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Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848.

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[Spaltenumbruch] gewordenen Regierungshandlungen des neuen Herrschers mit den ebenso
nöthigen Aufklärungen und Proclamationen schon vor Tagesanbruch der
Publication durch den Druck zu übergeben. Mündliche Aufklärungen
mußten bei den Truppen, bei der Landwehr, bei den Studenten- und
Künstlercompagnien die Stelle der schriftlichen oder gedruckten Proclama-
tionen vertreten, umsomehr als selbst die nächste Umgebung des Königs
Max II erst in der Nacht vom 20 auf den 21 von dem überraschenden
Ereigniß in Kenntniß gesetzt werden konnte, diese Umgebung aber nicht
im Stande war detaillirte Nachrichten auf Verlangen einzelner Bür-
ger und Studenten über den Hergang des Ereignisses zu geben. Was
von einer officiellen Anwesenheit oder Erklärung eines Adjutanten
des Königs auf der Studentenhauptwache in der Nacht vom 20 März
in einem Artikel Ihrer Zeitung von vorgestern gesagt ist, beruht auf
Irrthum oder Erfindung,*) da der Schreiber dieses bestimmt weiß daß
eine solche officielle Erklärung nicht gegeben worden ist noch gegeben
werden konnte, aus dem einfachen Grunde weil jener Adjutant selbst noch
keine Kenntniß von der wirklich erfolgten Abdankung des Königs Lud-
wig haben konnte. Er wußte nur daß der König sie seit einiger Zeit be-
absichtige. Uebrigens war auch der Geist der Studentencompagnien,
der Landwehr und der Truppen am 21 früh ebenso tactvoll und gesetz-
mäßig wie an den frühern Tagen. Jeder hatte das Recht Aufklärung
zu verlangen wo es sich um neue Eide handelte. Um 10 Uhr Morgens
erschien die Entsagungsproclamation des Königs Ludwig und konnte
schon der Landwehr mitgetheilt werden; um 11 Uhr erschien das Regie-
rungs-Antrittspatent des Königs Max II mit seiner kräftigen, freisinni-
gen Anrede an die Bayern. Man hätte beide Actenstücke schon früher
verbreitet gewünscht, aber viele Tausende von Exemplaren mit der nö-
thigen Geschichtserzählung wären nöthig gewesen. Die rasche Verbrei-
tung derselben scheint wegen Kürze der Zeit unmöglich gewesen zu seyn.
Se. Maj. der König Max II empfing dann aber selbst noch am Vormit-
tag die Deputation des Magistrats, welcher er die beruhigendsten Ver-
sicherungen über das Ereigniß sowie über die neuen Regierungsgrund-
sätze gab, auch mit Hinweisung auf die bereits abgemachten Principien
der Proclamation vom 6 März. Gestern endlich hat der Inhalt der
Thronrede und die offene Sprache des neuen Königs alle Gemüther
freudig ergriffen; sein Wahlspruch "Freiheit und Gesetzmäßigkeit" ist in
aller Herzen gedrungen, große Hoffnungen ruhen auf ihm, und das
Wahrzeichen daß sie glücklich in Erfüllung gehen werden, sind die ersten
Thaten seiner Regierung. Mit Freude und Ruhe können wir unter
einem solchen König der Zukunft entgegensehen; Wahrheit und Offen-
heit sind das Panier das er sich und dem Volke aufgesteckt hat.

Die Kammer der Abgeordneten
hat nun auch den fünften (Beschwerde-) Ausschuß gewählt. Das Re-
sultat der Wahl ist: a) im ersten Scrutin Decan Förch mit 103, Decan
Götz mit 82, Frhr. v. Künsberg mit 76 unter 118 Stimmen, b) im
zweiten Scrutin Schnetzer mit 75 und Pfarrer Rammoser mit 57 unter
107 Stimmen; c) im dritten Scrutin Professor v. Scheurl mit 106
und Eppelsheim mit 57 unter 112 Stimmen. Der zur Verfassung der
Antwortsadresse gewählte Ausschuß ist heut bereits emsig hiemit beschäf-
tigt, doch dütfte es bei der Wichtigkeit der zu berührenden einzelnen
Punkte noch ein paar Tage hergehen bis die öffentliche Berathung des
Entwurfs durch die Kammer von statten geht. Die Kammer der
Reichsräthe hat die gleiche Arbeit ihrem Directorium, unter Beigabe der
Kammerglieder Fürst Hohenlohe, Graf Giech und Graf C. Seinsheim,
übertragen. Es wird wechselseitig versichert daß diese Kammer, die erst
im vorigen Jahr die Namennennung in ihren Sitzungsprotocollen ein-
führte, die Oeffentlichkeit ihrer Sitzungen einzuführen trachten werde.

