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Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848.

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[Spaltenumbruch] die Krone wanke auf seinem Haupte und es wäre ein ewig nagendes
Bewußtseyn, wenn er den Sturz seines Hauses verschulden sollte. Der
König zog sich zurück, aber konnte sich nicht entschließen seine Truppen
zurückzuziehen, welche nun einmal von den Fürsten, von den preußischen
Fürsten insbesondere, als die sicherste Stütze ihrer Macht angesehen sind.
Vincke lehnte es ab mit dem König zu speisen und empfahl sich. Der
König sagte zum Abschied: Glauben Sie nicht daß wir hier rathlos
sind! Vincke reiste andern Tags nach Westfalen zurück. Der König
befolgte seinen Rath -- zwölf Stunden zu spät. Sie können denken
mit welcher Gespanntheit wir hier jeder Nachricht aus Berlin entgegen-
sehen, jeder fühlt daß die Zukunft der Rheinlande, Preußens, Deutsch-
lands in diesen Tagen entschieden wird. Täglich ist große Versamm-
lung. Heute hieß es in der ganzen Stadt, es solle die Republik pro-
clamirt werden, und zwar von der Partei deren Führer die bei dem
jüngsten Volksauflauf verhafteten HH. Willich und Anneke sind. Sie
waren, da nichts gegen sie vorlag, wie das Gericht sagt, oder, wie sie
selbst erklären, durch die Macht der öffentlichen Meinung freigelassen
worden. Heute strömten die Kölner Bürger, deren große Mehrheit die
neuerrungene Freiheit mit Unwillen durch den unzeitigen Versuch einer
Republik bedroht steht, zahlreich in die angekündigte Versammlung.
Willich und Anneke verwahrten sich gegen jede Anschuldigung die un-
teren Classen zur Unordnung anzureizen. Die Versammlung erklärte
sich nachdrücklich gegen die Republik. Sie beschloß die Regierung um
Antwort auf die Petition aufs neue anzugehen. Es ward eine eben
eingegangene Depesche vorgelesen, wonach der König in dem Augenblick
unter großem Jubel durch die Straßen Berlins reitet. Gottlob daß
das Königthum gerettet scheint! Was die De pesche sonst enthielt, der
König habe erklärt er wolle sich an die Spitze Deutschlands stellen,
ward schweigend aufgenommen. "Der Worte sind genug gewechselt" und
die Preußen allein unter allen deutschen Stämmen haben noch keine
bestimmte Zusicherung ihrer Rechte! Das ist das Gefühl das au-
genblicklich durch ganz Rheinland geht. Für ihre neue Verfassung gibt
das neue Ministerium ihnen keine Bürgschaft. Graf Arnim, der "Fürst
der Junker", ist mit den Verfassungsangelegenheiten beauftragt. Camp-
hausen wird morgen früh nach Berlin abreisen; er ist bereit dem König
zu dienen, aber nicht unter Arnim. Die Unordnungen in unserer Nach-
barschaft in Aachen, Crefeld etc. dauern fort. Sie gehen nur von dem
Theile des Volks aus welchen man mit Recht Pöbel nennt. Hier in
Köln werden wiederholte Versuche gemacht die Gleichheit auf der Straße
einzuführen, indem man Geld erpreßt, in die Schenken geht und sich
ohne Bezahlung bewirthen läßt etc. Seit gestern ist die Bürgergarde
bewaffnet, und hält strenge Wache. Ueber alle Besorgnisse des Augen-
blicks erhebt der Gedanke daß der alte Zopf, das Unwesen der Beamten
und Soldatenherrschaft vorüber ist, und der Gedanke an das große
einige Vaterland, dessen Banner stolz vom Dom weht. Morgen ver-
sammeln sich hier Deputationen aller Städte der Rheinprovinz. Der
hiestge Stadtrath hat heute beschlossen den Sitzungen beizuwohnen; auf
alle Fälle hat die Provinz also einen Mittelpunkt.


Die feierliche Beerdigung der bür-
gerlichen Leichen begann heute Mittag 2 Uhr. Der Zug ging vom Gen-
darmenplatz aus, wo ich ihn aus einem Fenster übersehen konnte. Vor-
an gingen die Särge, alle von schwarzgekleideten Männern getragen,
hinter jedem die leidtragenden Verwandten männlichen Geschlechts.
