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Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848.

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[Spaltenumbruch] haften Monopol und ihrem imperialen Privilegium durch Einschränkung
oder Ausdehnung des Geldlaufs Börsen und Wechselcurse nach Gefallen
zu regeln, sich so weit gebracht sähe. Die Bank von Frankreich hat nur
sehr secundäre Beziehungen zum Schatzamt, und es trifft sich öfter daß
die Regierung ihr Gläubiger als daß sie, wie die Bank von England,
ihr allzu großmüthiger Schuldner ist. Sie besitzt nicht wie ihr Schwe-
sterinstitut ein ganzes Drittel des im Lande circulirenden Metalls;
ihre Noten haben außerhalb Paris so wenig Werth, daß 40 bis
50 Lieues von der Hauptstadt ihre Inhaber oft 1/4 bis 1/2 Procent daran
verlieren. Aber ihre bewundernswerthe Oekonomie hat man nie in
Frage gestellt, und der einzige erhebliche Vorwurf welchen Finanzmän-
ner ihr zu machen pflegten war daß ein solcher Ueberfluß kostbaren Me-
talls nutzlos in ihren Gewölben lag. Gleichwohl müßte sie in einem
Augenblick wo ihre Activa ihre Paffiva wahrscheinlich um 100 Millio-
nen Francs überstiegen, ihre Baarzahlungen einstellen. Die Folgen für
den Credit werden so erschrecklich seyn wie in den Jahren 1792 und
1793. Das Papier wird wahrscheinlich nochmals das Geld ersetzen
müssen, und dieses wird in seinen Verstecken verschwinden. Die Mittel
des Umtausches werden gelähmt, der Brodherr kommt außer Stand seinen
Arbeiter zu bezahlen, und Noth und Unordnung werden die Folge seyn.
Mittlerweile macht die Gironde der Krists einen verzweifelten Reac-
tionsversuch. Gestachelt durch die Ausforderungen des Ministers des In-
nern, durch eine so drohende und finistre Anmaßung nicht ohne Grund
beunruhigt, scheint die Bourgeoiste entschlossen zu einem kühnen und
gleichzeitigen Versuch ihr 1830 gewonnenes und 1848 verlornes Ueber-
gewicht wieder zu erobern. Emile Girardin steht als ein Gonfaloniere
von Muth, Geist und Ausdauer an ihrer Spitze. Wie fruchtlos ihre
Bewegung auch bis jetzt an politischen Ergebnissen gewesen ist, hat sie doch
dazu gedient die im Ministerium obwaltende starke Meinungsverschieden-
heit aus Licht zu ziehen." -- Tröstlicher steht der M. Herald die Sache
an. Die französische Handelskrists im J. 1830 sey gerade so drohend
gewesen wie die jetzige, ja der "Krach" in der Geldwelt noch viel schreck-
licher. Zwar stehe man jetzt noch nicht am Ende der Dinge,
aber unter dem halben hundert Bank- und Handelshäuser, die in den
nächsten sechs Wochen fallen dürften, sey vielleicht kein Dutzend zu fin-
den das die letzten zehn Jahre über in einem wirklich gesunden und zah-
lungsfähigen Zustande gewesen. Das Decret der provisorischen Regie-
rung werde dazu dienen die in sich starken Häuser noch mehr zu befesti-
gen und die Beistand verdienenden zu unterstützen. "Die Finanzlage
Frankreichs, diese Wahrheit braucht man nicht erst zu verkündigen," fügt
der Herald bei, "war seit dem vor sechzehn Jahren erfolgten Tode des
Baron Louis in einem verrotteten Zustand, und seitdem hatte das Land
keinen einzigen fähigen Finanzminister. Die Monarchie der Barrica-
den -- ein Monarch der den Thron achtzehn Jahre lang weder par droit
de conquete
noch par droit de naissance besaß -- vermehrte die
Staatsschuld um viele Millionen Francs, und jetzt, nachdem diese Mon-
archie hinweggeschwemmt ist, leidet alles Eigenthum unter den Folgen
ihrer Unvorsichtigkeit, Verschwendung und Corruption. Den Credit
und das Vertrauen wieder herzustellen ist keine leichte Aufgabe. Indes-
sen wird die Handelskrists, die allerdings ernst ist, doch sehr übertrieben.
