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Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Seite vorwärts, so würde ihm von der Seite Toscana's zu große Ge-
fahr drohen; während er mit jener Städtecolonne zu schaffen hätte,
könnte die Heeresmacht des italienischen Südens sich in Toscana zu-
sammenziehen und durch die Pässe des romagnolischen Apennin ihm
in die Flanke, durch die des Bolognesischen ihm in den Rücken fallen.
Nähme er die toskanische Straße, so könnten, während er sich an
Florenz den Kopf zerstieße, Romagna und die Marken ihm in die
linke Flanke fallen und den Rückzug abschneiden. So könnte man
denn mit ziemlicher Gewißheit sagen daß er beide Straßen würde be-
setzen müssen. Nicht geringere Uebelstände würden die Folge seyn.
Sein Heer, in zwei Hälften geschieden durch jene wunderbare Apenni-
nenkette welche, wenn geschickt benutzt, die Alpen selbst an militäri-
scher Bedeutung übertreffen müßte, wäre so schon durch das Terrain
an der Concentration gehindert: größeres Hinderniß aber würde noch
die in Waffen erstehende, im kleinen Krieg mehr oder minder geübte
Bevölkerung seyn. Widerständen nun Ancona und Florenz, die beiden
Angeln der Vertheidigung des mittlern Italiens, so wäre einem ta-
lentvollen Feldherrn eine der schönsten Aufgaben, einer der schönsten
Kampfplätze gegeben: bald hier bald dort könnte er auf einen ge-
theilten Feind fallen, mit ganzer Kraft auf eine geschwächte Macht
sich werfen, mit geringer eigener Gefahr, mit um so größerer des Geg-
ners. Da wären Nachahmungen, nicht sklavische, der Trancheen von
Torres vedras an ihrem Platze, bei Ancona wie bei Florenz. Dann
könnte das centrale Italien für unüberwindlich gelten, und gegen Gott
nicht undankbar sich zeigen für die Gabe der schönsten defensiven Ter-
rainbildung die es auf der Welt gibt.

In diesen Betrachtungen weiter zu gehen ist nicht nöthig. Sind
die vorstehenden nicht unrichtig, ist das mittlere Italien wirklich ent-
schlossen sich zu schlagen, so wird es jedem Feinde, wer es auch seyn
möge, schwer werden über die Quasi-Parallele von Ancona und Flo-
renz hinauszukommen, welche die Halbinsel in der Mitte durchschneidet.
Und gesetzt auch diese Städte fielen, so würde doch, leisteten sie den
Widerstand dessen ich meine Landsleuie für fähig halte, der Feind
so geschwächt und aufgehalten worden seyn daß er die nämlichen auf
dem Wege nach dem Süden sich wiederholenden Schwierigkeiten zu be-
stegen außer Stande seyn dürfte, ließe ihn auch die Erbitterung und
Antipathie Europa's weiter ziehen. Und diese Schwierigkeiten würden
ganz anderer Natur seyn in den Verzweigungen der sabinischen und
abruzzesischen Apenninen, und auf den beiden Straßen die in Rom zu-
sammenstoßen um sich aufs neue zu trennen, und der Scandal eines
Angriffs nach dem Muster Alarichs, Genserichs, der Ottonen, der
Heinreiche, und Karls V könnte sich nicht mehr wiederholen. Davor
wird Gott uns bewahren: bewahre er uns auch vor der Wiederkehr
eines jener Kaiserzüge, einer jener quasi-friedfertigen Invasionen,
jener quasi-diplomatischen Interventionen, eines jener Züge welche
ihre Standquatiere ruhig mit der Kreide anzeichnen, jener Züge die
in so großer Zahl unsere Halbinsel heimgesucht haben, von Karl
dem Großen bis auf den heutigen Tag! Jetzt wäre die Schande
größer, je mehr wir alle gehofft, je mehr wir alle versprochen haben.
Als die getrennten Fürsten und Völker den Namen Unabhängigkeit
auszusprechen sich scheuten, durfte man der Trennung die Schuld bei-
messen, durfte selbst der eine sie dem andern zuschieben. Aber alle ein-
stimmig den großen Ruf erhoben zu haben ohne ihn durchsetzen zu
können, aber die ferne Gefahr entboten zu haben und der nahenden
zu weichen, aber den starken Männern sich gleichgestellt zu haben und
ängstliche Weiber zu bleiben, aber die Waffen in Friedenszeit gefor-
dert, bereitet, ja geschwungen zu haben, und im Kampfe sie nicht in
der Faust halten zu können; ja dieß, träfe es ein, wäre das Ueber-
maß des Elends und der Schmach, ja dieß würde uns erneuter und
ärger verhöhnter Knechtschaft würdig machen. Doch, noch einmal,
das ist nicht möglich. Nie hat die Vorsehung uns so gnädig angeblickt: wir
sind vereint, sind wiedererstanden, sind wiedergesegnet, durch jenen Gottes-
mann, durch Pius IX. Lasset uns auf Gott vertrauen -- lasset uns alle,
auch wir, Gottesmänner werden, lasset uns ein jeder ein Christ wer-
den, jeder einfach und in sich selber stark, jeder seiner selbst vergessend,
jeder ein Helfer des Nachbarn und Landsmannes. Beschleunigen wir
nicht das Nahen des Tages der wahren, letzten, großen Waffenprobe:
aber, beim Himmel, fürchten wir dieß Nahen nicht, glauben wir nicht
diesen Tag heranzuziehen indem wir uns rüsten. Die Rüstungen wer-
den sein Kommen verzögern, ja vielleicht ganz hindern. Sehen wir's
nicht seit dreiunddreißig Jahren? Es ist in Europa neue Sitte mehr
[Spaltenumbruch] als durch anderes durch bloßes Rüsten zu schlagen. Dieses nutzt auf
alle Fälle.

