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Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 27. März 1900.

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Dienstag.
Zweites Abendblatt Nr. 84 der Allgemeinen Zeitung.
27. März 1900.
[Spaltenumbruch]
Die Stellung des Präsidenten Loubet.

Eines der unerklärlichsten und
bisher unerklärtesten Rätsel, vor dem man hier in Frank-
reich steht, ist der Haß, mit dem von zehn Franzosen neun,
wenigstens neun von zehn Franzosen, die sich zu der Frage
überhaupt zum Wort melden, den Präsidenten der Republik,
Hrn. Loubet, verfolgen. Es gibt kein Schimpfwort, das
den Gegnern Loubets zu gemein wäre, um es täglich in der
Presse auf ihn anzuwenden; es gibt keine Handlung, und sei
sie noch so degradirend, deren man ihn nicht für fähig oder
gar für schuldig und überführt erklärte. Ein gutes Theil
dieser Loubet-Hetze kann man, ja muß man auf Rechnung der
allgemeinen Verwilderung der politischen und journalistischen
Sitten setzen; man diskutirt und argumentirt in den extremen
Parteien -- und was ist heute hier nicht extrem? -- über-
haupt nicht mehr, man schimpft und beschimpft nur noch.
Die Vertheidiger von Thron und Altar gehen darin den
Radikalen und Sozialdemokraten mit dem denkbar schlechtesten
Beispiel voran und Allen vorauf marschiren die unter dem
Sammelnamen der Nationalisten vereinigten Deronlede'schen
Patrioten, die Coppe'schen Vaterlandsfreunde, die Drumont-
schen Antisemiten und Antiprotestanten, sowie als stärkster und
gefährlichster Trupp die Mercier-Rochefort'schen Generalstabs-
parteiler.

Alle diese Leute und die große Masse derer, die jetzt ge-
dankenlos, oder sich der allgemeinen "Hatz" freuend, hinter
ihnen her marschirt, hatten an Hrn. Loubet, solange er nur
Ministerpräsident oder Präsident des Senats war, nicht das
Mindeste auszusetzen; sie griffen ihn wenigstens nicht mehr
und nicht grimmiger an als irgend einen anderen Premier-
minister oder Senatspräsidenten, aber seit der Stunde, in der
Hr. Loubet sich anschickte, ins Elysee einzuziehen, ist er allen
diesen Leuten "le dernier des miserables". Und warum?
Weil er, was allerdings richtig ist, zu denjenigen maßgebenden
Parlamentariern gehört hat, die während des von den
Geguern der Republik im Bunde mit einigen mehr ehrlich
als politisch denkenden Republikanern unternommenen Ver-
suches, den Panama-Skandal "zu liquidiren", von dieser
Liquidation nichts wissen wollten und die dabei ihre schir-
mende Hand nicht nur über Unschuldige, sondern auch über
notorisch Schuldige gehalten haben? O nein! Diesen Akt
der parlamentarischen Camaraderie hätte ihm hier, in dem
Lande, dem wir das Wort wie den Begriff der "Camaraderie",
der weit über das hinausgeht, was wir im allerhäßlichsten
Sinne Gevatterschaftswirthschaft nennen könnten, verdanken,
erustlich Niemand übelgenommen. Was Loubet in dieser Be-
that und aus Selbsterhaltungstrieb thun mußte -- er hatte in
der Panama-Affaire nicht gestohlen, aber er hatte seine Kol-
legen und um sich herum stehlen lassen, ohne dagegen zu pro-
testiren oder ohne dagegen protestiren zu können --, das
haben alle Anderen, die an seiner Statt hätten Präsident der
Republik werden können, das hatten Hr. Carnot, Hr. Casimir-
Perier und Hr. Felix Faure und das haben alle seitherigen
Minister etc., das hat selbst der unbestechliche Brisson auch
gethan. Also deßhalb, weil er den sehr zweifelhaften Tugend-
helden, die ihn heute als "Panama I" u. s. w. zu beschimpfen
suchen, wegen seiner Haltung bei der sog. Liquidation des Panama-
Skandals verdächtig geworden ist, deßhalb wird Hr. Lonbet heute
nicht von nenn Zehnteln der Franzosen beschimpft und verfolgt.
Er ist auch nicht deßhalb einer der bestgehaßten Leute
Frankreichs, weil er bei seiner Wahl zum Staatsoberhaupt
den Auftrag mit auf den Weg erhalten hat, unter Schonung
aller Parteien und Ansichten, ähnlich wie er den Panama-
Skandal liquidiren geholfen hatte, so auch jetzt den Dreyfus-
Handel
aus der Welt zu schaffen und weil er diesen Auftrag,
so gut oder so schlecht es eben ging, natürlich zu aller Welt
Unzufriedenheit ausgeführt hat, sondern er ist gehaßt, blind,
fanatisch und maßlos, weil er in sich zur Zeit den letzten
Widerstand verkörpert oder doch zu verkörpern scheint, den
die absterbende bürgerlich-liberale, demokratisch-parlamentarische
Republik, so wie die Männer des Anfangs der 70er Jahre,
die Thiers, Gambetta, Ferry, Favre, Simon, Grevy, Floquet,
Freyeinet etc. sie sich und für sich geschaffen haben, dem ver-
einten Ansturm ihrer Gegner von rechts und links entgegen-
setzt. Hr. Loubet ist vor allem gewählt worden als Schirm-
vogt der legalen bürgerlichen Gewalt gegenüber der für die
Einen drohenden, für die Anderen sehnlichst erwünschten
Diktatur.

Aber nicht einmal seine Anhänger haben dafür gesorgt,
daß der alte Herr ein wenig Freude am Amt findet. Gleich
bei seinem Einzug in Paris wurde er, statt angefeiert zu
werden, angejohlt und, statt mit Blumen, mit allerlei Unrath
beworfen; wenige Tage später, anläßlich der Veisetzung Faure's,
konnte nur ein mächtiges Polizeiaufgebot ihn vor abermaligen
wörtlichen und thätlichen Beschimpfungen retten und nur der
blinde Zufall, der Umstand, daß Deroulede, der Führer der
Verschworenen, gar zu närrisch und der zum Staatsstreich
ausgesuchte General Roget "vorsichtiger" war, als man an-
genommen hatte, rettete ihn davor, aus dem Elysee wieder
vertrieben zu werden, bevor er noch in dasselbe wirklich ein-
gezogen war. Wieder ein paar Tage darauf empfingen ihn
die Mitglieder des Jockeyklubs auf ihrem Renuplatz, auf den
sie ihn selbst geladen hatten -- das mag ja nicht hübsch sein,
ist aber nun einmal so -- mit Stockschlägen, bei denen Hrn.
Loubets Zylinder zum Glück schlimmer zugerichtet wurde als
er selbst, was aber immerhin zur üblen Folge gehabt hat,
daß ähnlich wie einst der erste Napoleon immer mit seinem
kleinen Dreispitz abgebildet wurde, so jetzt Hr. Loubet nur
noch mit eingetriebenem Zylinder karrikirt zu werden pflegt.
Wieder einige Zeit später wußte dann ein Trupp bezechter
Offiziere unter Führung eines konfervativen Abgeordneten
nichts besseres zu thun, als das Loubet'sche Haus in seiner
Vaterstadt Montelimar, in dem der Präsident der Republik
gerade zum Besuch weilte, in der denkbar widerwärtigsten
und skandalösesten Weise zu besudeln, und auch seither lassen
die Anti-Loubetianer keine Gelegenheit unbenutzt vorübergehen,
um ihn in der öffentlichen Meinung herabzusetzen, zu schmähen
und zu beschimpfen.

Von Seiten des Hrn. Loubet geschieht dabei alles, was
nur irgend möglich ist und was Milde und Versöhnlichkeit
nur irgend ausdenken können, um die Opposition gegen seine
Person und gegen seine Regierung zu entwaffnen. Schon
vor Monaten habe ich über den jetzigen Präsidenten der
Republik an dieser Stelle einmal gesagt, er sei im Grunde
ein kreuzbraver Mann, ehrlich, anständig, makellos, etwas
Bauer, aber ein guter Bauer, und was ich damals gesagt
habe, kann ich heute nur wiederholen. Selbst die boshaftesten
und böswilligsten Späher haben in seinem Vorleben und in
seiner Familie nichts positives zu entdecken vermocht, womit
man ihn wirklich herabsetzen, ihn entwürdigen, verächtlich oder
[Spaltenumbruch] lächerlich machen könnte, und als Staatsoberhaupt hat er
streng nach der Verfassung regiert und bisher keine Gelegenheit
vorübergehen lassen, sich versöhnlich zu zeigen und seinen
Feinden Böses mit Gutem zu vergelten. Letzteres hat er
denn auch wieder einmal in diesen Tagen gethan. Bevor er
am Freitag Abend für eine halbe Woche zu seiner Mutter
auf deren Bauernhof bei Montelimar gereist ist, hat er die
Begnadigung des Barons Christiani unterzeichnet, des
bekannten Auteuiler Klubmanus, der Hrn. Loubet zu dem ein-
getriebenen Zylinder verholfen hat.

