Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 27. März 1900.Dienstag. 27. März 1900.Zweites Abendblatt Nr. 84 der Allgemeinen Zeitung. [Spaltenumbruch] Die Stellung des Präsidenten Loubet. # Paris, 25. März. Eines der unerklärlichsten und Alle diese Leute und die große Masse derer, die jetzt ge- Aber nicht einmal seine Anhänger haben dafür gesorgt, Von Seiten des Hrn. Loubet geschieht dabei alles, was Hr. Loubet hat das im gegenwärtigen Augenblick gethan Der Krieg in Südafrika. Brüssel, 27. März. Tel. Die Delegation # London, 27. März. Tel. Das Kriegsministerium * London, 27. März. Tel. "Daily Mail" meldet * London, 27. März. Tel. Ein 400 Mann starkes * London, 27. März. Tel. "Daily News" berichten * London, 27. März. Tel. "Daily Mail" meldet aus * London, 27. März. Tel. Gouverneur Milner ist d. London, 27. März. Tel. Aus Kimberley wird * Washington, 27. März. Tel. Das Staatsdeparte- Großbritannien. Die Frage der Delagoa-Bahn. n. London, 25. März. Das Berner Schiedsgericht in Natürlich ist die Londoner Presse schon jetzt einig in dem Jagd auf Kang-yu-Wei. * London, 27. März. Tel. "Daily Mail" meldet Rußland. Russische Handelsflotte. K. C. Das russische Handelsministerium veröffentlicht Serbien. Personalnachricht. * Wie man aus Belgrad meldet, hat der Gesandte i. R. Montenegro. Ueber die Mission des russischen Finanzraths Müller wird der "Köln. Ztg." aus Ragusa geschrieben: Der Sach- Dienſtag. 27. März 1900.Zweites Abendblatt Nr. 84 der Allgemeinen Zeitung. [Spaltenumbruch] Die Stellung des Präſidenten Loubet. # Paris, 25. März. Eines der unerklärlichſten und Alle dieſe Leute und die große Maſſe derer, die jetzt ge- Aber nicht einmal ſeine Anhänger haben dafür geſorgt, Von Seiten des Hrn. Loubet geſchieht dabei alles, was Hr. Loubet hat das im gegenwärtigen Augenblick gethan Der Krieg in Südafrika. Brüſſel, 27. März. Tel. Die Delegation # London, 27. März. Tel. Das Kriegsminiſterium * London, 27. März. Tel. „Daily Mail“ meldet * London, 27. März. Tel. Ein 400 Mann ſtarkes * London, 27. März. Tel. „Daily News“ berichten * London, 27. März. Tel. „Daily Mail“ meldet aus * London, 27. März. Tel. Gouverneur Milner iſt d. London, 27. März. Tel. Aus Kimberley wird * Waſhington, 27. März. Tel. Das Staatsdeparte- Großbritannien. Die Frage der Delagoa-Bahn. n. London, 25. März. Das Berner Schiedsgericht in Natürlich iſt die Londoner Preſſe ſchon jetzt einig in dem Jagd auf Kang-yu-Wei. * London, 27. März. Tel. „Daily Mail“ meldet Rußland. Ruſſiſche Handelsflotte. K. C. Das ruſſiſche Handelsminiſterium veröffentlicht Serbien. Perſonalnachricht. * Wie man aus Belgrad meldet, hat der Geſandte i. R. Montenegro. Ueber die Miſſion des ruſſiſchen Finanzraths Müller wird der „Köln. Ztg.“ aus Raguſa geſchrieben: Der Sach- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0005"/> <div n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docDate> <hi rendition="#b">Dienſtag.</hi> </docDate> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Zweites Abendblatt Nr. 84 der Allgemeinen Zeitung.</hi> </titlePart> </docTitle> </titlePage> <docDate>27. März 1900.</docDate><lb/> <cb/> </front> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Die Stellung des Präſidenten Loubet.</hi> </hi> </head><lb/> <dateline># <hi rendition="#b">Paris,</hi> 25. März.</dateline> <p>Eines der unerklärlichſten und<lb/> bisher unerklärteſten Rätſel, vor dem man hier in Frank-<lb/> reich ſteht, iſt der Haß, mit dem von zehn Franzoſen neun,<lb/> wenigſtens neun von zehn Franzoſen, die ſich zu der Frage<lb/> überhaupt zum Wort melden, den Präſidenten der Republik,<lb/> Hrn. <hi rendition="#g">Loubet,</hi> verfolgen. Es gibt kein Schimpfwort, das<lb/> den Gegnern Loubets zu gemein wäre, um es täglich in der<lb/> Preſſe auf ihn anzuwenden; es gibt keine Handlung, und ſei<lb/> ſie noch ſo degradirend, deren man ihn nicht für fähig oder<lb/> gar für ſchuldig und überführt erklärte. Ein gutes Theil<lb/> dieſer Loubet-Hetze kann man, ja muß man auf Rechnung der<lb/> allgemeinen Verwilderung der politiſchen und journaliſtiſchen<lb/> Sitten ſetzen; man diskutirt und argumentirt in den extremen<lb/> Parteien — und was iſt heute hier nicht extrem? — über-<lb/> haupt nicht mehr, man ſchimpft und beſchimpft nur noch.<lb/> Die Vertheidiger von Thron und Altar gehen darin den<lb/> Radikalen und Sozialdemokraten mit dem denkbar ſchlechteſten<lb/> Beiſpiel voran und Allen vorauf marſchiren die unter dem<lb/> Sammelnamen der Nationaliſten vereinigten Déronléde’ſchen<lb/> Patrioten, die Coppé’ſchen Vaterlandsfreunde, die Drumont-<lb/> ſchen Antiſemiten und Antiproteſtanten, ſowie als ſtärkſter und<lb/> gefährlichſter Trupp die Mercier-Rochefort’ſchen Generalſtabs-<lb/> parteiler.</p><lb/> <p>Alle dieſe Leute und die große Maſſe derer, die jetzt ge-<lb/> dankenlos, oder ſich der allgemeinen „Hatz“ freuend, hinter<lb/> ihnen her marſchirt, hatten an Hrn. Loubet, ſolange er nur<lb/> Miniſterpräſident oder Präſident des Senats war, nicht das<lb/> Mindeſte auszuſetzen; ſie griffen ihn wenigſtens nicht mehr<lb/> und nicht grimmiger an als irgend einen anderen Premier-<lb/> miniſter oder Senatspräſidenten, aber ſeit der Stunde, in der<lb/> Hr. Loubet ſich anſchickte, ins Elyſée einzuziehen, iſt er allen<lb/> dieſen Leuten <hi rendition="#aq">„le dernier des misérables“.</hi> Und warum?