Soweit Graf Balbo, den ich bald mit den eigenen Worten ange-
führt habe, bald im bloßen Resume des Wesentlichen seiner Ansicht.
Es mag seyn daß, wie nicht ohne Grund manche seiner politischen Ideen
Utopien genannt worden sind, in Italien wie außerhalb, man auch
manche seiner militärischen Betrachtungen als Träume und Vistonen
bezeichnen wird, daß man entgegnen wird das Ganze beruhe, strategisch
betrachtet, auf unhaltbaren Voraussetzungen. Es unterliegt keinem
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aber nur eine Andeutung lag im Plan des Verfassers, welchem es ge-
nügte diese Frage vom nationalen Standpunkt aus berührt und das
Für und Wider, die möglichen Chancen gezeigt zu haben. In dieser
Hinsicht ist es nun immer interessant einen Italiener sich äußern zu
hören, der, wenn auch etwas viel Poesie mit unterläuft, dennoch nicht
bloße Luftschlösser baut, und statt dem jetzt das Land erfüllenden kriege-
rischen Enthustasmus zu schmeicheln, die einzige Bedingung des Gelin-
gens, die einzige Möglichkeit der Kriegführung ungeschminkt und ent-
schieden hinstellt, und an andern Stellen seiner Schrift immer wieder
darauf zurückkommt. In dieser Rücksicht sind noch die Worte zu beachten
die er bei Gelegenheit des Capitels der Volksbewaffnung ausspricht --
Worte von denen er selber sagt daß sie vielleicht unangenehm klingen,
aber nöthig seyn dürften -- eine Wahrheit die sich jedem aufdringt wel-
cher das gegenwärtige Treiben, in den toscanischen Städten namentlich,
etwas ernstlicher betrachtet.

