="#g">Beamtenkautionen</hi> beginnen wird. Die Gründe, die im<lb/> Reich, Preußen und anderen Staaten weſentlich beſtimmend<lb/> waren, die Kautionen aufzuheben, nämlich die großen, durch<lb/> die Verwaltung der Kantionen veranlaßten Koſten, liegen in<lb/> Baden nicht vor, weil hier das Syſtem der Baarkautionen<lb/> üblich iſt, deren Verwaltung nur geringe Koſten verurſacht.<lb/> In erſter Linie kommt hier vielmehr in Betracht — was<lb/><cb/> übrigens auch anderwärts für die Aufhebung geſprochen hat<lb/> — daß die thatſächlichen Verluſte infolge Untreue und Fahr-<lb/> läſſigkeit im Durchſchnitt längerer Jahre unerheblich ſind.<lb/> Die Zahl der Kautionäre beläuft ſich gegenwärtig auf 7238<lb/> und der Betrag der eingezahlten Kautionen auf 3,988,000 M.;<lb/> dagegen beträgt die Zahl der in den letzten zehn Jahren vor-<lb/> gekommenen Unterſchlagungen 66, alſo im Jahr nur 6.6 Fälle.<lb/> Nur in 33 Fällen mußte zur Deckung der Defelte auf die<lb/> Kaution gegriffen werden. Der Geſammtbetrag der Defekte<lb/> war in dieſen zehn Jahren 30,510 M., alſo jährlich 3051 M.,<lb/> wobei von den Defekten ihre Deckung fanden: 62.2 Proz. im<lb/> Vermögen des ſchuldigen Beamten oder ſeiner Verwandten,<lb/> 20.9 Proz. der Defekte in der Kaution ſelbſt, während 16 Proz.<lb/> (jährlich nur 516 M.) ungedeckt blieben. Der Staat läuft<lb/> alſo keine große Gefahr, wenn er, um ſich gegen den Schaden<lb/> aus pflichtwidriger Dienſtführung der Beamten zu decken, zu<lb/> dem Syſtem der Selbſtverſicherung übergeht.</p><lb/> </div> <trailer><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Berichtigung.</hi></hi><lb/> * In der Mittheilung einer Reſolution des Deutſch-ruſſiſchen<lb/> Vereins bezüglich des Fleiſcheinfuhrverbots, welche wir dieſer<lb/> Tage veröffentlichten, muß es Zeile 2 und folgende heißen: „Der<lb/> in ca. 200 bedeutenden Induſtrie- und Handelshäuſern, 21 Handels-<lb/> kammern und 7 großen Verbänden einen ſehr großen Theil u. ſ. w.“</trailer> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreich-Ungarn.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Zum ungariſchen Miniſter am königlichen Hoſtager</hi> </hi> </head><lb/> <p>wurde an Stelle des kürzlich aus Geſundheitsrückſichten zurück-<lb/> getretenen Grafen Emanuel Szechenyi deſſen Oheim, Graf<lb/> Julius <hi rendition="#g">Szechenyi,</hi> ernannt. Der neue Miniſter iſt ein be-<lb/> reits bejahrter Herr, 1829 geboren, er war urſprünglich<lb/> Huſarenoffizier, lebte dann lange Zeit auf ſeinen Gütern im<lb/> Soogyer Komitat, nahm aber zu Deaks Zeiten, zu deſſen<lb/> eifrigſten Anhängern er gehörte, an den politiſchen Vor-<lb/> gängen Antheil, war Obergeſpan des Oedenburger Komitats<lb/> und unter Benſt kurze Zeit Hof- und Miniſterialrath im ge-<lb/> meinſamen Miniſterium des Aeußern. Nach den kirchen-<lb/> politiſchen Kämpfen, während derer er einer der entſchiedenſten<lb/> Vertreter der neuen Geſetze unter den Magnaten war, iſt er<lb/> im öffentlichen Leben kaum mehr hervorgetreten. Sein jetziger<lb/> Entſchluß, in das ungariſche Kabinet einzutreten, wird haupt-<lb/> ſächlich auf ſeine engen Beziehungen zum Miniſterpräſidenten<lb/> v. Szell zurückgeführt, dem er eine werthvolle, kräftige Stütze<lb/> zu werden verſpricht. Ueberhaupt dürfte das liberale Re-<lb/> gime in Ungarn durch die Ernennung Szechenyi’s eine weitere<lb/> Stärkung erfahren, was auch auf Oeſterreich nicht ohne Rück-<lb/> wirkung bleiben kann, wo der Miniſter <hi rendition="#aq">a latere</hi> die ungari-<lb/> ſchen Intereſſen zu vertreten ſpeziell berufen iſt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Zur Lage. — Von den Landtagen.