Dann folgte ein langer Zug leidtragender Frauen, die Geistlichkeit, die
Universität und alle Stände und Gewerke mit unzähligen Fahnen, unter
denen die dreifarbige vorherrschte. Auch die Polen sah man mit ihrer
weiß und rothen Fahne. Es herrschte die musterhafteste Ordnung. Der
Anblick der langen Reihe von Särgen wird jedem unvergeßlich bleiben
der ihn mit angesehen. Die schrecklich schöne Feier fand statt un-
ter dem Wehen unzähliger deutscher Fahnen, mit denen Berlin bis in
die äußersten Vorstädte hinaus bedeckt ist. Die gesammte Bevölkerung
trägt neben dem Trauerflor die deutschen Farben. Schon seit gestern
weht auf der hohen Kuppel des königlichen Schlosses eine ungeheure
Fahne in den drei Farben, deren Wellen im Wind flattern.


Die Bestattung der in der Revolutionsnacht
vom 18 zum 19 März Gefallenen wurde gestern eine erhebende und
großartige Feier, in der unsere blutige Errungenschaften sich zugleich im
Herzen der ganzen Bevölkerung als unverlierbare Resultate feststellten!
Ein neuer frischer Lebensgeist hat in dem sonst so naßkalt erschienenen
Berlin alle Menschen und Stände beflügelt und zu einer brüderlichen
Vereinigung angenähert. Diese bethätigte sich auf eine wahrhaft erha-
[Spaltenumbruch] bene Weise in der ungeheuern Menschenmasse, welche gestern in der
wunderbarsten Ordnung die Opfer unserer Revolution zu ihrer Ruhe-
stätte geleitete, die vor dem Landsberger Thor in dem bisher sogenann-
ten Friedrichshaine zu einem Nationaldenkmal ausgebaut werden wird,
und gestern nur erst mit einem einfachen Freiheitsbaum geziert werden
konnte. Auch für den Tag des Begräbnisses hatten noch bedeutende
Vesorgnisse geherrscht, da eine übelverstandene Sentimalität oder ein
vorzeitiger Versöhnungs - und Beschwichtigungseifer das Begräbniß-
comite anfangs dahin gestimmt hatte zugleich die Beerdigung der Mili-
tärtodten mit den Gefallenen der Bürger vorzunehmen. Wäre dieser
die allgemeine Stimmung verkennende Beschluß nicht durch eine Depu-
tation, die noch am späten Abend den König erreichte, umgeändert wor-
worden, so würde das Begräbniß von Seite der Bevölkerung Störun-
rungen erlitten haben die folgenreich und unberechenbar gewesen wä-
ren. Es waren 180 Särge, welche gestern in einer unendlichen Feier-
lichkeit und mit wahrhaft majestätischer Trauer der ganzen Stadt be-
graben wurden. Die Todten gehören fast sämmtlich den arbeitenden
Classen und dem Handwerkerstande an. Zwei Referendarien die sich
darunter befinden, gehörten zu den heldenmüthigsten Führern des Bar-
ricadenkampfes. Die Zahl der Verwundeten, die sich noch an verschie-
denen Orten vertheilt befinden, beläuft sich gegen 1000 aus den ver-
schiedensten Ständen; viele darunter werden wahrscheinlich noch ihren
Wunden erliegen, und dann in einzelnen Begräbnissen im Geleit ihrer
Standes- und Kampfgenossen zu der allgemeinen Ruhestatt unserer Frei-
heitshelden geleitet werden. Die Zahl der Todten des Militärs soll sich
nahe an 900 belaufen. Seine Verwundeten dagegen dürften fast die
Zahl von 2000 erreichen. (D. A. Z.)