"Auf welche Weise auch immer, sagt Balbo,
jede Fraction unserer Nation sich waffnen möge, nach dem preußischen
System, welches man eine allgemeine Bewaffnung mittelst des stehenden
Heeres, oder nach dem französischen, das man eine allgemeine Bewaff-
nung mittelst der Nationalgarde nennen könnte: auf zwei Dinge kommt
es wesentlich an, daß das ganze Volk sich waffne, und daß es sich im
Ernst
waffne. Feste, Gesänge, Bankette, Lebehoch, Trinksprüche und
alle übrigen bereits stattgefundenen oder noch in Aussicht stehenden De-
monstrationen, sind sie bloße Mittel, bleiben sie nur Mittel und nichts
mehr, so zu sagen Mittel zur Aushebung der Mannschaft? Gut! Dann
wollen wir nicht Pedanten seyn, noch predigen, noch unser Volk mit
den kälteren Völkern des Nordens vergleichen. Doch, bei Gott und dem
Vaterlande, verschleudern wir nicht Zeit, Stimmen, Geist, Kraft und
Geld an Dinge die nichts zu schaffen haben mit den ernsten, sehr ernsten
Zwecken der Rüstung, des Einübens, des Sterbens für die Heimath.
Das Militärwesen ist die unthätigste Lebensweise, es ist die nichts-
sagendste Beschäftigung, die unverantwortlichste Geldverschleuderung,
die kindischste Spielerei, bleibt es Spielerei, ist es nicht ernstlich. Geld-
anwendung, Beschäftigung, Lebensaufgabe, sind nicht der Brust und
dem Gewissen eines jeden jene drei Zwecke, oder als Grundbedingung
der letzte allein, eingepflanzt? Siegen oder sterben ist ein ernsteres Ding
als irgendeines auf der Welt; es ist eine Wonne, aber eine ernste
Wonne; es ist ein Opfer, welches der wahrhaft Vorbereitete ohne Zau-
dern bringen muß. Die Gedankenlosen, die Lebeleute, die Gleichgültigen
können es bisweilen bringen, doch nicht immer. Es immer zu bringen,
in jedem Fall, muß man daran gedacht haben, muß man für jeden Fall
entschlossen seyn -- in Sieg und Niederlage, glorreich und ruhmlos,
mit wie ohne Hoffnung des Ruhmes und Lohnes, ohne Rückkehr zu
Eltern, Gattin, Kindern. Wer sich bei der Vorbereitung dieser Gedan-
ken entschlägt oder, was schlimmer, wer sich aufregt um sie loszuwerden,
dem kehren sie am Tag des Opfers centnerschwer und muthraubend zu-
rück; jene nur welche diesem Opfer lange und ernst ins Gesicht geschaut,
können ruhig und sicher seyn ihm bei jeder Gelegenheit bereit und freu-
dig zu begegnen."

Diese Worte kommen zu rechter Zeit. Man hat so manchen Für-
sten das Soldatenspielen vorgeworfen: das Soldatenspielen kann
auch die Völker anstecken. Wenn aber jeder Theil Italiens sich mit dem
Ernst der Sache wahrhaft durchdringt? Man sollte diese Frage doch
auch diesseits wohl ins Auge fassen.



Deutsche und englische Zustände.

So sehr man sich hier, wie an der war-
men ächten Freiheits- und Unabhängigkeitsliebe, so an der weisen
Mäßigung der deutschen Bürger aller Staaten freut, und so große
Hoffnung man sowohl aus diesen schönen Gesinnungen als aus der
klugen Mäßigung der Herrscher schöpft: so sehr betrübt es die deutschen

[Spaltenumbruch] Seite vorwärts, ſo würde ihm von der Seite Toscana’s zu große Ge-
fahr drohen; während er mit jener Städtecolonne zu ſchaffen hätte,
könnte die Heeresmacht des italieniſchen Südens ſich in Toscana zu-
ſammenziehen und durch die Päſſe des romagnoliſchen Apennin ihm
in die Flanke, durch die des Bologneſiſchen ihm in den Rücken fallen.
Nähme er die toskaniſche Straße, ſo könnten, während er ſich an
Florenz den Kopf zerſtieße, Romagna und die Marken ihm in die
linke Flanke fallen und den Rückzug abſchneiden. So könnte man
denn mit ziemlicher Gewißheit ſagen daß er beide Straßen würde be-
ſetzen müſſen. Nicht geringere Uebelſtände würden die Folge ſeyn.
Sein Heer, in zwei Hälften geſchieden durch jene wunderbare Apenni-
nenkette welche, wenn geſchickt benutzt, die Alpen ſelbſt an militäri-
ſcher Bedeutung übertreffen müßte, wäre ſo ſchon durch das Terrain
an der Concentration gehindert: größeres Hinderniß aber würde noch
die in Waffen erſtehende, im kleinen Krieg mehr oder minder geübte
Bevölkerung ſeyn. Widerſtänden nun Ancona und Florenz, die beiden
Angeln der Vertheidigung des mittlern Italiens, ſo wäre einem ta-
lentvollen Feldherrn eine der ſchönſten Aufgaben, einer der ſchönſten
Kampfplätze gegeben: bald hier bald dort könnte er auf einen ge-
theilten Feind fallen, mit ganzer Kraft auf eine geſchwächte Macht
ſich werfen, mit geringer eigener Gefahr, mit um ſo größerer des Geg-
ners. Da wären Nachahmungen, nicht ſklaviſche, der Trancheen von
Torres vedras an ihrem Platze, bei Ancona wie bei Florenz. Dann
könnte das centrale Italien für unüberwindlich gelten, und gegen Gott
nicht undankbar ſich zeigen für die Gabe der ſchönſten defenſiven Ter-
rainbildung die es auf der Welt gibt.