<lb/> Weil er, was allerdings richtig iſt, zu denjenigen maßgebenden<lb/> Parlamentariern gehört hat, die während des von den<lb/> Geguern der Republik im Bunde mit einigen mehr ehrlich<lb/> als politiſch denkenden Republikanern unternommenen Ver-<lb/> ſuches, den Panama-Skandal „zu liquidiren“, von dieſer<lb/> Liquidation nichts wiſſen wollten und die dabei ihre ſchir-<lb/> mende Hand nicht nur über Unſchuldige, ſondern auch über<lb/> notoriſch Schuldige gehalten haben? O nein! Dieſen Akt<lb/> der parlamentariſchen Camaraderie hätte ihm hier, in dem<lb/> Lande, dem wir das Wort wie den Begriff der „Camaraderie“,<lb/> der weit über das hinausgeht, was wir im allerhäßlichſten<lb/> Sinne Gevatterſchaftswirthſchaft nennen könnten, verdanken,<lb/> eruſtlich Niemand übelgenommen. Was Loubet in dieſer Be-<lb/> that und aus Selbſterhaltungstrieb thun mußte — er hatte in<lb/> der Panama-Affaire nicht geſtohlen, aber er hatte ſeine Kol-<lb/> legen und um ſich herum ſtehlen laſſen, ohne dagegen zu pro-<lb/> teſtiren oder ohne dagegen proteſtiren zu können —, das<lb/> haben alle Anderen, die an ſeiner Statt hätten Präſident der<lb/> Republik werden können, das hatten Hr. Carnot, Hr. Caſimir-<lb/> Perier und Hr. Felix Faure und das haben alle ſeitherigen<lb/> Miniſter ꝛc., das hat ſelbſt der unbeſtechliche Briſſon auch<lb/> gethan. Alſo deßhalb, weil er den ſehr zweifelhaften Tugend-<lb/> helden, die ihn heute als „Panama <hi rendition="#aq">I</hi>“ u. ſ. w. zu beſchimpfen<lb/> ſuchen, wegen ſeiner Haltung bei der ſog. Liquidation des Panama-<lb/> Skandals verdächtig geworden iſt, deßhalb wird Hr. Lonbet heute<lb/> nicht von nenn Zehnteln der Franzoſen beſchimpft und verfolgt.<lb/> Er iſt auch <hi rendition="#g">nicht</hi> deßhalb einer der beſtgehaßten Leute<lb/> Frankreichs, weil er bei ſeiner Wahl zum Staatsoberhaupt<lb/> den Auftrag mit auf den Weg erhalten hat, unter Schonung<lb/> aller Parteien und Anſichten, ähnlich wie er den Panama-<lb/> Skandal liquidiren geholfen hatte, ſo auch jetzt den <hi rendition="#g">Dreyfus-<lb/> Handel</hi> aus der Welt zu ſchaffen und weil er dieſen Auftrag,<lb/> ſo gut oder ſo ſchlecht es eben ging, natürlich zu aller Welt<lb/> Unzufriedenheit ausgeführt hat, ſondern er iſt gehaßt, blind,<lb/> fanatiſch und maßlos, weil er in ſich zur Zeit den letzten<lb/> Widerſtand verkörpert oder doch zu verkörpern ſcheint, den<lb/> die abſterbende bürgerlich-liberale, demokratiſch-parlamentariſche<lb/><hi rendition="#g">Republik,</hi> ſo wie die Männer des Anfangs der 70er Jahre,<lb/> die Thiers, Gambetta, Ferry, Favre, Simon, Grévy, Floquet,<lb/> Freyeinet ꝛc. ſie ſich und für ſich geſchaffen haben, dem ver-<lb/> einten Anſturm ihrer Gegner von rechts und links entgegen-<lb/> ſetzt. Hr. Loubet iſt vor allem gewählt worden als Schirm-<lb/> vogt der legalen bürgerlichen Gewalt gegenüber der für die<lb/> Einen drohenden, für die Anderen ſehnlichſt erwünſchten<lb/><hi rendition="#g">Diktatur</hi>.</p><lb/> <p>Aber nicht einmal ſeine Anhänger haben dafür geſorgt,<lb/> daß der alte Herr ein wenig Freude am Amt findet. Gleich<lb/> bei ſeinem Einzug in Paris wurde er, ſtatt angefeiert zu<lb/> werden, angejohlt und, ſtatt mit Blumen, mit allerlei Unrath<lb/> beworfen; wenige Tage ſpäter, anläßlich der Veiſetzung Faure’s,<lb/> konnte nur ein mächtiges Polizeiaufgebot ihn vor abermaligen<lb/> wörtlichen und thätlichen Beſchimpfungen retten und nur der<lb/> blinde Zufall, der Umſtand, daß Déroulède, der Führer der<lb/> Verſchworenen, gar zu närriſch und der zum Staatsſtreich<lb/> ausgeſuchte General Roget „vorſichtiger“ war, als man an-<lb/> genommen hatte, rettete ihn davor, aus dem Elyſée wieder<lb/> vertrieben zu werden, bevor er noch in dasſelbe wirklich ein-<lb/> gezogen war. Wieder ein paar Tage darauf empfingen ihn<lb/> die Mitglieder des Jockeyklubs auf ihrem Renuplatz, auf den<lb/> ſie ihn ſelbſt geladen hatten — das mag ja nicht hübſch ſein,<lb/> iſt aber nun einmal ſo — mit Stockſchlägen, bei denen Hrn.<lb/> Loubets Zylinder zum Glück ſchlimmer zugerichtet wurde als<lb/> er ſelbſt, was aber immerhin zur üblen Folge gehabt hat,<lb/> daß ähnlich wie einſt der erſte Napoleon immer mit ſeinem<lb/> kleinen Dreiſpitz abgebildet wurde, ſo jetzt Hr. Loubet nur<lb/> noch mit eingetriebenem Zylinder karrikirt zu werden pflegt.<lb/> Wieder einige Zeit ſpäter wußte dann ein Trupp bezechter<lb/> Offiziere unter Führung eines konfervativen Abgeordneten<lb/> nichts beſſeres zu thun, als das Loubet’ſche Haus in ſeiner<lb/> Vaterſtadt Montélimar, in dem der Präſident der Republik<lb/> gerade zum Beſuch weilte, in der denkbar widerwärtigſten<lb/> und ſkandalöſeſten Weiſe zu beſudeln, und auch ſeither laſſen<lb/> die Anti-Loubetianer keine Gelegenheit unbenutzt vorübergehen,<lb/> um ihn in der öffentlichen Meinung herabzuſetzen, zu ſchmähen<lb/> und zu beſchimpfen.</p><lb/> <p>Von Seiten des Hrn. Loubet geſchieht dabei alles, was<lb/> nur irgend möglich iſt und was Milde und Verſöhnlichkeit<lb/> nur irgend ausdenken können, um die Oppoſition gegen ſeine<lb/> Perſon und gegen ſeine Regierung zu entwaffnen. Schon<lb/> vor Monaten habe ich über den jetzigen Präſidenten der<lb/> Republik an dieſer Stelle einmal geſagt, er ſei im Grunde<lb/> ein kreuzbraver Mann, ehrlich, anſtändig, makellos, etwas<lb/> Bauer, aber ein guter Bauer, und was ich damals geſagt<lb/> habe, kann ich heute nur wiederholen. Selbſt die boshafteſten<lb/> und böswilligſten Späher haben in ſeinem Vorleben und in<lb/> ſeiner Familie nichts poſitives zu entdecken vermocht, womit<lb/> man ihn wirklich herabſetzen, ihn entwürdigen, verächtlich oder<lb/><cb/> lächerlich machen könnte, und als Staatsoberhaupt hat er<lb/> ſtreng nach der Verfaſſung regiert und bisher keine Gelegenheit<lb/> vorübergehen laſſen, ſich verſöhnlich zu zeigen und ſeinen<lb/> Feinden Böſes mit Gutem zu vergelten. Letzteres hat er<lb/> denn auch wieder einmal in dieſen Tagen gethan. Bevor er<lb/> am Freitag Abend für eine halbe Woche zu ſeiner Mutter<lb/> auf deren Bauernhof bei Montélimar gereist iſt, hat er die<lb/> Begnadigung des Barons <hi rendition="#g">Chriſtiani</hi> unterzeichnet, des<lb/> bekannten Auteuiler Klubmanus, der Hrn. Loubet zu dem ein-<lb/> getriebenen Zylinder verholfen hat.