Heute brach einer der tiefernstesten Tage an
welche unsere Hauptstadt jemals erlebt hat. Er war dazu ausersehen den
irdischen Ueberresten der in der Nacht vom 18 zum 19 d. M. gefallenen
bürgerlichen Streiter feierlich die letzte Ehre zu erweisen und sie ge-
weihter Erde zu übergeben. Der frühe Morgen fand bereits selbst die
entfernteren Stadttheile in der größten Bewegung. Von den Häusern
und aus den Fenstern wehten neben der deutschen Flagge große Trauer-
flore. Schwarze Fahnen waren auf den Thoren aufgezogen und wehten
von den Zinnen des Schlosses. Die Männer hatten den Trauerflor um
den Arm oder um den Hut, die Damen erschienen in schwarzen Kleidern
auf den Balconen, an den Fenstern und auf den Straßen. Zu beiden
Seiten der Straßen, auf dem Bürgersteige stellten sich die Zuschauer auf,
den Schloßplatz bedeckte eine unabsehbare Menge von dem Gendarmen-
markte ab bis an die Gruft vor dem Landsberger Thore, alle in der
ruhigsten Haltung, den höchsten Ernst in den Zügen, die Schmerzens-
thräne im Auge. Vor der Neuen Kirche erhob sich eine mit Trauer-
floren und Blumen geschmückte Estrade, worauf die Särge aufgestellt
waren. Um Mittag zogen die verschiedenen Abtheilungen der Bürger-
garde, der Studenten, der Handwerker und Corporationen von ihren
Sammelplätzen heran und stellten sich auf den ihnen bezeichneten Plätzen
auf. Die Schützengilde welche damit beauftragt war über der Gruft die
Ehrensalven abzufeuern, der Magistrat und die Stadtverordneten, mit
ihren goldenen Ketten geschmückt, die Geistlichen aller Confessionen stell-
ten sich zu dem Zuge ein. Auf der Estrade neben den Särgen sprachen
nacheinander der Prediger Sydow, der Caplan der St. Hedwigskirche
Ruland und der Oberrabbiner Dr. Sachs, worauf die Särge auf die
Bahren gehoben wurden und der Zug sich in Bewegung setzte. Er ging
die Charlottenstraße hinab nach den Linden zu bis zum Opernplatz. Hier
standen die Mitglieder der königlichen Schauspiele, der Singakademie
und des Domchors, welche den Zug mit einem Choral empfingen und
sich dann demselben anschlossen, worauf sich derselbe über den Schloßplatz
und durch die Königsstraße nach dem Landsberger Thor bewegte, das
ganz besonders mit Blumen, Laubgewinden und der Inschrift "Zum An-
denken der Gefallenen" geschmückt war. Der lange und unabse-hbare
Zug, der fast drei Stunden dauerte, bestand aus einer Abtheilung be-
waffneter junger Leute, Abtheilungen des Handwerkervereins und der
Bürgergarde, der Berliner- und Deputationen der Potsdamer-, Magde-
burger- und anderer Gilden, Mädchen in Trauer mit Kränzen, Trauer-
marschälle welche die Räume zwischen den verschiedenen Sargabtheilun-
gen ausfüllten, ein Zug Italiener (worunter die Mitglieder der italie-
nischen Oper) mit der grün-roth-weißen Nationalfahne, die polnische
Legion mit der deutschen und der roth-weißen polnischen Fahne, die
Kaufmannschaft, alle Gewerke, die Geistlichkeit, der Rector und die
Dekane der Universität (neben dem ersteren Alexander v. Humboldt),

[Spaltenumbruch] die Krone wanke auf ſeinem Haupte und es wäre ein ewig nagendes
Bewußtſeyn, wenn er den Sturz ſeines Hauſes verſchulden ſollte. Der
König zog ſich zurück, aber konnte ſich nicht entſchließen ſeine Truppen
zurückzuziehen, welche nun einmal von den Fürſten, von den preußiſchen
Fürſten insbeſondere, als die ſicherſte Stütze ihrer Macht angeſehen ſind.
Vincke lehnte es ab mit dem König zu ſpeiſen und empfahl ſich. Der
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ſind! Vincke reiste andern Tags nach Weſtfalen zurück. Der König
befolgte ſeinen Rath — zwölf Stunden zu ſpät. Sie können denken
mit welcher Geſpanntheit wir hier jeder Nachricht aus Berlin entgegen-
ſehen, jeder fühlt daß die Zukunft der Rheinlande, Preußens, Deutſch-
lands in dieſen Tagen entſchieden wird. Täglich iſt große Verſamm-
lung. Heute hieß es in der ganzen Stadt, es ſolle die Republik pro-
clamirt werden, und zwar von der Partei deren Führer die bei dem
jüngſten Volksauflauf verhafteten HH. Willich und Anneke ſind. Sie
waren, da nichts gegen ſie vorlag, wie das Gericht ſagt, oder, wie ſie
ſelbſt erklären, durch die Macht der öffentlichen Meinung freigelaſſen
worden. Heute ſtrömten die Kölner Bürger, deren große Mehrheit die
neuerrungene Freiheit mit Unwillen durch den unzeitigen Verſuch einer
Republik bedroht ſteht, zahlreich in die angekündigte Verſammlung.
