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Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 26. März 1848.

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[Spaltenumbruch] fahr ist. Gegen Mitternacht aber war die Ruhe an allen Punkten her-
gestellt und wurde auch nicht weiter gestört. Am 18 März erschien eine
Bekanntmachung des Magistrats welche die Bürgerwehr und die damit
vereinten Schützencompagnien sowie die bewaffneten Studirenden des
Collegium Carolinum wegen ihres Eifers belobte, und zugleich verkün-
dete daß bei fernern Angriffen dieselben auf die Ruhestörer scharf feuern
würden. Dieses und die feste Haltung der Bürgergarde hat eine gute
Wirkung gehabt, indem am 18 und 19 keine weiteren Versuche zur Stö-
rung der Ordnung gemacht sind. Die Bürgergarde die man als den
Anfang zur Volksbewaffnung betrachtet, findet immer mehr Theilnahme,
auch der hiesige Turnverein wird sich bewaffnen und derselben anschlie-
ßen. In unserm aus den Staatsministern v. Veltheim, v. Schleinitz
und Schulz als stimmführenden Mitgliedern bestehenden Ministerium
ist eine bedeutende Veränderung vor sich gegangen. Der Staatsmini-
ster Graf v. Veltheim hat seine Entlassung gegeben und erhalten, woge-
gen der bisherige Ministerialrath v. Koch und Finanzdirector v. Geyß
als wirkliche Mitglieder mit dem Geheimerathstitel in dasselbe einge-
treten sind. Der Graf v. Veltheim ist ein persönlich achtbarer und auch
durchaus nicht unbeliebter Mann, indeß schwerlich fähig sich in die Ideen
zu finden welche jetzt so mächtig zur Herrschaft kommen, er paßt nach
seinen Ansichten und seiner Richtung mehr zu einem patriarchalischen
Regiment, und würde daher, wenn er auch den besten Willen hätte, für
die uns jetzt nothwendige Entwickelung ein Hinderniß seyn. Dem Mi-
nister Schulz, welchem die Finanzen anvertraut sind, wirft man vor daß
er es nicht ernst genug nimmt und den Zustand des Landes immer in
zu rosenfarbenem Lichte erblickt. Unsere Landesregierung scheint aber
aus Ueberzeugung und mit vollkommener Aufrichtigkeit den Grundsätzen
die das königl. preußische Patent vom 18 d. M. enthält, huldigen zu
wollen, sie hat dasselbe in vielen tausend Exemplaren abdrucken und ver-
theilen lassen, mit folgender Erklärung: "Es gereicht dem unterzeichne-
ten Staatsministerium zur größten Freude diese von Sr. Maj. dem Kö-
nig von Preußen verkündeten Grundsätze öffentlich kundzumachen, da
die hiefige Landesregierung sich selbst zu denselben bekennt, und mit Zu-
versicht hofft daß mit deren Verwirklichung die Morgenröthe einer neuen
Zeit für Deutschland anbrechen und dessen Macht, Einheit und Glück
dauernd gründen werde." Man kann in diesem offenen und freimüthi-
gen Glaubensbekenntnisse den vollständigen Bruch mit der Metternich'-
schen Politik und das Beginnen einer neuen segensreichen Bahn erbli-
cken. Dieser Eindruck war ein allgemeiner und die nächste Folge davon
daß gestern eine große Anzahl von Bürgern, eine Fahne mit den deut-
schen Farben voran, vor das Schloß zog und dem Herzog aus voller Brust
ein Lebehoch brachte. Dieser erschien zuerst am Fenster, trat aber nach-
her zu dem versammelten Volke, schwang selbst unter unbeschreibli-
chem Zujauchzen die deutsche Fahne und sprach die Versicherung aus
daß man auf ihn bauen könne. Unsere Regierung hat die richtige Bahn
eingeschlagen, denn es gibt nur die einzig richtige nach den aus ganz
Deutschland erschallenden in dem preußischen Patent wiedergegebenen
Wünschen zu regieren, dem Volke zu vertrauen und in aufrichtiger
Uebereinstimmung mit dessen Vertretern zu verhandeln. Eine Regie-
rung die dieses System befolgt wird nicht an Macht verlieren, sondern
gewinnen, sie erwirbt einen Verbündeten der mächtiger ist als alle bis-
herigen -- die Liebe ihres eigenen Volks und aller Völker Deutschlands.

(Eine
Schulzenversammlung.)