In dieſen Betrachtungen weiter zu gehen iſt nicht nöthig. Sind
die vorſtehenden nicht unrichtig, iſt das mittlere Italien wirklich ent-
ſchloſſen ſich zu ſchlagen, ſo wird es jedem Feinde, wer es auch ſeyn
möge, ſchwer werden über die Quaſi-Parallele von Ancona und Flo-
renz hinauszukommen, welche die Halbinſel in der Mitte durchſchneidet.
Und geſetzt auch dieſe Städte fielen, ſo würde doch, leiſteten ſie den
Widerſtand deſſen ich meine Landsleuie für fähig halte, der Feind
ſo geſchwächt und aufgehalten worden ſeyn daß er die nämlichen auf
dem Wege nach dem Süden ſich wiederholenden Schwierigkeiten zu be-
ſtegen außer Stande ſeyn dürfte, ließe ihn auch die Erbitterung und
Antipathie Europa’s weiter ziehen. Und dieſe Schwierigkeiten würden
ganz anderer Natur ſeyn in den Verzweigungen der ſabiniſchen und
abruzzeſiſchen Apenninen, und auf den beiden Straßen die in Rom zu-
ſammenſtoßen um ſich aufs neue zu trennen, und der Scandal eines
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Heinreiche, und Karls V könnte ſich nicht mehr wiederholen. Davor
wird Gott uns bewahren: bewahre er uns auch vor der Wiederkehr
eines jener Kaiſerzüge, einer jener quaſi-friedfertigen Invaſionen,
jener quaſi-diplomatiſchen Interventionen, eines jener Züge welche
ihre Standquatiere ruhig mit der Kreide anzeichnen, jener Züge die
in ſo großer Zahl unſere Halbinſel heimgeſucht haben, von Karl
dem Großen bis auf den heutigen Tag! Jetzt wäre die Schande
größer, je mehr wir alle gehofft, je mehr wir alle verſprochen haben.
Als die getrennten Fürſten und Völker den Namen Unabhängigkeit
auszuſprechen ſich ſcheuten, durfte man der Trennung die Schuld bei-
meſſen, durfte ſelbſt der eine ſie dem andern zuſchieben. Aber alle ein-
ſtimmig den großen Ruf erhoben zu haben ohne ihn durchſetzen zu
können, aber die ferne Gefahr entboten zu haben und der nahenden
zu weichen, aber den ſtarken Männern ſich gleichgeſtellt zu haben und
ängſtliche Weiber zu bleiben, aber die Waffen in Friedenszeit gefor-
dert, bereitet, ja geſchwungen zu haben, und im Kampfe ſie nicht in
der Fauſt halten zu können; ja dieß, träfe es ein, wäre das Ueber-
maß des Elends und der Schmach, ja dieß würde uns erneuter und
ärger verhöhnter Knechtſchaft würdig machen. Doch, noch einmal,
das iſt nicht möglich. Nie hat die Vorſehung uns ſo gnädig angeblickt: wir
ſind vereint, ſind wiedererſtanden, ſind wiedergeſegnet, durch jenen Gottes-
mann, durch Pius IX. Laſſet uns auf Gott vertrauen — laſſet uns alle,
auch wir, Gottesmänner werden, laſſet uns ein jeder ein Chriſt wer-
den, jeder einfach und in ſich ſelber ſtark, jeder ſeiner ſelbſt vergeſſend,
jeder ein Helfer des Nachbarn und Landsmannes. Beſchleunigen wir
nicht das Nahen des Tages der wahren, letzten, großen Waffenprobe:
aber, beim Himmel, fürchten wir dieß Nahen nicht, glauben wir nicht
dieſen Tag heranzuziehen indem wir uns rüſten. Die Rüſtungen wer-
den ſein Kommen verzögern, ja vielleicht ganz hindern. Sehen wir’s
nicht ſeit dreiunddreißig Jahren? Es iſt in Europa neue Sitte mehr
[Spaltenumbruch] als durch anderes durch bloßes Rüſten zu ſchlagen. Dieſes nutzt auf
alle Fälle.