Hr. Loubet hat das im gegenwärtigen Augenblick gethan
und thun zu können geglaubt, weil einmal der Wind hier
zur Zeit überhaupt aus dem Amnestiewinkel weht und weil
außerdem, auscheinend wenigstens, mit der herannahenden
Weltausstellung für ihn eine Art Gottesfrieden begonnen hat.
Möge er sich hierin nicht irren! Der Wunsch scheint mir in
aller Welt Interesse, in dem des Hrn. Loubet, in dem Frank-
reichs und auch in dem unsrigen geboten zu sein. Denn auch
wir wissen, wen wir in Hrn. Loubet haben, d. h. einen
anständigen, rechtschaffenen, politisch ausgereiften, weder eitlen
noch persönlich ehrgeizigen und somit nicht auf Abenteuer
ausgehenden, sondern friedliebenden und friedfertigen Mann
an der Spitze des für uns vortheilhaftesten Staatswesens
in Frankreich: der Republik; und wir wissen nicht annähernd,
wer und was nach ihm und nach der Republik kommen würde.



Der Krieg in Südafrika.

Tel. Die Delegation
der beiden Buren-Staaten
trifft Anfang April an
Bord des deutschen Reichspostdampfers "Kaiser" in
Neapel ein. Sie begibt sich von dortj direkt nach
Berlin und von da über Brüssel nach New-York.
Von einem Besuch in St. Petersburg ist hier noch nichts
bekannt.

Tel. Das Kriegsministerium
hat den Obersten Kekewich, den bisherigen Kommandeur
von Kimberley, aufgefordert, einen ausführlichen Bericht
über die Belagerung Kimberley's einzureichen mit besonderer
Bezugnahme auf die angeblichen Einmischungen von Cecil
Rhodes in die militärischen Anordnungen.

Tel. "Daily Mail" meldet
aus Kapstadt vom 26. d. M.: Heute geht von Kimberley
eine Expedition ab. Ihr Hauptziel ist der von den Buren
besetzte Ort Griquatown.

Tel. Ein 400 Mann starkes
Burenkommando besetzte Papkuel wieder und zwang die
Buren des Herbert-Distriktes, sich dem Aufstande wieder
anzuschließen. In dieser Gegend kamen ausgedehnte Plün-
derungen vor. (Letztere Beschuldigung wird von den Eng-
ländern systemathisch erhoben. Englische Journalisten aber
haben geschildert, in welch brutaler Weise gerade "Tommy
Atkins" sich in Feindesland benimmt, im Gegensatz zu den
Buren. Die Red.)

Tel. "Daily News" berichten
aus Bloemfontein vom 25. d. M.: General Freuch ist
mit seiner Kavallerie zurückgekehrt, ohne mit dem Feind
zusammenzustoßen. Eine Anzahl Burghers in den von
French durchzogenen Gebieten legte die Waffen nieder.

Tel. "Daily Mail" meldet aus
Ladysmith vom 25. März: Heute ging die Meldung ein,
daß die Buren sich am Van Neenens-Paß stark ver-
schanzen und mit schweren Geschützen auf weite Ent-
fernungen einschießen.

Tel. Gouverneur Milner ist
von Aliwal-North nach Bethulie weitergereist.

Tel. Aus Kimberley wird
vom 26. d. M. gemeldet: Die Zahl der Europäer und Ein-
geborenen, welche sich in schlechten Verhältnissen befinden, ist
sehr bedeutend. Lord Methuen hatte bereits Vorkehrungen
getroffen, um die Bedürftigen nach Kapstadt zu senden, aber
die Behörden von Kapstadt sträubten sich gegen die Aufnahme
der Leute, indem sie erklärten, Kapstadt sei bereits übermäßig
mit Flüchtlingen angefüllt.

Tel. Das Staatsdeparte-
ment erfährt, daß der Schiedsspruch in der Delagoa-
bai-Frage
nicht vor Mitte April bekannt gegeben werden
wird. Es heißt ferner, daß die Schiedsrichter, wenn sie sich
an die Bestimmungen des Schiedsgerichtsvertrages halten,
nicht umhin können werden, selbst die Theilung der Entschä-
digungssumme unter den Betheiligten vorzunehmen.



Großbritannien.
Die Frage der Delagoa-Bahn.

Das Berner Schiedsgericht in
der Angelegenheit der Delagoa-Bahn sollte morgen, Mon-
tag, seine Entscheidung fällen, hat den Spruch aber im letzten
Augenblick noch etwas verschoben. Nach einigen Meldungen
würde die Bekanntgebung noch in dieser Woche erfolgen, nach
anderen erst Mitte April. Das Schiedsgericht soll bekanntlich
die Frage entscheiden, einen wie hohen Schadenersatz Portugal
an England und die Vereinigten Staaten zu zahlen hat wegen
der Beschlagnahme der Delagoa-Bahn am 26. Juni
1889. Die Streitfrage hat folgende Vorgeschichte. Im Jahre
1883 erhielt ein Amerikaner vom Gouverneur von Mocambique
die Konzession für eine Eisenbahn von Lourenco Marques nach
Transvaal. Nachdem der Bau begonnen war, trat der
Amerikaner seine Rechte an eine englisch-amerikanische Gesell-
schaft ab. Später hat Portugal plötzlich die Forderung er-
hoben, die Bahn müßte bis zur Transvaalgrenze über den Ort
Komatipoort geführt werden, was ursprünglich nicht geplant
war, und in acht Monaten in der Hauptsache fertig sein.
Die Engländer und einige ebenfalls betheiligte Amerikaner
erklärten, diese Bedingung nicht eingehen zu können und
darauf behinderten die portugiesischen Behörden den Weiter-
bau durch die Beschlagnahme der Linie und die Aufhebung
der Konzession. Bei der Wegnahme der Materialien kam es
zu Krawallen, die mit der Beschädigung des begonnenen Baues
endigten. Infolge von diplomatischen Vorstellungen brachte
Portugal die Sache vor das Berner Schiedsgericht und ver-
pflichtete sich, die von den Berner Vertrauensmännern festgestellte
Entschädigung sechs Monate nach dem Entscheid zahlen zu wollen.
So steht die Angelegenheit nun fast zehn Jahre. Die
Schweizer Schiedsrichter haben jedenfalls Zeit gehabt, sich
mit dem Aktenmaterial sehr gründlich vertraut zu machen.
Die Engländer forderten 1891 etwa 13/4 Millionen Pfund
Sterling, die Amerikaner eine entsprechende Abfindung. Der
vom Schiedsgericht nach Lourenco Marques entsandie
Schweizer Fachmann schätzte damals den Werth der Konzession
[Spaltenumbruch] auf 45 Millionen Francs Plus den Zinsen für die seit 1891
bis zum Entscheid verflossene Zeit. Das Schiedsgericht muß
nun noch, nachdem es die Entschädigungssumme festgestellt
hat, diese unter die betheiligten Engländer und Amerikaner
vertheilen, und das hat die neuerliche Verschiebung der Ver-
öffentlichung des Entscheids verursacht.

Natürlich ist die Londoner Presse schon jetzt einig in dem
Bemühen, den "armen Portugiesen" klar zu machen, daß sie
gar nicht imstande wären, die Abfindungssummen und Ent-
schädigungen zu bezahlen. England, wie immer menschen-
freundlich gefinnt, wolle seinem "alten Verbündeten" nicht
neue Finanzsorgen bereiten; im Gegentheil, die Londoner
Regierung sei gern bereit, die Bezahlung des Postens zu
übernehmen und Portugal hätte dafür bloß die Delagoa-Bahn
und die -Bai an England zu vermiethen. Amerika scheint
dieses Spielchen, bei dem England mühelos in den seit
Jahren erstrebten Besitz der Delagoa-Bai käme, nicht
ohne weiteres mitmachen zu wollen. Einflußreiche
Republikaner der Union wirken auf den sich um seine
Wiederwahl bemühenden Präsidenten McKinley ein zugunsten
einer nicht schlechthin englischen Politik. Amerikanische Buren-
freunde haben zudem der portugiesischen Regierung zur Be-
zahlung der Entschädigung jede verlangte Summe zur Ver-
fügung gestellt, um zu verhüten, daß England, wenn es in
der Delagoa-Bai schalten und walten kann, auch von der
einzigen noch offenen Seite, vom portngiesischen Gebiet her,
Transvaal anfallen kann. Freilich steht zu befürchten, daß
England es trotz aller dieser Bemühungen schließlich doch ge-
lingen wird, sich in den Besitz der Delagoa-Bai zu setzen.

Jagd auf Kang-yu-Wei.

Tel. "Daily Mail" meldet
aus Schanghai vom 26. März: Die Kaiserin-Wittwe
wies die chinesischen Kreuzer "Haitien" und "Haitschon"
an, nach Singapore zu gehen und dann zusammen mit
einigen dorthin entsandten Leuten zu versuchen, den Reformer
Kang-yu-Wei und andere dort befindliche Reformer lebend
oder todt in ihre Gewalt zu bekommen. Die Kaiserin-Wittwe
soll der Meinung sein, daß es den Kreuzern, welche in der
Stunde 24 Knoten zurücklegen, möglich sein werde, den
britischen Kriegsschiffen zu entkommen, welche etwa versuchen
würden, die verfolgten Chinesen zu beschützen, scheint aber
keine Ahnung von den etwaigen Folgen ihres seltsamen Be-
fehls zu haben.