Gestern Nachmittag hatten wir Gelegen-
heit eine Bauernversammlung mit anzusehen, unsers Wissens die erste
in Preußen, welche zur Entwerfung einer den städtischen Adressen
an den König sich anschließenden Adresse gehalten wurde. Merk-
würdig war sie auch dadurch daß hier keineswegs, wie bei der frühern
Adresse der vierzig Bauern, eine Anregung von außen vorlag. In
dem Dorfe Neuwegersleben bei Oschersleben waren etwa hundert Per-
sonen in der Bauerntracht unserer Gegend beisammen, von denen
sehr viele Schulzen waren,
und die meisten als Vertreter ganzer
Ortschaften betrachtet werden konnten. Sie hatten als wir mit eini-
gen andern Fremden eintraten, ungefähr zwei Stunden über die
Dinge debattirt um welche die Städte bereits petitionirt haben. So
lange hatten sie gebraucht um die Bedeutung der Preßfreiheit, der
Schwurgerichte, der Volksvertretung beim deutschen Bunde u. s. w.
sich selbst vollkommen klar zu machen und dann rasch die Bitte um
ihre Gewährung zu beschließen; nun wollten sie noch speciell auf ihre
bäuerlichen Verhältnisse kommen, vorher aber hatten sie eine kurze
[Spaltenumbruch] Pause gemacht. "Man habe Punkte," sagte uns einer bedeutungs-
voll, und ein dumpfes Gesumm von "Punkten" scholl durch das
ganze Versammlungshaus, in dem die Anwesenden während der Pause
durcheinander wogten. Als die Versammlung wieder eröffnet war,
glaubte der Vorsitzende den Fremden zunächst die Erklärung schuldig
zu seyn, daß man "nichtsdestoweniger" eine Revolution wolle.
Er wollte sagen: man wolle nichts weniger als eine Revolution.
Doch wurden die Worte "Menschenrechte" und "Ackerbuproletariat"
von uns gehört, und sie bewiesen hinlänglich daß unter den Männern
in Bauernröcken sich Personen befanden welchen zum mindesten die
Ideen, von denen Revolutionen auszugehen pflegen, nicht unbekannt
sind. -- Die Bauern drängten nun zwar: man solle doch auf die
"Punkte" kommen, worunter sie speciell die Bauernpunkte verstanden;
aber ein Bader oder Wundarzt aus dem bekannten, selbst im eng-
lischen Parlament schon erwähnten Dorfe W. hatte noch eine Reihe
von Anträgen zu stellen, die eine allgemeinere Bedeutung hatten.
Was man davon verstand wurde rasch genehmigt, so der Antrag auf
Gestattung der Ehen zwischen Juden und Christen; das gehörte ja zu
den "Menschenrechten." Was man nicht verstand, wurde rundweg
verworfen: so die Trennung der Schule von der Kirche, welche der
Bader nicht deutlich machen konnte. Da er aber nicht davon abließ
und die Bauern traurig die Nacht hereinbrechen sahen, ohne daß ihre
"Punkte" zur Sprache gekommen waren, so legten wir uns endlich
ins Mittel und schlugen so populär als möglich den Ausweg vor
daß man statt dessen um "Vermehrung der Aufklärung auf dem Lande
von Staatswegen" bäte. Der Vorschlag wurde mit Jubel aufge-
nommen, die Schulzen umringten uns mit den übrigen Bauern und
drückten uns die Hände. -- Nun zu den Punkten! rief alles. Diese
waren nicht unbillig und kamen im wesentlichen auf die Anwendung
der preußischen Städteordnung auf die Landgemeinden hinaus. Einer
der radicalsten Punkte lautete "Aufhebung des Jagdrechts ohne alle
Entschädigung." Ein Bauer wollte noch mehr, er verlangte: "Freie
Aufhebung des Jagdrechts ohne Entschädigung."

(Dänische Drohungen. Ab-
ordnung nach Kopenhagen.)