Soweit Graf Balbo, den ich bald mit den eigenen Worten ange-
führt habe, bald im bloßen Reſumé des Weſentlichen ſeiner Anſicht.
Es mag ſeyn daß, wie nicht ohne Grund manche ſeiner politiſchen Ideen
Utopien genannt worden ſind, in Italien wie außerhalb, man auch
manche ſeiner militäriſchen Betrachtungen als Träume und Viſtonen
bezeichnen wird, daß man entgegnen wird das Ganze beruhe, ſtrategiſch
betrachtet, auf unhaltbaren Vorausſetzungen. Es unterliegt keinem
Zweifel, die militäriſche Frage iſt hier nur ſehr unvollſtändig angedeutet,
aber nur eine Andeutung lag im Plan des Verfaſſers, welchem es ge-
nügte dieſe Frage vom nationalen Standpunkt aus berührt und das
Für und Wider, die möglichen Chancen gezeigt zu haben. In dieſer
Hinſicht iſt es nun immer intereſſant einen Italiener ſich äußern zu
hören, der, wenn auch etwas viel Poeſie mit unterläuft, dennoch nicht
bloße Luftſchlöſſer baut, und ſtatt dem jetzt das Land erfüllenden kriege-
riſchen Enthuſtasmus zu ſchmeicheln, die einzige Bedingung des Gelin-
gens, die einzige Möglichkeit der Kriegführung ungeſchminkt und ent-
ſchieden hinſtellt, und an andern Stellen ſeiner Schrift immer wieder
darauf zurückkommt. In dieſer Rückſicht ſind noch die Worte zu beachten
die er bei Gelegenheit des Capitels der Volksbewaffnung ausſpricht —
Worte von denen er ſelber ſagt daß ſie vielleicht unangenehm klingen,
aber nöthig ſeyn dürften — eine Wahrheit die ſich jedem aufdringt wel-
cher das gegenwärtige Treiben, in den toscaniſchen Städten namentlich,
etwas ernſtlicher betrachtet.

„Auf welche Weiſe auch immer, ſagt Balbo,
jede Fraction unſerer Nation ſich waffnen möge, nach dem preußiſchen
Syſtem, welches man eine allgemeine Bewaffnung mittelſt des ſtehenden
Heeres, oder nach dem franzöſiſchen, das man eine allgemeine Bewaff-
nung mittelſt der Nationalgarde nennen könnte: auf zwei Dinge kommt
es weſentlich an, daß das ganze Volk ſich waffne, und daß es ſich im
Ernſt
waffne. Feſte, Geſänge, Bankette, Lebehoch, Trinkſprüche und
alle übrigen bereits ſtattgefundenen oder noch in Ausſicht ſtehenden De-
monſtrationen, ſind ſie bloße Mittel, bleiben ſie nur Mittel und nichts
mehr, ſo zu ſagen Mittel zur Aushebung der Mannſchaft? Gut! Dann
wollen wir nicht Pedanten ſeyn, noch predigen, noch unſer Volk mit
den kälteren Völkern des Nordens vergleichen. Doch, bei Gott und dem
Vaterlande, verſchleudern wir nicht Zeit, Stimmen, Geiſt, Kraft und
Geld an Dinge die nichts zu ſchaffen haben mit den ernſten, ſehr ernſten
Zwecken der Rüſtung, des Einübens, des Sterbens für die Heimath.
Das Militärweſen iſt die unthätigſte Lebensweiſe, es iſt die nichts-
ſagendſte Beſchäftigung, die unverantwortlichſte Geldverſchleuderung,
die kindiſchſte Spielerei, bleibt es Spielerei, iſt es nicht ernſtlich. Geld-
anwendung, Beſchäftigung, Lebensaufgabe, ſind nicht der Bruſt und
dem Gewiſſen eines jeden jene drei Zwecke, oder als Grundbedingung
der letzte allein, eingepflanzt? Siegen oder ſterben iſt ein ernſteres Ding
als irgendeines auf der Welt; es iſt eine Wonne, aber eine ernſte
Wonne; es iſt ein Opfer, welches der wahrhaft Vorbereitete ohne Zau-
dern bringen muß. Die Gedankenloſen, die Lebeleute, die Gleichgültigen
können es bisweilen bringen, doch nicht immer. Es immer zu bringen,
in jedem Fall, muß man daran gedacht haben, muß man für jeden Fall
entſchloſſen ſeyn — in Sieg und Niederlage, glorreich und ruhmlos,
mit wie ohne Hoffnung des Ruhmes und Lohnes, ohne Rückkehr zu
Eltern, Gattin, Kindern. Wer ſich bei der Vorbereitung dieſer Gedan-
ken entſchlägt oder, was ſchlimmer, wer ſich aufregt um ſie loszuwerden,
dem kehren ſie am Tag des Opfers centnerſchwer und muthraubend zu-
rück; jene nur welche dieſem Opfer lange und ernſt ins Geſicht geſchaut,
können ruhig und ſicher ſeyn ihm bei jeder Gelegenheit bereit und freu-
dig zu begegnen.“