Rußland.
Russische Handelsflotte.

K. C. Das russische Handelsministerium veröffentlicht
einige interessante Statistiken über die russische Handels-
flotte
. Dieselbe bestand am 1. Januar dieses Jahres aus
657 Dampfern und 2143 Segelschiffen. In diesen
Ziffern sind sämmtliche Fahrzeuge des Weißen Meeres, der
Ostsee, des Schwarzen, des Asow'schen und des Kaspischen
Sees einbegriffen; auch alle unter russischer Flagge in
fremden Gewässern Handel treibenden Fahrzeuge. Die Dampfer
haben zusammen eine Tonnage von 299,725 t, die Segel-
schiffe von 254,417 t. Die Dampfer sind fast alle im Aus-
land, meist in England, gebaut; die Segelschiffe dagegen alle
in Rußland. Der Gesammtwerth der Dampferflotte wird
auf 921/2 Mill. Rubel beziffert, der der Segelschiffe auf
15 Mill. Rubel. Der Bericht stellt ferner fest, daß in den
letzten Jahren eine ungewöhnliche Thätigkeit zwecks Erweite-
rung der russischen Handelsflotte entwickelt worden ist, so
wurden in den letzten Jahren nicht weniger als 159 neue
Dampfer und 469 Segelschiffe fertiggestellt. Trotzdem aber
macht die russische Handelsflotte im Vergleich zu den un-
geheuren Transportbedürfnissen des Reichs nur einen ziem-
lich kläglichen Eindruck,
und trotz des neuerdings ent-
wickelten Eifers zur Stärkung der heimischen Handelsflotte
stehen die Leistungen derselben doch in keinem Verhältniß zu
dem Import- und Exportverkehr, der von fremden Schiffen
unterhalten wird. Im fernen Osten ist, allerdings infolge
von Repressivmaßregeln, der Seeverkehr der russischen Häfen
Monopol russischer Schiffe, aber diese Art der Forcirung von
Geschäften wird sich kaum auf die Dauer als praktisch und
im Interesse des russischen Reichs liegend bewähren.

Serbien.
Personalnachricht.

* Wie man aus Belgrad meldet, hat der Gesandte i. R.
Steic die Funktionen des Sektionschefs der politischen Ab-
theilung des Ministeriums des Aeußern provisorisch über-
nommen. Der bisherige Sektionschef dieses Departements,
Boschkowitsch, ist an die Spitze eines Generalkonsulats in
Makedonien getreten.

Montenegro.
Ueber die Mission des russischen Finanzraths Müller

wird der "Köln. Ztg." aus Ragusa geschrieben: Der Sach-
verständige des russischen Finanzministeriums, Hr. Müller,
der einige Wochen hindurch in Cetinje weilte, um, wie von
montenegrinischer Seite verkündet ward, die Finanzlage des
Landes zu prüfen, in Wirklichkeit aber, um die gegen die
Geldgebahrung des Hofes und die nicht ganz klare
Verwendung der russischen Unterstützungen er-
hobenen Anklagen zu untersuchen, ist aus Cetinje ab-
gereist, nachdem ihm Fürst Nikita das Komthurkreuz des
Danilo-Ordens verliehen hatte. Das Amtsblatt erzählt, der
russische Abgesandte habe herausgefunden, daß die Lage nicht
so schlecht sei, wie man angenommen hatte, und Hr. Müller
habe sogar die Entdeckung gemacht, daß Montenegro über
reichere Hülfsmittel verfüge als man denken mochte. Aber
alle Welt weiß, daß Müller nicht die Aufgabe hatte, neue
Geldquellen zu erschließen, sondern alte Rechnungen zu
prüfen
. Das Amtsblatt beeilt sich auch in auffallender
Weise, zu erklären, die Meldungen über eine bevorstehende
Reise des Fürsten nach St. Petersburg seien aus
der Luft gegriffen. Dies bezieht sich auf die vor einiger Zeit
gebrachten Meldungen der mit Cetinje enge Fühlung unter-
haltenden großserbischen und jungtschechischen Blätter, daß
Fürst Nikita die bevorstehenden Osterfeiertage in der russischen
Residenz verbringen werde, was so viel heißen soll, als daß
er beim Zaren wieder in Gnaden aufgenommen sei. Die
Sache mit den österreichischen Postanweisungen hat
eben in St. Petersburg tief verstimmt und das Ergebniß der
Untersuchung des Hrn. Müller hat offenbar dazu beigetragen,
die Verstimmung zu steigern. (Oesterreich sah sich vor etlichen
Monaten genöthigt, den Postanweisungsverkehr mit Montenegro
einzustellen, weil dies die ihm zur Last fallenden Beträge nicht
ausbezahlte.)

Dienſtag.
Zweites Abendblatt Nr. 84 der Allgemeinen Zeitung.
27. März 1900.
[Spaltenumbruch]
Die Stellung des Präſidenten Loubet.

Eines der unerklärlichſten und
bisher unerklärteſten Rätſel, vor dem man hier in Frank-
reich ſteht, iſt der Haß, mit dem von zehn Franzoſen neun,
wenigſtens neun von zehn Franzoſen, die ſich zu der Frage
überhaupt zum Wort melden, den Präſidenten der Republik,
Hrn. Loubet, verfolgen. Es gibt kein Schimpfwort, das
den Gegnern Loubets zu gemein wäre, um es täglich in der
Preſſe auf ihn anzuwenden; es gibt keine Handlung, und ſei
ſie noch ſo degradirend, deren man ihn nicht für fähig oder
gar für ſchuldig und überführt erklärte. Ein gutes Theil
dieſer Loubet-Hetze kann man, ja muß man auf Rechnung der
allgemeinen Verwilderung der politiſchen und journaliſtiſchen
Sitten ſetzen; man diskutirt und argumentirt in den extremen
Parteien — und was iſt heute hier nicht extrem? — über-
haupt nicht mehr, man ſchimpft und beſchimpft nur noch.
Die Vertheidiger von Thron und Altar gehen darin den
Radikalen und Sozialdemokraten mit dem denkbar ſchlechteſten
Beiſpiel voran und Allen vorauf marſchiren die unter dem
Sammelnamen der Nationaliſten vereinigten Déronléde’ſchen
Patrioten, die Coppé’ſchen Vaterlandsfreunde, die Drumont-
ſchen Antiſemiten und Antiproteſtanten, ſowie als ſtärkſter und
gefährlichſter Trupp die Mercier-Rochefort’ſchen Generalſtabs-
parteiler.

Alle dieſe Leute und die große Maſſe derer, die jetzt ge-
dankenlos, oder ſich der allgemeinen „Hatz“ freuend, hinter
ihnen her marſchirt, hatten an Hrn. Loubet, ſolange er nur
Miniſterpräſident oder Präſident des Senats war, nicht das
Mindeſte auszuſetzen; ſie griffen ihn wenigſtens nicht mehr
und nicht grimmiger an als irgend einen anderen Premier-
miniſter oder Senatspräſidenten, aber ſeit der Stunde, in der
Hr. Loubet ſich anſchickte, ins Elyſée einzuziehen, iſt er allen
dieſen Leuten „le dernier des misérables“. Und warum?
Weil er, was allerdings richtig iſt, zu denjenigen maßgebenden
Parlamentariern gehört hat, die während des von den
Geguern der Republik im Bunde mit einigen mehr ehrlich
als politiſch denkenden Republikanern unternommenen Ver-
ſuches, den Panama-Skandal „zu liquidiren“, von dieſer
Liquidation nichts wiſſen wollten und die dabei ihre ſchir-
mende Hand nicht nur über Unſchuldige, ſondern auch über
notoriſch Schuldige gehalten haben? O nein! Dieſen Akt
der parlamentariſchen Camaraderie hätte ihm hier, in dem
Lande, dem wir das Wort wie den Begriff der „Camaraderie“,
der weit über das hinausgeht, was wir im allerhäßlichſten
Sinne Gevatterſchaftswirthſchaft nennen könnten, verdanken,
eruſtlich Niemand übelgenommen. Was Loubet in dieſer Be-
that und aus Selbſterhaltungstrieb thun mußte — er hatte in
der Panama-Affaire nicht geſtohlen, aber er hatte ſeine Kol-
legen und um ſich herum ſtehlen laſſen, ohne dagegen zu pro-
teſtiren oder ohne dagegen proteſtiren zu können —, das
haben alle Anderen, die an ſeiner Statt hätten Präſident der
Republik werden können, das hatten Hr. Carnot, Hr. Caſimir-
Perier und Hr. Felix Faure und das haben alle ſeitherigen
Miniſter ꝛc., das hat ſelbſt der unbeſtechliche Briſſon auch
gethan. Alſo deßhalb, weil er den ſehr zweifelhaften Tugend-
helden, die ihn heute als „Panama I“ u. ſ. w. zu beſchimpfen
ſuchen, wegen ſeiner Haltung bei der ſog. Liquidation des Panama-
Skandals verdächtig geworden iſt, deßhalb wird Hr. Lonbet heute
nicht von nenn Zehnteln der Franzoſen beſchimpft und verfolgt.
Er iſt auch nicht deßhalb einer der beſtgehaßten Leute
Frankreichs, weil er bei ſeiner Wahl zum Staatsoberhaupt
den Auftrag mit auf den Weg erhalten hat, unter Schonung
aller Parteien und Anſichten, ähnlich wie er den Panama-
Skandal liquidiren geholfen hatte, ſo auch jetzt den Dreyfus-
Handel
aus der Welt zu ſchaffen und weil er dieſen Auftrag,
ſo gut oder ſo ſchlecht es eben ging, natürlich zu aller Welt
Unzufriedenheit ausgeführt hat, ſondern er iſt gehaßt, blind,
fanatiſch und maßlos, weil er in ſich zur Zeit den letzten
Widerſtand verkörpert oder doch zu verkörpern ſcheint, den
die abſterbende bürgerlich-liberale, demokratiſch-parlamentariſche
Republik, ſo wie die Männer des Anfangs der 70er Jahre,
die Thiers, Gambetta, Ferry, Favre, Simon, Grévy, Floquet,
Freyeinet ꝛc. ſie ſich und für ſich geſchaffen haben, dem ver-
einten Anſturm ihrer Gegner von rechts und links entgegen-
ſetzt. Hr. Loubet iſt vor allem gewählt worden als Schirm-
vogt der legalen bürgerlichen Gewalt gegenüber der für die
Einen drohenden, für die Anderen ſehnlichſt erwünſchten
Diktatur.