Mit Freude hört man heute daß der
bekannte rheinpfälzische Abgeordnete, Advocat Willich, zum geheimen
Rath und bayerischen Bundestagsgesandten ernannt ist. Eine
populärere Wahl war nicht denkbar. Er wird schon heute Abend nach
Frankfurt abgehen. Ein weiterer Mann des öffentlichen Vertrauens wird
ihm beigegeben werden; das Gerücht bezeichnet hiefür namentlich einen
Advocaten Ihrer Stadt (Dr. Paur). Um unserm Landtag nicht zu viele
der besten Kräfte zu entziehen wird nur eine kleine Deputation nach
Beendigung der Adressedebatten sich nach Frankfurt begeben. Montag
beginnen diese Debatten; der Ausschuß ist noch mit dem Entwurf be-
schäftigt. Die Kammer der Reichsräthe hält heute Abend die erste
[Spaltenumbruch] Sitzung um über den vorliegenden Entwurf ihrer Commission sich zu
einigen. Die beiden Präsidenten der zweiten Kammer sind heute bei
König Ludwig Maj. zur Tafel geladen. -- Die Berliner Nachrichten ha-
ben hier die allgemeinste Erbitterung gegen den dortigen Monarchen
hervorgerufen, und diese manifestirt sich in der verschiedensten Weise:
auf heute soll auch ein Autodefe beabsichtigt seyn.

Gr. Baden.

Sicherm Vernehmen nach
hat Markgraf Wilhelm in Folge der Wünsche der Offenburger Volks-
versammlung dem Großherzog die Bitte eingereicht ihn von seiner Stelle
als Commandirender des großherzoglichen Ameecorps zu entheben. --
Es heißt das achte Bundesarmeecorps (Württemberg, Baden, Hessen)
werde mobil gemacht werden. (Karlsr. Z.)

Gr. Hessen.

Das heutige Regie-
rungsblatt verkündigt eine politische Amnestie.

Freie Städte.

Die Ruhe ist seit Mon-
tag nicht mehr gestört worden, obschon man gestern sehr besorgt war, da man
wieder Flugschriften ausgestreut fand in welchen die "Feinde des Senats
aufgefordert werden sich dewassnet am bewußten Orte" einzufinden. Dieß-
mal waren die Zettel geschrieben, und es wurde ein anderes Gerücht,
zufolge welchem am Abend eine Versammlung bei der Sternschanze statt-
finden sollte, damit in Verbindung gebracht. Aber weder dort noch
sonstwo stellte sich irgendeine Zusammenrottung dar.