Dieſe Worte kommen zu rechter Zeit. Man hat ſo manchen Für-
ſten das Soldatenſpielen vorgeworfen: das Soldatenſpielen kann
auch die Völker anſtecken. Wenn aber jeder Theil Italiens ſich mit dem
Ernſt der Sache wahrhaft durchdringt? Man ſollte dieſe Frage doch
auch dieſſeits wohl ins Auge faſſen.



Deutſche und engliſche Zuſtände.

So ſehr man ſich hier, wie an der war-
men ächten Freiheits- und Unabhängigkeitsliebe, ſo an der weiſen
Mäßigung der deutſchen Bürger aller Staaten freut, und ſo große
Hoffnung man ſowohl aus dieſen ſchönen Geſinnungen als aus der
klugen Mäßigung der Herrſcher ſchöpft: ſo ſehr betrübt es die deutſchen

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[1355/0011] Seite vorwärts, ſo würde ihm von der Seite Toscana’s zu große Ge- fahr drohen; während er mit jener Städtecolonne zu ſchaffen hätte, könnte die Heeresmacht des italieniſchen Südens ſich in Toscana zu- ſammenziehen und durch die Päſſe des romagnoliſchen Apennin ihm in die Flanke, durch die des Bologneſiſchen ihm in den Rücken fallen. Nähme er die toskaniſche Straße, ſo könnten, während er ſich an Florenz den Kopf zerſtieße, Romagna und die Marken ihm in die linke Flanke fallen und den Rückzug abſchneiden. So könnte man denn mit ziemlicher Gewißheit ſagen daß er beide Straßen würde be- ſetzen müſſen. Nicht geringere Uebelſtände würden die Folge ſeyn. Sein Heer, in zwei Hälften geſchieden durch jene wunderbare Apenni- nenkette welche, wenn geſchickt benutzt, die Alpen ſelbſt an militäri- ſcher Bedeutung übertreffen müßte, wäre ſo ſchon durch das Terrain an der Concentration gehindert: größeres Hinderniß aber würde noch die in Waffen erſtehende, im kleinen Krieg mehr oder minder geübte Bevölkerung ſeyn. Widerſtänden nun Ancona und Florenz, die beiden Angeln der Vertheidigung des mittlern Italiens, ſo wäre einem ta- lentvollen Feldherrn eine der ſchönſten Aufgaben, einer der ſchönſten Kampfplätze gegeben: bald hier bald dort könnte er auf einen ge- theilten Feind fallen, mit ganzer Kraft auf eine geſchwächte Macht ſich werfen, mit geringer eigener Gefahr, mit um ſo größerer des Geg- ners. Da wären Nachahmungen, nicht ſklaviſche, der Trancheen von Torres vedras an ihrem Platze, bei Ancona wie bei Florenz. Dann könnte das centrale Italien für unüberwindlich gelten, und gegen Gott nicht undankbar ſich zeigen für die Gabe der ſchönſten defenſiven Ter- rainbildung die es auf der Welt gibt. In dieſen Betrachtungen weiter zu gehen iſt nicht nöthig. Sind die vorſtehenden nicht unrichtig, iſt das mittlere Italien wirklich ent- ſchloſſen ſich zu ſchlagen, ſo wird es jedem Feinde, wer es auch ſeyn möge, ſchwer werden über die Quaſi-Parallele von Ancona und Flo- renz hinauszukommen, welche die Halbinſel in der Mitte durchſchneidet. Und geſetzt auch dieſe Städte fielen, ſo würde doch, leiſteten ſie den Widerſtand deſſen ich meine Landsleuie für fähig halte, der Feind ſo geſchwächt und aufgehalten worden ſeyn daß er die nämlichen auf dem Wege nach dem Süden ſich wiederholenden Schwierigkeiten zu be- ſtegen außer Stande ſeyn dürfte, ließe ihn auch die Erbitterung und Antipathie Europa’s weiter ziehen. Und dieſe Schwierigkeiten würden ganz anderer Natur ſeyn in den Verzweigungen der ſabiniſchen und abruzzeſiſchen Apenninen, und auf den beiden Straßen die in Rom zu- ſammenſtoßen um ſich aufs neue zu trennen, und der Scandal eines Angriffs nach dem Muſter