Aber nicht einmal ſeine Anhänger haben dafür geſorgt,
daß der alte Herr ein wenig Freude am Amt findet. Gleich
bei ſeinem Einzug in Paris wurde er, ſtatt angefeiert zu
werden, angejohlt und, ſtatt mit Blumen, mit allerlei Unrath
beworfen; wenige Tage ſpäter, anläßlich der Veiſetzung Faure’s,
konnte nur ein mächtiges Polizeiaufgebot ihn vor abermaligen
wörtlichen und thätlichen Beſchimpfungen retten und nur der
blinde Zufall, der Umſtand, daß Déroulède, der Führer der
Verſchworenen, gar zu närriſch und der zum Staatsſtreich
ausgeſuchte General Roget „vorſichtiger“ war, als man an-
genommen hatte, rettete ihn davor, aus dem Elyſée wieder
vertrieben zu werden, bevor er noch in dasſelbe wirklich ein-
gezogen war. Wieder ein paar Tage darauf empfingen ihn
die Mitglieder des Jockeyklubs auf ihrem Renuplatz, auf den
ſie ihn ſelbſt geladen hatten — das mag ja nicht hübſch ſein,
iſt aber nun einmal ſo — mit Stockſchlägen, bei denen Hrn.
Loubets Zylinder zum Glück ſchlimmer zugerichtet wurde als
er ſelbſt, was aber immerhin zur üblen Folge gehabt hat,
daß ähnlich wie einſt der erſte Napoleon immer mit ſeinem
kleinen Dreiſpitz abgebildet wurde, ſo jetzt Hr. Loubet nur
noch mit eingetriebenem Zylinder karrikirt zu werden pflegt.
Wieder einige Zeit ſpäter wußte dann ein Trupp bezechter
Offiziere unter Führung eines konfervativen Abgeordneten
nichts beſſeres zu thun, als das Loubet’ſche Haus in ſeiner
Vaterſtadt Montélimar, in dem der Präſident der Republik
gerade zum Beſuch weilte, in der denkbar widerwärtigſten
und ſkandalöſeſten Weiſe zu beſudeln, und auch ſeither laſſen
die Anti-Loubetianer keine Gelegenheit unbenutzt vorübergehen,
um ihn in der öffentlichen Meinung herabzuſetzen, zu ſchmähen
und zu beſchimpfen.

Von Seiten des Hrn. Loubet geſchieht dabei alles, was
nur irgend möglich iſt und was Milde und Verſöhnlichkeit
nur irgend ausdenken können, um die Oppoſition gegen ſeine
Perſon und gegen ſeine Regierung zu entwaffnen. Schon
vor Monaten habe ich über den jetzigen Präſidenten der
Republik an dieſer Stelle einmal geſagt, er ſei im Grunde
ein kreuzbraver Mann, ehrlich, anſtändig, makellos, etwas
Bauer, aber ein guter Bauer, und was ich damals geſagt
habe, kann ich heute nur wiederholen. Selbſt die boshafteſten
und böswilligſten Späher haben in ſeinem Vorleben und in
ſeiner Familie nichts poſitives zu entdecken vermocht, womit
man ihn wirklich herabſetzen, ihn entwürdigen, verächtlich oder
[Spaltenumbruch] lächerlich machen könnte, und als Staatsoberhaupt hat er
ſtreng nach der Verfaſſung regiert und bisher keine Gelegenheit
vorübergehen laſſen, ſich verſöhnlich zu zeigen und ſeinen
Feinden Böſes mit Gutem zu vergelten. Letzteres hat er
denn auch wieder einmal in dieſen Tagen gethan. Bevor er
am Freitag Abend für eine halbe Woche zu ſeiner Mutter
auf deren Bauernhof bei Montélimar gereist iſt, hat er die
Begnadigung des Barons Chriſtiani unterzeichnet, des
bekannten Auteuiler Klubmanus, der Hrn. Loubet zu dem ein-
getriebenen Zylinder verholfen hat.

Hr. Loubet hat das im gegenwärtigen Augenblick gethan
und thun zu können geglaubt, weil einmal der Wind hier
zur Zeit überhaupt aus dem Amneſtiewinkel weht und weil
außerdem, auſcheinend wenigſtens, mit der herannahenden
Weltausſtellung für ihn eine Art Gottesfrieden begonnen hat.
Möge er ſich hierin nicht irren! Der Wunſch ſcheint mir in
aller Welt Intereſſe, in dem des Hrn. Loubet, in dem Frank-
reichs und auch in dem unſrigen geboten zu ſein. Denn auch
wir wiſſen, wen wir in Hrn. Loubet haben, d. h. einen
anſtändigen, rechtſchaffenen, politiſch ausgereiften, weder eitlen
noch perſönlich ehrgeizigen und ſomit nicht auf Abenteuer
ausgehenden, ſondern friedliebenden und friedfertigen Mann
an der Spitze des für uns vortheilhafteſten Staatsweſens
in Frankreich: der Republik; und wir wiſſen nicht annähernd,
wer und was nach ihm und nach der Republik kommen würde.



Der Krieg in Südafrika.

Tel. Die Delegation
der beiden Buren-Staaten
trifft Anfang April an
Bord des deutſchen Reichspoſtdampfers „Kaiſer“ in
Neapel ein. Sie begibt ſich von dortj direkt nach
Berlin und von da über Brüſſel nach New-York.
Von einem Beſuch in St. Petersburg iſt hier noch nichts
bekannt.

Tel. Das Kriegsminiſterium
hat den Oberſten Kekewich, den bisherigen Kommandeur
von Kimberley, aufgefordert, einen ausführlichen Bericht
über die Belagerung Kimberley’s einzureichen mit beſonderer
Bezugnahme auf die angeblichen Einmiſchungen von Cecil
Rhodes in die militäriſchen Anordnungen.

Tel. „Daily Mail“ meldet
aus Kapſtadt vom 26. d. M.: Heute geht von Kimberley
eine Expedition ab. Ihr Hauptziel iſt der von den Buren
beſetzte Ort Griquatown.

Tel. Ein 400 Mann ſtarkes
Burenkommando beſetzte Papkuel wieder und zwang die
Buren des Herbert-Diſtriktes, ſich dem Aufſtande wieder
anzuſchließen. In dieſer Gegend kamen ausgedehnte Plün-
derungen vor. (Letztere Beſchuldigung wird von den Eng-
ländern ſyſtemathiſch erhoben. Engliſche Journaliſten aber
haben geſchildert, in welch brutaler Weiſe gerade „Tommy
Atkins“ ſich in Feindesland benimmt, im Gegenſatz zu den
Buren. Die Red.)

Tel. „Daily News“ berichten
aus Bloemfontein vom 25. d. M.: General Freuch iſt
mit ſeiner Kavallerie zurückgekehrt, ohne mit dem Feind
zuſammenzuſtoßen. Eine Anzahl Burghers in den von
French durchzogenen Gebieten legte die Waffen nieder.

Tel. „Daily Mail“ meldet aus
Ladyſmith vom 25. März: Heute ging die Meldung ein,
daß die Buren ſich am Van Neenens-Paß ſtark ver-
ſchanzen und mit ſchweren Geſchützen auf weite Ent-
fernungen einſchießen.