Eine friedliche Lösung der
schleswigschen Frage wird unter den gegenwärtigen Zuständen durch
die Frechheit und Zügellosigkeit der Leiter des dänischen Volks immer mehr
unmöglich gemacht. Sie predigen in zahlreichen Volksversammlungen
einen nationalen Kreuzzug gegen uns, und suchen durch Bewirkung einer
drohenden Haltung des dänischen Volks den König dazu zu treiben der
Führer dieses Kreuzzuges zu werden. Der fanatische Professor Clausen
nennt die Frage über Schleswigs Festhaltung bei Dänemark oder dessen
Hingeben an Holstein oder Deutschland in einer von 2300 Dänen besuch-
ten Versammlung unter lautem Beifall der Anwesenden die Frage um
Leben oder Tod für das dänische Volk. "Es erscheint", sagt er, "gut
und erwünscht daß es dahin gekommen ist daß die Erledigung dieser
Frage nicht länger ausgesetzt werden kann. Eine drückende und schwüle
Gewitterluft hat lange unsern Athemzug beschwert, wir haben das
drohende Unwetter lange über unseren Köpfen sich zusammenziehen
sehen, ohne daß wir haben entdecken können daß für zureichende Ablei-
tung gesorgt sey. Es ist die höchste Zeit daß ein Ausbruch uns zu einer
gereinigten Luft und zu einem klaren Horizont helfen muß." Das Volk
wird aufgefordert sich zu erheben, um zu helfen daß die Zeit bringen
müsse was zum Leben und zur Ehre, nicht was zur Niederlage
und zum Tode führt. Obwohl die Gerüchte übertrieben waren welche
neulich über das was in Kopenhagen geschehen seyn sollte umgingen,
so ist doch gewiß daß man dort eine kriegerische Haltung annimmt und
in Rußland, auch etwa in England Verbündete sucht, daß die zügellose
Menge den König-Herzog immer weiter für ihre Zwecke fortzutreiben
sich bemüht. Ob und wie lange er noch widersteht, ist zweifelhaft, nach
seiner Persönlichkeit und Neigung sehr zweifelhaft. Inzwischen rüstet
man sich auch in den Herzogthümern zur Abwehr und fast überall werden
Waffen angeschafft, wie Waffenübungen von den Bürgern und Land-
leuten angestellt. Alles ist in völliger Auflösung der staatsbürgerlichen
Zustände begriffen, da weder die schleswig-holstein Lauenburgische Kanz-
lei mit ihrem Präsidenten, dem Grafen Karl Moltcke, noch die schleswig-
holsteinische Regierung mit ihrem Präsidenten v. Scheel irgend einigen
moralischen Einfluß mehr ausüben können. Unter diesen Verhältnissen
ward gestern in der Stadt Rendsburg, in der die Straßen allgemein
mit deutschen Fahnen behangen waren, eine Versammlung der Abge-
ordneten beider Herzogthümer zur Berathung über die andringenden

[Spaltenumbruch] fahr iſt. Gegen Mitternacht aber war die Ruhe an allen Punkten her-
geſtellt und wurde auch nicht weiter geſtört. Am 18 März erſchien eine
Bekanntmachung des Magiſtrats welche die Bürgerwehr und die damit
vereinten Schützencompagnien ſowie die bewaffneten Studirenden des
Collegium Carolinum wegen ihres Eifers belobte, und zugleich verkün-
dete daß bei fernern Angriffen dieſelben auf die Ruheſtörer ſcharf feuern
würden. Dieſes und die feſte Haltung der Bürgergarde hat eine gute
Wirkung gehabt, indem am 18 und 19 keine weiteren Verſuche zur Stö-
rung der Ordnung gemacht ſind. Die Bürgergarde die man als den
Anfang zur Volksbewaffnung betrachtet, findet immer mehr Theilnahme,
auch der hieſige Turnverein wird ſich bewaffnen und derſelben anſchlie-
ßen. In unſerm aus den Staatsminiſtern v. Veltheim, v. Schleinitz
und Schulz als ſtimmführenden Mitgliedern beſtehenden Miniſterium
iſt eine bedeutende Veränderung vor ſich gegangen. Der Staatsmini-
ſter Graf v. Veltheim hat ſeine Entlaſſung gegeben und erhalten, woge-
gen der bisherige Miniſterialrath v. Koch und Finanzdirector v. Geyß
als wirkliche Mitglieder mit dem Geheimerathstitel in dasſelbe einge-
treten ſind. Der Graf v. Veltheim iſt ein perſönlich achtbarer und auch
durchaus nicht unbeliebter Mann, indeß ſchwerlich fähig ſich in die Ideen