Sie erstreckt sich keineswegs auf das Innere noch auf alle Hafenstädte
Frankreichs, sondern beschränkt sich hauptsächlich auf Paris. Eine luxu-
riöse und überfeinerte Stadt wie Paris leidet mehr als irgendeine andere
Capitale Europa's durch die Abwesenheit reicher Fremdlinge. Sie trieb
bisher einen unermeßlichen Handel in sogenannten Pariser Artikeln,
welche die reichen Genußmenschen kauften und verbrauchten, und eine
Revolution bringt diese Art Handel natürlich ins Stocken. Aber da-
mit sind die Quellen französischen Gewerbsfleißes und Wohlstandes noch
nicht vertrocknet. Kein Land in der Welt ist für Production in so glück-
licher Lage wie Frankreich, und beschränkt sich die Nation auf die Grän-
zen der Ordnung und Freiheit, so werden die unheilvollen Folgen einer
gewaltsamen Umwälzung mit der Zeit verschwinden. Aber dazu ist nö-
thig daß alle Meinungen sich frei aussprechen können, und daß die neue
Constituante nicht unter der Herrschaft des Schreckens, sondern unbe-
fangen und fessellos gewählt werde. Es gibt eine republicanische Ty-
rannei so gut als eine königliche Tyrannei, und wir gestehen Ledru-
Rollins Umlaufschreiben scheint uns stark davon gefärbt." Auch
die M. Post meint: es sey thöricht von einer Insolvenz der Bank
von Frankreich zu reden. -- Der Examiner bemerkt: "Die
finanziellen Irrthümer der provisorischen Regierung haben uns noch
weniger erschreckt als gewisse andere, nämlich erstens die Erklä-
[Spaltenumbruch] rung daß, da die Revolution das Werk der arbeitenden Classen
sey, sie auch zu deren Bestem gestaltet werden müsse -- ein Ge-
ständniß der Ungerechtigkeit gegen die übrige Volksgemeinde und eine
Sünde gegen die erklärte Gleichheit; zweitens das Circular Ledru-Rol-
lins, wodurch den Provincialcommissarien unbeschränkte Vollmachten
ertheilt, sie von aller Verantwortung als der von ihrem Gewissen frei-
gesprochen und mit der Controle der Wahlen beauftragt werden; drittens
das Manifest des Unterrichtsministers, worin ausdrücklich gesagt ist: ein
ungebildeter aber ehrlicher, verständiger und erfahrner Bauer werde die
Interessen seiner Classe in der Nationalversammlung unendlich besser
vertreten als ein reicher und gebildeter Bürger der aber das Landleben
nicht aus Erfahrung kenne. Dennoch in demselben Actenstück ist er-
klärt: Frankreich habe jetzt nicht wie im Jahr 1793 mit dem fremden
Eindringling, sondern mit der Unwissenheit zu kämpfen, und diese
soll, Hrn. Carnot zufolge, von Vetretern ohne die Vortheile der Erzie-
hung bekämpft werden. Was die Bauern betrifft, auf die sich das Mi-
nisterium so sehr verläßt, so mögen sie Redlichkeit besitzen und auch Er-
fahrung in einem beschränkten Maße, wie das Roß in der Mühle, aber
ein zurückgebliebenes, geistig beschränkteres Geschlecht als das franzö-
sische Landvolk gibt es nicht auf Gottes Erde; sie sind die bloßen Ge-
schöpfe der Gewohnheit und des Schlendrians, und unsere englischen
Bauern und Kleinpächter bei allen ihren Fehlern sind civilifirt, aufge-
klärt, unternehmend und geschickt in Vergleich mit ihren Standesge-
nossen in Frankreich."

Schottische Blätter melden den Tod des beliebten Volksdichters
William Thom, des sogenannten "Poet of Inverury". Er hinterläßt
eine unversorgte Familie, für welche jetzt das Mitleid des Publicums in
Anspruch genommen wird.

Die früher oft erwähnte chinesische Dschunk, die so lange in New-
York liegen blieb, ist jetzt nach einer stürmischen Ueberfahrt in Jersey
angekommen, und wird wohl die Themse heraufsegeln. Die chinesischen
Matrosen an Bord sollen sich sehr übel betragen haben.

Frankreich.

Hr. v. Lamartine hat im Ministerium des
Aeußern eine höchst überraschende Entdeckung gemacht, indem er eine
seit der Bewegung in Italien fortlaufende (nicht officielle) Correspon-
denz zwischen Guizot und Rosst vorgefunden, worin der ehemalige Mi-
nister und sein Botschafter in Rom, besonders der erstere die Angelegen-
genheiten Italiens vom demokratischen Gesichtspunkte aus beurtheilen
und behandeln, und beide darin einverstanden sind daß man denselben
fortwährend eine entschieden demokratische Richtung geben müsse. Wer
war nun in dieser geheimen Correspondenz, in dieser geheimen Politik
der Betrogene? Bloß Fürst Metternich oder auch Ludwig Philipp?