Alarichs, Genſerichs, der Ottonen, der Heinreiche, und Karls V könnte ſich nicht mehr wiederholen. Davor wird Gott uns bewahren: bewahre er uns auch vor der Wiederkehr eines jener Kaiſerzüge, einer jener quaſi-friedfertigen Invaſionen, jener quaſi-diplomatiſchen Interventionen, eines jener Züge welche ihre Standquatiere ruhig mit der Kreide anzeichnen, jener Züge die in ſo großer Zahl unſere Halbinſel heimgeſucht haben, von Karl dem Großen bis auf den heutigen Tag! Jetzt wäre die Schande größer, je mehr wir alle gehofft, je mehr wir alle verſprochen haben. Als die getrennten Fürſten und Völker den Namen Unabhängigkeit auszuſprechen ſich ſcheuten, durfte man der Trennung die Schuld bei- meſſen, durfte ſelbſt der eine ſie dem andern zuſchieben. Aber alle ein- ſtimmig den großen Ruf erhoben zu haben ohne ihn durchſetzen zu können, aber die ferne Gefahr entboten zu haben und der nahenden zu weichen, aber den ſtarken Männern ſich gleichgeſtellt zu haben und ängſtliche Weiber zu bleiben, aber die Waffen in Friedenszeit gefor- dert, bereitet, ja geſchwungen zu haben, und im Kampfe ſie nicht in der Fauſt halten zu können; ja dieß, träfe es ein, wäre das Ueber- maß des Elends und der Schmach, ja dieß würde uns erneuter und ärger verhöhnter Knechtſchaft würdig machen. Doch, noch einmal, das iſt nicht möglich. Nie hat die Vorſehung uns ſo gnädig angeblickt: wir ſind vereint, ſind wiedererſtanden, ſind wiedergeſegnet, durch jenen Gottes- mann, durch Pius IX. Laſſet uns auf Gott vertrauen — laſſet uns alle, auch wir, Gottesmänner werden, laſſet uns ein jeder ein Chriſt wer- den, jeder einfach und in ſich ſelber ſtark, jeder ſeiner ſelbſt vergeſſend, jeder ein Helfer des Nachbarn und Landsmannes. Beſchleunigen wir nicht das Nahen des Tages der wahren, letzten, großen Waffenprobe: aber, beim Himmel, fürchten wir dieß Nahen nicht, glauben wir nicht dieſen Tag heranzuziehen indem wir uns rüſten. Die Rüſtungen wer- den ſein Kommen verzögern, ja vielleicht ganz hindern. Sehen wir’s nicht ſeit dreiunddreißig Jahren? Es iſt in Europa neue Sitte mehr als durch anderes durch bloßes Rüſten zu ſchlagen. Dieſes nutzt auf alle Fälle. Soweit Graf Balbo, den ich bald mit den eigenen Worten ange- führt habe, bald im bloßen Reſumé des Weſentlichen ſeiner Anſicht. Es mag ſeyn daß, wie nicht ohne Grund manche ſeiner politiſchen Ideen Utopien genannt worden ſind, in Italien wie außerhalb, man auch manche ſeiner militäriſchen Betrachtungen als Träume und Viſtonen bezeichnen wird, daß man entgegnen wird das Ganze beruhe, ſtrategiſch betrachtet, auf unhaltbaren Vorausſetzungen. Es unterliegt keinem Zweifel, die militäriſche Frage iſt hier nur ſehr unvollſtändig angedeutet, aber nur eine Andeutung lag im Plan des Verfaſſers, welchem es ge- nügte dieſe Frage vom nationalen Standpunkt aus berührt und das Für und Wider, die möglichen Chancen gezeigt zu haben. In dieſer Hinſicht iſt es nun immer intereſſant einen Italiener ſich äußern zu hören, der, wenn auch etwas viel Poeſie mit unterläuft, dennoch nicht bloße Luftſchlöſſer baut, und ſtatt dem jetzt das Land erfüllenden kriege- riſchen Enthuſtasmus zu ſchmeicheln, die einzige Bedingung des Gelin- gens, die einzige Möglichkeit der Kriegführung ungeſchminkt und ent- ſchieden hinſtellt, und an andern Stellen ſeiner Schrift immer wieder darauf zurückkommt. In dieſer Rückſicht ſind noch die Worte zu beachten die er bei