zu finden welche jetzt ſo mächtig zur Herrſchaft kommen, er paßt nach
ſeinen Anſichten und ſeiner Richtung mehr zu einem patriarchaliſchen
Regiment, und würde daher, wenn er auch den beſten Willen hätte, für
die uns jetzt nothwendige Entwickelung ein Hinderniß ſeyn. Dem Mi-
niſter Schulz, welchem die Finanzen anvertraut ſind, wirft man vor daß
er es nicht ernſt genug nimmt und den Zuſtand des Landes immer in
zu roſenfarbenem Lichte erblickt. Unſere Landesregierung ſcheint aber
aus Ueberzeugung und mit vollkommener Aufrichtigkeit den Grundſätzen
die das königl. preußiſche Patent vom 18 d. M. enthält, huldigen zu
wollen, ſie hat dasſelbe in vielen tauſend Exemplaren abdrucken und ver-
theilen laſſen, mit folgender Erklärung: „Es gereicht dem unterzeichne-
ten Staatsminiſterium zur größten Freude dieſe von Sr. Maj. dem Kö-
nig von Preußen verkündeten Grundſätze öffentlich kundzumachen, da
die hiefige Landesregierung ſich ſelbſt zu denſelben bekennt, und mit Zu-
verſicht hofft daß mit deren Verwirklichung die Morgenröthe einer neuen
Zeit für Deutſchland anbrechen und deſſen Macht, Einheit und Glück
dauernd gründen werde.“ Man kann in dieſem offenen und freimüthi-
gen Glaubensbekenntniſſe den vollſtändigen Bruch mit der Metternich’-
ſchen Politik und das Beginnen einer neuen ſegensreichen Bahn erbli-
cken. Dieſer Eindruck war ein allgemeiner und die nächſte Folge davon
daß geſtern eine große Anzahl von Bürgern, eine Fahne mit den deut-
ſchen Farben voran, vor das Schloß zog und dem Herzog aus voller Bruſt
ein Lebehoch brachte. Dieſer erſchien zuerſt am Fenſter, trat aber nach-
her zu dem verſammelten Volke, ſchwang ſelbſt unter unbeſchreibli-
chem Zujauchzen die deutſche Fahne und ſprach die Verſicherung aus
daß man auf ihn bauen könne. Unſere Regierung hat die richtige Bahn
eingeſchlagen, denn es gibt nur die einzig richtige nach den aus ganz
Deutſchland erſchallenden in dem preußiſchen Patent wiedergegebenen
Wünſchen zu regieren, dem Volke zu vertrauen und in aufrichtiger
Uebereinſtimmung mit deſſen Vertretern zu verhandeln. Eine Regie-
rung die dieſes Syſtem befolgt wird nicht an Macht verlieren, ſondern
gewinnen, ſie erwirbt einen Verbündeten der mächtiger iſt als alle bis-
herigen — die Liebe ihres eigenen Volks und aller Völker Deutſchlands.

(Eine
Schulzenverſammlung.)
Geſtern Nachmittag hatten wir Gelegen-
heit eine Bauernverſammlung mit anzuſehen, unſers Wiſſens die erſte
in Preußen, welche zur Entwerfung einer den ſtädtiſchen Adreſſen
an den König ſich anſchließenden Adreſſe gehalten wurde. Merk-
würdig war ſie auch dadurch daß hier keineswegs, wie bei der frühern
Adreſſe der vierzig Bauern, eine Anregung von außen vorlag. In
dem Dorfe Neuwegersleben bei Oſchersleben waren etwa hundert Per-
ſonen in der Bauerntracht unſerer Gegend beiſammen, von denen
ſehr viele Schulzen waren,
und die meiſten als Vertreter ganzer
Ortſchaften betrachtet werden konnten. Sie hatten als wir mit eini-
gen andern Fremden eintraten, ungefähr zwei Stunden über die
Dinge debattirt um welche die Städte bereits petitionirt haben. So
lange hatten ſie gebraucht um die Bedeutung der Preßfreiheit, der
Schwurgerichte, der Volksvertretung beim deutſchen Bunde u. ſ. w.
ſich ſelbſt vollkommen klar zu machen und dann raſch die Bitte um
ihre Gewährung zu beſchließen; nun wollten ſie noch ſpeciell auf ihre
bäuerlichen Verhältniſſe kommen, vorher aber hatten ſie eine kurze
[Spaltenumbruch] Pauſe gemacht. „Man habe Punkte,“ ſagte uns einer bedeutungs-
voll, und ein dumpfes Geſumm von „Punkten“ ſcholl durch das
ganze Verſammlungshaus, in dem die Anweſenden während der Pauſe
durcheinander wogten. Als die Verſammlung wieder eröffnet war,
glaubte der Vorſitzende den Fremden zunächſt die Erklärung ſchuldig
zu ſeyn, daß man „nichtsdeſtoweniger“ eine Revolution wolle.