Tel. Gouverneur Milner iſt
von Aliwal-North nach Bethulie weitergereist.

Tel. Aus Kimberley wird
vom 26. d. M. gemeldet: Die Zahl der Europäer und Ein-
geborenen, welche ſich in ſchlechten Verhältniſſen befinden, iſt
ſehr bedeutend. Lord Methuen hatte bereits Vorkehrungen
getroffen, um die Bedürftigen nach Kapſtadt zu ſenden, aber
die Behörden von Kapſtadt ſträubten ſich gegen die Aufnahme
der Leute, indem ſie erklärten, Kapſtadt ſei bereits übermäßig
mit Flüchtlingen angefüllt.

Tel. Das Staatsdeparte-
ment erfährt, daß der Schiedsſpruch in der Delagoa-
bai-Frage
nicht vor Mitte April bekannt gegeben werden
wird. Es heißt ferner, daß die Schiedsrichter, wenn ſie ſich
an die Beſtimmungen des Schiedsgerichtsvertrages halten,
nicht umhin können werden, ſelbſt die Theilung der Entſchä-
digungsſumme unter den Betheiligten vorzunehmen.



Großbritannien.
Die Frage der Delagoa-Bahn.

Das Berner Schiedsgericht in
der Angelegenheit der Delagoa-Bahn ſollte morgen, Mon-
tag, ſeine Entſcheidung fällen, hat den Spruch aber im letzten
Augenblick noch etwas verſchoben. Nach einigen Meldungen
würde die Bekanntgebung noch in dieſer Woche erfolgen, nach
anderen erſt Mitte April. Das Schiedsgericht ſoll bekanntlich
die Frage entſcheiden, einen wie hohen Schadenerſatz Portugal
an England und die Vereinigten Staaten zu zahlen hat wegen
der Beſchlagnahme der Delagoa-Bahn am 26. Juni
1889. Die Streitfrage hat folgende Vorgeſchichte. Im Jahre
1883 erhielt ein Amerikaner vom Gouverneur von Moçambique
die Konzeſſion für eine Eiſenbahn von Lourenço Marques nach
Transvaal. Nachdem der Bau begonnen war, trat der
Amerikaner ſeine Rechte an eine engliſch-amerikaniſche Geſell-
ſchaft ab. Später hat Portugal plötzlich die Forderung er-
hoben, die Bahn müßte bis zur Transvaalgrenze über den Ort
Komatipoort geführt werden, was urſprünglich nicht geplant
war, und in acht Monaten in der Hauptſache fertig ſein.
Die Engländer und einige ebenfalls betheiligte Amerikaner
erklärten, dieſe Bedingung nicht eingehen zu können und
darauf behinderten die portugieſiſchen Behörden den Weiter-
bau durch die Beſchlagnahme der Linie und die Aufhebung
der Konzeſſion. Bei der Wegnahme der Materialien kam es
zu Krawallen, die mit der Beſchädigung des begonnenen Baues
endigten. Infolge von diplomatiſchen Vorſtellungen brachte
Portugal die Sache vor das Berner Schiedsgericht und ver-
pflichtete ſich, die von den Berner Vertrauensmännern feſtgeſtellte
Entſchädigung ſechs Monate nach dem Entſcheid zahlen zu wollen.
So ſteht die Angelegenheit nun faſt zehn Jahre. Die
Schweizer Schiedsrichter haben jedenfalls Zeit gehabt, ſich
mit dem Aktenmaterial ſehr gründlich vertraut zu machen.
Die Engländer forderten 1891 etwa 1¾ Millionen Pfund
Sterling, die Amerikaner eine entſprechende Abfindung. Der
vom Schiedsgericht nach Lourenço Marques entſandie
Schweizer Fachmann ſchätzte damals den Werth der Konzeſſion
[Spaltenumbruch] auf 45 Millionen Francs Plus den Zinſen für die ſeit 1891
bis zum Entſcheid verfloſſene Zeit. Das Schiedsgericht muß
nun noch, nachdem es die Entſchädigungsſumme feſtgeſtellt
hat, dieſe unter die betheiligten Engländer und Amerikaner
vertheilen, und das hat die neuerliche Verſchiebung der Ver-
öffentlichung des Entſcheids verurſacht.

Natürlich iſt die Londoner Preſſe ſchon jetzt einig in dem
Bemühen, den „armen Portugieſen“ klar zu machen, daß ſie
gar nicht imſtande wären, die Abfindungsſummen und Ent-
ſchädigungen zu bezahlen. England, wie immer menſchen-
freundlich gefinnt, wolle ſeinem „alten Verbündeten“ nicht
neue Finanzſorgen bereiten; im Gegentheil, die Londoner
Regierung ſei gern bereit, die Bezahlung des Poſtens zu
übernehmen und Portugal hätte dafür bloß die Delagoa-Bahn
und die -Bai an England zu vermiethen. Amerika ſcheint
dieſes Spielchen, bei dem England mühelos in den ſeit
Jahren erſtrebten Beſitz der Delagoa-Bai käme, nicht
ohne weiteres mitmachen zu wollen. Einflußreiche
Republikaner der Union wirken auf den ſich um ſeine
Wiederwahl bemühenden Präſidenten McKinley ein zugunſten
einer nicht ſchlechthin engliſchen Politik. Amerikaniſche Buren-
freunde haben zudem der portugieſiſchen Regierung zur Be-
zahlung der Entſchädigung jede verlangte Summe zur Ver-
fügung geſtellt, um zu verhüten, daß England, wenn es in
der Delagoa-Bai ſchalten und walten kann, auch von der
einzigen noch offenen Seite, vom portngieſiſchen Gebiet her,
Transvaal anfallen kann. Freilich ſteht zu befürchten, daß
England es trotz aller dieſer Bemühungen ſchließlich doch ge-
lingen wird, ſich in den Beſitz der Delagoa-Bai zu ſetzen.

Jagd auf Kang-yu-Wei.

Tel. „Daily Mail“ meldet
aus Schanghai vom 26. März: Die Kaiſerin-Wittwe
wies die chineſiſchen Kreuzer „Haitien“ und „Haitſchon
an, nach Singapore zu gehen und dann zuſammen mit
einigen dorthin entſandten Leuten zu verſuchen, den Reformer
Kang-yu-Wei und andere dort befindliche Reformer lebend
oder todt in ihre Gewalt zu bekommen. Die Kaiſerin-Wittwe
ſoll der Meinung ſein, daß es den Kreuzern, welche in der
Stunde 24 Knoten zurücklegen, möglich ſein werde, den
britiſchen Kriegsſchiffen zu entkommen, welche etwa verſuchen
würden, die verfolgten Chineſen zu beſchützen, ſcheint aber
keine Ahnung von den etwaigen Folgen ihres ſeltſamen Be-
fehls zu haben.

Rußland.
Ruſſiſche Handelsflotte.

K. C. Das ruſſiſche Handelsminiſterium veröffentlicht
einige intereſſante Statiſtiken über die ruſſiſche Handels-
flotte
. Dieſelbe beſtand am 1. Januar dieſes Jahres aus
657 Dampfern und 2143 Segelſchiffen. In dieſen
Ziffern ſind ſämmtliche Fahrzeuge des Weißen Meeres, der
Oſtſee, des Schwarzen, des Aſow’ſchen und des Kaſpiſchen
Sees einbegriffen; auch alle unter ruſſiſcher Flagge in
fremden Gewäſſern Handel treibenden Fahrzeuge. Die Dampfer
haben zuſammen eine Tonnage von 299,725 t, die Segel-
ſchiffe von 254,417 t. Die Dampfer ſind faſt alle im Aus-
land, meiſt in England, gebaut; die Segelſchiffe dagegen alle
in Rußland. Der Geſammtwerth der Dampferflotte wird
auf 92½ Mill. Rubel beziffert, der der Segelſchiffe auf
15 Mill. Rubel. Der Bericht ſtellt ferner feſt, daß in den
letzten Jahren eine ungewöhnliche Thätigkeit zwecks Erweite-
rung der ruſſiſchen Handelsflotte entwickelt worden iſt, ſo
wurden in den letzten Jahren nicht weniger als 159 neue
Dampfer und 469 Segelſchiffe fertiggeſtellt. Trotzdem aber
macht die ruſſiſche Handelsflotte im Vergleich zu den un-
geheuren Transportbedürfniſſen des Reichs nur einen ziem-
lich kläglichen Eindruck,
und trotz des neuerdings ent-
wickelten Eifers zur Stärkung der heimiſchen Handelsflotte
ſtehen die Leiſtungen derſelben doch in keinem Verhältniß zu
dem Import- und Exportverkehr, der von fremden Schiffen
unterhalten wird. Im fernen Oſten iſt, allerdings infolge
von Repreſſivmaßregeln, der Seeverkehr der ruſſiſchen Häfen
Monopol ruſſiſcher Schiffe, aber dieſe Art der Forcirung von
Geſchäften wird ſich kaum auf die Dauer als praktiſch und
im Intereſſe des ruſſiſchen Reichs liegend bewähren.

Serbien.
Perſonalnachricht.