</hi> </hi> </head><lb/> <p>* Die ſeit Vertagung des Reichsraths und der Verſtän-<lb/> digungskonferenz in Oeſterreich eingetretene politiſche Stille<lb/> dauert fort und dürfte auch bis in den Mai hinein anhalten,<lb/> wofern nicht unvorherſehbare Zwiſchenfälle eintreten. „Narodni<lb/> Liſty“ ſagen zwar, die Regierung ſei ſehr im Irrthum, wenn<lb/> ſie glaube, die Entſcheidung über die Sprachenfrage bis in<lb/> den Mai — wo angeblich die Verhandlungen der deutſch-<lb/> tſchechiſchen <hi rendition="#g">Verſtändigungskonferenz</hi> in Wien wieder<lb/> aufgenommen werden ſollen — verſchleppen zu können, d. h.<lb/> die Tſchechen wollen ſolange auf die Erfüllung ihrer Forde-<lb/> rung betreffs Wiedereinführung der <hi rendition="#g">inneren tſchechiſchen<lb/> Amtsſprache</hi> nicht warten; aber es iſt den Jungtſchechen<lb/> wohl nur darum zu thun, den tſchechiſchen Oppoſitionsſtand-<lb/> punkt überhaupt in Erinnerung zu bringen, der ſonſt während<lb/> der parlamentariſchen Friedenszeit in Vergeſſenheit zu gerathen<lb/> droht, womit den Radikalen wiederum Anlaß zu Ausfällen<lb/> gegen die jungtſchechiſche Politik gegeben werden würde. Bis<lb/> jetzt hat es nicht den Anſchein, als ob die tſchechiſchen Abge-<lb/> ordneten ſich mit der Abſicht trügen, den nationalen Streit<lb/> auf dem Boden des Landtags von neuem zu entfachen und<lb/> den programmmäßigen Verlauf der Dinge zu ſtören. In der<lb/> Prager Landſtube geht es ſogar auffallend ruhig her, weßhalb<lb/> denn auch die Verhandlungen wenig bieten, was von allge-<lb/> meinem Intereſſe wäre. Mehr bemerkbar als die Tſchechen<lb/> machen ſich angenblicklich die <hi rendition="#g">Slovenen,</hi> jedoch nur durch<lb/> negative Bethätigung, indem ſie ihren Landtagen demonſtrativ<lb/> fernbleiben. Im <hi rendition="#g">ſteieriſchen</hi> Landtag verſuchten die Katho-<lb/> liſch-Konſervativen ihr Glück mit einem <hi rendition="#g">Wahlreform-<lb/> autrag,</hi> um ſich eine klerikale Wählermehrheit in den Land-<lb/> gemeinden zu ſchaffen. Die deutſchnationale Landtagsmehrheit<lb/> wird aber natürlich keinen Selbſtmord begehen und das An-<lb/> ſinnen der Minderheit <hi rendition="#aq">a limine</hi> abweiſen. Ebenſo ſelbſtver-<lb/> ſtändlich werden die <hi rendition="#g">oberöſterreichiſchen</hi> Deutſchnatio-<lb/> nalen, die ihrerſeits im Landtag einen Antrag auf Einführung<lb/> direkter Wahlen in den Landgemeinden ſtellten, bei den ober-<lb/> öſterreichiſchen Klerikalen abblitzen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Rußland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Perſien als Abſatzmarkt für ruſſiſche Waaren.</hi> </hi> </head><lb/> <p>* Nach einem kürzlich eingelaufenen Bericht des ruſſiſchen<lb/> Generalkonſuls in Meſched über das Vordringen der ruſſiſchen<lb/> Textilinduſtrie auf dem perſiſchen Markt wuchs die <hi rendition="#g">ruſſiſche<lb/> Ausfuhr nach Perſien</hi> von 3,697,594 Rubel im Jahre<lb/> 1897 auf 4,742,653 Rubel im Jahre 1898. Ausgeführt<lb/> wurden vorzugsweiſe <hi rendition="#g">Baumwollengewebe.