Willich und Anneke verwahrten ſich gegen jede Anſchuldigung die un-
teren Claſſen zur Unordnung anzureizen. Die Verſammlung erklärte
ſich nachdrücklich gegen die Republik. Sie beſchloß die Regierung um
Antwort auf die Petition aufs neue anzugehen. Es ward eine eben
eingegangene Depeſche vorgeleſen, wonach der König in dem Augenblick
unter großem Jubel durch die Straßen Berlins reitet. Gottlob daß
das Königthum gerettet ſcheint! Was die De peſche ſonſt enthielt, der
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ward ſchweigend aufgenommen. „Der Worte ſind genug gewechſelt“ und
die Preußen allein unter allen deutſchen Stämmen haben noch keine
beſtimmte Zuſicherung ihrer Rechte! Das iſt das Gefühl das au-
genblicklich durch ganz Rheinland geht. Für ihre neue Verfaſſung gibt
das neue Miniſterium ihnen keine Bürgſchaft. Graf Arnim, der „Fürſt
der Junker“, iſt mit den Verfaſſungsangelegenheiten beauftragt. Camp-
hauſen wird morgen früh nach Berlin abreiſen; er iſt bereit dem König
zu dienen, aber nicht unter Arnim. Die Unordnungen in unſerer Nach-
barſchaft in Aachen, Crefeld ꝛc. dauern fort. Sie gehen nur von dem
Theile des Volks aus welchen man mit Recht Pöbel nennt. Hier in
Köln werden wiederholte Verſuche gemacht die Gleichheit auf der Straße
einzuführen, indem man Geld erpreßt, in die Schenken geht und ſich
ohne Bezahlung bewirthen läßt ꝛc. Seit geſtern iſt die Bürgergarde
bewaffnet, und hält ſtrenge Wache. Ueber alle Beſorgniſſe des Augen-
blicks erhebt der Gedanke daß der alte Zopf, das Unweſen der Beamten
und Soldatenherrſchaft vorüber iſt, und der Gedanke an das große
einige Vaterland, deſſen Banner ſtolz vom Dom weht. Morgen ver-
ſammeln ſich hier Deputationen aller Städte der Rheinprovinz. Der
hieſtge Stadtrath hat heute beſchloſſen den Sitzungen beizuwohnen; auf
alle Fälle hat die Provinz alſo einen Mittelpunkt.


Die feierliche Beerdigung der bür-
gerlichen Leichen begann heute Mittag 2 Uhr. Der Zug ging vom Gen-
darmenplatz aus, wo ich ihn aus einem Fenſter überſehen konnte. Vor-
an gingen die Särge, alle von ſchwarzgekleideten Männern getragen,
hinter jedem die leidtragenden Verwandten männlichen Geſchlechts.
Dann folgte ein langer Zug leidtragender Frauen, die Geiſtlichkeit, die
Univerſität und alle Stände und Gewerke mit unzähligen Fahnen, unter
denen die dreifarbige vorherrſchte. Auch die Polen ſah man mit ihrer
weiß und rothen Fahne. Es herrſchte die muſterhafteſte Ordnung. Der
Anblick der langen Reihe von Särgen wird jedem unvergeßlich bleiben
der ihn mit angeſehen. Die ſchrecklich ſchöne Feier fand ſtatt un-
ter dem Wehen unzähliger deutſcher Fahnen, mit denen Berlin bis in
die äußerſten Vorſtädte hinaus bedeckt iſt. Die geſammte Bevölkerung
trägt neben dem Trauerflor die deutſchen Farben. Schon ſeit geſtern
weht auf der hohen Kuppel des königlichen Schloſſes eine ungeheure
Fahne in den drei Farben, deren Wellen im Wind flattern.


Die Beſtattung der in der Revolutionsnacht
vom 18 zum 19 März Gefallenen wurde geſtern eine erhebende und
großartige Feier, in der unſere blutige Errungenſchaften ſich zugleich im
Herzen der ganzen Bevölkerung als unverlierbare Reſultate feſtſtellten!