* Wie man aus Belgrad meldet, hat der Geſandte i. R.
Steïc die Funktionen des Sektionschefs der politiſchen Ab-
theilung des Miniſteriums des Aeußern proviſoriſch über-
nommen. Der bisherige Sektionschef dieſes Departements,
Boſchkowitſch, iſt an die Spitze eines Generalkonſulats in
Makedonien getreten.

Montenegro.
Ueber die Miſſion des ruſſiſchen Finanzraths Müller

wird der „Köln. Ztg.“ aus Raguſa geſchrieben: Der Sach-
verſtändige des ruſſiſchen Finanzminiſteriums, Hr. Müller,
der einige Wochen hindurch in Cetinje weilte, um, wie von
montenegriniſcher Seite verkündet ward, die Finanzlage des
Landes zu prüfen, in Wirklichkeit aber, um die gegen die
Geldgebahrung des Hofes und die nicht ganz klare
Verwendung der ruſſiſchen Unterſtützungen er-
hobenen Anklagen zu unterſuchen, iſt aus Cetinje ab-
gereist, nachdem ihm Fürſt Nikita das Komthurkreuz des
Danilo-Ordens verliehen hatte. Das Amtsblatt erzählt, der
ruſſiſche Abgeſandte habe herausgefunden, daß die Lage nicht
ſo ſchlecht ſei, wie man angenommen hatte, und Hr. Müller
habe ſogar die Entdeckung gemacht, daß Montenegro über
reichere Hülfsmittel verfüge als man denken mochte. Aber
alle Welt weiß, daß Müller nicht die Aufgabe hatte, neue
Geldquellen zu erſchließen, ſondern alte Rechnungen zu
prüfen
. Das Amtsblatt beeilt ſich auch in auffallender
Weiſe, zu erklären, die Meldungen über eine bevorſtehende
Reiſe des Fürſten nach St. Petersburg ſeien aus
der Luft gegriffen. Dies bezieht ſich auf die vor einiger Zeit
gebrachten Meldungen der mit Cetinje enge Fühlung unter-
haltenden großſerbiſchen und jungtſchechiſchen Blätter, daß
Fürſt Nikita die bevorſtehenden Oſterfeiertage in der ruſſiſchen
Reſidenz verbringen werde, was ſo viel heißen ſoll, als daß
er beim Zaren wieder in Gnaden aufgenommen ſei. Die
Sache mit den öſterreichiſchen Poſtanweiſungen hat
eben in St. Petersburg tief verſtimmt und das Ergebniß der
Unterſuchung des Hrn. Müller hat offenbar dazu beigetragen,
die Verſtimmung zu ſteigern. (Oeſterreich ſah ſich vor etlichen
Monaten genöthigt, den Poſtanweiſungsverkehr mit Montenegro
einzuſtellen, weil dies die ihm zur Laſt fallenden Beträge nicht
ausbezahlte.)