</hi> Dieſes relativ<lb/> raſche Anwachſen der Ausfuhr iſt darauf zurückzuführen, daß<lb/> die ruſſiſchen Fabrikanten in den letzten Jahren ſich ſorgfältig<lb/> dem Geſchmack der Abnehmer angepaßt haben, zu welchem<lb/> Zweck ſie ſich Muſter der in Perſien gangbaren <hi rendition="#g">engliſchen</hi><lb/> Erzeugniſſe verſchafften. Da die ruſſiſchen Mannfakturwaaren<lb/> an Qualität die engliſchen übertrafen, war es ihnen ein<lb/> leichtes, den perſiſchen Markt zu gewinnen, umſomehr, als die<lb/> Engländer, um an Fracht zu ſparen, leichtere Waare zu<lb/> liefern begannen. <hi rendition="#g">Choroſſaner</hi> Firmen, die früher aus-<lb/> ſchließlich engliſche Mannfakturwaaren <hi rendition="#aq">via</hi> Täbris bezogen<lb/> und ſie nach Meſched weiter begaben, haben ſeit drei Jahren<lb/> ihre <hi rendition="#g">Beziehungen zu England abgebrochen</hi> und be-<lb/> ziehen über die transkaſpiſchen Zollämter <hi rendition="#g">ruſſiſche Waare,</hi><lb/> die auf dieſe Weiſe bis in das Innere Perſiens dringt. Der<lb/> Konkurrenzkampf zwiſchen England und Rußland, der ſich<lb/> bisher auf Meſched beſchränkte, verbreitet ſich demnach jetzt<lb/> auf ein bedeutendes Territorium. Abgeſehen von Manufaktur-<lb/> waaren, macht ſich in Choroſſan eine ſtarke Nachfrage nach<lb/> europäiſchen Produkten verſchiedener Art bemerktbar. Es ſteht<lb/> ſomit zu erwarten, ſo ſchließt dieſer Konſularbericht, daß die<lb/> ruſſiſche Ausfuhr nach Perſien die ſteigende Tendenz beibe-<lb/> halten wird. Demnach dürſten auch die neuerdings ange-<lb/> regten Verſuche, den <hi rendition="#g">öſterreichiſchen</hi> Export nach Perſien<lb/> zu beleben, auf Schwierigkeiten ſtoßen.</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jAnnouncements" n="1"> <gap reason="insignificant"/> <div type="jAn" n="2"/> </div> </body> </text> </TEI> [Seite 3.[3]/0003]
Nr. 89. München, Sonntag Allgemeine Zeitung 1. April 1900.
Deutſches Reich.
Ausweg einer Subkommiſſion zur Entwerfung eines
Planes, wies Herr Gröber ſchroff zurück. Statt deſſen
drehte er den Spieß um und verlangte von der Regierung
einen ſolchen Plan, indem er zugleich für den Fall der
Nichterfüllung des Verlangens mit Ablehnung der ganzen
Vorlage drohte. Werden ſich die verbündeten Regierungen
nunmehr einſchüchtern laſſen? Wenn nicht, ſo ſehen wir
auch hier keine Grundlage für eine poſitive Löſung.
Der Bund der Landwirthe und die auswärtige Politik.
* Die „Deutſche Tagesztg.“ ſchreibt in einer
umfangreichen Auslaſſung über Deutſchlands auswärtige
Politik, daß ſie die in der letzten Zeit erfolgten Aufklä-
rungen, betreffs der Abſichten und des Programms der Lei-
tung unſerer auswärtigen Angelegenheiten, „mit Dank
entgegennehme.“ Zu jenen Aufklärungen rechnet die
„Deutſche Tagesztg.“ einmal den ſcharfen halbamtlichen
Widerſpruch gegen allerhand Ausſtreuungen eines Berliner
Journals, das Deutſchland im Schlepptaue Englands er-
ſcheinen ließ, zum zweiten die Erklärungen, die Graf Bü-
low jüngſt in der Budgetkommiſſion in Bezug auf das
Anwachſen der imperialiſtiſchen Strömung in
Großbritannien, in Bezug auf das Zurücktreten
der Kabinetspolitik gegenüber den Volksleidenſchaften, ge-
than hat. Wenn die „Deutſche Tagesztg.“ die letztere Aus-
laſſung dahin auslegt, daß der wirthſchaftliche Neid der
Engländer gegen uns im Wachſen ſei, daß die engliſche
Ländergier immer weiter ausgreife, daß die britiſche Regie-
rung der Volksleidenſchaft ſchließlich nachgeben-müſſe,
und daß das Ende die unvermeidliche (kriegeriſche)
Auseinanderſetzung zwiſchen Deutſchland und Großbritan-
nien ſein werde, ſo geht die „Deutſche Tagesztg.“ einen
und daß das Ende die unvermeidliche (kriegeriſche)
Bülow eine kriegeriſche Auseinanderſetzung zwiſchen
Deutſchland und Großbritannien geſchildert, ſondern er
hat nur, und ſicherlich mit vollem Recht, die Möglich-
keit angedeutet, daß ſie eintreten könne. Derartige Ent-
wicklungen als unvermeidlich anzukündigen, hat auch Fürſt
Bismarck abgelehnt, indem er betonte, daß unvorher-
geſehene Wendungen eintreten können, welche die anſchei-
nend ſicherſte Vorausſage zunichte machen.