Leider sind gestern Abend wieder Un-
ruhen vorgefallen die ernstlicher waren als am 4 d., indem zwei Men-
schen dabei getödtet und sechs zum Theil tödtlich verwundet wurden.
Die Getödteten (ein Mann und eine Frau) gehörten nicht zu den Unruh-
stiftern, sondern befanden sich zufällig auf der Straße. Schon als Bür-
germeister Benecke aus der Rathsversammlung nach Hause fuhr wurde
seine Kutsche vom Pöbel, der ihn für Kellinghusen hielt, angehalten,
aber durch den Obersten des Bürgermilitärs befreit, ein Kerl der hiebei
festgenommen ward entwischte nachher durch eine List aus der Wacht-
stube. Auf dem Neuenwall ging es auch heiß her. Am schlimmsten
scheint es aber am Millernthor und in der Vorstaht St. Pauli gewesen
zu seyn, obschon den Schiffscapitänen von der Polizei angesagt war
ihre Matrosen und Schiffsjungen am Bord zu behalten. Die Linien-
truppen welche dort aufgestellt waren sahen sich genöthigt von ihren
blanken Waffen Gebrauch zu machen, wodurch das Volk so aufgebracht
wurde daß sie abziehen und dem Bürgermilitär die Herstellung der Ruhe
überlassen mußten, was diesem auch gelang. Da viel Gesindel zum
Thor herein wollte und solches vom Militär verhindert wurde, so suchte
der Pöbel es zu erstürmen. Die Soldaten behielten aber die Ueber-
macht. Ein heute angeschlagenes Mandat, welches auf die bedauerlichen
Vorgänge des vorigen Abends hinweist, bemerkte zugleich daß im Wieder-
holungsfalle die Truppen jetzt, nachdem das Tumultgesetz verlesen, scharf
feuern werden; auch sollen die Schenklocale wieder von 8 Uhr Abends
an geschlossen seyn. Im Convente wurden gestern 901 Stimmen abge-
geben, so zahlreich war er, solange die ältesten Besucher denken können,
nicht besucht. Die Bewegungspartei ist indeß mit den Wahlen im all-
gemeinen nicht zufrieden, da der größere Theil der Gewählten zu den
Conservativen gehört, und kein einziger Nicht-Erbgesessener darunter
ist. Von solcher Zusammensetzung lassen sich keine durchgreifenden Re-
formen erwarten. Die einzige Hoffnung ist die freie Presse mit Hülfe
welcher, wie einst ein englischer Parlamentsredner sagte, man alle an-
dern Freiheiten erobern kann. Obschon die Börse heute ruhig war, so
wurden doch wenig Geschäfte gemacht, weil die Berichte von auswärts
noch immer sehr beunruhigend lauten. Nicht nur der Groß- sondern
auch der Kleinhandel leidet sehr, da gar keine Luxusgegenstände gekauft
werden. Privatbälle und Gesellschaften werden nicht gegeben, und die
öffentlichen wenig befucht. Die Zufuhren von Waaren sind fortwäh-
rend sehr bedeutend, ich bemerkte ungewöhnlich viele Twiste darunter,
ein Umstand der auf die deutschen Spinnereien sehr nachtheilig wirken
muß, indem dieses Garn von wohlfeiler Baumwolle gesponnen sich viel
niedriger hieher legt als jenes welches aus theurer Baumwolle, die im
Herbst eingekauft werden mußte, herrührt.

Preußen.

Die Köln. Ztg. meldet die am 22 März erfolgte An-
kunft des Fürsten Metternich auf Schloß Rheineck bei Koblenz.
Eine Abtheilung Militär ist dorthin beordert worden.

Das erwähnte Amnestiedecret lautet:

"Gestern habe Ich be-
reits ausgesprochen daß Ich in meinem Herzen vergeben und vergessen

*) Wurde schon vorgestern berichtigt.

[Spaltenumbruch] gewordenen Regierungshandlungen des neuen Herrſchers mit den ebenſo
nöthigen Aufklärungen und Proclamationen ſchon vor Tagesanbruch der
Publication durch den Druck zu übergeben. Mündliche Aufklärungen
mußten bei den Truppen, bei der Landwehr, bei den Studenten- und
Künſtlercompagnien die Stelle der ſchriftlichen oder gedruckten Proclama-
tionen vertreten, umſomehr als ſelbſt die nächſte Umgebung des Königs
Max II erſt in der Nacht vom 20 auf den 21 von dem überraſchenden
Ereigniß in Kenntniß geſetzt werden konnte, dieſe Umgebung aber nicht
im Stande war detaillirte Nachrichten auf Verlangen einzelner Bür-
ger und Studenten über den Hergang des Ereigniſſes zu geben. Was
von einer officiellen Anweſenheit oder Erklärung eines Adjutanten
des Königs auf der Studentenhauptwache in der Nacht vom 20 März
in einem Artikel Ihrer Zeitung von vorgeſtern geſagt iſt, beruht auf
Irrthum oder Erfindung,*) da der Schreiber dieſes beſtimmt weiß daß
eine ſolche officielle Erklärung nicht gegeben worden iſt noch gegeben
werden konnte, aus dem einfachen Grunde weil jener Adjutant ſelbſt noch
keine Kenntniß von der wirklich erfolgten Abdankung des Königs Lud-
wig haben konnte. Er wußte nur daß der König ſie ſeit einiger Zeit be-
abſichtige. Uebrigens war auch der Geiſt der Studentencompagnien,
der Landwehr und der Truppen am 21 früh ebenſo tactvoll und geſetz-
mäßig wie an den frühern Tagen. Jeder hatte das Recht Aufklärung
zu verlangen wo es ſich um neue Eide handelte. Um 10 Uhr Morgens
erſchien die Entſagungsproclamation des Königs Ludwig und konnte
ſchon der Landwehr mitgetheilt werden; um 11 Uhr erſchien das Regie-
rungs-Antrittspatent des Königs Max II mit ſeiner kräftigen, freiſinni-
gen Anrede an die Bayern. Man hätte beide Actenſtücke ſchon früher
verbreitet gewünſcht, aber viele Tauſende von Exemplaren mit der nö-
thigen Geſchichtserzählung wären nöthig geweſen. Die raſche Verbrei-
tung derſelben ſcheint wegen Kürze der Zeit unmöglich geweſen zu ſeyn.
Se. Maj. der König Max II empfing dann aber ſelbſt noch am Vormit-
tag die Deputation des Magiſtrats, welcher er die beruhigendſten Ver-
ſicherungen über das Ereigniß ſowie über die neuen Regierungsgrund-
ſätze gab, auch mit Hinweiſung auf die bereits abgemachten Principien
der Proclamation vom 6 März. Geſtern endlich hat der Inhalt der
Thronrede und die offene Sprache des neuen Königs alle Gemüther
freudig ergriffen; ſein Wahlſpruch „Freiheit und Geſetzmäßigkeit“ iſt in
aller Herzen gedrungen, große Hoffnungen ruhen auf ihm, und das
Wahrzeichen daß ſie glücklich in Erfüllung gehen werden, ſind die erſten
Thaten ſeiner Regierung. Mit Freude und Ruhe können wir unter
einem ſolchen König der Zukunft entgegenſehen; Wahrheit und Offen-
heit ſind das Panier das er ſich und dem Volke aufgeſteckt hat.