Ein neuer friſcher Lebensgeiſt hat in dem ſonſt ſo naßkalt erſchienenen
Berlin alle Menſchen und Stände beflügelt und zu einer brüderlichen
Vereinigung angenähert. Dieſe bethätigte ſich auf eine wahrhaft erha-
[Spaltenumbruch] bene Weiſe in der ungeheuern Menſchenmaſſe, welche geſtern in der
wunderbarſten Ordnung die Opfer unſerer Revolution zu ihrer Ruhe-
ſtätte geleitete, die vor dem Landsberger Thor in dem bisher ſogenann-
ten Friedrichshaine zu einem Nationaldenkmal ausgebaut werden wird,
und geſtern nur erſt mit einem einfachen Freiheitsbaum geziert werden
konnte. Auch für den Tag des Begräbniſſes hatten noch bedeutende
Veſorgniſſe geherrſcht, da eine übelverſtandene Sentimalität oder ein
vorzeitiger Verſöhnungs – und Beſchwichtigungseifer das Begräbniß-
comité anfangs dahin geſtimmt hatte zugleich die Beerdigung der Mili-
tärtodten mit den Gefallenen der Bürger vorzunehmen. Wäre dieſer
die allgemeine Stimmung verkennende Beſchluß nicht durch eine Depu-
tation, die noch am ſpäten Abend den König erreichte, umgeändert wor-
worden, ſo würde das Begräbniß von Seite der Bevölkerung Störun-
rungen erlitten haben die folgenreich und unberechenbar geweſen wä-
ren. Es waren 180 Särge, welche geſtern in einer unendlichen Feier-
lichkeit und mit wahrhaft majeſtätiſcher Trauer der ganzen Stadt be-
graben wurden. Die Todten gehören faſt ſämmtlich den arbeitenden
Claſſen und dem Handwerkerſtande an. Zwei Referendarien die ſich
darunter befinden, gehörten zu den heldenmüthigſten Führern des Bar-
ricadenkampfes. Die Zahl der Verwundeten, die ſich noch an verſchie-
denen Orten vertheilt befinden, beläuft ſich gegen 1000 aus den ver-
ſchiedenſten Ständen; viele darunter werden wahrſcheinlich noch ihren
Wunden erliegen, und dann in einzelnen Begräbniſſen im Geleit ihrer
Standes- und Kampfgenoſſen zu der allgemeinen Ruheſtatt unſerer Frei-
heitshelden geleitet werden. Die Zahl der Todten des Militärs ſoll ſich
nahe an 900 belaufen. Seine Verwundeten dagegen dürften faſt die
Zahl von 2000 erreichen. (D. A. Z.)


Heute brach einer der tiefernſteſten Tage an
welche unſere Hauptſtadt jemals erlebt hat. Er war dazu auserſehen den
irdiſchen Ueberreſten der in der Nacht vom 18 zum 19 d. M. gefallenen
bürgerlichen Streiter feierlich die letzte Ehre zu erweiſen und ſie ge-
weihter Erde zu übergeben. Der frühe Morgen fand bereits ſelbſt die
entfernteren Stadttheile in der größten Bewegung. Von den Häuſern
und aus den Fenſtern wehten neben der deutſchen Flagge große Trauer-
flore. Schwarze Fahnen waren auf den Thoren aufgezogen und wehten
von den Zinnen des Schloſſes. Die Männer hatten den Trauerflor um
den Arm oder um den Hut, die Damen erſchienen in ſchwarzen Kleidern
auf den Balconen, an den Fenſtern und auf den Straßen. Zu beiden
Seiten der Straßen, auf dem Bürgerſteige ſtellten ſich die Zuſchauer auf,
den Schloßplatz bedeckte eine unabſehbare Menge von dem Gendarmen-
markte ab bis an die Gruft vor dem Landsberger Thore, alle in der
ruhigſten Haltung, den höchſten Ernſt in den Zügen, die Schmerzens-
thräne im Auge. Vor der Neuen Kirche erhob ſich eine mit Trauer-
floren und Blumen geſchmückte Eſtrade, worauf die Särge aufgeſtellt
waren. Um Mittag zogen die verſchiedenen Abtheilungen der Bürger-
garde, der Studenten, der Handwerker und Corporationen von ihren
Sammelplätzen heran und ſtellten ſich auf den ihnen bezeichneten Plätzen
auf. Die Schützengilde welche damit beauftragt war über der Gruft die
Ehrenſalven abzufeuern, der Magiſtrat und die Stadtverordneten, mit
ihren goldenen Ketten geſchmückt, die Geiſtlichen aller Confeſſionen ſtell-
ten ſich zu dem Zuge ein. Auf der Eſtrade neben den Särgen ſprachen
nacheinander der Prediger Sydow, der Caplan der St. Hedwigskirche