Hierüber dürfte ein nachträglicher Fund ähnlicher Art vielleicht hinrei-
chende Aufschlüsse geben. Minder überraschend war ein Fund anderer
Art im Ministerium der Justiz. Es ist das ein Schreiben vom 4 Febr.
des Generaladvocaten Boucly an den Siegelbewahrer mit einer langen
Reihe schwerer Inzichten gegen Hrn. Libri, der in seiner dreifachen Eigenschaft
als Professor am College de France, Mitglied des Instituts und Mit-
arbeiter am Debats bekannt, der Entwendung zahlreicher Manuscripte
und Werke von bedeutendem Werthe aus mehreren öffentlichen Biblio-
theken von Paris und in den Provinzen, beschuldigt ist. Hr. Boucly
fragt Hrn. Hebert ob er auf den Grund dieser gewichtigen Inzichten eine
gerichtliche Untersuchung gegen den Beschuldigten einleiten soll? Die
Antwort auf dieses Schreiben hat man bisher vergebens gesucht. Die-
ser Fund war, wie gesagt, nicht sehr überraschend, denn schon seit viel-
len Jahren stand Libri im Verdacht daß er bei all seinen conservativen
Grundsätzen in Sachen von kostbaren Manuscripten und Werken den
Principien des Communismus huldige, und von einer unwiderstehlichen
Anziehungskraft für derlei geistige Besitzthümer beherrscht werde. Ein
Mitglied der gegenwärtigen Regierung, das früher in wissenschaftlichen
Polemiken oft Gegenstand seines Hasses war (Hr. Arago), soll Hrn. Libri
zeitlich genug in Kenntniß von dem vorgefundenen Document gesetzt
haben, so daß er durch die Flucht sich den Folgen seines litterarischen
Communismus entziehen konnte.

Die neuerdings angekündigten
Truppenbewegungen haben nur eine örtliche Bedeutung. Das 4te Hu-
sarenregiment begibt sich von hier nach Lüneville, das 30ste Infanterie-
regiment kömmt von Romainville statt hieher nach Colmar, dagegen
rückt das 3te Infanterieregiment von Weissenburg nach unserer Stadt.
Das Handlungshaus R., seit Jahren eines der bedeutendsten im Elsaß,

[Spaltenumbruch] haften Monopol und ihrem imperialen Privilegium durch Einſchränkung
oder Ausdehnung des Geldlaufs Börſen und Wechſelcurſe nach Gefallen
zu regeln, ſich ſo weit gebracht ſähe. Die Bank von Frankreich hat nur
ſehr ſecundäre Beziehungen zum Schatzamt, und es trifft ſich öfter daß
die Regierung ihr Gläubiger als daß ſie, wie die Bank von England,
ihr allzu großmüthiger Schuldner iſt. Sie beſitzt nicht wie ihr Schwe-
ſterinſtitut ein ganzes Drittel des im Lande circulirenden Metalls;
ihre Noten haben außerhalb Paris ſo wenig Werth, daß 40 bis
50 Lieues von der Hauptſtadt ihre Inhaber oft ¼ bis ½ Procent daran
verlieren. Aber ihre bewundernswerthe Oekonomie hat man nie in
Frage geſtellt, und der einzige erhebliche Vorwurf welchen Finanzmän-
ner ihr zu machen pflegten war daß ein ſolcher Ueberfluß koſtbaren Me-
talls nutzlos in ihren Gewölben lag. Gleichwohl müßte ſie in einem
Augenblick wo ihre Activa ihre Paffiva wahrſcheinlich um 100 Millio-
nen Francs überſtiegen, ihre Baarzahlungen einſtellen. Die Folgen für
den Credit werden ſo erſchrecklich ſeyn wie in den Jahren 1792 und
1793. Das Papier wird wahrſcheinlich nochmals das Geld erſetzen
müſſen, und dieſes wird in ſeinen Verſtecken verſchwinden. Die Mittel
des Umtauſches werden gelähmt, der Brodherr kommt außer Stand ſeinen
Arbeiter zu bezahlen, und Noth und Unordnung werden die Folge ſeyn.