Deutſcher Verein für den Schutz des gewerblichen Eigenthums.
* Der Deutſche Verein für den Schutz des gewerblichen
Eigenthums hielt am 29. März dieſee Jahres im Saale des
Kaiſerlichen Patentamts zu Berlin eine gut befuchte Ver-
ſammlung ab. Ergänzend iſt darüber folgendes zu berichten.
Hr. Patentanwalt Loubier, der über das Waarenverzeichniß unter
dem Geſetz zum Schutz der Waarenzeichen ſprach, kam zu dem
von der Mehrheit der Anweſenden als durchaus richtig an-
erkannten Schluß, daß die Vorſchrift des Waarenzeichen-
geſetzes, wonach die Eintragung nur für beſtimmte Waaren
zuläſſig ſei, eine ſchwere Beläſtigung ſolcher Induſtrien und
Handelsfirmen bedeute, welche einen derartig umfaſſenden Waaren-
vertrieb haben, daß eine Aufzählung der einzelnen Waaren un-
möglich ſcheint. Dies gilt beſonders auch von Exportfirmen. Es
wurde der Wunſch ausgeſprochen, daß das Patentamt von ſeiner
diskretionären Befugniß Gebrauch mache, ſtatt der Aufzählung
der einzelnen Waaren auch die Angabe von Gattungen und
größeren allgemeinen Gruppen von Waaren zuzulaſſen. Hierauf
ſprach Hr. Privatdozent Dr. Paul Alexander-Katz über die
Nichtigkeit eines Patents wegen Kolliſion mit einem früher an-
gemeldeten Patent. Er legte ſeinen intereſſanten Ausführungen
eine neue Entſcheidung des Reichsgerichts zugrunde, nach welcher
auch ein ſchon erloſchenes Patent die Eintragung eines ſpäter
angemeldeten, mit dem erſten identiſchen Patents nichtig mache.
Dieſer in der deutſchen Rechtſprechung neu eingeführte Grundſatz
wurde als ein erfreulicher Fortſchritt begrüßt und als Zeichen
der Annäherung an die Grundſätze der engliſchen Rechtſprechung,
wonach es der Hauptzweck des Patentrechts ſein müſſe, die Er-
findungen dem Publikum zuzuführen und zu verhindern, daß
ſolche Patente, welche ſchon im Einzelbeſitz geweſen und dann er-
loſchen ſind, nachträglich zum Gegenſtand einer neuen Anmeldung
gemacht werden können. Der Vorſitzende der Verſammlung theilte
noch mit, daß ein Theil der Berichte für den im Mai ſtatt-
findenden Frankfurter Kongreß für gewerblichen Rechtsſchutz ſchon
fertig vorliege. Die Theilnahme der füddeutſchen und weſt-
deutſchen Induſtrien an dieſem Kongreß ſcheint ſehr rege werden
zu wollen.
Propaganda der That.
* Unter der vorſtehenden Ueberſchrift ſpricht ſich in dem
Anarchiſtenblatt „Neues Leben“ ein gewiſſer „Nero“ über
die Propaganda der That aus. Angeblich liegt es
„Nero“ fern, die Propaganda der That zu empfehlen, aber
— „ebenſowenig kann ich dieſelbe auch nicht (sie!) ver-
dammen“. Weßhalb „Nero“ die Propaganda der That nicht
verdammt, darüber ſagt er das Nachſtehende:
„Wenn man das ganze Getriebe gründlich kennen gelernt
hat, womit man der Maſſe Sand in die Augen ſtreut, dann weiß
man auch, daß einer jeden That, gleichviel, ob gut oder bös, eine
Urſache zugrunde lag. Keine Urſache ohne Wirkung, das ſollte
doch heute ſchon jeder Proletar wiſſen. In den ſogenannten
beſſeren Kreiſen ſcheint das nicht der Fall zu ſein, denn gerade
jene Kreiſe ſind es, die zur Propaganda der That aufreizen,
oder ſollte das keine Aufreizung ſein, wenn ich geſund
und kräftig voll Lebensluſt gern arbeiten will und Jener kommt
und ſagt, wenn du arbeiten willſt, was in dieſem Fall gleich-
bedeutend mit Leben iſt, ſo mußt du mir ſo oder ſoviel von
dieſem Arbeitsertrag abgeben, damit ich und meines-
gleichen ein ſorgenloſes und genußreiches Leben führen können,
und daß wir dich beherrſchen, damit du nicht an deiner Sklaven-
kette rütteln kannſt.“
Wer zu dem Zweck, die Propaganda der That zu ent-
ſchuldigen, die Konſtruktion der „Aufreizung“ ſich ſo leicht
macht, deſſen Entſchuldigung der Propaganda der That läuft
auf ihre Empfehlung hinaus.