Ruland und der Oberrabbiner Dr. Sachs, worauf die Särge auf die
Bahren gehoben wurden und der Zug ſich in Bewegung ſetzte. Er ging
die Charlottenſtraße hinab nach den Linden zu bis zum Opernplatz. Hier
ſtanden die Mitglieder der königlichen Schauſpiele, der Singakademie
und des Domchors, welche den Zug mit einem Choral empfingen und
ſich dann demſelben anſchloſſen, worauf ſich derſelbe über den Schloßplatz
und durch die Königsſtraße nach dem Landsberger Thor bewegte, das
ganz beſonders mit Blumen, Laubgewinden und der Inſchrift „Zum An-
denken der Gefallenen“ geſchmückt war. Der lange und unabſe-hbare
Zug, der faſt drei Stunden dauerte, beſtand aus einer Abtheilung be-
waffneter junger Leute, Abtheilungen des Handwerkervereins und der
Bürgergarde, der Berliner- und Deputationen der Potsdamer-, Magde-
burger- und anderer Gilden, Mädchen in Trauer mit Kränzen, Trauer-
marſchälle welche die Räume zwiſchen den verſchiedenen Sargabtheilun-
gen ausfüllten, ein Zug Italiener (worunter die Mitglieder der italie-
niſchen Oper) mit der grün-roth-weißen Nationalfahne, die polniſche
Legion mit der deutſchen und der roth-weißen polniſchen Fahne, die
Kaufmannſchaft, alle Gewerke, die Geiſtlichkeit, der Rector und die
Dekane der Univerſität (neben dem erſteren Alexander v. Humboldt),

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[2/0018] die Krone wanke auf ſeinem Haupte und es wäre ein ewig nagendes Bewußtſeyn, wenn er den Sturz ſeines Hauſes verſchulden ſollte. Der König zog ſich zurück, aber konnte ſich nicht entſchließen ſeine Truppen zurückzuziehen, welche nun einmal von den Fürſten, von den preußiſchen Fürſten insbeſondere, als die ſicherſte Stütze ihrer Macht angeſehen ſind. Vincke lehnte es ab mit dem König zu ſpeiſen und empfahl ſich. Der König ſagte zum Abſchied: Glauben Sie nicht daß wir hier rathlos ſind! Vincke reiste andern Tags nach Weſtfalen zurück. Der König befolgte ſeinen Rath — zwölf Stunden zu ſpät. Sie können denken mit welcher Geſpanntheit wir hier jeder Nachricht aus Berlin entgegen- ſehen, jeder fühlt daß die Zukunft der Rheinlande, Preußens, Deutſch- lands in dieſen Tagen entſchieden wird. Täglich iſt große Verſamm- lung. Heute hieß es in der ganzen Stadt, es ſolle die Republik pro- clamirt werden, und zwar von der Partei deren Führer die bei dem jüngſten Volksauflauf verhafteten HH. Willich und Anneke ſind. Sie waren, da nichts gegen ſie vorlag, wie das Gericht ſagt, oder, wie ſie ſelbſt erklären, durch die Macht der öffentlichen Meinung freigelaſſen worden. Heute ſtrömten die Kölner Bürger, deren große Mehrheit die neuerrungene Freiheit mit Unwillen durch den unzeitigen Verſuch einer Republik bedroht ſteht, zahlreich in die angekündigte Verſammlung. Willich und Anneke verwahrten ſich gegen jede Anſchuldigung die un- teren Claſſen zur Unordnung anzureizen. Die Verſammlung erklärte ſich nachdrücklich gegen die Republik. Sie beſchloß die Regierung um Antwort auf die Petition aufs neue anzugehen. Es ward eine eben eingegangene Depeſche vorgeleſen, wonach der König in dem Augenblick unter großem Jubel durch die Straßen Berlins reitet. Gottlob daß das Königthum gerettet ſcheint! Was die De peſche ſonſt enthielt, der König habe erklärt er wolle ſich an die Spitze Deutſchlands ſtellen, ward ſchweigend aufgenommen. „Der Worte ſind genug gewechſelt“ und die Preußen allein unter allen deutſchen Stämmen haben noch keine beſtimmte Zuſicherung ihrer Rechte! Das iſt das Gefühl das au- genblicklich durch ganz Rheinland geht. Für ihre neue Verfaſſung gibt das neue Miniſterium ihnen keine Bürgſchaft. Graf Arnim, der „Fürſt der Junker“, iſt mit den Verfaſſungsangelegenheiten beauftragt. Camp- hauſen