Mittlerweile macht die Gironde der Kriſts einen verzweifelten Reac-
tionsverſuch. Geſtachelt durch die Ausforderungen des Miniſters des In-
nern, durch eine ſo drohende und finiſtre Anmaßung nicht ohne Grund
beunruhigt, ſcheint die Bourgeoiſte entſchloſſen zu einem kühnen und
gleichzeitigen Verſuch ihr 1830 gewonnenes und 1848 verlornes Ueber-
gewicht wieder zu erobern. Emile Girardin ſteht als ein Gonfaloniere
von Muth, Geiſt und Ausdauer an ihrer Spitze. Wie fruchtlos ihre
Bewegung auch bis jetzt an politiſchen Ergebniſſen geweſen iſt, hat ſie doch
dazu gedient die im Miniſterium obwaltende ſtarke Meinungsverſchieden-
heit aus Licht zu ziehen.“ — Tröſtlicher ſteht der M. Herald die Sache
an. Die franzöſiſche Handelskriſts im J. 1830 ſey gerade ſo drohend
geweſen wie die jetzige, ja der „Krach“ in der Geldwelt noch viel ſchreck-
licher. Zwar ſtehe man jetzt noch nicht am Ende der Dinge,
aber unter dem halben hundert Bank- und Handelshäuſer, die in den
nächſten ſechs Wochen fallen dürften, ſey vielleicht kein Dutzend zu fin-
den das die letzten zehn Jahre über in einem wirklich geſunden und zah-
lungsfähigen Zuſtande geweſen. Das Decret der proviſoriſchen Regie-
rung werde dazu dienen die in ſich ſtarken Häuſer noch mehr zu befeſti-
gen und die Beiſtand verdienenden zu unterſtützen. „Die Finanzlage
Frankreichs, dieſe Wahrheit braucht man nicht erſt zu verkündigen,“ fügt
der Herald bei, „war ſeit dem vor ſechzehn Jahren erfolgten Tode des
Baron Louis in einem verrotteten Zuſtand, und ſeitdem hatte das Land
keinen einzigen fähigen Finanzminiſter. Die Monarchie der Barrica-
den — ein Monarch der den Thron achtzehn Jahre lang weder par droit
de conquête
noch par droit de naissance beſaß — vermehrte die
Staatsſchuld um viele Millionen Francs, und jetzt, nachdem dieſe Mon-
archie hinweggeſchwemmt iſt, leidet alles Eigenthum unter den Folgen
ihrer Unvorſichtigkeit, Verſchwendung und Corruption. Den Credit
und das Vertrauen wieder herzuſtellen iſt keine leichte Aufgabe. Indeſ-
ſen wird die Handelskriſts, die allerdings ernſt iſt, doch ſehr übertrieben.
Sie erſtreckt ſich keineswegs auf das Innere noch auf alle Hafenſtädte
Frankreichs, ſondern beſchränkt ſich hauptſächlich auf Paris. Eine luxu-
riöſe und überfeinerte Stadt wie Paris leidet mehr als irgendeine andere
Capitale Europa’s durch die Abweſenheit reicher Fremdlinge. Sie trieb
bisher einen unermeßlichen Handel in ſogenannten Pariſer Artikeln,
welche die reichen Genußmenſchen kauften und verbrauchten, und eine
Revolution bringt dieſe Art Handel natürlich ins Stocken. Aber da-
mit ſind die Quellen franzöſiſchen Gewerbsfleißes und Wohlſtandes noch
nicht vertrocknet. Kein Land in der Welt iſt für Production in ſo glück-
licher Lage wie Frankreich, und beſchränkt ſich die Nation auf die Grän-
zen der Ordnung und Freiheit, ſo werden die unheilvollen Folgen einer
gewaltſamen Umwälzung mit der Zeit verſchwinden. Aber dazu iſt nö-
thig daß alle Meinungen ſich frei ausſprechen können, und daß die neue
Conſtituante nicht unter der Herrſchaft des Schreckens, ſondern unbe-
fangen und feſſellos gewählt werde. Es gibt eine republicaniſche Ty-
rannei ſo gut als eine königliche Tyrannei, und wir geſtehen Ledru-
Rollins Umlaufſchreiben ſcheint uns ſtark davon gefärbt.“ Auch