</p><lb/> <p>Hr. Loubet hat das im gegenwärtigen Augenblick gethan<lb/> und thun zu können geglaubt, weil einmal der Wind hier<lb/> zur Zeit überhaupt aus dem Amneſtiewinkel weht und weil<lb/> außerdem, auſcheinend wenigſtens, mit der herannahenden<lb/> Weltausſtellung für ihn eine Art Gottesfrieden begonnen hat.<lb/> Möge er ſich hierin nicht irren! Der Wunſch ſcheint mir in<lb/> aller Welt Intereſſe, in dem des Hrn. Loubet, in dem Frank-<lb/> reichs und auch in dem unſrigen geboten zu ſein. Denn auch<lb/> wir wiſſen, wen wir in Hrn. Loubet haben, d. h. einen<lb/> anſtändigen, rechtſchaffenen, politiſch ausgereiften, weder eitlen<lb/> noch perſönlich ehrgeizigen und ſomit nicht auf Abenteuer<lb/> ausgehenden, ſondern friedliebenden und friedfertigen Mann<lb/> an der Spitze des für uns vortheilhafteſten Staatsweſens<lb/> in Frankreich: der Republik; und wir wiſſen nicht annähernd,<lb/> wer und was nach ihm und nach der Republik kommen würde.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Krieg in Südafrika.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline> <hi rendition="#b">Brüſſel,</hi> 27. März.</dateline> <p><hi rendition="#g">Tel</hi>. Die <hi rendition="#g">Delegation<lb/> der beiden Buren-Staaten</hi> trifft Anfang April an<lb/> Bord des deutſchen Reichspoſtdampfers „Kaiſer“ in<lb/><hi rendition="#g">Neapel</hi> ein. Sie begibt ſich von dortj direkt nach<lb/><hi rendition="#g">Berlin</hi> und von da über <hi rendition="#g">Brüſſel nach New-York</hi>.<lb/> Von einem Beſuch in St. Petersburg iſt hier noch nichts<lb/> bekannt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline># <hi rendition="#b">London,</hi> 27. März.</dateline> <p><hi rendition="#g">Tel</hi>. Das Kriegsminiſterium<lb/> hat den Oberſten <hi rendition="#g">Kekewich,</hi> den bisherigen Kommandeur<lb/> von <hi rendition="#g">Kimberley,</hi> aufgefordert, einen ausführlichen Bericht<lb/> über die Belagerung Kimberley’s einzureichen mit beſonderer<lb/> Bezugnahme auf die angeblichen Einmiſchungen von Cecil<lb/> Rhodes in die militäriſchen Anordnungen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">London,</hi> 27. März.</dateline> <p><hi rendition="#g">Tel</hi>. „Daily Mail“ meldet<lb/> aus <hi rendition="#g">Kapſtadt</hi> vom 26. d. M.: Heute geht von <hi rendition="#g">Kimberley</hi><lb/> eine Expedition ab. Ihr Hauptziel iſt der von den Buren<lb/> beſetzte Ort <hi rendition="#g">Griquatown</hi>.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">London,</hi> 27. März.</dateline> <p><hi rendition="#g">Tel</hi>. Ein 400 Mann ſtarkes<lb/><hi rendition="#g">Burenkommando</hi> beſetzte <hi rendition="#g">Papkuel</hi> wieder und zwang die<lb/> Buren des <hi rendition="#g">Herbert-Diſtriktes,</hi> ſich dem Aufſtande wieder<lb/> anzuſchließen. In dieſer Gegend kamen ausgedehnte Plün-<lb/> derungen vor. (Letztere Beſchuldigung wird von den Eng-<lb/> ländern ſyſtemathiſch erhoben. Engliſche Journaliſten aber<lb/> haben geſchildert, in welch brutaler Weiſe gerade „Tommy<lb/> Atkins“ ſich in Feindesland benimmt, im Gegenſatz zu den<lb/> Buren. Die Red.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">London,</hi> 27. März.</dateline> <p><hi rendition="#g">Tel</hi>. „Daily News“ berichten<lb/> aus <hi rendition="#g">Bloemfontein</hi> vom 25. d. M.: General <hi rendition="#g">Freuch</hi> iſt<lb/> mit ſeiner Kavallerie <hi rendition="#g">zurückgekehrt,</hi> ohne mit dem Feind<lb/> zuſammenzuſtoßen. Eine Anzahl <hi rendition="#g">Burghers</hi> in den von<lb/> French durchzogenen Gebieten <hi rendition="#g">legte die Waffen nieder</hi>.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">London,</hi> 27. März.</dateline> <p><hi rendition="#g">Tel</hi>. „Daily Mail“ meldet aus<lb/><hi rendition="#g">Ladyſmith</hi> vom 25. März: Heute ging die Meldung ein,<lb/> daß die <hi rendition="#g">Buren</hi> ſich am <hi rendition="#g">Van Neenens-Paß</hi> ſtark ver-<lb/> ſchanzen und mit <hi rendition="#g">ſchweren Geſchützen</hi> auf weite Ent-<lb/> fernungen einſchießen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">London,</hi> 27. März.</dateline> <p><hi rendition="#g">Tel</hi>. Gouverneur <hi rendition="#g">Milner</hi> iſt<lb/> von Aliwal-North nach Bethulie weitergereist.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#aq">d.</hi><hi rendition="#b">London,</hi> 27. März.</dateline> <p><hi rendition="#g">Tel</hi>. Aus <hi rendition="#g">Kimberley</hi> wird<lb/> vom 26. d. M. gemeldet: Die Zahl der Europäer und Ein-<lb/> geborenen, welche ſich in ſchlechten Verhältniſſen befinden, iſt<lb/> ſehr bedeutend. Lord Methuen hatte bereits Vorkehrungen<lb/> getroffen, um die Bedürftigen nach Kapſtadt zu ſenden, aber<lb/> die Behörden von Kapſtadt ſträubten ſich gegen die Aufnahme<lb/> der Leute, indem ſie erklärten, Kapſtadt ſei bereits übermäßig<lb/> mit Flüchtlingen angefüllt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Waſhington,</hi> 27. März.</dateline> <p><hi rendition="#g">Tel</hi>. Das Staatsdeparte-<lb/> ment erfährt, daß der <hi rendition="#g">Schiedsſpruch</hi> in der <hi rendition="#g">Delagoa-<lb/> bai-Frage</hi> nicht <hi rendition="#g">vor Mitte April</hi> bekannt gegeben werden<lb/> wird. Es heißt ferner, daß die Schiedsrichter, wenn ſie ſich<lb/> an die Beſtimmungen des Schiedsgerichtsvertrages halten,<lb/> nicht umhin können werden, ſelbſt die Theilung der Entſchä-<lb/> digungsſumme unter den Betheiligten vorzunehmen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#c">Die Frage der Delagoa-Bahn.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#aq">n.</hi><hi rendition="#b">London,</hi> 25. März.