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[0005] Dienſtag. Zweites Abendblatt Nr. 84 der Allgemeinen Zeitung. 27. März 1900. Die Stellung des Präſidenten Loubet. # Paris, 25. März. Eines der unerklärlichſten und bisher unerklärteſten Rätſel, vor dem man hier in Frank- reich ſteht, iſt der Haß, mit dem von zehn Franzoſen neun, wenigſtens neun von zehn Franzoſen, die ſich zu der Frage überhaupt zum Wort melden, den Präſidenten der Republik, Hrn. Loubet, verfolgen. Es gibt kein Schimpfwort, das den Gegnern Loubets zu gemein wäre, um es täglich in der Preſſe auf ihn anzuwenden; es gibt keine Handlung, und ſei ſie noch ſo degradirend, deren man ihn nicht für fähig oder gar für ſchuldig und überführt erklärte. Ein gutes Theil dieſer Loubet-Hetze kann man, ja muß man auf Rechnung der allgemeinen Verwilderung der politiſchen und journaliſtiſchen Sitten ſetzen; man diskutirt und argumentirt in den extremen Parteien — und was iſt heute hier nicht extrem? — über- haupt nicht mehr, man ſchimpft und beſchimpft nur noch. Die Vertheidiger von Thron und Altar gehen darin den Radikalen und Sozialdemokraten mit dem denkbar ſchlechteſten Beiſpiel voran und Allen vorauf marſchiren die unter dem Sammelnamen der Nationaliſten vereinigten Déronléde’ſchen Patrioten, die Coppé’ſchen Vaterlandsfreunde, die Drumont- ſchen Antiſemiten und Antiproteſtanten, ſowie als ſtärkſter und gefährlichſter Trupp die Mercier-Rochefort’ſchen Generalſtabs- parteiler. Alle dieſe Leute und die große Maſſe derer, die jetzt ge- dankenlos, oder ſich der allgemeinen „Hatz“ freuend, hinter ihnen her marſchirt, hatten an Hrn. Loubet, ſolange er nur Miniſterpräſident oder Präſident des Senats war, nicht das Mindeſte auszuſetzen; ſie griffen ihn wenigſtens nicht mehr und nicht grimmiger an als irgend einen anderen Premier- miniſter oder Senatspräſidenten, aber ſeit der Stunde, in der Hr. Loubet ſich anſchickte, ins Elyſée einzuziehen, iſt er allen dieſen Leuten „le dernier des misérables“. Und warum? Weil er, was allerdings richtig iſt, zu denjenigen maßgebenden Parlamentariern gehört hat, die während des von den Geguern der Republik im Bunde mit einigen mehr ehrlich als politiſch denkenden Republikanern unternommenen Ver- ſuches, den Panama-Skandal „zu liquidiren“, von dieſer Liquidation nichts wiſſen wollten und die dabei ihre ſchir- mende Hand nicht nur über Unſchuldige, ſondern auch über notoriſch Schuldige gehalten haben? O nein! Dieſen Akt der parlamentariſchen Camaraderie hätte ihm hier, in dem Lande, dem wir das Wort wie den Begriff der „Camaraderie“, der weit über das hinausgeht, was wir im allerhäßlichſten Sinne Gevatterſchaftswirthſchaft nennen könnten, verdanken, eruſtlich Niemand übelgenommen. Was Loubet in dieſer Be- that und aus Selbſterhaltungstrieb thun mußte — er hatte in der Panama-Affaire nicht geſtohlen, aber er hatte ſeine Kol- legen und um ſich herum ſtehlen laſſen, ohne dagegen zu pro- teſtiren oder ohne dagegen proteſtiren zu können —, das haben alle Anderen, die an ſeiner Statt hätten Präſident der Republik werden können, das hatten Hr. Carnot, Hr. Caſimir- Perier und Hr. Felix Faure und das haben alle ſeitherigen Miniſter ꝛc., das hat ſelbſt der unbeſtechliche Briſſon auch gethan. Alſo deßhalb, weil er den ſehr zweifelhaften Tugend- helden, die ihn heute als „Panama I“ u. ſ. w. zu beſchimpfen ſuchen, wegen ſeiner Haltung bei der ſog. Liquidation des Panama- Skandals verdächtig geworden iſt, deßhalb wird Hr. Lonbet heute nicht von nenn Zehnteln der Franzoſen beſchimpft und verfolgt. Er iſt auch nicht deßhalb einer der beſtgehaßten Leute Frankreichs, weil er bei ſeiner Wahl zum Staatsoberhaupt den Auftrag mit auf den Weg erhalten hat, unter Schonung aller Parteien und Anſichten, ähnlich wie er den Panama- Skandal liquidiren geholfen hatte, ſo auch jetzt den Dreyfus- Handel aus der Welt zu ſchaffen und weil er dieſen Auftrag, ſo gut oder ſo ſchlecht es eben ging, natürlich zu aller Welt Unzufriedenheit ausgeführt hat, ſondern er iſt gehaßt, blind, fanatiſch und maßlos, weil er in ſich zur Zeit den letzten Widerſtand verkörpert oder doch zu verkörpern ſcheint, den die abſterbende bürgerlich-liberale, demokratiſch-parlamentariſche Republik, ſo wie die Männer des Anfangs der 70er Jahre, die Thiers, Gambetta, Ferry, Favre, Simon, Grévy, Floquet, Freyeinet ꝛc. ſie ſich und für ſich geſchaffen haben, dem ver- einten Anſturm ihrer Gegner von rechts und links entgegen- ſetzt. Hr. Loubet iſt vor allem gewählt worden als Schirm- vogt der legalen bürgerlichen Gewalt gegenüber der für die Einen drohenden, für die Anderen ſehnlichſt erwünſchten Diktatur. Aber nicht einmal ſeine Anhänger haben dafür geſorgt, daß der alte Herr ein wenig Freude am Amt findet. Gleich bei ſeinem Einzug in Paris wurde er, ſtatt angefeiert zu werden, angejohlt und, ſtatt mit Blumen, mit allerlei Unrath beworfen; wenige Tage ſpäter, anläßlich der Veiſetzung Faure’s, konnte nur ein mächtiges Polizeiaufgebot ihn vor abermaligen wörtlichen und thätlichen Beſchimpfungen retten und nur der blinde Zufall, der Umſtand, daß Déroulède, der Führer der Verſchworenen, gar zu närriſch und der zum Staatsſtreich ausgeſuchte General Roget „vorſichtiger“ war, als man an- genommen hatte, rettete ihn davor, aus dem Elyſée wieder vertrieben zu werden, bevor er noch in dasſelbe wirklich ein- gezogen war. Wieder ein paar Tage darauf empfingen ihn die Mitglieder des Jockeyklubs auf ihrem Renuplatz, auf den ſie ihn ſelbſt geladen hatten — das mag ja nicht hübſch ſein, iſt aber nun einmal ſo — mit Stockſchlägen, bei denen Hrn. Loubets Zylinder zum Glück ſchlimmer zugerichtet wurde als er ſelbſt, was aber immerhin zur üblen Folge gehabt hat, daß ähnlich wie einſt der erſte Napoleon immer mit ſeinem kleinen Dreiſpitz abgebildet wurde, ſo jetzt Hr. Loubet nur noch mit eingetriebenem Zylinder karrikirt zu werden pflegt. Wieder einige Zeit ſpäter wußte dann ein Trupp bezechter Offiziere unter Führung eines konfervativen Abgeordneten nichts beſſeres zu thun, als das Loubet’ſche Haus in ſeiner Vaterſtadt Montélimar, in dem der Präſident der Republik gerade zum Beſuch weilte, in der denkbar widerwärtigſten und ſkandalöſeſten Weiſe zu beſudeln, und auch ſeither laſſen die Anti-Loubetianer keine Gelegenheit unbenutzt vorübergehen, um ihn in der öffentlichen Meinung herabzuſetzen, zu ſchmähen und zu beſchimpfen. Von Seiten des Hrn. Loubet geſchieht dabei alles, was nur irgend möglich iſt und was Milde und Verſöhnlichkeit nur irgend ausdenken können, um die Oppoſition gegen ſeine Perſon und gegen ſeine Regierung zu entwaffnen. Schon vor Monaten habe ich über den jetzigen Präſidenten der Republik an dieſer Stelle einmal geſagt, er ſei im Grunde ein kreuzbraver Mann, ehrlich, anſtändig, makellos, etwas Bauer, aber ein guter Bauer, und was ich damals geſagt habe, kann ich heute nur wiederholen. Selbſt die boshafteſten und böswilligſten Späher haben in ſeinem Vorleben und in ſeiner Familie nichts poſitives zu entdecken vermocht, womit man ihn wirklich herabſetzen, ihn entwürdigen, verächtlich oder lächerlich machen könnte, und als Staatsoberhaupt hat er ſtreng nach der Verfaſſung regiert und bisher keine Gelegenheit vorübergehen laſſen, ſich verſöhnlich zu zeigen und ſeinen Feinden Böſes mit Gutem zu vergelten. Letzteres hat er denn auch wieder einmal in dieſen Tagen gethan. Bevor er am Freitag Abend für eine halbe Woche zu ſeiner Mutter auf deren Bauernhof bei Montélimar gereist iſt, hat er die Begnadigung des Barons Chriſtiani unterzeichnet, des bekannten Auteuiler Klubmanus, der Hrn. Loubet zu dem ein- getriebenen Zylinder verholfen hat. Hr. Loubet hat das im gegenwärtigen Augenblick gethan und thun zu können geglaubt, weil einmal der Wind hier zur Zeit überhaupt aus dem Amneſtiewinkel weht und weil außerdem, auſcheinend wenigſtens, mit der herannahenden Weltausſtellung für ihn eine Art Gottesfrieden begonnen hat. Möge er ſich hierin nicht irren! Der Wunſch ſcheint mir in aller Welt Intereſſe, in dem des Hrn. Loubet, in dem Frank- reichs und auch in dem unſrigen geboten zu ſein. Denn auch wir wiſſen, wen wir in Hrn. Loubet haben, d. h. einen anſtändigen, rechtſchaffenen, politiſch ausgereiften, weder eitlen noch perſönlich ehrgeizigen und ſomit nicht auf Abenteuer ausgehenden, ſondern friedliebenden und friedfertigen Mann an der Spitze des für uns vortheilhafteſten Staatsweſens in Frankreich: der Republik; und wir wiſſen nicht annähernd, wer und was nach ihm und nach der Republik kommen würde. Der Krieg in Südafrika.  