Aufgaben der neuen Verwaltung in Deutſch-Samoa.
* Aus Apia wird unter dem 23. Februar von wohl-
informirter Seite geſchrieben:
Es iſt natürlich, daß ſich Weiße und Eingeborene zur
Zeit eifrig mit den der neuen Verwaltung zunächſt obliegenden
wichtigen Fragen beſchäftigen. Da iſt zunächſt die Beſteue-
rung der Eingeborenen. Nach Art. VI des Berliner
Vertrags war den Eingeborenen die äußerſt geringe Kopf-
ſteuer von 1 Dollar pro Jahr auferlegt, welche ſich aber nur
auf den männlichen Theil der Bevölkerung bezog, und zwar
erſt von dem Zeitpunkt ab, wo ein junger Mann kräftig
genug iſt, eine Kokosnußpalme zu erklettern. Die hohe Kom-
miſſion für Samoa hat vorgeſchlagen, die Beſteuerung dahin
abzuändern, daß ein jeder Samoaner im Alter von 16 bis
45 Jahren eine Kopfſteuer von 2 Dollars jährlich zahlen ſoll.
Es ſteht zu hoffen, daß ſeitens der neuen Verwaltung dieſer
Vorſchlag der Kommiſſion keine Berückſichtigung finden wird,
denn ein unpraktiſcheres Syſtem läßt ſich ſchwer ausdenken.
Es iſt eine allbekannte Thatſache, daß nicht ein Samoaner
aus Hunderten, ja Tauſenden, ſein Alter auch nur einiger-
maßen zuverläſſig angeben kann. Wie ſoll ein Steuerkollektor
imſtande ſein, zu entſcheiden, ob ein junger Samoaner 15
oder 16 Jahre alt iſt? Wird nicht ein jeder Samoaner von
höchſtens 40 Jahren feierlichſt ſchwören, 45 Jahre alt zu
ſein? Dieſes Syſtem würde daher eine Schraube von Schwierig-
keiten ohne Ende ſein und gerechte Einziehung der Steuer zur
Unmöglichkeit machen.
In Samoa iſt die Frage der Beſteuerung der Ein-
geborenen eng mit der Arbeiterfrage verknüpft. Man
ſollte daher den moraliſchen Einfluß, welchen die Beſteuerung
auf die Eingeborenen, wenn richtig angewendet, haben kann,
nicht aus dem Auge verlieren. Wird ein jeder Samoaner
für den ihm auferlegten Steuerbetrag perſönlich verantwort-
lich gehalten, ſo werden die Eingeborenen den Werth ihrer
Arbeit und den Werth des ihnen für ihre Arbeit gezahlten
Lohnes kennen und ſchätzen lernen und mit der Zeit die
Nothwendigkeit und den Vortheil der regelmäßigen Arbeit
einſehen, ein Erfolg, der nicht zu erzielen iſt, wenn man die
ganzen Diſtrikte beſteuert. Vielleicht wäre es auch räthlich,
die Kopfſteuer in eine Beſitzſteuer umzuwandeln, und da
das einzige greifbare, Sicherheit gewährleiſtende Eigenthum
des Samoaners ſein Haus iſt, ſo müßte es eine Haus- und
Hüttenſteuer ſein. Da jedoch die Häuſer der Samoaner ſehr
verſchieden in Bauart, Werth und Größe ſind, ſo könnte die
Steuer keine für alle gleichmäßige ſein, ſondern die großen
impoſanten Häuptlingshäuſer müßten höher beſteuert werden
als die Hütten und Außenhäuſer der gewöhnlichen Leute.
Mit dieſem Syſtem der Beſteuerung ließe ſich auch eine
Kontrole der Behauſungen in hygieniſcher und
ſanitärer Beziehung verbinden und erleichtern. Die
geradezu erſtaunlichen Erfolge in Deutſch-Oſtafrika mit der
Hüttenſteuer ſollten einen Verſuch in gleicher Richtung auch
für Samoa rathſam erſcheinen laſſen.