Die Kammer der Abgeordneten
hat nun auch den fünften (Beſchwerde-) Ausſchuß gewählt. Das Re-
ſultat der Wahl iſt: a) im erſten Scrutin Decan Förch mit 103, Decan
Götz mit 82, Frhr. v. Künsberg mit 76 unter 118 Stimmen, b) im
zweiten Scrutin Schnetzer mit 75 und Pfarrer Rammoſer mit 57 unter
107 Stimmen; c) im dritten Scrutin Profeſſor v. Scheurl mit 106
und Eppelsheim mit 57 unter 112 Stimmen. Der zur Verfaſſung der
Antwortsadreſſe gewählte Ausſchuß iſt heut bereits emſig hiemit beſchäf-
tigt, doch dütfte es bei der Wichtigkeit der zu berührenden einzelnen
Punkte noch ein paar Tage hergehen bis die öffentliche Berathung des
Entwurfs durch die Kammer von ſtatten geht. Die Kammer der
Reichsräthe hat die gleiche Arbeit ihrem Directorium, unter Beigabe der
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übertragen. Es wird wechſelſeitig verſichert daß dieſe Kammer, die erſt
im vorigen Jahr die Namennennung in ihren Sitzungsprotocollen ein-
führte, die Oeffentlichkeit ihrer Sitzungen einzuführen trachten werde.

Mit Freude hört man heute daß der
bekannte rheinpfälziſche Abgeordnete, Advocat Willich, zum geheimen
Rath und bayeriſchen Bundestagsgeſandten ernannt iſt. Eine
populärere Wahl war nicht denkbar. Er wird ſchon heute Abend nach
Frankfurt abgehen. Ein weiterer Mann des öffentlichen Vertrauens wird
ihm beigegeben werden; das Gerücht bezeichnet hiefür namentlich einen
Advocaten Ihrer Stadt (Dr. Paur). Um unſerm Landtag nicht zu viele
der beſten Kräfte zu entziehen wird nur eine kleine Deputation nach
Beendigung der Adreſſedebatten ſich nach Frankfurt begeben. Montag
beginnen dieſe Debatten; der Ausſchuß iſt noch mit dem Entwurf be-
ſchäftigt. Die Kammer der Reichsräthe hält heute Abend die erſte
[Spaltenumbruch] Sitzung um über den vorliegenden Entwurf ihrer Commiſſion ſich zu
einigen. Die beiden Präſidenten der zweiten Kammer ſind heute bei
König Ludwig Maj. zur Tafel geladen. — Die Berliner Nachrichten ha-
ben hier die allgemeinſte Erbitterung gegen den dortigen Monarchen
hervorgerufen, und dieſe manifeſtirt ſich in der verſchiedenſten Weiſe:
auf heute ſoll auch ein Autodefé beabſichtigt ſeyn.