wird morgen früh nach Berlin abreiſen; er iſt bereit dem König zu dienen, aber nicht unter Arnim. Die Unordnungen in unſerer Nach- barſchaft in Aachen, Crefeld ꝛc. dauern fort. Sie gehen nur von dem Theile des Volks aus welchen man mit Recht Pöbel nennt. Hier in Köln werden wiederholte Verſuche gemacht die Gleichheit auf der Straße einzuführen, indem man Geld erpreßt, in die Schenken geht und ſich ohne Bezahlung bewirthen läßt ꝛc. Seit geſtern iſt die Bürgergarde bewaffnet, und hält ſtrenge Wache. Ueber alle Beſorgniſſe des Augen- blicks erhebt der Gedanke daß der alte Zopf, das Unweſen der Beamten und Soldatenherrſchaft vorüber iſt, und der Gedanke an das große einige Vaterland, deſſen Banner ſtolz vom Dom weht. Morgen ver- ſammeln ſich hier Deputationen aller Städte der Rheinprovinz. Der hieſtge Stadtrath hat heute beſchloſſen den Sitzungen beizuwohnen; auf alle Fälle hat die Provinz alſo einen Mittelpunkt. ⁑ Berlin, 22 März Abends. Die feierliche Beerdigung der bür- gerlichen Leichen begann heute Mittag 2 Uhr. Der Zug ging vom Gen- darmenplatz aus, wo ich ihn aus einem Fenſter überſehen konnte. Vor- an gingen die Särge, alle von ſchwarzgekleideten Männern getragen, hinter jedem die leidtragenden Verwandten männlichen Geſchlechts. Dann folgte ein langer Zug leidtragender Frauen, die Geiſtlichkeit, die Univerſität und alle Stände und Gewerke mit unzähligen Fahnen, unter denen die dreifarbige vorherrſchte. Auch die Polen ſah man mit ihrer weiß und rothen Fahne. Es herrſchte die muſterhafteſte Ordnung. Der Anblick der langen Reihe von Särgen wird jedem unvergeßlich bleiben der ihn mit angeſehen. Die ſchrecklich ſchöne Feier fand ſtatt un- ter dem Wehen unzähliger deutſcher Fahnen, mit denen Berlin bis in die äußerſten Vorſtädte hinaus bedeckt iſt. Die geſammte Bevölkerung trägt neben dem Trauerflor die deutſchen Farben. Schon ſeit geſtern weht auf der hohen Kuppel des königlichen Schloſſes eine ungeheure Fahne in den drei Farben, deren Wellen im Wind flattern. * Berlin, 23 März. Die Beſtattung der in der Revolutionsnacht vom 18 zum 19 März Gefallenen wurde geſtern eine erhebende und großartige Feier, in der unſere blutige Errungenſchaften ſich zugleich im Herzen der ganzen Bevölkerung als unverlierbare Reſultate feſtſtellten! Ein neuer friſcher Lebensgeiſt hat in dem ſonſt ſo naßkalt erſchienenen Berlin alle Menſchen und Stände beflügelt und zu einer brüderlichen Vereinigung angenähert. Dieſe bethätigte ſich auf eine wahrhaft erha- bene Weiſe in der ungeheuern Menſchenmaſſe, welche geſtern in der wunderbarſten Ordnung die Opfer unſerer Revolution zu ihrer Ruhe- ſtätte geleitete, die vor dem Landsberger Thor in dem bisher ſogenann- ten Friedrichshaine zu einem Nationaldenkmal ausgebaut werden wird, und geſtern nur erſt mit einem einfachen Freiheitsbaum geziert werden konnte. Auch für den Tag des Begräbniſſes hatten noch bedeutende Veſorgniſſe geherrſcht, da eine übelverſtandene Sentimalität oder ein vorzeitiger Verſöhnungs – und Beſchwichtigungseifer das Begräbniß- comité anfangs dahin geſtimmt hatte zugleich die Beerdigung der Mili- tärtodten mit den Gefallenen der Bürger vorzunehmen. Wäre dieſer die allgemeine Stimmung verkennende Beſchluß nicht durch eine Depu- tation, die noch am ſpäten Abend den König erreichte, umgeändert wor- worden, ſo würde das Begräbniß von Seite der Bevölkerung Störun- rungen erlitten haben die folgenreich und unberechenbar geweſen wä- ren. Es waren 180 Särge, welche geſtern in einer unendlichen Feier- lichkeit und mit wahrhaft majeſtätiſcher Trauer der ganzen Stadt be- graben wurden. Die Todten gehören faſt ſämmtlich den arbeitenden Claſſen und dem Handwerkerſtande an. Zwei Referendarien