Von gleicher Wichtigkeit werden eventuelle Abände-
rungen der Landgeſetze ſein. Nach dem Berliner Vertrag
iſt den Eingeborenen verboten, außerhalb der Municipalität
Land zu verkaufen, und dürfen ſie ſolches nur mit Zuſtim-
mung des Obergerichtes auf eine Reihe von Jahren ver-
pachten. Es wird nun die Frage ſein, ob die neue Verwal-
tung dieſe Beſtimmung aufrechterhält, oder vielleicht alles
von den Eingeborenen nicht bewohnte oder bebaute Land als
Regierungsbeſitz erklärt. Soll aus den Inſeln etwas ordent-
liches werden, ſo muß der Pflanzungsbetrieb er-
weitert und müſſen weiße Auſiedler herangezogen wer-
den. Zweifellos bieten große Strecken Landes auf den Höhen-
zügen im Innern der Inſeln, welche zur Zeit wilder Buſch,
ſozuſagen Urwald und weder von den Eingeborenen bewohnt
noch bebaut ſind, brauchbaren Boden für allerhand tropiſche
Kulturanlagen, ſobald ſie durch Wegebau zugänglich ge-
macht ſind. Dies erfordert aber zunächſt die Löſung der
Arbeiterfrage, ſolange die Samoaner nicht zu an-
dauernder Arbeit zu bewegen ſind, beziehungsweiſe erzogen
werden. Der Nachtrag zu dem deutſch-engliſchen Abkommen,
in welchem den Deutſchen das Recht zugeſtanden wird, auf
allen jetzt in britiſchem Beſitz befindlichen Salomonsinſeln
Arbeiter zu rekrutiren unter denſelben Bedingungen wie
nicht auf den Inſeln ſeßhafte Briten, iſt für Samoa
von beſonderer Wichtigkeit, Es iſt zweifellos, daß durch
den deutſch-engliſchen Vertrag von 1884, durch welchen
die deutſch-engliſche Demarkationslinie in der Südſee feſtgeſetzt
wurde und die ſüdlichen Salomonsinſeln in britiſchen Beſitz
kamen, der deutſche Pflanzungsbetrieb auf Samoa auf das
empfindlichſte geſchädigt und eine Erweiterung desſelben un-
möglich gemacht wurde; denn beſonders die Arbeiter von den
Inſeln Malayta und Gnadalcanar hatten ſich für Pflanzungs-
arbeit in Samoa auf das beſte bewährt, was man von den
im nördlicher gelegenen deutſchen Schutzgebiete rekrutirten
Leuten leider nicht ſagen kann. Vielleicht wäre es des Ver-
ſuches werth, chineſiſche Arbeiter aus Deutſch-China, ſei
es für öffentliche Arbeiten oder Pflanzungsbetrieb, nach Samoa
einzuführen, aber ſelbſtverſtändlich unter der conditio sine
qua non, daß ſichere Vorkehrungen getroffen werden, daß die
Leute nach ihrer kontraktlichen Arbeitszeit wieder zurück nach
ihrer Heimath befördert werden und auf dieſe Weiſe eine
dauernde Anſiedelung derſelben in Samoa unter allen Um-
ſtänden ausgeſchloſſen werde.
Sollte nach Samoa deutſches Geld eingeführt
werden, was wohl ſicher in Ausſicht ſteht, wäre es für
den Anfang wenigſtens wünſchenswerth, von den kleineren
Nickel- und Kupfermünzen gänzlich abzuſehen; die kleinſte
gangbare Münze im hieſigen Verkehr iſt zur Zeit der
engliſche Sixpence, gleich 50 Pf. Als natürliche Folge der
Einführung deutſchen Geldes würde ſich ſehr raſch die Noth-
wendigkeit der Errichtung eines Bankinſtituts heraus-
ſtellen. Da die hieſigen größeren Firmen hauptſächlich mit
Hamburg in Geſchäftsverbindung ſtehen, ſo liegt es nahe,
daß ſie der Filiale einer in Hamburg domizilirten Bank den
Vorzug vor anderen geben würden.
Hof- und Perſonalnachrichten.
* Berlin, 31. März.Tel. Der Kaiſer und die
Kaiſerin beſuchten heute Vormittag den Reichskanzler
Fürſten zu Hohenlohe, um ihn zu ſeinem Geburtstag zu
beglückwünſchen. Um 12½ Uhr empfing der Kaiſer den
Biſchof Anzer im Beiſein des Staatsſekretärs des Aeußern,
Grafen Bülow, und des Staatsſekretärs des Reichs-Marine-
Amts, Tirpitz. — Prinz Georg von Sachſen trifft heute
Abend hier ein. — Wie aus Kiel hierher gemeldet wird, iſt
der Großherzog von Heſſen zu kurzem Beſuch bei dem
Prinzen und der Prinzeſſin Heinrich von Preußen einge-
troffen. — Die „Danz. Ztg.“ meldet in Beſtätigung einer
früheren Nachricht: Das Abſchiedsgeſuch des Generals
v. Lentze wurde vom Kaiſer abgelehnt. Der General bleibt
an der Spitze des XVII. Armeekorps.
Baden: Aufhebung der Beamtenkantionen.