Gr. Baden.

Sicherm Vernehmen nach
hat Markgraf Wilhelm in Folge der Wünſche der Offenburger Volks-
verſammlung dem Großherzog die Bitte eingereicht ihn von ſeiner Stelle
als Commandirender des großherzoglichen Ameecorps zu entheben. —
Es heißt das achte Bundesarmeecorps (Württemberg, Baden, Heſſen)
werde mobil gemacht werden. (Karlsr. Z.)

Gr. Heſſen.

Das heutige Regie-
rungsblatt verkündigt eine politiſche Amneſtie.

Freie Städte.

Die Ruhe iſt ſeit Mon-
tag nicht mehr geſtört worden, obſchon man geſtern ſehr beſorgt war, da man
wieder Flugſchriften ausgeſtreut fand in welchen die „Feinde des Senats
aufgefordert werden ſich dewaſſnet am bewußten Orte“ einzufinden. Dieß-
mal waren die Zettel geſchrieben, und es wurde ein anderes Gerücht,
zufolge welchem am Abend eine Verſammlung bei der Sternſchanze ſtatt-
finden ſollte, damit in Verbindung gebracht. Aber weder dort noch
ſonſtwo ſtellte ſich irgendeine Zuſammenrottung dar.

Leider ſind geſtern Abend wieder Un-
ruhen vorgefallen die ernſtlicher waren als am 4 d., indem zwei Men-
ſchen dabei getödtet und ſechs zum Theil tödtlich verwundet wurden.
Die Getödteten (ein Mann und eine Frau) gehörten nicht zu den Unruh-
ſtiftern, ſondern befanden ſich zufällig auf der Straße. Schon als Bür-
germeiſter Benecke aus der Rathsverſammlung nach Hauſe fuhr wurde
ſeine Kutſche vom Pöbel, der ihn für Kellinghuſen hielt, angehalten,
aber durch den Oberſten des Bürgermilitärs befreit, ein Kerl der hiebei
feſtgenommen ward entwiſchte nachher durch eine Liſt aus der Wacht-
ſtube. Auf dem Neuenwall ging es auch heiß her. Am ſchlimmſten
ſcheint es aber am Millernthor und in der Vorſtaht St. Pauli geweſen
zu ſeyn, obſchon den Schiffscapitänen von der Polizei angeſagt war
ihre Matroſen und Schiffsjungen am Bord zu behalten. Die Linien-
truppen welche dort aufgeſtellt waren ſahen ſich genöthigt von ihren
blanken Waffen Gebrauch zu machen, wodurch das Volk ſo aufgebracht
wurde daß ſie abziehen und dem Bürgermilitär die Herſtellung der Ruhe
überlaſſen mußten, was dieſem auch gelang. Da viel Geſindel zum
Thor herein wollte und ſolches vom Militär verhindert wurde, ſo ſuchte
der Pöbel es zu erſtürmen. Die Soldaten behielten aber die Ueber-
macht. Ein heute angeſchlagenes Mandat, welches auf die bedauerlichen
Vorgänge des vorigen Abends hinweist, bemerkte zugleich daß im Wieder-
holungsfalle die Truppen jetzt, nachdem das Tumultgeſetz verleſen, ſcharf
feuern werden; auch ſollen die Schenklocale wieder von 8 Uhr Abends
an geſchloſſen ſeyn. Im Convente wurden geſtern 901 Stimmen abge-
geben, ſo zahlreich war er, ſolange die älteſten Beſucher denken können,
nicht beſucht. Die Bewegungspartei iſt indeß mit den Wahlen im all-
gemeinen nicht zufrieden, da der größere Theil der Gewählten zu den
Conſervativen gehört, und kein einziger Nicht-Erbgeſeſſener darunter
iſt. Von ſolcher Zuſammenſetzung laſſen ſich keine durchgreifenden Re-
formen erwarten. Die einzige Hoffnung iſt die freie Preſſe mit Hülfe
welcher, wie einſt ein engliſcher Parlamentsredner ſagte, man alle an-
dern Freiheiten erobern kann. Obſchon die Börſe heute ruhig war, ſo
wurden doch wenig Geſchäfte gemacht, weil die Berichte von auswärts
noch immer ſehr beunruhigend lauten. Nicht nur der Groß- ſondern
auch der Kleinhandel leidet ſehr, da gar keine Luxusgegenſtände gekauft
werden. Privatbälle und Geſellſchaften werden nicht gegeben, und die
öffentlichen wenig befucht. Die Zufuhren von Waaren ſind fortwäh-
rend ſehr bedeutend, ich bemerkte ungewöhnlich viele Twiſte darunter,
ein Umſtand der auf die deutſchen Spinnereien ſehr nachtheilig wirken
muß, indem dieſes Garn von wohlfeiler Baumwolle geſponnen ſich viel
niedriger hieher legt als jenes welches aus theurer Baumwolle, die im
Herbſt eingekauft werden mußte, herrührt.