die M. Poſt meint: es ſey thöricht von einer Inſolvenz der Bank
von Frankreich zu reden. — Der Examiner bemerkt: „Die
finanziellen Irrthümer der proviſoriſchen Regierung haben uns noch
weniger erſchreckt als gewiſſe andere, nämlich erſtens die Erklä-
[Spaltenumbruch] rung daß, da die Revolution das Werk der arbeitenden Claſſen
ſey, ſie auch zu deren Beſtem geſtaltet werden müſſe — ein Ge-
ſtändniß der Ungerechtigkeit gegen die übrige Volksgemeinde und eine
Sünde gegen die erklärte Gleichheit; zweitens das Circular Ledru-Rol-
lins, wodurch den Provincialcommiſſarien unbeſchränkte Vollmachten
ertheilt, ſie von aller Verantwortung als der von ihrem Gewiſſen frei-
geſprochen und mit der Controle der Wahlen beauftragt werden; drittens
das Manifeſt des Unterrichtsminiſters, worin ausdrücklich geſagt iſt: ein
ungebildeter aber ehrlicher, verſtändiger und erfahrner Bauer werde die
Intereſſen ſeiner Claſſe in der Nationalverſammlung unendlich beſſer
vertreten als ein reicher und gebildeter Bürger der aber das Landleben
nicht aus Erfahrung kenne. Dennoch in demſelben Actenſtück iſt er-
klärt: Frankreich habe jetzt nicht wie im Jahr 1793 mit dem fremden
Eindringling, ſondern mit der Unwiſſenheit zu kämpfen, und dieſe
ſoll, Hrn. Carnot zufolge, von Vetretern ohne die Vortheile der Erzie-
hung bekämpft werden. Was die Bauern betrifft, auf die ſich das Mi-
niſterium ſo ſehr verläßt, ſo mögen ſie Redlichkeit beſitzen und auch Er-
fahrung in einem beſchränkten Maße, wie das Roß in der Mühle, aber
ein zurückgebliebenes, geiſtig beſchränkteres Geſchlecht als das franzö-
ſiſche Landvolk gibt es nicht auf Gottes Erde; ſie ſind die bloßen Ge-
ſchöpfe der Gewohnheit und des Schlendrians, und unſere engliſchen
Bauern und Kleinpächter bei allen ihren Fehlern ſind civilifirt, aufge-
klärt, unternehmend und geſchickt in Vergleich mit ihren Standesge-
noſſen in Frankreich.“

Schottiſche Blätter melden den Tod des beliebten Volksdichters
William Thom, des ſogenannten „Poet of Inverury“. Er hinterläßt
eine unverſorgte Familie, für welche jetzt das Mitleid des Publicums in
Anſpruch genommen wird.

Die früher oft erwähnte chineſiſche Dſchunk, die ſo lange in New-
York liegen blieb, iſt jetzt nach einer ſtürmiſchen Ueberfahrt in Jerſey
angekommen, und wird wohl die Themſe heraufſegeln. Die chineſiſchen
Matroſen an Bord ſollen ſich ſehr übel betragen haben.

Frankreich.

Hr. v. Lamartine hat im Miniſterium des
Aeußern eine höchſt überraſchende Entdeckung gemacht, indem er eine
ſeit der Bewegung in Italien fortlaufende (nicht officielle) Correſpon-
denz zwiſchen Guizot und Roſſt vorgefunden, worin der ehemalige Mi-
niſter und ſein Botſchafter in Rom, beſonders der erſtere die Angelegen-
genheiten Italiens vom demokratiſchen Geſichtspunkte aus beurtheilen
und behandeln, und beide darin einverſtanden ſind daß man denſelben
fortwährend eine entſchieden demokratiſche Richtung geben müſſe. Wer
war nun in dieſer geheimen Correſpondenz, in dieſer geheimen Politik
der Betrogene? Bloß Fürſt Metternich oder auch Ludwig Philipp?
Hierüber dürfte ein nachträglicher Fund ähnlicher Art vielleicht hinrei-
chende Aufſchlüſſe geben. Minder überraſchend war ein Fund anderer
Art im Miniſterium der Juſtiz. Es iſt das ein Schreiben vom 4 Febr.