Er wollte ſagen: man wolle nichts weniger als eine Revolution.
Doch wurden die Worte „Menſchenrechte“ und „Ackerbuproletariat“
von uns gehört, und ſie bewieſen hinlänglich daß unter den Männern
in Bauernröcken ſich Perſonen befanden welchen zum mindeſten die
Ideen, von denen Revolutionen auszugehen pflegen, nicht unbekannt
ſind. — Die Bauern drängten nun zwar: man ſolle doch auf die
„Punkte“ kommen, worunter ſie ſpeciell die Bauernpunkte verſtanden;
aber ein Bader oder Wundarzt aus dem bekannten, ſelbſt im eng-
liſchen Parlament ſchon erwähnten Dorfe W. hatte noch eine Reihe
von Anträgen zu ſtellen, die eine allgemeinere Bedeutung hatten.
Was man davon verſtand wurde raſch genehmigt, ſo der Antrag auf
Geſtattung der Ehen zwiſchen Juden und Chriſten; das gehörte ja zu
den „Menſchenrechten.“ Was man nicht verſtand, wurde rundweg
verworfen: ſo die Trennung der Schule von der Kirche, welche der
Bader nicht deutlich machen konnte. Da er aber nicht davon abließ
und die Bauern traurig die Nacht hereinbrechen ſahen, ohne daß ihre
„Punkte“ zur Sprache gekommen waren, ſo legten wir uns endlich
ins Mittel und ſchlugen ſo populär als möglich den Ausweg vor
daß man ſtatt deſſen um „Vermehrung der Aufklärung auf dem Lande
von Staatswegen“ bäte. Der Vorſchlag wurde mit Jubel aufge-
nommen, die Schulzen umringten uns mit den übrigen Bauern und
drückten uns die Hände. — Nun zu den Punkten! rief alles. Dieſe
waren nicht unbillig und kamen im weſentlichen auf die Anwendung
der preußiſchen Städteordnung auf die Landgemeinden hinaus. Einer
der radicalſten Punkte lautete „Aufhebung des Jagdrechts ohne alle
Entſchädigung.“ Ein Bauer wollte noch mehr, er verlangte: „Freie
Aufhebung des Jagdrechts ohne Entſchädigung.“

(Däniſche Drohungen. Ab-
ordnung nach Kopenhagen.)
Eine friedliche Löſung der
ſchleswigſchen Frage wird unter den gegenwärtigen Zuſtänden durch
die Frechheit und Zügelloſigkeit der Leiter des däniſchen Volks immer mehr
unmöglich gemacht. Sie predigen in zahlreichen Volksverſammlungen
einen nationalen Kreuzzug gegen uns, und ſuchen durch Bewirkung einer
drohenden Haltung des däniſchen Volks den König dazu zu treiben der
Führer dieſes Kreuzzuges zu werden. Der fanatiſche Profeſſor Clauſen
nennt die Frage über Schleswigs Feſthaltung bei Dänemark oder deſſen
Hingeben an Holſtein oder Deutſchland in einer von 2300 Dänen beſuch-
ten Verſammlung unter lautem Beifall der Anweſenden die Frage um
Leben oder Tod für das däniſche Volk. „Es erſcheint“, ſagt er, „gut
und erwünſcht daß es dahin gekommen iſt daß die Erledigung dieſer
Frage nicht länger ausgeſetzt werden kann. Eine drückende und ſchwüle
Gewitterluft hat lange unſern Athemzug beſchwert, wir haben das
drohende Unwetter lange über unſeren Köpfen ſich zuſammenziehen
ſehen, ohne daß wir haben entdecken können daß für zureichende Ablei-
tung geſorgt ſey. Es iſt die höchſte Zeit daß ein Ausbruch uns zu einer
gereinigten Luft und zu einem klaren Horizont helfen muß.“ Das Volk
wird aufgefordert ſich zu erheben, um zu helfen daß die Zeit bringen
müſſe was zum Leben und zur Ehre, nicht was zur Niederlage
und zum Tode führt. Obwohl die Gerüchte übertrieben waren welche
neulich über das was in Kopenhagen geſchehen ſeyn ſollte umgingen,
ſo iſt doch gewiß daß man dort eine kriegeriſche Haltung annimmt und
in Rußland, auch etwa in England Verbündete ſucht, daß die zügelloſe
Menge den König-Herzog immer weiter für ihre Zwecke fortzutreiben
ſich bemüht. Ob und wie lange er noch widerſteht, iſt zweifelhaft, nach