</dateline> <p>Das Berner Schiedsgericht in<lb/> der Angelegenheit der <hi rendition="#g">Delagoa-Bahn</hi> ſollte morgen, Mon-<lb/> tag, ſeine Entſcheidung fällen, hat den Spruch aber im letzten<lb/> Augenblick noch etwas verſchoben. Nach einigen Meldungen<lb/> würde die Bekanntgebung noch in dieſer Woche erfolgen, nach<lb/> anderen erſt Mitte April. Das Schiedsgericht ſoll bekanntlich<lb/> die Frage entſcheiden, einen wie hohen Schadenerſatz Portugal<lb/> an England und die Vereinigten Staaten zu zahlen hat wegen<lb/> der <hi rendition="#g">Beſchlagnahme</hi> der <hi rendition="#g">Delagoa-Bahn</hi> am 26. Juni<lb/> 1889. Die Streitfrage hat folgende Vorgeſchichte. Im Jahre<lb/> 1883 erhielt ein Amerikaner vom Gouverneur von Moçambique<lb/> die Konzeſſion für eine Eiſenbahn von Lourenço Marques nach<lb/> Transvaal. Nachdem der Bau begonnen war, trat der<lb/> Amerikaner ſeine Rechte an eine engliſch-amerikaniſche Geſell-<lb/> ſchaft ab. Später hat Portugal plötzlich die Forderung er-<lb/> hoben, die Bahn müßte bis zur Transvaalgrenze über den Ort<lb/> Komatipoort geführt werden, was urſprünglich nicht geplant<lb/> war, und in acht Monaten in der Hauptſache fertig ſein.<lb/> Die Engländer und einige ebenfalls betheiligte Amerikaner<lb/> erklärten, dieſe Bedingung nicht eingehen zu können und<lb/> darauf behinderten die portugieſiſchen Behörden den Weiter-<lb/> bau durch die Beſchlagnahme der Linie und die Aufhebung<lb/> der Konzeſſion. Bei der Wegnahme der Materialien kam es<lb/> zu Krawallen, die mit der Beſchädigung des begonnenen Baues<lb/> endigten. Infolge von diplomatiſchen Vorſtellungen brachte<lb/> Portugal die Sache vor das Berner Schiedsgericht und ver-<lb/> pflichtete ſich, die von den Berner Vertrauensmännern feſtgeſtellte<lb/> Entſchädigung ſechs Monate nach dem Entſcheid zahlen zu wollen.<lb/> So ſteht die Angelegenheit nun faſt zehn Jahre. Die<lb/> Schweizer Schiedsrichter haben jedenfalls Zeit gehabt, ſich<lb/> mit dem Aktenmaterial ſehr gründlich vertraut zu machen.<lb/> Die Engländer forderten 1891 etwa 1¾ Millionen Pfund<lb/> Sterling, die Amerikaner eine entſprechende Abfindung. Der<lb/> vom Schiedsgericht nach Lourenço Marques entſandie<lb/> Schweizer Fachmann ſchätzte damals den Werth der Konzeſſion<lb/><cb/> auf 45 Millionen Francs Plus den Zinſen für die ſeit 1891<lb/> bis zum Entſcheid verfloſſene Zeit. Das Schiedsgericht muß<lb/> nun noch, nachdem es die Entſchädigungsſumme feſtgeſtellt<lb/> hat, dieſe unter die betheiligten Engländer und Amerikaner<lb/> vertheilen, und das hat die neuerliche Verſchiebung der Ver-<lb/> öffentlichung des Entſcheids verurſacht.</p><lb/> <p>Natürlich iſt die Londoner Preſſe ſchon jetzt einig in dem<lb/> Bemühen, den „armen Portugieſen“ klar zu machen, daß ſie<lb/> gar nicht imſtande wären, die Abfindungsſummen und Ent-<lb/> ſchädigungen zu bezahlen. England, wie immer menſchen-<lb/> freundlich gefinnt, wolle ſeinem „alten Verbündeten“ nicht<lb/> neue Finanzſorgen bereiten; im Gegentheil, die Londoner<lb/> Regierung ſei gern bereit, die Bezahlung des Poſtens zu<lb/> übernehmen und Portugal hätte dafür bloß die Delagoa-Bahn<lb/> und die -Bai an England zu vermiethen. Amerika ſcheint<lb/> dieſes Spielchen, bei dem England mühelos in den ſeit<lb/> Jahren erſtrebten Beſitz der Delagoa-Bai käme, nicht<lb/> ohne weiteres mitmachen zu wollen. Einflußreiche<lb/> Republikaner der Union wirken auf den ſich um ſeine<lb/> Wiederwahl bemühenden Präſidenten McKinley ein zugunſten<lb/> einer nicht ſchlechthin engliſchen Politik. Amerikaniſche Buren-<lb/> freunde haben zudem der portugieſiſchen Regierung zur Be-<lb/> zahlung der Entſchädigung jede verlangte Summe zur Ver-<lb/> fügung geſtellt, um zu verhüten, daß England, wenn es in<lb/> der Delagoa-Bai ſchalten und walten kann, auch von der<lb/> einzigen noch offenen Seite, vom portngieſiſchen Gebiet her,<lb/> Transvaal anfallen kann. Freilich ſteht zu befürchten, daß<lb/> England es trotz aller dieſer Bemühungen ſchließlich doch ge-<lb/> lingen wird, ſich in den Beſitz der Delagoa-Bai zu ſetzen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c">Jagd auf Kang-yu-Wei.</hi> </head><lb/> <dateline>* <hi rendition="#b">London,</hi> 27. März.</dateline> <p><hi rendition="#g">Tel</hi>. „Daily Mail“ meldet<lb/> aus <hi rendition="#g">Schanghai</hi> vom 26. März: Die <hi rendition="#g">Kaiſerin-Wittwe</hi><lb/> wies die chineſiſchen <hi rendition="#g">Kreuzer „Haitien“</hi> und „<hi rendition="#g">Haitſchon</hi>“<lb/> an, nach <hi rendition="#g">Singapore</hi> zu gehen und dann zuſammen mit<lb/> einigen dorthin entſandten Leuten zu verſuchen, den Reformer<lb/><hi rendition="#g">Kang-yu-Wei</hi> und andere dort befindliche Reformer lebend<lb/> oder todt in ihre Gewalt zu bekommen. Die Kaiſerin-Wittwe<lb/> ſoll der Meinung ſein, daß es den Kreuzern, welche in der<lb/> Stunde 24 Knoten zurücklegen, möglich ſein werde, den<lb/> britiſchen Kriegsſchiffen zu entkommen, welche etwa verſuchen<lb/> würden, die verfolgten Chineſen zu beſchützen, ſcheint aber<lb/> keine Ahnung von den etwaigen Folgen ihres ſeltſamen Be-<lb/> fehls zu haben.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Rußland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c">Ruſſiſche Handelsflotte.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#aq">K. C.</hi> Das ruſſiſche Handelsminiſterium veröffentlicht<lb/> einige intereſſante Statiſtiken über die <hi rendition="#g">ruſſiſche Handels-<lb/> flotte</hi>. Dieſelbe beſtand am 1. Januar dieſes Jahres aus<lb/> 657 <hi rendition="#g">Dampfern</hi> und 2143 <hi rendition="#g">Segelſchiffen</hi>. In dieſen<lb/> Ziffern ſind ſämmtliche Fahrzeuge des Weißen Meeres, der<lb/> Oſtſee, des Schwarzen, des Aſow’ſchen und des Kaſpiſchen<lb/> Sees einbegriffen; auch alle unter ruſſiſcher Flagge in<lb/> fremden Gewäſſern Handel treibenden Fahrzeuge. Die Dampfer<lb/> haben zuſammen eine Tonnage von 299,725 t, die Segel-<lb/> ſchiffe von 254,417 t. Die Dampfer ſind faſt alle im Aus-<lb/> land, meiſt in England, gebaut; die Segelſchiffe dagegen alle<lb/> in Rußland. Der Geſammtwerth der Dampferflotte wird<lb/> auf 92½ Mill. Rubel beziffert, der der Segelſchiffe auf<lb/> 15 Mill. Rubel. Der Bericht ſtellt ferner feſt, daß in den<lb/> letzten