des Generaladvocaten Boucly an den Siegelbewahrer mit einer langen
Reihe ſchwerer Inzichten gegen Hrn. Libri, der in ſeiner dreifachen Eigenſchaft
als Profeſſor am Collège de France, Mitglied des Inſtituts und Mit-
arbeiter am Débats bekannt, der Entwendung zahlreicher Manuſcripte
und Werke von bedeutendem Werthe aus mehreren öffentlichen Biblio-
theken von Paris und in den Provinzen, beſchuldigt iſt. Hr. Boucly
fragt Hrn. Hebert ob er auf den Grund dieſer gewichtigen Inzichten eine
gerichtliche Unterſuchung gegen den Beſchuldigten einleiten ſoll? Die
Antwort auf dieſes Schreiben hat man bisher vergebens geſucht. Die-
ſer Fund war, wie geſagt, nicht ſehr überraſchend, denn ſchon ſeit viel-
len Jahren ſtand Libri im Verdacht daß er bei all ſeinen conſervativen
Grundſätzen in Sachen von koſtbaren Manuſcripten und Werken den
Principien des Communismus huldige, und von einer unwiderſtehlichen
Anziehungskraft für derlei geiſtige Beſitzthümer beherrſcht werde. Ein
Mitglied der gegenwärtigen Regierung, das früher in wiſſenſchaftlichen
Polemiken oft Gegenſtand ſeines Haſſes war (Hr. Arago), ſoll Hrn. Libri
zeitlich genug in Kenntniß von dem vorgefundenen Document geſetzt
haben, ſo daß er durch die Flucht ſich den Folgen ſeines litterariſchen
Communismus entziehen konnte.

Die neuerdings angekündigten
Truppenbewegungen haben nur eine örtliche Bedeutung. Das 4te Hu-
ſarenregiment begibt ſich von hier nach Lüneville, das 30ſte Infanterie-
regiment kömmt von Romainville ſtatt hieher nach Colmar, dagegen
rückt das 3te Infanterieregiment von Weiſſenburg nach unſerer Stadt.
Das Handlungshaus R., ſeit Jahren eines der bedeutendſten im Elſaß,

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[3/0019] haften Monopol und ihrem imperialen Privilegium durch Einſchränkung oder Ausdehnung des Geldlaufs Börſen und Wechſelcurſe nach Gefallen zu regeln, ſich ſo weit gebracht ſähe. Die Bank von Frankreich hat nur ſehr ſecundäre Beziehungen zum Schatzamt, und es trifft ſich öfter daß die Regierung ihr Gläubiger als daß ſie, wie die Bank von England, ihr allzu großmüthiger Schuldner iſt. Sie beſitzt nicht wie ihr Schwe- ſterinſtitut ein ganzes Drittel des im Lande circulirenden Metalls; ihre Noten haben außerhalb Paris ſo wenig Werth, daß 40 bis 50 Lieues von der Hauptſtadt ihre Inhaber oft ¼ bis ½ Procent daran verlieren. Aber ihre bewundernswerthe Oekonomie hat man nie in Frage geſtellt, und der einzige erhebliche Vorwurf welchen Finanzmän- ner ihr zu machen pflegten war daß ein ſolcher Ueberfluß koſtbaren Me- talls nutzlos in ihren Gewölben lag. Gleichwohl müßte ſie in einem Augenblick wo ihre Activa ihre Paffiva wahrſcheinlich um 100 Millio- nen Francs überſtiegen, ihre Baarzahlungen einſtellen. Die Folgen für den Credit werden ſo erſchrecklich ſeyn wie in den Jahren 1792 und 1793. Das Papier wird wahrſcheinlich nochmals das Geld erſetzen müſſen, und dieſes wird in ſeinen Verſtecken verſchwinden. Die Mittel des Umtauſches werden gelähmt, der Brodherr kommt außer Stand ſeinen Arbeiter zu bezahlen, und Noth und Unordnung werden die Folge ſeyn. Mittlerweile macht die Gironde der Kriſts einen verzweifelten Reac- tionsverſuch. Geſtachelt durch die Ausforderungen des Miniſters des In- nern, durch eine ſo drohende und finiſtre Anmaßung nicht ohne Grund beunruhigt, ſcheint die Bourgeoiſte entſchloſſen zu einem kühnen und gleichzeitigen Verſuch ihr 1830 gewonnenes und 1848 verlornes Ueber- gewicht wieder zu erobern. Emile Girardin ſteht als ein Gonfaloniere von Muth, Geiſt und Ausdauer an ihrer Spitze. Wie fruchtlos ihre Bewegung auch bis jetzt an politiſchen Ergebniſſen geweſen iſt, hat ſie doch dazu gedient die im Miniſterium obwaltende ſtarke Meinungsverſchieden- heit aus Licht zu ziehen.