Preußen.

Die Köln. Ztg. meldet die am 22 März erfolgte An-
kunft des Fürſten Metternich auf Schloß Rheineck bei Koblenz.
Eine Abtheilung Militär iſt dorthin beordert worden.

Das erwähnte Amneſtiedecret lautet:

„Geſtern habe Ich be-
reits ausgeſprochen daß Ich in meinem Herzen vergeben und vergeſſen

*) Wurde ſchon vorgeſtern berichtigt.
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[1346/0002] gewordenen Regierungshandlungen des neuen Herrſchers mit den ebenſo nöthigen Aufklärungen und Proclamationen ſchon vor Tagesanbruch der Publication durch den Druck zu übergeben. Mündliche Aufklärungen mußten bei den Truppen, bei der Landwehr, bei den Studenten- und Künſtlercompagnien die Stelle der ſchriftlichen oder gedruckten Proclama- tionen vertreten, umſomehr als ſelbſt die nächſte Umgebung des Königs Max II erſt in der Nacht vom 20 auf den 21 von dem überraſchenden Ereigniß in Kenntniß geſetzt werden konnte, dieſe Umgebung aber nicht im Stande war detaillirte Nachrichten auf Verlangen einzelner Bür- ger und Studenten über den Hergang des Ereigniſſes zu geben. Was von einer officiellen Anweſenheit oder Erklärung eines Adjutanten des Königs auf der Studentenhauptwache in der Nacht vom 20 März in einem Artikel Ihrer Zeitung von vorgeſtern geſagt iſt, beruht auf Irrthum oder Erfindung, *) da der Schreiber dieſes beſtimmt weiß daß eine ſolche officielle Erklärung nicht gegeben worden iſt noch gegeben werden konnte, aus dem einfachen Grunde weil jener Adjutant ſelbſt noch keine Kenntniß von der wirklich erfolgten Abdankung des Königs Lud- wig haben konnte. Er wußte nur daß der König ſie ſeit einiger Zeit be- abſichtige. Uebrigens war auch der Geiſt der Studentencompagnien, der Landwehr und der Truppen am 21 früh ebenſo tactvoll und geſetz- mäßig wie an den frühern Tagen. Jeder hatte das Recht Aufklärung zu verlangen wo es ſich um neue Eide handelte. Um 10 Uhr Morgens erſchien die Entſagungsproclamation des Königs Ludwig und konnte ſchon der Landwehr mitgetheilt werden; um 11 Uhr erſchien das Regie- rungs-Antrittspatent des Königs Max II mit ſeiner kräftigen, freiſinni- gen Anrede an die Bayern. Man hätte beide Actenſtücke ſchon früher verbreitet gewünſcht, aber viele Tauſende von Exemplaren mit der nö- thigen Geſchichtserzählung wären nöthig geweſen. Die raſche Verbrei- tung derſelben ſcheint wegen Kürze der Zeit unmöglich geweſen zu ſeyn. Se. Maj. der König Max II empfing dann aber ſelbſt noch am Vormit- tag die Deputation des Magiſtrats, welcher er die beruhigendſten Ver- ſicherungen über das Ereigniß ſowie über die neuen Regierungsgrund- ſätze gab, auch mit Hinweiſung auf die bereits abgemachten Principien der Proclamation vom 6 März. Geſtern endlich hat der Inhalt der Thronrede und die offene Sprache des neuen Königs alle Gemüther freudig ergriffen; ſein Wahlſpruch „Freiheit und Geſetzmäßigkeit“ iſt in aller Herzen gedrungen, große Hoffnungen ruhen auf ihm, und das Wahrzeichen daß ſie glücklich in Erfüllung gehen werden, ſind die erſten Thaten ſeiner Regierung. Mit Freude und Ruhe können wir unter einem ſolchen König der Zukunft entgegenſehen; Wahrheit und Offen- heit ſind das Panier das er ſich und dem Volke aufgeſteckt hat. || München, 23 März.Die Kammer der Abgeordneten