ſeiner Perſönlichkeit und Neigung ſehr zweifelhaft. Inzwiſchen rüſtet
man ſich auch in den Herzogthümern zur Abwehr und faſt überall werden
Waffen angeſchafft, wie Waffenübungen von den Bürgern und Land-
leuten angeſtellt. Alles iſt in völliger Auflöſung der ſtaatsbürgerlichen
Zuſtände begriffen, da weder die ſchleswig-holſtein Lauenburgiſche Kanz-
lei mit ihrem Präſidenten, dem Grafen Karl Moltcke, noch die ſchleswig-
holſteiniſche Regierung mit ihrem Präſidenten v. Scheel irgend einigen
moraliſchen Einfluß mehr ausüben können. Unter dieſen Verhältniſſen
ward geſtern in der Stadt Rendsburg, in der die Straßen allgemein
mit deutſchen Fahnen behangen waren, eine Verſammlung der Abge-
ordneten beider Herzogthümer zur Berathung über die andringenden

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[1373/0013] fahr iſt. Gegen Mitternacht aber war die Ruhe an allen Punkten her- geſtellt und wurde auch nicht weiter geſtört. Am 18 März erſchien eine Bekanntmachung des Magiſtrats welche die Bürgerwehr und die damit vereinten Schützencompagnien ſowie die bewaffneten Studirenden des Collegium Carolinum wegen ihres Eifers belobte, und zugleich verkün- dete daß bei fernern Angriffen dieſelben auf die Ruheſtörer ſcharf feuern würden. Dieſes und die feſte Haltung der Bürgergarde hat eine gute Wirkung gehabt, indem am 18 und 19 keine weiteren Verſuche zur Stö- rung der Ordnung gemacht ſind. Die Bürgergarde die man als den Anfang zur Volksbewaffnung betrachtet, findet immer mehr Theilnahme, auch der hieſige Turnverein wird ſich bewaffnen und derſelben anſchlie- ßen. In unſerm aus den Staatsminiſtern v. Veltheim, v. Schleinitz und Schulz als ſtimmführenden Mitgliedern beſtehenden Miniſterium iſt eine bedeutende Veränderung vor ſich gegangen. Der Staatsmini- ſter Graf v. Veltheim hat ſeine Entlaſſung gegeben und erhalten, woge- gen der bisherige Miniſterialrath v. Koch und Finanzdirector v. Geyß als wirkliche Mitglieder mit dem Geheimerathstitel in dasſelbe einge- treten ſind. Der Graf v. Veltheim iſt ein perſönlich achtbarer und auch durchaus nicht unbeliebter Mann, indeß ſchwerlich fähig ſich in die Ideen zu finden welche jetzt ſo mächtig zur Herrſchaft kommen, er paßt nach ſeinen Anſichten und ſeiner Richtung mehr zu einem patriarchaliſchen Regiment, und würde daher, wenn er auch den beſten Willen hätte, für die uns jetzt nothwendige Entwickelung ein Hinderniß ſeyn. Dem Mi- niſter Schulz, welchem die Finanzen anvertraut ſind, wirft man vor daß er es nicht ernſt genug nimmt und den Zuſtand des Landes immer in zu roſenfarbenem Lichte erblickt. Unſere Landesregierung ſcheint aber aus Ueberzeugung und mit vollkommener Aufrichtigkeit den Grundſätzen die das königl. preußiſche Patent vom 18 d. M. enthält, huldigen zu wollen, ſie hat dasſelbe in vielen tauſend Exemplaren abdrucken und ver- theilen laſſen, mit folgender Erklärung: „Es gereicht dem unterzeichne- ten Staatsminiſterium zur größten Freude dieſe von Sr. Maj. dem Kö- nig von Preußen verkündeten Grundſätze öffentlich kundzumachen, da die hiefige Landesregierung ſich ſelbſt zu denſelben bekennt, und mit Zu- verſicht hofft daß mit deren Verwirklichung die Morgenröthe einer neuen Zeit für Deutſchland anbrechen und deſſen Macht, Einheit und Glück dauernd gründen werde.