“ — Tröſtlicher ſteht der M. Herald die Sache an. Die franzöſiſche Handelskriſts im J. 1830 ſey gerade ſo drohend geweſen wie die jetzige, ja der „Krach“ in der Geldwelt noch viel ſchreck- licher. Zwar ſtehe man jetzt noch nicht am Ende der Dinge, aber unter dem halben hundert Bank- und Handelshäuſer, die in den nächſten ſechs Wochen fallen dürften, ſey vielleicht kein Dutzend zu fin- den das die letzten zehn Jahre über in einem wirklich geſunden und zah- lungsfähigen Zuſtande geweſen. Das Decret der proviſoriſchen Regie- rung werde dazu dienen die in ſich ſtarken Häuſer noch mehr zu befeſti- gen und die Beiſtand verdienenden zu unterſtützen. „Die Finanzlage Frankreichs, dieſe Wahrheit braucht man nicht erſt zu verkündigen,“ fügt der Herald bei, „war ſeit dem vor ſechzehn Jahren erfolgten Tode des Baron Louis in einem verrotteten Zuſtand, und ſeitdem hatte das Land keinen einzigen fähigen Finanzminiſter. Die Monarchie der Barrica- den — ein Monarch der den Thron achtzehn Jahre lang weder par droit de conquête noch par droit de naissance beſaß — vermehrte die Staatsſchuld um viele Millionen Francs, und jetzt, nachdem dieſe Mon- archie hinweggeſchwemmt iſt, leidet alles Eigenthum unter den Folgen ihrer Unvorſichtigkeit, Verſchwendung und Corruption. Den Credit und das Vertrauen wieder herzuſtellen iſt keine leichte Aufgabe. Indeſ- ſen wird die Handelskriſts, die allerdings ernſt iſt, doch ſehr übertrieben. Sie erſtreckt ſich keineswegs auf das Innere noch auf alle Hafenſtädte Frankreichs, ſondern beſchränkt ſich hauptſächlich auf Paris. Eine luxu- riöſe und überfeinerte Stadt wie Paris leidet mehr als irgendeine andere Capitale Europa’s durch die Abweſenheit reicher Fremdlinge. Sie trieb bisher einen unermeßlichen Handel in ſogenannten Pariſer Artikeln, welche die reichen Genußmenſchen kauften und verbrauchten, und eine Revolution bringt dieſe Art Handel natürlich ins Stocken. Aber da- mit ſind die Quellen franzöſiſchen Gewerbsfleißes und Wohlſtandes noch nicht vertrocknet. Kein Land in der Welt iſt für Production in ſo glück- licher Lage wie Frankreich, und beſchränkt ſich die Nation auf die Grän- zen der Ordnung und Freiheit, ſo werden die unheilvollen Folgen einer gewaltſamen Umwälzung mit der Zeit verſchwinden. Aber dazu iſt nö- thig daß alle Meinungen ſich frei ausſprechen können, und daß die neue Conſtituante nicht unter der Herrſchaft des Schreckens, ſondern unbe- fangen und feſſellos gewählt werde. Es gibt eine republicaniſche Ty- rannei ſo gut als eine königliche Tyrannei, und wir geſtehen Ledru- Rollins Umlaufſchreiben ſcheint uns ſtark davon gefärbt.“ Auch die M. Poſt meint: es ſey thöricht von einer Inſolvenz der Bank von Frankreich zu reden. — Der Examiner bemerkt: „Die finanziellen Irrthümer der proviſoriſchen Regierung haben uns noch weniger erſchreckt als gewiſſe andere, nämlich erſtens die Erklä- rung daß, da die Revolution das Werk der arbeitenden Claſſen ſey, ſie auch zu deren Beſtem geſtaltet werden müſſe — ein Ge- ſtändniß der Ungerechtigkeit gegen die übrige Volksgemeinde und eine Sünde gegen die erklärte Gleichheit; zweitens das Circular Ledru-Rol- lins, wodurch den Provincialcommiſſarien unbeſchränkte Vollmachten ertheilt, ſie von aller Verantwortung als der von ihrem Gewiſſen frei- geſprochen und mit der Controle der Wahlen beauftragt werden; drittens das Manifeſt des Unterrichtsminiſters, worin ausdrücklich geſagt iſt: ein ungebildeter aber ehrlicher, verſtändiger und erfahrner Bauer werde die Intereſſen ſeiner Claſſe in der Nationalverſammlung unendlich beſſer vertreten als ein reicher und gebildeter Bürger der aber das Landleben nicht aus Erfahrung kenne. Dennoch in demſelben Actenſtück iſt er- klärt: Frankreich habe jetzt nicht wie im Jahr 1793 mit dem fremden Eindringling, ſondern mit der Unwiſſenheit zu kämpfen, und dieſe ſoll, Hrn. Carnot