die ſich darunter befinden, gehörten zu den heldenmüthigſten Führern des Bar- ricadenkampfes. Die Zahl der Verwundeten, die ſich noch an verſchie- denen Orten vertheilt befinden, beläuft ſich gegen 1000 aus den ver- ſchiedenſten Ständen; viele darunter werden wahrſcheinlich noch ihren Wunden erliegen, und dann in einzelnen Begräbniſſen im Geleit ihrer Standes- und Kampfgenoſſen zu der allgemeinen Ruheſtatt unſerer Frei- heitshelden geleitet werden. Die Zahl der Todten des Militärs ſoll ſich nahe an 900 belaufen. Seine Verwundeten dagegen dürften faſt die Zahl von 2000 erreichen. (D. A. Z.) Berlin, 22 März. Heute brach einer der tiefernſteſten Tage an welche unſere Hauptſtadt jemals erlebt hat. Er war dazu auserſehen den irdiſchen Ueberreſten der in der Nacht vom 18 zum 19 d. M. gefallenen bürgerlichen Streiter feierlich die letzte Ehre zu erweiſen und ſie ge- weihter Erde zu übergeben. Der frühe Morgen fand bereits ſelbſt die entfernteren Stadttheile in der größten Bewegung. Von den Häuſern und aus den Fenſtern wehten neben der deutſchen Flagge große Trauer- flore. Schwarze Fahnen waren auf den Thoren aufgezogen und wehten von den Zinnen des Schloſſes. Die Männer hatten den Trauerflor um den Arm oder um den Hut, die Damen erſchienen in ſchwarzen Kleidern auf den Balconen, an den Fenſtern und auf den Straßen. Zu beiden Seiten der Straßen, auf dem Bürgerſteige ſtellten ſich die Zuſchauer auf, den Schloßplatz bedeckte eine unabſehbare Menge von dem Gendarmen- markte ab bis an die Gruft vor dem Landsberger Thore, alle in der ruhigſten Haltung, den höchſten Ernſt in den Zügen, die Schmerzens- thräne im Auge. Vor der Neuen Kirche erhob ſich eine mit Trauer- floren und Blumen geſchmückte Eſtrade, worauf die Särge aufgeſtellt waren. Um Mittag zogen die verſchiedenen Abtheilungen der Bürger- garde, der Studenten, der Handwerker und Corporationen von ihren Sammelplätzen heran und ſtellten ſich auf den ihnen bezeichneten Plätzen auf. Die Schützengilde welche damit beauftragt war über der Gruft die Ehrenſalven abzufeuern, der Magiſtrat und die Stadtverordneten, mit ihren goldenen Ketten geſchmückt, die Geiſtlichen aller Confeſſionen ſtell- ten ſich zu dem Zuge ein. Auf der Eſtrade neben den Särgen ſprachen nacheinander der Prediger Sydow, der Caplan der St. Hedwigskirche Ruland und der Oberrabbiner Dr. Sachs, worauf die Särge auf die Bahren gehoben wurden und der Zug ſich in Bewegung ſetzte. Er ging die Charlottenſtraße hinab nach den Linden zu bis zum Opernplatz. Hier ſtanden die Mitglieder der königlichen Schauſpiele, der Singakademie und des Domchors, welche den Zug mit einem Choral empfingen und ſich dann demſelben anſchloſſen, worauf ſich derſelbe über den Schloßplatz und durch die Königsſtraße nach dem Landsberger Thor bewegte, das ganz beſonders mit Blumen, Laubgewinden und der Inſchrift „Zum An- denken der Gefallenen“ geſchmückt war. Der lange und unabſe-hbare Zug, der faſt drei Stunden dauerte, beſtand aus einer Abtheilung be- waffneter junger Leute, Abtheilungen des Handwerkervereins und der Bürgergarde, der Berliner- und Deputationen der Potsdamer-, Magde- burger- und anderer Gilden, Mädchen in Trauer mit Kränzen, Trauer- marſchälle welche die Räume zwiſchen den verſchiedenen Sargabtheilun- gen ausfüllten, ein Zug Italiener (worunter die Mitglieder der italie- niſchen Oper) mit der grün-roth-weißen Nationalfahne, die polniſche Legion mit der deutſchen und der roth-weißen polniſchen Fahne, die Kaufmannſchaft, alle Gewerke, die Geiſtlichkeit, der Rector und die Dekane der Univerſität (neben dem erſteren Alexander v. Humboldt),

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine87_1848/18>, abgerufen am 27.11.2024.