Brüſſel, 27. März. Tel. Die Delegation der beiden Buren-Staaten trifft Anfang April an Bord des deutſchen Reichspoſtdampfers „Kaiſer“ in Neapel ein. Sie begibt ſich von dortj direkt nach Berlin und von da über Brüſſel nach New-York. Von einem Beſuch in St. Petersburg iſt hier noch nichts bekannt. # London, 27. März. Tel. Das Kriegsminiſterium hat den Oberſten Kekewich, den bisherigen Kommandeur von Kimberley, aufgefordert, einen ausführlichen Bericht über die Belagerung Kimberley’s einzureichen mit beſonderer Bezugnahme auf die angeblichen Einmiſchungen von Cecil Rhodes in die militäriſchen Anordnungen. * London, 27. März. Tel. „Daily Mail“ meldet aus Kapſtadt vom 26. d. M.: Heute geht von Kimberley eine Expedition ab. Ihr Hauptziel iſt der von den Buren beſetzte Ort Griquatown. * London, 27. März. Tel. Ein 400 Mann ſtarkes Burenkommando beſetzte Papkuel wieder und zwang die Buren des Herbert-Diſtriktes, ſich dem Aufſtande wieder anzuſchließen. In dieſer Gegend kamen ausgedehnte Plün- derungen vor. (Letztere Beſchuldigung wird von den Eng- ländern ſyſtemathiſch erhoben. Engliſche Journaliſten aber haben geſchildert, in welch brutaler Weiſe gerade „Tommy Atkins“ ſich in Feindesland benimmt, im Gegenſatz zu den Buren. Die Red.) * London, 27. März. Tel. „Daily News“ berichten aus Bloemfontein vom 25. d. M.: General Freuch iſt mit ſeiner Kavallerie zurückgekehrt, ohne mit dem Feind zuſammenzuſtoßen. Eine Anzahl Burghers in den von French durchzogenen Gebieten legte die Waffen nieder. * London, 27. März. Tel. „Daily Mail“ meldet aus Ladyſmith vom 25. März: Heute ging die Meldung ein, daß die Buren ſich am Van Neenens-Paß ſtark ver- ſchanzen und mit ſchweren Geſchützen auf weite Ent- fernungen einſchießen. * London, 27. März. Tel. Gouverneur Milner iſt von Aliwal-North nach Bethulie weitergereist. d. London, 27. März. Tel. Aus Kimberley wird vom 26. d. M. gemeldet: Die Zahl der Europäer und Ein- geborenen, welche ſich in ſchlechten Verhältniſſen befinden, iſt ſehr bedeutend. Lord Methuen hatte bereits Vorkehrungen getroffen, um die Bedürftigen nach Kapſtadt zu ſenden, aber die Behörden von Kapſtadt ſträubten ſich gegen die Aufnahme der Leute, indem ſie erklärten, Kapſtadt ſei bereits übermäßig mit Flüchtlingen angefüllt. * Waſhington, 27. März. Tel. Das Staatsdeparte- ment erfährt, daß der Schiedsſpruch in der Delagoa- bai-Frage nicht vor Mitte April bekannt gegeben werden wird. Es heißt ferner, daß die Schiedsrichter, wenn ſie ſich an die Beſtimmungen des Schiedsgerichtsvertrages halten, nicht umhin können werden, ſelbſt die Theilung der Entſchä- digungsſumme unter den Betheiligten vorzunehmen. Großbritannien. Die Frage der Delagoa-Bahn. n. London, 25. März. Das Berner Schiedsgericht in der Angelegenheit der Delagoa-Bahn ſollte morgen, Mon- tag, ſeine Entſcheidung fällen, hat den Spruch aber im letzten Augenblick noch etwas verſchoben. Nach einigen Meldungen würde die Bekanntgebung noch in dieſer Woche erfolgen, nach anderen erſt Mitte April. Das Schiedsgericht ſoll bekanntlich die Frage entſcheiden, einen wie hohen Schadenerſatz Portugal an England und die Vereinigten Staaten zu zahlen hat wegen der Beſchlagnahme der Delagoa-Bahn am 26. Juni 1889. Die Streitfrage hat folgende Vorgeſchichte. Im Jahre 1883 erhielt ein Amerikaner vom Gouverneur von Moçambique die Konzeſſion für eine Eiſenbahn von Lourenço Marques nach Transvaal. Nachdem der Bau begonnen war, trat der Amerikaner ſeine Rechte an eine engliſch-amerikaniſche Geſell- ſchaft ab. Später hat Portugal plötzlich die Forderung er- hoben, die Bahn müßte bis zur Transvaalgrenze über den Ort Komatipoort geführt werden, was urſprünglich nicht geplant war, und in acht Monaten in der Hauptſache fertig ſein. Die Engländer und einige ebenfalls betheiligte Amerikaner erklärten, dieſe Bedingung nicht eingehen zu können und darauf behinderten die portugieſiſchen Behörden den Weiter- bau durch die Beſchlagnahme der Linie und die Aufhebung der Konzeſſion. Bei der Wegnahme der Materialien kam es zu Krawallen, die mit der Beſchädigung des begonnenen Baues endigten. Infolge von diplomatiſchen Vorſtellungen brachte Portugal die Sache vor das Berner Schiedsgericht und ver- pflichtete ſich, die von den Berner Vertrauensmännern feſtgeſtellte Entſchädigung ſechs Monate nach dem Entſcheid zahlen zu wollen. So ſteht die Angelegenheit nun faſt zehn Jahre. Die Schweizer Schiedsrichter haben jedenfalls Zeit gehabt, ſich mit dem Aktenmaterial ſehr gründlich vertraut zu machen. Die Engländer forderten 1891 etwa 1¾ Millionen Pfund Sterling, die Amerikaner eine entſprechende Abfindung. Der vom Schiedsgericht nach Lourenço Marques entſandie Schweizer Fachmann ſchätzte damals den Werth der Konzeſſion auf 45 Millionen Francs Plus den Zinſen für die ſeit 1891 bis zum Entſcheid verfloſſene Zeit. Das Schiedsgericht muß nun noch, nachdem es die Entſchädigungsſumme feſtgeſtellt hat, dieſe unter die betheiligten Engländer und Amerikaner vertheilen, und das hat die neuerliche Verſchiebung der Ver- öffentlichung des Entſcheids verurſacht. Natürlich iſt die Londoner Preſſe ſchon jetzt einig in dem Bemühen, den „armen Portugieſen“ klar zu machen, daß ſie gar nicht imſtande wären, die Abfindungsſummen und Ent- ſchädigungen zu bezahlen. England, wie immer menſchen- freundlich gefinnt, wolle ſeinem „alten Verbündeten“ nicht neue Finanzſorgen bereiten; im Gegentheil, die Londoner Regierung ſei gern bereit, die Bezahlung des Poſtens zu übernehmen und Portugal hätte dafür bloß die Delagoa-Bahn und die -Bai an England zu vermiethen. Amerika ſcheint dieſes Spielchen, bei dem England mühelos in den ſeit Jahren erſtrebten Beſitz der Delagoa-Bai käme, nicht ohne weiteres mitmachen zu wollen. Einflußreiche Republikaner der Union wirken auf den ſich um ſeine Wiederwahl bemühenden Präſidenten McKinley ein zugunſten einer nicht ſchlechthin engliſchen Politik. Amerikaniſche Buren- freunde haben zudem der portugieſiſchen Regierung zur Be- zahlung der Entſchädigung jede verlangte Summe zur Ver- fügung geſtellt, um zu verhüten, daß England, wenn es in der Delagoa-Bai ſchalten und walten kann, auch von der einzigen noch offenen Seite, vom portngieſiſchen Gebiet her, Transvaal anfallen kann. Freilich ſteht zu befürchten, daß England es trotz aller dieſer Bemühungen ſchließlich doch ge- lingen wird, ſich in den Beſitz der Delagoa-Bai zu ſetzen. Jagd auf Kang-yu-Wei. * London, 27. März. Tel. „Daily Mail“ meldet aus Schanghai vom 26. März: Die Kaiſerin-Wittwe wies die chineſiſchen Kreuzer „Haitien“ und „Haitſchon“ an, nach Singapore zu gehen und dann zuſammen mit einigen dorthin entſandten Leuten zu verſuchen, den Reformer Kang-yu-Wei und andere dort befindliche Reformer lebend oder todt in ihre Gewalt zu bekommen. Die Kaiſerin-Wittwe ſoll der Meinung ſein, daß es den Kreuzern, welche in der Stunde 24 Knoten zurücklegen, möglich ſein werde, den britiſchen Kriegsſchiffen zu entkommen, welche etwa verſuchen würden, die verfolgten Chineſen zu beſchützen, ſcheint aber keine Ahnung von den etwaigen Folgen ihres ſeltſamen Be- fehls zu haben. Rußland. Ruſſiſche Handelsflotte. K. C. Das ruſſiſche Handelsminiſterium veröffentlicht einige intereſſante Statiſtiken über die ruſſiſche Handels- flotte. Dieſelbe beſtand am 1. Januar dieſes Jahres aus 657 Dampfern und 2143 Segelſchiffen. In dieſen Ziffern ſind ſämmtliche Fahrzeuge des Weißen Meeres, der Oſtſee, des Schwarzen, des Aſow’ſchen und des Kaſpiſchen Sees einbegriffen; auch alle unter ruſſiſcher Flagge in fremden Gewäſſern Handel treibenden Fahrzeuge. Die Dampfer haben zuſammen eine Tonnage von 299,725 t, die Segel- ſchiffe von 254,417 t. Die Dampfer ſind faſt alle im Aus- land, meiſt in England, gebaut; die Segelſchiffe dagegen alle in Rußland. Der Geſammtwerth der Dampferflotte wird auf 92½ Mill. Rubel beziffert, der der Segelſchiffe auf 15 Mill. Rubel. Der Bericht ſtellt ferner feſt, daß in den letzten Jahren eine ungewöhnliche Thätigkeit zwecks Erweite- rung der ruſſiſchen Handelsflotte entwickelt worden iſt, ſo wurden in den letzten Jahren nicht weniger als 159 neue Dampfer und 469 Segelſchiffe fertiggeſtellt. Trotzdem aber macht die ruſſiſche Handelsflotte im Vergleich zu den un- geheuren Transportbedürfniſſen des Reichs nur einen ziem- lich kläglichen Eindruck, und trotz des neuerdings ent- wickelten Eifers zur Stärkung der heimiſchen Handelsflotte ſtehen die Leiſtungen derſelben doch in keinem Verhältniß zu dem Import- und Exportverkehr, der von fremden Schiffen unterhalten wird. Im fernen Oſten iſt, allerdings infolge von Repreſſivmaßregeln, der Seeverkehr der ruſſiſchen Häfen Monopol ruſſiſcher Schiffe, aber dieſe Art der Forcirung von Geſchäften wird ſich kaum auf die Dauer als praktiſch und im Intereſſe des ruſſiſchen Reichs liegend bewähren. Serbien. Perſonalnachricht. * Wie man aus Belgrad meldet, hat der Geſandte i. R. Steïc die Funktionen des Sektionschefs der politiſchen Ab- theilung des Miniſteriums des Aeußern proviſoriſch über- nommen. Der bisherige Sektionschef dieſes Departements, Boſchkowitſch, iſt an die Spitze eines Generalkonſulats in Makedonien getreten. Montenegro. Ueber die Miſſion des ruſſiſchen Finanzraths Müller wird der „Köln. Ztg.“ aus Raguſa geſchrieben: Der Sach- verſtändige des ruſſiſchen Finanzminiſteriums, Hr. Müller, der einige Wochen hindurch in Cetinje weilte, um, wie von montenegriniſcher Seite verkündet ward, die Finanzlage des Landes zu prüfen, in Wirklichkeit aber, um die gegen die Geldgebahrung des Hofes und die nicht ganz klare Verwendung der ruſſiſchen Unterſtützungen er- hobenen Anklagen zu unterſuchen, iſt aus Cetinje ab- gereist, nachdem ihm Fürſt Nikita das Komthurkreuz des Danilo-Ordens verliehen hatte. Das Amtsblatt erzählt, der ruſſiſche Abgeſandte habe herausgefunden, daß die Lage nicht ſo ſchlecht ſei, wie man angenommen hatte, und Hr. Müller habe ſogar die Entdeckung gemacht, daß Montenegro über reichere Hülfsmittel verfüge als man denken mochte. Aber alle Welt weiß, daß Müller nicht die Aufgabe hatte, neue Geldquellen zu erſchließen, ſondern alte Rechnungen zu prüfen. Das Amtsblatt beeilt ſich auch in auffallender Weiſe, zu erklären, die Meldungen über eine bevorſtehende Reiſe des Fürſten nach St. Petersburg ſeien aus der Luft gegriffen. Dies bezieht ſich auf die vor einiger Zeit gebrachten Meldungen der mit Cetinje enge Fühlung unter- haltenden großſerbiſchen und jungtſchechiſchen Blätter, daß Fürſt Nikita die bevorſtehenden Oſterfeiertage in der ruſſiſchen Reſidenz verbringen werde, was ſo viel heißen ſoll, als daß er beim Zaren wieder in Gnaden aufgenommen ſei. Die Sache mit den öſterreichiſchen Poſtanweiſungen hat eben in St. Petersburg tief verſtimmt und das Ergebniß der Unterſuchung des Hrn. Müller hat offenbar dazu beigetragen, die Verſtimmung zu ſteigern. (Oeſterreich ſah ſich vor etlichen Monaten genöthigt, den Poſtanweiſungsverkehr mit Montenegro einzuſtellen, weil dies die ihm zur Laſt fallenden Beträge nicht ausbezahlte.)

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 27. März 1900, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine84_1900/5>, abgerufen am 18.06.2024.