“ Man kann in dieſem offenen und freimüthi- gen Glaubensbekenntniſſe den vollſtändigen Bruch mit der Metternich’- ſchen Politik und das Beginnen einer neuen ſegensreichen Bahn erbli- cken. Dieſer Eindruck war ein allgemeiner und die nächſte Folge davon daß geſtern eine große Anzahl von Bürgern, eine Fahne mit den deut- ſchen Farben voran, vor das Schloß zog und dem Herzog aus voller Bruſt ein Lebehoch brachte. Dieſer erſchien zuerſt am Fenſter, trat aber nach- her zu dem verſammelten Volke, ſchwang ſelbſt unter unbeſchreibli- chem Zujauchzen die deutſche Fahne und ſprach die Verſicherung aus daß man auf ihn bauen könne. Unſere Regierung hat die richtige Bahn eingeſchlagen, denn es gibt nur die einzig richtige nach den aus ganz Deutſchland erſchallenden in dem preußiſchen Patent wiedergegebenen Wünſchen zu regieren, dem Volke zu vertrauen und in aufrichtiger Uebereinſtimmung mit deſſen Vertretern zu verhandeln. Eine Regie- rung die dieſes Syſtem befolgt wird nicht an Macht verlieren, ſondern gewinnen, ſie erwirbt einen Verbündeten der mächtiger iſt als alle bis- herigen — die Liebe ihres eigenen Volks und aller Völker Deutſchlands. P Aus dem preußiſchen Sachſen, 16 März. (Eine Schulzenverſammlung.) Geſtern Nachmittag hatten wir Gelegen- heit eine Bauernverſammlung mit anzuſehen, unſers Wiſſens die erſte in Preußen, welche zur Entwerfung einer den ſtädtiſchen Adreſſen an den König ſich anſchließenden Adreſſe gehalten wurde. Merk- würdig war ſie auch dadurch daß hier keineswegs, wie bei der frühern Adreſſe der vierzig Bauern, eine Anregung von außen vorlag. In dem Dorfe Neuwegersleben bei Oſchersleben waren etwa hundert Per- ſonen in der Bauerntracht unſerer Gegend beiſammen, von denen ſehr viele Schulzen waren, und die meiſten als Vertreter ganzer Ortſchaften betrachtet werden konnten. Sie hatten als wir mit eini- gen andern Fremden eintraten, ungefähr zwei Stunden über die Dinge debattirt um welche die Städte bereits petitionirt haben. So lange hatten ſie gebraucht um die Bedeutung der Preßfreiheit, der Schwurgerichte, der Volksvertretung beim deutſchen Bunde u. ſ. w. ſich ſelbſt vollkommen klar zu machen und dann raſch die Bitte um ihre Gewährung zu beſchließen; nun wollten ſie noch ſpeciell auf ihre bäuerlichen Verhältniſſe kommen, vorher aber hatten ſie eine kurze Pauſe gemacht. „Man habe Punkte,“ ſagte uns einer bedeutungs- voll, und ein dumpfes Geſumm von „Punkten“ ſcholl durch das ganze Verſammlungshaus, in dem die Anweſenden während der Pauſe durcheinander wogten. Als die Verſammlung wieder eröffnet war, glaubte der Vorſitzende den Fremden zunächſt die Erklärung ſchuldig zu ſeyn, daß man „nichtsdeſtoweniger“ eine Revolution wolle. Er wollte ſagen: man wolle nichts weniger als eine Revolution. Doch wurden die Worte „Menſchenrechte“ und „Ackerbuproletariat“ von uns gehört, und ſie bewieſen hinlänglich daß unter den Männern in Bauernröcken ſich Perſonen befanden welchen zum mindeſten die Ideen, von denen Revolutionen auszugehen pflegen, nicht unbekannt ſind. — Die Bauern drängten nun zwar: man ſolle doch auf die „Punkte“ kommen, worunter ſie ſpeciell die Bauernpunkte verſtanden; aber ein Bader oder Wundarzt aus dem bekannten, ſelbſt im eng- liſchen Parlament ſchon erwähnten Dorfe W. hatte noch eine Reihe von Anträgen zu ſtellen, die eine allgemeinere Bedeutung hatten. Was man davon verſtand wurde raſch genehmigt, ſo der Antrag auf Geſtattung der Ehen zwiſchen Juden und Chriſten; das gehörte ja zu den „Menſchenrechten.