* Anläßlich eines aus dem Hauſe geſtellten Antrags er-
klärte Finanzminiſter Buchenberger in der Budget-
kommiſſion der Zweiten Kammer, daß die Regierung im
laufenden Jahre mit der Aufhebung und Rückzahlung der
Beamtenkautionen beginnen wird. Die Gründe, die im
Reich, Preußen und anderen Staaten weſentlich beſtimmend
waren, die Kautionen aufzuheben, nämlich die großen, durch
die Verwaltung der Kantionen veranlaßten Koſten, liegen in
Baden nicht vor, weil hier das Syſtem der Baarkautionen
üblich iſt, deren Verwaltung nur geringe Koſten verurſacht.
In erſter Linie kommt hier vielmehr in Betracht — was
übrigens auch anderwärts für die Aufhebung geſprochen hat
— daß die thatſächlichen Verluſte infolge Untreue und Fahr-
läſſigkeit im Durchſchnitt längerer Jahre unerheblich ſind.
Die Zahl der Kautionäre beläuft ſich gegenwärtig auf 7238
und der Betrag der eingezahlten Kautionen auf 3,988,000 M.;
dagegen beträgt die Zahl der in den letzten zehn Jahren vor-
gekommenen Unterſchlagungen 66, alſo im Jahr nur 6.6 Fälle.
Nur in 33 Fällen mußte zur Deckung der Defelte auf die
Kaution gegriffen werden. Der Geſammtbetrag der Defekte
war in dieſen zehn Jahren 30,510 M., alſo jährlich 3051 M.,
wobei von den Defekten ihre Deckung fanden: 62.2 Proz. im
Vermögen des ſchuldigen Beamten oder ſeiner Verwandten,
20.9 Proz. der Defekte in der Kaution ſelbſt, während 16 Proz.
(jährlich nur 516 M.) ungedeckt blieben. Der Staat läuft
alſo keine große Gefahr, wenn er, um ſich gegen den Schaden
aus pflichtwidriger Dienſtführung der Beamten zu decken, zu
dem Syſtem der Selbſtverſicherung übergeht.
Berichtigung.
* In der Mittheilung einer Reſolution des Deutſch-ruſſiſchen
Vereins bezüglich des Fleiſcheinfuhrverbots, welche wir dieſer
Tage veröffentlichten, muß es Zeile 2 und folgende heißen: „Der
in ca. 200 bedeutenden Induſtrie- und Handelshäuſern, 21 Handels-
kammern und 7 großen Verbänden einen ſehr großen Theil u. ſ. w.“
Oeſterreich-Ungarn.
Zum ungariſchen Miniſter am königlichen Hoſtager
wurde an Stelle des kürzlich aus Geſundheitsrückſichten zurück-
getretenen Grafen Emanuel Szechenyi deſſen Oheim, Graf
Julius Szechenyi, ernannt. Der neue Miniſter iſt ein be-
reits bejahrter Herr, 1829 geboren, er war urſprünglich
Huſarenoffizier, lebte dann lange Zeit auf ſeinen Gütern im
Soogyer Komitat, nahm aber zu Deaks Zeiten, zu deſſen
eifrigſten Anhängern er gehörte, an den politiſchen Vor-
gängen Antheil, war Obergeſpan des Oedenburger Komitats
und unter Benſt kurze Zeit Hof- und Miniſterialrath im ge-
meinſamen Miniſterium des Aeußern. Nach den kirchen-
politiſchen Kämpfen, während derer er einer der entſchiedenſten
Vertreter der neuen Geſetze unter den Magnaten war, iſt er
im öffentlichen Leben kaum mehr hervorgetreten. Sein jetziger
Entſchluß, in das ungariſche Kabinet einzutreten, wird haupt-
ſächlich auf ſeine engen Beziehungen zum Miniſterpräſidenten
v. Szell zurückgeführt, dem er eine werthvolle, kräftige Stütze
zu werden verſpricht. Ueberhaupt dürfte das liberale Re-
gime in Ungarn durch die Ernennung Szechenyi’s eine weitere
Stärkung erfahren, was auch auf Oeſterreich nicht ohne Rück-
wirkung bleiben kann, wo der Miniſter a latere die ungari-
ſchen Intereſſen zu vertreten ſpeziell berufen iſt.
Zur Lage. — Von den Landtagen.