Jahren eine ungewöhnliche Thätigkeit zwecks Erweite-<lb/> rung der ruſſiſchen Handelsflotte entwickelt worden iſt, ſo<lb/> wurden in den letzten Jahren nicht weniger als 159 neue<lb/> Dampfer und 469 Segelſchiffe fertiggeſtellt. Trotzdem aber<lb/> macht die ruſſiſche Handelsflotte im Vergleich zu den un-<lb/> geheuren Transportbedürfniſſen des Reichs nur einen <hi rendition="#g">ziem-<lb/> lich kläglichen Eindruck,</hi> und trotz des neuerdings ent-<lb/> wickelten Eifers zur Stärkung der heimiſchen Handelsflotte<lb/> ſtehen die Leiſtungen derſelben doch in keinem Verhältniß zu<lb/> dem Import- und Exportverkehr, der von fremden Schiffen<lb/> unterhalten wird. Im <hi rendition="#g">fernen Oſten</hi> iſt, allerdings infolge<lb/> von Repreſſivmaßregeln, der Seeverkehr der ruſſiſchen Häfen<lb/> Monopol ruſſiſcher Schiffe, aber dieſe Art der Forcirung von<lb/> Geſchäften wird ſich kaum auf die Dauer als praktiſch und<lb/> im Intereſſe des ruſſiſchen Reichs liegend bewähren.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Serbien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c">Perſonalnachricht.</hi> </head><lb/> <p>* Wie man aus <hi rendition="#g">Belgrad</hi> meldet, hat der Geſandte i. R.<lb/><hi rendition="#g">Steïc</hi> die Funktionen des Sektionschefs der politiſchen Ab-<lb/> theilung des Miniſteriums des Aeußern proviſoriſch über-<lb/> nommen. Der bisherige Sektionschef dieſes Departements,<lb/><hi rendition="#g">Boſchkowitſch,</hi> iſt an die Spitze eines Generalkonſulats in<lb/> Makedonien getreten.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Montenegro.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c">Ueber die Miſſion des ruſſiſchen Finanzraths Müller</hi> </head><lb/> <p>wird der „Köln. Ztg.“ aus Raguſa geſchrieben: Der Sach-<lb/> verſtändige des ruſſiſchen Finanzminiſteriums, Hr. <hi rendition="#g">Müller,</hi><lb/> der einige Wochen hindurch in Cetinje weilte, um, wie von<lb/> montenegriniſcher Seite verkündet ward, die Finanzlage des<lb/> Landes zu prüfen, in Wirklichkeit aber, um die gegen die<lb/><hi rendition="#g">Geldgebahrung des Hofes</hi> und die nicht ganz klare<lb/><hi rendition="#g">Verwendung der ruſſiſchen Unterſtützungen</hi> er-<lb/> hobenen Anklagen zu <hi rendition="#g">unterſuchen,</hi> iſt aus Cetinje ab-<lb/> gereist, nachdem ihm Fürſt Nikita das Komthurkreuz des<lb/> Danilo-Ordens verliehen hatte. Das Amtsblatt erzählt, der<lb/> ruſſiſche Abgeſandte habe herausgefunden, daß die Lage nicht<lb/> ſo ſchlecht ſei, wie man angenommen hatte, und Hr. Müller<lb/> habe ſogar die Entdeckung gemacht, daß Montenegro über<lb/> reichere Hülfsmittel verfüge als man denken mochte. Aber<lb/> alle Welt weiß, daß Müller nicht die Aufgabe hatte, neue<lb/> Geldquellen zu erſchließen, ſondern <hi rendition="#g">alte Rechnungen zu<lb/> prüfen</hi>. Das Amtsblatt beeilt ſich auch in auffallender<lb/> Weiſe, zu erklären, die Meldungen über eine bevorſtehende<lb/><hi rendition="#g">Reiſe des Fürſten nach St. Petersburg</hi> ſeien aus<lb/> der Luft gegriffen. Dies bezieht ſich auf die vor einiger Zeit<lb/> gebrachten Meldungen der mit Cetinje enge Fühlung unter-<lb/> haltenden großſerbiſchen und jungtſchechiſchen Blätter, daß<lb/> Fürſt <hi rendition="#g">Nikita</hi> die bevorſtehenden Oſterfeiertage in der ruſſiſchen<lb/> Reſidenz verbringen werde, was ſo viel heißen ſoll, als daß<lb/> er beim Zaren wieder in Gnaden aufgenommen ſei. Die<lb/> Sache mit den <hi rendition="#g">öſterreichiſchen Poſtanweiſungen</hi> hat<lb/> eben in St. Petersburg tief verſtimmt und das Ergebniß der<lb/> Unterſuchung des Hrn. Müller hat offenbar dazu beigetragen,<lb/> die Verſtimmung zu ſteigern. (Oeſterreich ſah ſich vor etlichen<lb/> Monaten genöthigt, den Poſtanweiſungsverkehr mit Montenegro<lb/> einzuſtellen, weil dies die ihm zur Laſt fallenden Beträge nicht<lb/> ausbezahlte.)</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0005]
Dienſtag. Zweites Abendblatt Nr. 84 der Allgemeinen Zeitung. 27. März 1900.
Die Stellung des Präſidenten Loubet.
# Paris, 25. März. Eines der unerklärlichſten und
bisher unerklärteſten Rätſel, vor dem man hier in Frank-
reich ſteht, iſt der Haß, mit dem von zehn Franzoſen neun,
wenigſtens neun von zehn Franzoſen, die ſich zu der Frage
überhaupt zum Wort melden, den Präſidenten der Republik,
Hrn. Loubet, verfolgen. Es gibt kein Schimpfwort, das
den Gegnern Loubets zu gemein wäre, um es täglich in der
Preſſe auf ihn anzuwenden; es gibt keine Handlung, und ſei
ſie noch ſo degradirend, deren man ihn nicht für fähig oder
gar für ſchuldig und überführt erklärte. Ein gutes Theil
dieſer Loubet-Hetze kann man, ja muß man auf Rechnung der
allgemeinen Verwilderung der politiſchen und journaliſtiſchen
Sitten ſetzen; man diskutirt und argumentirt in den extremen
Parteien — und was iſt heute hier nicht extrem? — über-
haupt nicht mehr, man ſchimpft und beſchimpft nur noch.
Die Vertheidiger von Thron und Altar gehen darin den
Radikalen und Sozialdemokraten mit dem denkbar ſchlechteſten
Beiſpiel voran und Allen vorauf marſchiren die unter dem
Sammelnamen der Nationaliſten vereinigten Déronléde’ſchen
Patrioten, die Coppé’ſchen Vaterlandsfreunde, die Drumont-
ſchen Antiſemiten und Antiproteſtanten, ſowie als ſtärkſter und
gefährlichſter Trupp die Mercier-Rochefort’ſchen Generalſtabs-
parteiler.
Alle dieſe Leute und die große Maſſe derer, die jetzt ge-
dankenlos, oder ſich der allgemeinen „Hatz“ freuend, hinter
ihnen her marſchirt, hatten an Hrn. Loubet, ſolange er nur
Miniſterpräſident oder Präſident des Senats war, nicht das
Mindeſte auszuſetzen; ſie griffen ihn wenigſtens nicht mehr
und nicht grimmiger an als irgend einen anderen Premier-
miniſter oder Senatspräſidenten, aber ſeit der Stunde, in der
Hr. Loubet ſich anſchickte, ins Elyſée einzuziehen, iſt er allen
dieſen Leuten „le dernier des misérables“. Und warum?