Gelegenheit des Capitels der Volksbewaffnung ausſpricht — Worte von denen er ſelber ſagt daß ſie vielleicht unangenehm klingen, aber nöthig ſeyn dürften — eine Wahrheit die ſich jedem aufdringt wel- cher das gegenwärtige Treiben, in den toscaniſchen Städten namentlich, etwas ernſtlicher betrachtet. „Auf welche Weiſe auch immer, ſagt Balbo, jede Fraction unſerer Nation ſich waffnen möge, nach dem preußiſchen Syſtem, welches man eine allgemeine Bewaffnung mittelſt des ſtehenden Heeres, oder nach dem franzöſiſchen, das man eine allgemeine Bewaff- nung mittelſt der Nationalgarde nennen könnte: auf zwei Dinge kommt es weſentlich an, daß das ganze Volk ſich waffne, und daß es ſich im Ernſt waffne. Feſte, Geſänge, Bankette, Lebehoch, Trinkſprüche und alle übrigen bereits ſtattgefundenen oder noch in Ausſicht ſtehenden De- monſtrationen, ſind ſie bloße Mittel, bleiben ſie nur Mittel und nichts mehr, ſo zu ſagen Mittel zur Aushebung der Mannſchaft? Gut! Dann wollen wir nicht Pedanten ſeyn, noch predigen, noch unſer Volk mit den kälteren Völkern des Nordens vergleichen. Doch, bei Gott und dem Vaterlande, verſchleudern wir nicht Zeit, Stimmen, Geiſt, Kraft und Geld an Dinge die nichts zu ſchaffen haben mit den ernſten, ſehr ernſten Zwecken der Rüſtung, des Einübens, des Sterbens für die Heimath. Das Militärweſen iſt die unthätigſte Lebensweiſe, es iſt die nichts- ſagendſte Beſchäftigung, die unverantwortlichſte Geldverſchleuderung, die kindiſchſte Spielerei, bleibt es Spielerei, iſt es nicht ernſtlich. Geld- anwendung, Beſchäftigung, Lebensaufgabe, ſind nicht der Bruſt und dem Gewiſſen eines jeden jene drei Zwecke, oder als Grundbedingung der letzte allein, eingepflanzt? Siegen oder ſterben iſt ein ernſteres Ding als irgendeines auf der Welt; es iſt eine Wonne, aber eine ernſte Wonne; es iſt ein Opfer, welches der wahrhaft Vorbereitete ohne Zau- dern bringen muß. Die Gedankenloſen, die Lebeleute, die Gleichgültigen können es bisweilen bringen, doch nicht immer. Es immer zu bringen, in jedem Fall, muß man daran gedacht haben, muß man für jeden Fall entſchloſſen ſeyn — in Sieg und Niederlage, glorreich und ruhmlos, mit wie ohne Hoffnung des Ruhmes und Lohnes, ohne Rückkehr zu Eltern, Gattin, Kindern. Wer ſich bei der Vorbereitung dieſer Gedan- ken entſchlägt oder, was ſchlimmer, wer ſich aufregt um ſie loszuwerden, dem kehren ſie am Tag des Opfers centnerſchwer und muthraubend zu- rück; jene nur welche dieſem Opfer lange und ernſt ins Geſicht geſchaut, können ruhig und ſicher ſeyn ihm bei jeder Gelegenheit bereit und freu- dig zu begegnen.“ Dieſe Worte kommen zu rechter Zeit. Man hat ſo manchen Für- ſten das Soldatenſpielen vorgeworfen: das Soldatenſpielen kann auch die Völker anſtecken. Wenn aber jeder Theil Italiens ſich mit dem Ernſt der Sache wahrhaft durchdringt? Man ſollte dieſe Frage doch auch dieſſeits wohl ins Auge faſſen. Deutſche und engliſche Zuſtände. * London, 18 März.So ſehr man ſich hier, wie an der war- men ächten Freiheits- und Unabhängigkeitsliebe, ſo an der weiſen Mäßigung der deutſchen Bürger aller Staaten freut, und ſo große Hoffnung man ſowohl aus dieſen ſchönen Geſinnungen als aus der klugen Mäßigung der Herrſcher ſchöpft: ſo ſehr betrübt es die deutſchen

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848, S. 1355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine85_1848/11>, abgerufen am 27.11.2024.