zufolge, von Vetretern ohne die Vortheile der Erzie- hung bekämpft werden. Was die Bauern betrifft, auf die ſich das Mi- niſterium ſo ſehr verläßt, ſo mögen ſie Redlichkeit beſitzen und auch Er- fahrung in einem beſchränkten Maße, wie das Roß in der Mühle, aber ein zurückgebliebenes, geiſtig beſchränkteres Geſchlecht als das franzö- ſiſche Landvolk gibt es nicht auf Gottes Erde; ſie ſind die bloßen Ge- ſchöpfe der Gewohnheit und des Schlendrians, und unſere engliſchen Bauern und Kleinpächter bei allen ihren Fehlern ſind civilifirt, aufge- klärt, unternehmend und geſchickt in Vergleich mit ihren Standesge- noſſen in Frankreich.“ Schottiſche Blätter melden den Tod des beliebten Volksdichters William Thom, des ſogenannten „Poet of Inverury“. Er hinterläßt eine unverſorgte Familie, für welche jetzt das Mitleid des Publicums in Anſpruch genommen wird. Die früher oft erwähnte chineſiſche Dſchunk, die ſo lange in New- York liegen blieb, iſt jetzt nach einer ſtürmiſchen Ueberfahrt in Jerſey angekommen, und wird wohl die Themſe heraufſegeln. Die chineſiſchen Matroſen an Bord ſollen ſich ſehr übel betragen haben. Frankreich. ☉ Paris, 20 März.Hr. v. Lamartine hat im Miniſterium des Aeußern eine höchſt überraſchende Entdeckung gemacht, indem er eine ſeit der Bewegung in Italien fortlaufende (nicht officielle) Correſpon- denz zwiſchen Guizot und Roſſt vorgefunden, worin der ehemalige Mi- niſter und ſein Botſchafter in Rom, beſonders der erſtere die Angelegen- genheiten Italiens vom demokratiſchen Geſichtspunkte aus beurtheilen und behandeln, und beide darin einverſtanden ſind daß man denſelben fortwährend eine entſchieden demokratiſche Richtung geben müſſe. Wer war nun in dieſer geheimen Correſpondenz, in dieſer geheimen Politik der Betrogene? Bloß Fürſt Metternich oder auch Ludwig Philipp? Hierüber dürfte ein nachträglicher Fund ähnlicher Art vielleicht hinrei- chende Aufſchlüſſe geben. Minder überraſchend war ein Fund anderer Art im Miniſterium der Juſtiz. Es iſt das ein Schreiben vom 4 Febr. des Generaladvocaten Boucly an den Siegelbewahrer mit einer langen Reihe ſchwerer Inzichten gegen Hrn. Libri, der in ſeiner dreifachen Eigenſchaft als Profeſſor am Collège de France, Mitglied des Inſtituts und Mit- arbeiter am Débats bekannt, der Entwendung zahlreicher Manuſcripte und Werke von bedeutendem Werthe aus mehreren öffentlichen Biblio- theken von Paris und in den Provinzen, beſchuldigt iſt. Hr. Boucly fragt Hrn. Hebert ob er auf den Grund dieſer gewichtigen Inzichten eine gerichtliche Unterſuchung gegen den Beſchuldigten einleiten ſoll? Die Antwort auf dieſes Schreiben hat man bisher vergebens geſucht. Die- ſer Fund war, wie geſagt, nicht ſehr überraſchend, denn ſchon ſeit viel- len Jahren ſtand Libri im Verdacht daß er bei all ſeinen conſervativen Grundſätzen in Sachen von koſtbaren Manuſcripten und Werken den Principien des Communismus huldige, und von einer unwiderſtehlichen Anziehungskraft für derlei geiſtige Beſitzthümer beherrſcht werde. Ein Mitglied der gegenwärtigen Regierung, das früher in wiſſenſchaftlichen Polemiken oft Gegenſtand ſeines Haſſes war (Hr. Arago), ſoll Hrn. Libri zeitlich genug in Kenntniß von dem vorgefundenen Document geſetzt haben, ſo daß er durch die Flucht ſich den Folgen ſeines litterariſchen Communismus entziehen konnte. # Straßburg, 21 März.Die neuerdings angekündigten Truppenbewegungen haben nur eine örtliche Bedeutung. Das 4te Hu- ſarenregiment begibt ſich von hier nach Lüneville, das 30ſte Infanterie- regiment kömmt von Romainville ſtatt hieher nach Colmar, dagegen rückt das 3te Infanterieregiment von Weiſſenburg nach unſerer Stadt. Das Handlungshaus R., ſeit Jahren eines der bedeutendſten im Elſaß,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine85_1848/19>, abgerufen am 23.11.2024.