Weil er, was allerdings richtig iſt, zu denjenigen maßgebenden
Parlamentariern gehört hat, die während des von den
Geguern der Republik im Bunde mit einigen mehr ehrlich
als politiſch denkenden Republikanern unternommenen Ver-
ſuches, den Panama-Skandal „zu liquidiren“, von dieſer
Liquidation nichts wiſſen wollten und die dabei ihre ſchir-
mende Hand nicht nur über Unſchuldige, ſondern auch über
notoriſch Schuldige gehalten haben? O nein! Dieſen Akt
der parlamentariſchen Camaraderie hätte ihm hier, in dem
Lande, dem wir das Wort wie den Begriff der „Camaraderie“,
der weit über das hinausgeht, was wir im allerhäßlichſten
Sinne Gevatterſchaftswirthſchaft nennen könnten, verdanken,
eruſtlich Niemand übelgenommen. Was Loubet in dieſer Be-
that und aus Selbſterhaltungstrieb thun mußte — er hatte in
der Panama-Affaire nicht geſtohlen, aber er hatte ſeine Kol-
legen und um ſich herum ſtehlen laſſen, ohne dagegen zu pro-
teſtiren oder ohne dagegen proteſtiren zu können —, das
haben alle Anderen, die an ſeiner Statt hätten Präſident der
Republik werden können, das hatten Hr. Carnot, Hr. Caſimir-
Perier und Hr. Felix Faure und das haben alle ſeitherigen
Miniſter ꝛc., das hat ſelbſt der unbeſtechliche Briſſon auch
gethan. Alſo deßhalb, weil er den ſehr zweifelhaften Tugend-
helden, die ihn heute als „Panama I“ u. ſ. w. zu beſchimpfen
ſuchen, wegen ſeiner Haltung bei der ſog. Liquidation des Panama-
Skandals verdächtig geworden iſt, deßhalb wird Hr. Lonbet heute
nicht von nenn Zehnteln der Franzoſen beſchimpft und verfolgt.
Er iſt auch nicht deßhalb einer der beſtgehaßten Leute
Frankreichs, weil er bei ſeiner Wahl zum Staatsoberhaupt
den Auftrag mit auf den Weg erhalten hat, unter Schonung
aller Parteien und Anſichten, ähnlich wie er den Panama-
Skandal liquidiren geholfen hatte, ſo auch jetzt den Dreyfus-
Handel aus der Welt zu ſchaffen und weil er dieſen Auftrag,
ſo gut oder ſo ſchlecht es eben ging, natürlich zu aller Welt
Unzufriedenheit ausgeführt hat, ſondern er iſt gehaßt, blind,
fanatiſch und maßlos, weil er in ſich zur Zeit den letzten
Widerſtand verkörpert oder doch zu verkörpern ſcheint, den
die abſterbende bürgerlich-liberale, demokratiſch-parlamentariſche
Republik, ſo wie die Männer des Anfangs der 70er Jahre,
die Thiers, Gambetta, Ferry, Favre, Simon, Grévy, Floquet,
Freyeinet ꝛc. ſie ſich und für ſich geſchaffen haben, dem ver-
einten Anſturm ihrer Gegner von rechts und links entgegen-
ſetzt. Hr. Loubet iſt vor allem gewählt worden als Schirm-
vogt der legalen bürgerlichen Gewalt gegenüber der für die
Einen drohenden, für die Anderen ſehnlichſt erwünſchten
Diktatur.
Aber nicht einmal ſeine Anhänger haben dafür geſorgt,
daß der alte Herr ein wenig Freude am Amt findet. Gleich
bei ſeinem Einzug in Paris wurde er, ſtatt angefeiert zu
werden, angejohlt und, ſtatt mit Blumen, mit allerlei Unrath
beworfen; wenige Tage ſpäter, anläßlich der Veiſetzung Faure’s,
konnte nur ein mächtiges Polizeiaufgebot ihn vor abermaligen
wörtlichen und thätlichen Beſchimpfungen retten und nur der
blinde Zufall, der Umſtand, daß Déroulède, der Führer der
Verſchworenen, gar zu närriſch und der zum Staatsſtreich
ausgeſuchte General Roget „vorſichtiger“ war, als man an-
genommen hatte, rettete ihn davor, aus dem Elyſée wieder
vertrieben zu werden, bevor er noch in dasſelbe wirklich ein-
gezogen war. Wieder ein paar Tage darauf empfingen ihn
die Mitglieder des Jockeyklubs auf ihrem Renuplatz, auf den
ſie ihn ſelbſt geladen hatten — das mag ja nicht hübſch ſein,
iſt aber nun einmal ſo — mit Stockſchlägen, bei denen Hrn.
Loubets Zylinder zum Glück ſchlimmer zugerichtet wurde als
er ſelbſt, was aber immerhin zur üblen Folge gehabt hat,
daß ähnlich wie einſt der erſte Napoleon immer mit ſeinem
kleinen Dreiſpitz abgebildet wurde, ſo jetzt Hr. Loubet nur
noch mit eingetriebenem Zylinder karrikirt zu werden pflegt.
Wieder einige Zeit ſpäter wußte dann ein Trupp bezechter
Offiziere unter Führung eines konfervativen Abgeordneten
nichts beſſeres zu thun, als das Loubet’ſche Haus in ſeiner
Vaterſtadt Montélimar, in dem der Präſident der Republik
gerade zum Beſuch weilte, in der denkbar widerwärtigſten
und ſkandalöſeſten Weiſe zu beſudeln, und auch ſeither laſſen
die Anti-Loubetianer keine Gelegenheit unbenutzt vorübergehen,
um ihn in der öffentlichen Meinung herabzuſetzen, zu ſchmähen
und zu beſchimpfen.
Von Seiten des Hrn. Loubet geſchieht dabei alles, was
nur irgend möglich iſt und was Milde und Verſöhnlichkeit
nur irgend ausdenken können, um die Oppoſition gegen ſeine
Perſon und gegen ſeine Regierung zu entwaffnen. Schon
vor Monaten habe ich über den jetzigen Präſidenten der
Republik an dieſer Stelle einmal geſagt, er ſei im Grunde
ein kreuzbraver Mann, ehrlich, anſtändig, makellos, etwas
Bauer, aber ein guter Bauer, und was ich damals geſagt
habe, kann ich heute nur wiederholen. Selbſt die boshafteſten
und böswilligſten Späher haben in ſeinem Vorleben und in
ſeiner Familie nichts poſitives zu entdecken vermocht, womit
man ihn wirklich herabſetzen, ihn entwürdigen, verächtlich oder
lächerlich machen könnte, und als Staatsoberhaupt hat er
ſtreng nach der Verfaſſung regiert und bisher keine Gelegenheit
vorübergehen laſſen, ſich verſöhnlich zu zeigen und ſeinen
Feinden Böſes mit Gutem zu vergelten. Letzteres hat er
denn auch wieder einmal in dieſen Tagen gethan. Bevor er
am Freitag Abend für eine halbe Woche zu ſeiner Mutter
auf deren Bauernhof bei Montélimar gereist iſt, hat er die
Begnadigung des Barons Chriſtiani unterzeichnet, des
bekannten Auteuiler Klubmanus, der Hrn. Loubet zu dem ein-
getriebenen Zylinder verholfen hat.
Hr. Loubet hat das im gegenwärtigen Augenblick gethan
und thun zu können geglaubt, weil einmal der Wind hier
zur Zeit überhaupt aus dem Amneſtiewinkel weht und weil
außerdem, auſcheinend wenigſtens, mit der herannahenden
Weltausſtellung für ihn eine Art Gottesfrieden begonnen hat.