hat nun auch den fünften (Beſchwerde-) Ausſchuß gewählt. Das Re- ſultat der Wahl iſt: a) im erſten Scrutin Decan Förch mit 103, Decan Götz mit 82, Frhr. v. Künsberg mit 76 unter 118 Stimmen, b) im zweiten Scrutin Schnetzer mit 75 und Pfarrer Rammoſer mit 57 unter 107 Stimmen; c) im dritten Scrutin Profeſſor v. Scheurl mit 106 und Eppelsheim mit 57 unter 112 Stimmen. Der zur Verfaſſung der Antwortsadreſſe gewählte Ausſchuß iſt heut bereits emſig hiemit beſchäf- tigt, doch dütfte es bei der Wichtigkeit der zu berührenden einzelnen Punkte noch ein paar Tage hergehen bis die öffentliche Berathung des Entwurfs durch die Kammer von ſtatten geht. Die Kammer der Reichsräthe hat die gleiche Arbeit ihrem Directorium, unter Beigabe der Kammerglieder Fürſt Hohenlohe, Graf Giech und Graf C. Seinsheim, übertragen. Es wird wechſelſeitig verſichert daß dieſe Kammer, die erſt im vorigen Jahr die Namennennung in ihren Sitzungsprotocollen ein- führte, die Oeffentlichkeit ihrer Sitzungen einzuführen trachten werde. || München, 24 März.Mit Freude hört man heute daß der bekannte rheinpfälziſche Abgeordnete, Advocat Willich, zum geheimen Rath und bayeriſchen Bundestagsgeſandten ernannt iſt. Eine populärere Wahl war nicht denkbar. Er wird ſchon heute Abend nach Frankfurt abgehen. Ein weiterer Mann des öffentlichen Vertrauens wird ihm beigegeben werden; das Gerücht bezeichnet hiefür namentlich einen Advocaten Ihrer Stadt (Dr. Paur). Um unſerm Landtag nicht zu viele der beſten Kräfte zu entziehen wird nur eine kleine Deputation nach Beendigung der Adreſſedebatten ſich nach Frankfurt begeben. Montag beginnen dieſe Debatten; der Ausſchuß iſt noch mit dem Entwurf be- ſchäftigt. Die Kammer der Reichsräthe hält heute Abend die erſte Sitzung um über den vorliegenden Entwurf ihrer Commiſſion ſich zu einigen. Die beiden Präſidenten der zweiten Kammer ſind heute bei König Ludwig Maj. zur Tafel geladen. — Die Berliner Nachrichten ha- ben hier die allgemeinſte Erbitterung gegen den dortigen Monarchen hervorgerufen, und dieſe manifeſtirt ſich in der verſchiedenſten Weiſe: auf heute ſoll auch ein Autodefé beabſichtigt ſeyn. Gr. Baden. Karlsruhe, 21 März.Sicherm Vernehmen nach hat Markgraf Wilhelm in Folge der Wünſche der Offenburger Volks- verſammlung dem Großherzog die Bitte eingereicht ihn von ſeiner Stelle als Commandirender des großherzoglichen Ameecorps zu entheben. — Es heißt das achte Bundesarmeecorps (Württemberg, Baden, Heſſen) werde mobil gemacht werden. (Karlsr. Z.) Gr. Heſſen. Darmſtadt, 20 März.Das heutige Regie- rungsblatt verkündigt eine politiſche Amneſtie. Freie Städte. * Hamburg, 17 März.Die Ruhe iſt ſeit Mon- tag nicht mehr geſtört worden, obſchon man geſtern ſehr beſorgt war, da man wieder Flugſchriften ausgeſtreut fand in welchen die „Feinde des Senats aufgefordert werden ſich dewaſſnet am bewußten Orte“ einzufinden. Dieß- mal waren die Zettel geſchrieben, und es wurde ein anderes Gerücht, zufolge welchem am Abend eine Verſammlung bei der Sternſchanze ſtatt- finden ſollte, damit in Verbindung gebracht. Aber weder dort noch ſonſtwo ſtellte ſich irgendeine Zuſammenrottung dar. * Hamburg, 19 März.Leider ſind geſtern Abend wieder Un- ruhen vorgefallen die ernſtlicher waren als am 4 d., indem