“ Was man nicht verſtand, wurde rundweg verworfen: ſo die Trennung der Schule von der Kirche, welche der Bader nicht deutlich machen konnte. Da er aber nicht davon abließ und die Bauern traurig die Nacht hereinbrechen ſahen, ohne daß ihre „Punkte“ zur Sprache gekommen waren, ſo legten wir uns endlich ins Mittel und ſchlugen ſo populär als möglich den Ausweg vor daß man ſtatt deſſen um „Vermehrung der Aufklärung auf dem Lande von Staatswegen“ bäte. Der Vorſchlag wurde mit Jubel aufge- nommen, die Schulzen umringten uns mit den übrigen Bauern und drückten uns die Hände. — Nun zu den Punkten! rief alles. Dieſe waren nicht unbillig und kamen im weſentlichen auf die Anwendung der preußiſchen Städteordnung auf die Landgemeinden hinaus. Einer der radicalſten Punkte lautete „Aufhebung des Jagdrechts ohne alle Entſchädigung.“ Ein Bauer wollte noch mehr, er verlangte: „Freie Aufhebung des Jagdrechts ohne Entſchädigung.“ ⊕ Schleswig, 19 März. (Däniſche Drohungen. Ab- ordnung nach Kopenhagen.) Eine friedliche Löſung der ſchleswigſchen Frage wird unter den gegenwärtigen Zuſtänden durch die Frechheit und Zügelloſigkeit der Leiter des däniſchen Volks immer mehr unmöglich gemacht. Sie predigen in zahlreichen Volksverſammlungen einen nationalen Kreuzzug gegen uns, und ſuchen durch Bewirkung einer drohenden Haltung des däniſchen Volks den König dazu zu treiben der Führer dieſes Kreuzzuges zu werden. Der fanatiſche Profeſſor Clauſen nennt die Frage über Schleswigs Feſthaltung bei Dänemark oder deſſen Hingeben an Holſtein oder Deutſchland in einer von 2300 Dänen beſuch- ten Verſammlung unter lautem Beifall der Anweſenden die Frage um Leben oder Tod für das däniſche Volk. „Es erſcheint“, ſagt er, „gut und erwünſcht daß es dahin gekommen iſt daß die Erledigung dieſer Frage nicht länger ausgeſetzt werden kann. Eine drückende und ſchwüle Gewitterluft hat lange unſern Athemzug beſchwert, wir haben das drohende Unwetter lange über unſeren Köpfen ſich zuſammenziehen ſehen, ohne daß wir haben entdecken können daß für zureichende Ablei- tung geſorgt ſey. Es iſt die höchſte Zeit daß ein Ausbruch uns zu einer gereinigten Luft und zu einem klaren Horizont helfen muß.“ Das Volk wird aufgefordert ſich zu erheben, um zu helfen daß die Zeit bringen müſſe was zum Leben und zur Ehre, nicht was zur Niederlage und zum Tode führt. Obwohl die Gerüchte übertrieben waren welche neulich über das was in Kopenhagen geſchehen ſeyn ſollte umgingen, ſo iſt doch gewiß daß man dort eine kriegeriſche Haltung annimmt und in Rußland, auch etwa in England Verbündete ſucht, daß die zügelloſe Menge den König-Herzog immer weiter für ihre Zwecke fortzutreiben ſich bemüht. Ob und wie lange er noch widerſteht, iſt zweifelhaft, nach ſeiner Perſönlichkeit und Neigung ſehr zweifelhaft. Inzwiſchen rüſtet man ſich auch in den Herzogthümern zur Abwehr und faſt überall werden Waffen angeſchafft, wie Waffenübungen von den Bürgern und Land- leuten angeſtellt. Alles iſt in völliger Auflöſung der ſtaatsbürgerlichen Zuſtände begriffen, da weder die ſchleswig-holſtein Lauenburgiſche Kanz- lei mit ihrem Präſidenten, dem Grafen Karl Moltcke, noch die ſchleswig- holſteiniſche Regierung mit ihrem Präſidenten v. Scheel irgend einigen moraliſchen Einfluß mehr ausüben können. Unter dieſen Verhältniſſen ward geſtern in der Stadt Rendsburg, in der die Straßen allgemein mit deutſchen Fahnen behangen waren, eine Verſammlung der Abge- ordneten beider Herzogthümer zur Berathung über die andringenden

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 26. März 1848, S. 1373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine86_1848/13>, abgerufen am 06.06.2024.