* Die ſeit Vertagung des Reichsraths und der Verſtän-
digungskonferenz in Oeſterreich eingetretene politiſche Stille
dauert fort und dürfte auch bis in den Mai hinein anhalten,
wofern nicht unvorherſehbare Zwiſchenfälle eintreten. „Narodni
Liſty“ ſagen zwar, die Regierung ſei ſehr im Irrthum, wenn
ſie glaube, die Entſcheidung über die Sprachenfrage bis in
den Mai — wo angeblich die Verhandlungen der deutſch-
tſchechiſchen Verſtändigungskonferenz in Wien wieder
aufgenommen werden ſollen — verſchleppen zu können, d. h.
die Tſchechen wollen ſolange auf die Erfüllung ihrer Forde-
rung betreffs Wiedereinführung der inneren tſchechiſchen
Amtsſprache nicht warten; aber es iſt den Jungtſchechen
wohl nur darum zu thun, den tſchechiſchen Oppoſitionsſtand-
punkt überhaupt in Erinnerung zu bringen, der ſonſt während
der parlamentariſchen Friedenszeit in Vergeſſenheit zu gerathen
droht, womit den Radikalen wiederum Anlaß zu Ausfällen
gegen die jungtſchechiſche Politik gegeben werden würde. Bis
jetzt hat es nicht den Anſchein, als ob die tſchechiſchen Abge-
ordneten ſich mit der Abſicht trügen, den nationalen Streit
auf dem Boden des Landtags von neuem zu entfachen und
den programmmäßigen Verlauf der Dinge zu ſtören. In der
Prager Landſtube geht es ſogar auffallend ruhig her, weßhalb
denn auch die Verhandlungen wenig bieten, was von allge-
meinem Intereſſe wäre. Mehr bemerkbar als die Tſchechen
machen ſich angenblicklich die Slovenen, jedoch nur durch
negative Bethätigung, indem ſie ihren Landtagen demonſtrativ
fernbleiben. Im ſteieriſchen Landtag verſuchten die Katho-
liſch-Konſervativen ihr Glück mit einem Wahlreform-
autrag, um ſich eine klerikale Wählermehrheit in den Land-
gemeinden zu ſchaffen. Die deutſchnationale Landtagsmehrheit
wird aber natürlich keinen Selbſtmord begehen und das An-
ſinnen der Minderheit a limine abweiſen. Ebenſo ſelbſtver-
ſtändlich werden die oberöſterreichiſchen Deutſchnatio-
nalen, die ihrerſeits im Landtag einen Antrag auf Einführung
direkter Wahlen in den Landgemeinden ſtellten, bei den ober-
öſterreichiſchen Klerikalen abblitzen.
Rußland.
Perſien als Abſatzmarkt für ruſſiſche Waaren.
* Nach einem kürzlich eingelaufenen Bericht des ruſſiſchen
Generalkonſuls in Meſched über das Vordringen der ruſſiſchen
Textilinduſtrie auf dem perſiſchen Markt wuchs die ruſſiſche
Ausfuhr nach Perſien von 3,697,594 Rubel im Jahre
1897 auf 4,742,653 Rubel im Jahre 1898. Ausgeführt
wurden vorzugsweiſe Baumwollengewebe. Dieſes relativ
raſche Anwachſen der Ausfuhr iſt darauf zurückzuführen, daß
die ruſſiſchen Fabrikanten in den letzten Jahren ſich ſorgfältig
dem Geſchmack der Abnehmer angepaßt haben, zu welchem
Zweck ſie ſich Muſter der in Perſien gangbaren engliſchen
Erzeugniſſe verſchafften. Da die ruſſiſchen Mannfakturwaaren
an Qualität die engliſchen übertrafen, war es ihnen ein
leichtes, den perſiſchen Markt zu gewinnen, umſomehr, als die
Engländer, um an Fracht zu ſparen, leichtere Waare zu
liefern begannen. Choroſſaner Firmen, die früher aus-
ſchließlich engliſche Mannfakturwaaren via Täbris bezogen
und ſie nach Meſched weiter begaben, haben ſeit drei Jahren
ihre Beziehungen zu England abgebrochen und be-
ziehen über die transkaſpiſchen Zollämter ruſſiſche Waare,
die auf dieſe Weiſe bis in das Innere Perſiens dringt. Der
Konkurrenzkampf zwiſchen England und Rußland, der ſich
bisher auf Meſched beſchränkte, verbreitet ſich demnach jetzt
auf ein bedeutendes Territorium. Abgeſehen von Manufaktur-
waaren, macht ſich in Choroſſan eine ſtarke Nachfrage nach
europäiſchen Produkten verſchiedener Art bemerktbar. Es ſteht
ſomit zu erwarten, ſo ſchließt dieſer Konſularbericht, daß die
ruſſiſche Ausfuhr nach Perſien die ſteigende Tendenz beibe-
halten wird. Demnach dürſten auch die neuerdings ange-
regten Verſuche, den öſterreichiſchen Export nach Perſien
zu beleben, auf Schwierigkeiten ſtoßen.
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(2020-10-02T09:49:36Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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