zwei Men- ſchen dabei getödtet und ſechs zum Theil tödtlich verwundet wurden. Die Getödteten (ein Mann und eine Frau) gehörten nicht zu den Unruh- ſtiftern, ſondern befanden ſich zufällig auf der Straße. Schon als Bür- germeiſter Benecke aus der Rathsverſammlung nach Hauſe fuhr wurde ſeine Kutſche vom Pöbel, der ihn für Kellinghuſen hielt, angehalten, aber durch den Oberſten des Bürgermilitärs befreit, ein Kerl der hiebei feſtgenommen ward entwiſchte nachher durch eine Liſt aus der Wacht- ſtube. Auf dem Neuenwall ging es auch heiß her. Am ſchlimmſten ſcheint es aber am Millernthor und in der Vorſtaht St. Pauli geweſen zu ſeyn, obſchon den Schiffscapitänen von der Polizei angeſagt war ihre Matroſen und Schiffsjungen am Bord zu behalten. Die Linien- truppen welche dort aufgeſtellt waren ſahen ſich genöthigt von ihren blanken Waffen Gebrauch zu machen, wodurch das Volk ſo aufgebracht wurde daß ſie abziehen und dem Bürgermilitär die Herſtellung der Ruhe überlaſſen mußten, was dieſem auch gelang. Da viel Geſindel zum Thor herein wollte und ſolches vom Militär verhindert wurde, ſo ſuchte der Pöbel es zu erſtürmen. Die Soldaten behielten aber die Ueber- macht. Ein heute angeſchlagenes Mandat, welches auf die bedauerlichen Vorgänge des vorigen Abends hinweist, bemerkte zugleich daß im Wieder- holungsfalle die Truppen jetzt, nachdem das Tumultgeſetz verleſen, ſcharf feuern werden; auch ſollen die Schenklocale wieder von 8 Uhr Abends an geſchloſſen ſeyn. Im Convente wurden geſtern 901 Stimmen abge- geben, ſo zahlreich war er, ſolange die älteſten Beſucher denken können, nicht beſucht. Die Bewegungspartei iſt indeß mit den Wahlen im all- gemeinen nicht zufrieden, da der größere Theil der Gewählten zu den Conſervativen gehört, und kein einziger Nicht-Erbgeſeſſener darunter iſt. Von ſolcher Zuſammenſetzung laſſen ſich keine durchgreifenden Re- formen erwarten. Die einzige Hoffnung iſt die freie Preſſe mit Hülfe welcher, wie einſt ein engliſcher Parlamentsredner ſagte, man alle an- dern Freiheiten erobern kann. Obſchon die Börſe heute ruhig war, ſo wurden doch wenig Geſchäfte gemacht, weil die Berichte von auswärts noch immer ſehr beunruhigend lauten. Nicht nur der Groß- ſondern auch der Kleinhandel leidet ſehr, da gar keine Luxusgegenſtände gekauft werden. Privatbälle und Geſellſchaften werden nicht gegeben, und die öffentlichen wenig befucht. Die Zufuhren von Waaren ſind fortwäh- rend ſehr bedeutend, ich bemerkte ungewöhnlich viele Twiſte darunter, ein Umſtand der auf die deutſchen Spinnereien ſehr nachtheilig wirken muß, indem dieſes Garn von wohlfeiler Baumwolle geſponnen ſich viel niedriger hieher legt als jenes welches aus theurer Baumwolle, die im Herbſt eingekauft werden mußte, herrührt. Preußen. Die Köln. Ztg. meldet die am 22 März erfolgte An- kunft des Fürſten Metternich auf Schloß Rheineck bei Koblenz. Eine Abtheilung Militär iſt dorthin beordert worden. Das erwähnte Amneſtiedecret lautet: „Geſtern habe Ich be- reits ausgeſprochen daß Ich in meinem Herzen vergeben und vergeſſen *) Wurde ſchon vorgeſtern berichtigt.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848, S. 1346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine85_1848/2>, abgerufen am 23.11.2024.