Möge er ſich hierin nicht irren! Der Wunſch ſcheint mir in
aller Welt Intereſſe, in dem des Hrn. Loubet, in dem Frank-
reichs und auch in dem unſrigen geboten zu ſein. Denn auch
wir wiſſen, wen wir in Hrn. Loubet haben, d. h. einen
anſtändigen, rechtſchaffenen, politiſch ausgereiften, weder eitlen
noch perſönlich ehrgeizigen und ſomit nicht auf Abenteuer
ausgehenden, ſondern friedliebenden und friedfertigen Mann
an der Spitze des für uns vortheilhafteſten Staatsweſens
in Frankreich: der Republik; und wir wiſſen nicht annähernd,
wer und was nach ihm und nach der Republik kommen würde.
Der Krieg in Südafrika.
Brüſſel, 27. März. Tel. Die Delegation
der beiden Buren-Staaten trifft Anfang April an
Bord des deutſchen Reichspoſtdampfers „Kaiſer“ in
Neapel ein. Sie begibt ſich von dortj direkt nach
Berlin und von da über Brüſſel nach New-York.
Von einem Beſuch in St. Petersburg iſt hier noch nichts
bekannt.
# London, 27. März. Tel. Das Kriegsminiſterium
hat den Oberſten Kekewich, den bisherigen Kommandeur
von Kimberley, aufgefordert, einen ausführlichen Bericht
über die Belagerung Kimberley’s einzureichen mit beſonderer
Bezugnahme auf die angeblichen Einmiſchungen von Cecil
Rhodes in die militäriſchen Anordnungen.
* London, 27. März. Tel. „Daily Mail“ meldet
aus Kapſtadt vom 26. d. M.: Heute geht von Kimberley
eine Expedition ab. Ihr Hauptziel iſt der von den Buren
beſetzte Ort Griquatown.
* London, 27. März. Tel. Ein 400 Mann ſtarkes
Burenkommando beſetzte Papkuel wieder und zwang die
Buren des Herbert-Diſtriktes, ſich dem Aufſtande wieder
anzuſchließen. In dieſer Gegend kamen ausgedehnte Plün-
derungen vor. (Letztere Beſchuldigung wird von den Eng-
ländern ſyſtemathiſch erhoben. Engliſche Journaliſten aber
haben geſchildert, in welch brutaler Weiſe gerade „Tommy
Atkins“ ſich in Feindesland benimmt, im Gegenſatz zu den
Buren. Die Red.)
* London, 27. März. Tel. „Daily News“ berichten
aus Bloemfontein vom 25. d. M.: General Freuch iſt
mit ſeiner Kavallerie zurückgekehrt, ohne mit dem Feind
zuſammenzuſtoßen. Eine Anzahl Burghers in den von
French durchzogenen Gebieten legte die Waffen nieder.
* London, 27. März. Tel. „Daily Mail“ meldet aus
Ladyſmith vom 25. März: Heute ging die Meldung ein,
daß die Buren ſich am Van Neenens-Paß ſtark ver-
ſchanzen und mit ſchweren Geſchützen auf weite Ent-
fernungen einſchießen.
* London, 27. März. Tel. Gouverneur Milner iſt
von Aliwal-North nach Bethulie weitergereist.
d. London, 27. März. Tel. Aus Kimberley wird
vom 26. d. M. gemeldet: Die Zahl der Europäer und Ein-
geborenen, welche ſich in ſchlechten Verhältniſſen befinden, iſt
ſehr bedeutend. Lord Methuen hatte bereits Vorkehrungen
getroffen, um die Bedürftigen nach Kapſtadt zu ſenden, aber
die Behörden von Kapſtadt ſträubten ſich gegen die Aufnahme
der Leute, indem ſie erklärten, Kapſtadt ſei bereits übermäßig
mit Flüchtlingen angefüllt.
* Waſhington, 27. März. Tel. Das Staatsdeparte-
ment erfährt, daß der Schiedsſpruch in der Delagoa-
bai-Frage nicht vor Mitte April bekannt gegeben werden
wird. Es heißt ferner, daß die Schiedsrichter, wenn ſie ſich
an die Beſtimmungen des Schiedsgerichtsvertrages halten,
nicht umhin können werden, ſelbſt die Theilung der Entſchä-
digungsſumme unter den Betheiligten vorzunehmen.
Großbritannien.
Die Frage der Delagoa-Bahn.
n. London, 25. März. Das Berner Schiedsgericht in
der Angelegenheit der Delagoa-Bahn ſollte morgen, Mon-
tag, ſeine Entſcheidung fällen, hat den Spruch aber im letzten
Augenblick noch etwas verſchoben. Nach einigen Meldungen
würde die Bekanntgebung noch in dieſer Woche erfolgen, nach
anderen erſt Mitte April. Das Schiedsgericht ſoll bekanntlich
die Frage entſcheiden, einen wie hohen Schadenerſatz Portugal
an England und die Vereinigten Staaten zu zahlen hat wegen
der Beſchlagnahme der Delagoa-Bahn am 26. Juni
1889. Die Streitfrage hat folgende Vorgeſchichte. Im Jahre
1883 erhielt ein Amerikaner vom Gouverneur von Moçambique
die Konzeſſion für eine Eiſenbahn von Lourenço Marques nach
Transvaal. Nachdem der Bau begonnen war, trat der
Amerikaner ſeine Rechte an eine engliſch-amerikaniſche Geſell-
ſchaft ab. Später hat Portugal plötzlich die Forderung er-
hoben, die Bahn müßte bis zur Transvaalgrenze über den Ort
Komatipoort geführt werden, was urſprünglich nicht geplant
war, und in acht Monaten in der Hauptſache fertig ſein.
Die Engländer und einige ebenfalls betheiligte Amerikaner
erklärten, dieſe Bedingung nicht eingehen zu können und
darauf behinderten die portugieſiſchen Behörden den Weiter-
bau durch die Beſchlagnahme der Linie und die Aufhebung
der Konzeſſion. Bei der Wegnahme der Materialien kam es
zu Krawallen, die mit der Beſchädigung des begonnenen Baues
endigten. Infolge von diplomatiſchen Vorſtellungen brachte
Portugal die Sache vor das Berner Schiedsgericht und ver-
pflichtete ſich, die von den Berner Vertrauensmännern feſtgeſtellte
Entſchädigung ſechs Monate nach dem Entſcheid zahlen zu wollen.
So ſteht die Angelegenheit nun faſt zehn Jahre. Die
Schweizer Schiedsrichter haben jedenfalls Zeit gehabt, ſich
mit dem Aktenmaterial ſehr gründlich vertraut zu machen.
Die Engländer forderten 1891 etwa 1¾ Millionen Pfund
Sterling, die Amerikaner eine entſprechende Abfindung. Der
vom Schiedsgericht nach Lourenço Marques entſandie
Schweizer Fachmann ſchätzte damals den Werth der Konzeſſion
auf 45 Millionen Francs Plus den Zinſen für die ſeit 1891
bis zum Entſcheid verfloſſene Zeit. Das Schiedsgericht muß
nun noch, nachdem es die Entſchädigungsſumme feſtgeſtellt
hat, dieſe unter die betheiligten Engländer und Amerikaner
vertheilen, und das hat die neuerliche Verſchiebung der Ver-
öffentlichung des Entſcheids verurſacht.
Natürlich iſt die Londoner Preſſe ſchon jetzt einig in dem
Bemühen, den „armen Portugieſen“ klar zu machen, daß ſie
gar nicht imſtande wären, die Abfindungsſummen und Ent-
ſchädigungen zu bezahlen. England, wie immer menſchen-
freundlich gefinnt, wolle ſeinem „alten Verbündeten“ nicht
neue Finanzſorgen bereiten; im Gegentheil, die Londoner
Regierung ſei gern bereit, die Bezahlung des Poſtens zu
übernehmen und Portugal hätte dafür bloß die Delagoa-Bahn
und die -Bai an England zu vermiethen. Amerika ſcheint
dieſes Spielchen, bei dem England mühelos in den ſeit
Jahren erſtrebten Beſitz der Delagoa-Bai käme, nicht
ohne weiteres mitmachen zu wollen. Einflußreiche
Republikaner der Union wirken auf den ſich um ſeine
Wiederwahl bemühenden Präſidenten McKinley ein zugunſten
einer nicht ſchlechthin engliſchen Politik. Amerikaniſche Buren-
freunde haben zudem der portugieſiſchen Regierung zur Be-
zahlung der Entſchädigung jede verlangte Summe zur Ver-
fügung geſtellt, um zu verhüten, daß England, wenn es in
der Delagoa-Bai ſchalten und walten kann, auch von der
einzigen noch offenen Seite, vom portngieſiſchen Gebiet her,
Transvaal anfallen kann. Freilich ſteht zu befürchten, daß
England es trotz aller dieſer Bemühungen ſchließlich doch ge-
lingen wird, ſich in den Beſitz der Delagoa-Bai zu ſetzen.
Jagd auf Kang-yu-Wei.
* London, 27. März. Tel. „Daily Mail“ meldet
aus Schanghai vom 26. März: Die Kaiſerin-Wittwe
wies die chineſiſchen Kreuzer „Haitien“ und „Haitſchon“
an, nach Singapore zu gehen und dann zuſammen mit
einigen dorthin entſandten Leuten zu verſuchen, den Reformer
Kang-yu-Wei und andere dort befindliche Reformer lebend
oder todt in ihre Gewalt zu bekommen. Die Kaiſerin-Wittwe
ſoll der Meinung ſein, daß es den Kreuzern, welche in der
Stunde 24 Knoten zurücklegen, möglich ſein werde, den
britiſchen Kriegsſchiffen zu entkommen, welche etwa verſuchen
würden, die verfolgten Chineſen zu beſchützen, ſcheint aber
keine Ahnung von den etwaigen Folgen ihres ſeltſamen Be-
fehls zu haben.
Rußland.
Ruſſiſche Handelsflotte.
K. C. Das ruſſiſche Handelsminiſterium veröffentlicht
einige intereſſante Statiſtiken über die ruſſiſche Handels-
flotte. Dieſelbe beſtand am 1. Januar dieſes Jahres aus
657 Dampfern und 2143 Segelſchiffen. In dieſen
Ziffern ſind ſämmtliche Fahrzeuge des Weißen Meeres, der
Oſtſee, des Schwarzen, des Aſow’ſchen und des Kaſpiſchen
Sees einbegriffen; auch alle unter ruſſiſcher Flagge in
fremden Gewäſſern Handel treibenden Fahrzeuge. Die Dampfer
haben zuſammen eine Tonnage von 299,725 t, die Segel-
ſchiffe von 254,417 t. Die Dampfer ſind faſt alle im Aus-
land, meiſt in England, gebaut; die Segelſchiffe dagegen alle
in Rußland. Der Geſammtwerth der Dampferflotte wird
auf 92½ Mill. Rubel beziffert, der der Segelſchiffe auf
15 Mill. Rubel. Der Bericht ſtellt ferner feſt, daß in den
letzten Jahren eine ungewöhnliche Thätigkeit zwecks Erweite-
rung der ruſſiſchen Handelsflotte entwickelt worden iſt, ſo
wurden in den letzten Jahren nicht weniger als 159 neue
Dampfer und 469 Segelſchiffe fertiggeſtellt. Trotzdem aber
macht die ruſſiſche Handelsflotte im Vergleich zu den un-
geheuren Transportbedürfniſſen des Reichs nur einen ziem-
lich kläglichen Eindruck, und trotz des neuerdings ent-
wickelten Eifers zur Stärkung der heimiſchen Handelsflotte
ſtehen die Leiſtungen derſelben doch in keinem Verhältniß zu
dem Import- und Exportverkehr, der von fremden Schiffen
unterhalten wird. Im fernen Oſten iſt, allerdings infolge
von Repreſſivmaßregeln, der Seeverkehr der ruſſiſchen Häfen
Monopol ruſſiſcher Schiffe, aber dieſe Art der Forcirung von
Geſchäften wird ſich kaum auf die Dauer als praktiſch und
im Intereſſe des ruſſiſchen Reichs liegend bewähren.
Serbien.
Perſonalnachricht.
* Wie man aus Belgrad meldet, hat der Geſandte i. R.
Steïc die Funktionen des Sektionschefs der politiſchen Ab-
theilung des Miniſteriums des Aeußern proviſoriſch über-
nommen. Der bisherige Sektionschef dieſes Departements,
Boſchkowitſch, iſt an die Spitze eines Generalkonſulats in
Makedonien getreten.
Montenegro.
Ueber die Miſſion des ruſſiſchen Finanzraths Müller
wird der „Köln. Ztg.“ aus Raguſa geſchrieben: Der Sach-
verſtändige des ruſſiſchen Finanzminiſteriums, Hr. Müller,
der einige Wochen hindurch in Cetinje weilte, um, wie von
montenegriniſcher Seite verkündet ward, die Finanzlage des
Landes zu prüfen, in Wirklichkeit aber, um die gegen die
Geldgebahrung des Hofes und die nicht ganz klare
Verwendung der ruſſiſchen Unterſtützungen er-
hobenen Anklagen zu unterſuchen, iſt aus Cetinje ab-
gereist, nachdem ihm Fürſt Nikita das Komthurkreuz des
Danilo-Ordens verliehen hatte. Das Amtsblatt erzählt, der
ruſſiſche Abgeſandte habe herausgefunden, daß die Lage nicht
ſo ſchlecht ſei, wie man angenommen hatte, und Hr. Müller
habe ſogar die Entdeckung gemacht, daß Montenegro über
reichere Hülfsmittel verfüge als man denken mochte. Aber
alle Welt weiß, daß Müller nicht die Aufgabe hatte, neue
Geldquellen zu erſchließen, ſondern alte Rechnungen zu
prüfen. Das Amtsblatt beeilt ſich auch in auffallender
Weiſe, zu erklären, die Meldungen über eine bevorſtehende
Reiſe des Fürſten nach St. Petersburg ſeien aus
der Luft gegriffen. Dies bezieht ſich auf die vor einiger Zeit
gebrachten Meldungen der mit Cetinje enge Fühlung unter-
haltenden großſerbiſchen und jungtſchechiſchen Blätter, daß
Fürſt Nikita die bevorſtehenden Oſterfeiertage in der ruſſiſchen
Reſidenz verbringen werde, was ſo viel heißen ſoll, als daß
er beim Zaren wieder in Gnaden aufgenommen ſei. Die
Sache mit den öſterreichiſchen Poſtanweiſungen hat
eben in St. Petersburg tief verſtimmt und das Ergebniß der
Unterſuchung des Hrn. Müller hat offenbar dazu beigetragen,
die Verſtimmung zu ſteigern. (Oeſterreich ſah ſich vor etlichen
Monaten genöthigt, den Poſtanweiſungsverkehr mit Montenegro
einzuſtellen, weil dies die ihm zur Laſt fallenden Beträge nicht
ausbezahlte.)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |