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Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Städte sind von Nationalgarden besetzt. Wir Clevner ziehen mit Musik
im Lande herum und verkünden die Republik. In wenigen Tagen
hossen auch wir frei zu seyn."" Diese Berichte werden durch andere
Briefe bestätigt. Der Ausstand in Mailand ist am 18 Mittags los-
gebrochen; sogleich wurden alle Thore geschlossen."

Die directen Berichte von Mailand gehen bis
zum 18 Mittags, sie melden folgendes: Am 18 Morgens gegen 10 Uhr
wurde in den Straßen der Stadt folgende Bekanntmachung angeschla-
gen:

"Die Präsidenz der k. k. Regierung macht es sich zur Pflicht dem
Publicum von dem Inhalt einer telegraphischen Depesche Kenntniß zu
geben, welche am 15 d. von Wien abgehend am nämlichen Tage in Cilly
und gestern Abend hier angekommen ist. Sie lautet: ""Se. Maj. der
Kaiser hat beschlossen die Censur aufzuheben, unverzüglich ein Preßge-
setz veröffentlichen zu lassen, sowie ferner die Stände der deutschen und
slawischen Reiche und die Central-Congregationen des lombardisch-vene-
zianischen Königreichs einzuberufen. Der Zusammentritt derselben soll
spätestens am 3 des nächstkommenden Monats Julius stattfinden. Un-
terzeichnet:

M. Hartl, k. k. Inspector des Telegraphen, und der Viceprä-
sident Graf O'Donell.""
-- Statt das Volk zu beschwichtigen, rief dieser
"Aviso" eine stärkere Aufregung hervor. "Vane promesse e bugiarde!"
"e troppo tardi!"
hörte man auf allen Straßen. Die Anschläge wur-
den abgerissen; das Geschrei des Aufruhrs wurde laut. Gegen 11 Uhr
entvölkerten sich die Straßen; Häuser, Cafes und Wirthschaften wurden
sogleich geschlossen. Nach und nach aber zeigten sich bald hier bald
dort einzelne Volkshaufen, die augenblicklich und unglaublich sich
vergrößerten. Als die Diligence Mittags abfuhr, waren die Contra-
da-larga, der Domplatz und der Platz beim Broletto mit Volksmassen
besetzt; kaum vermochte sie durchzudringen. Dieß sind die letzten di-
recten
Berichte aus der lombardischen Hauptstadt. Ich will nun versu-
chen zusammenzustellen was tessinische Zeitungen und Privatberichte aus
Chiasso, Como und Chiavenna uns brachten. Am 19 Morgens brachte
eine Staffette von Chiasso den Bericht nach Lugano, der Kampf habe in
Mailand begonnen. Das Volk habe Barricaden errichtet; das Militär sich
ins Castell zurückgezogen. Der Vicekönig sey entfloben, aber in Brescia von
italienischen Grenadiercompagnien gefangen genommen worden, welche
der Sympathie mit der Bevölkerung verdächtig von Mailand nach jener
Stadt verlegt worden. Nach diesem Bericht hätte man am 19 um 3 Uhr
Morgens kanoniren hören; bis dahin glaube man sey kein Blut geflossen.
Nach andern Berichten wären die Truppen beim Ausbruch des Aufstan-
des sogleich nach dem Marktplatz gezogen um sich dort der Getreide-
vorräthe zu versichern und dieselben ins Castell zu bringen. Das Volk
habe sich vergeblich widersetzt und ein kleines Gefecht stattgefunden, wo-
bei mehrere gefallen seyen. Darauf haben sich die Truppen zum Theil
ins Castell zurückgezogen, zum Theil haben sie die befestigten Stadtthore
von außen besetzt. Eine starke Abtheilung Tiroler Jäger habe den Dom
erstiegen und von den Terrassen desselben die umliegenden Straßen be-
schossen. Das Volk habe hierauf die Treppen theilweise zerstört und auf
solche Weise diese Mannschaft abgeschnitten. Von außen her sey die
Stadt mit Kanonen beschossen worden; an den einzelnen Thoren seyen
in hartnäckigen Kämpfen sowohl vom Volke als von den Truppen viele
[Spaltenumbruch] Verwundete und Todte gefallen. Die Municipalität von Mailand habe sich
als provisorische Regierung für die ganze Lombardei erklärt; Radetzki sey
geflohen; Gallimberti getödtet; Torresani in den Händen des Volks. Diese
Nachrichten sollen durch einen Boten der Municipalität, der der Wachsamkeit
der Truppen entgehen konnte, an die Municipalität von Como gelangt
seyn. Como verhielt sich am 19 noch ruhig, bereits traf aber viel Volk
aus der Umgend und vom See her in der Stadt ein. Wenige waren
mit Jagdflinten bewaffnet; man rüstete sich so gut möglich zum Kampf
mit Sicheln, Hacken und andern Werkzeugen. Aber auch zwei Com-
pagnien Croaten zogen ungehindert aus der Umgegend in das Städt-
chen. Auf dem Domplatz standen fremde Truppen und Civica sich unthätig
aber höchst gespannt gegenüber. Am 19 noch zog eine mit Jagdflinten
bewaffnete Schaar Lombarden und Venezianer von Chiasso aus mit drei-
farbiger Fahne. Auf dem Monte Olimpino zog eine Gendarmerie-Pa-
trouille mit dem Rufe: "Viva Italia," bei ihnen vorüber. In Como ange-
kommen, sprach der Führer dieser Schaar, der Dichter Diego Piacentini,
zum zahlreich versammelten Volke, er wurde mit stürmischem Beifall em-
pfangen. Von der Municipalität wurden die Ankömmlinge angesichts der
sich passiv verhaltenden Truppen in die Civica eingereiht. Am 20 Mor-
gens begann in Como der Kampf; um 9 Uhr hörte man in Chiasso
Kanonen- und Pelotonfeuer. Von der Spitze des Monte Olimpino sah
man auf dem Domplatz in Como das Aufblitzen der Geschütze, man
schloß auf einen sehr hartnäckigen Kampf. In Como und der Umgegend
heulten die Sturmglocken. Nach 10 Uhr traf in Chiasso ein reitender
Bote ein; die Municipalität von Como sendet um Waffen, aber nur
wenige sind aufzutreiben. Beim Abgang des Boten war erst ein
Soldat und ein Bürger gefallen; alle Thore waren geschlossen. Der
Polizeicommissär von Ponte-Chiasso hat in letzterem Orte bereits um ein
Asyl angehalten; er erhielt die Antwort, das Land der Freihei stehet allen
Flüchtlingen offen. -- 4000 Piemonteser sollen den Gravellone über-
schritten haben um den Lombarden Hülfe zu bringen. Mit den Dampf-
schiffen langten in Chiasso viele wohlbewaffnete Veltliner an, die kampf-
begierig ihren Brüdern beizustehen eilten. -- In Cleven (Chiavenna)
zogen am 19 Volkshaufen mit Musik herum und verkündetem mit un-
geheurem Jubel die Republik. Es bildete sich sofort eine National-
garde. Am 20 hatten alle Behörden sich aufgelöst; überall waren die
österreichischen Wappen abgenommen worden. Berichte von dort mel-
den in Brescia und Bergamo sey die Revolution vollendet; bewassnete
Schaaren ziehen von dort der bedrängten Hauptstadt zu Hülfe. Ja
man will von Aufständen in Verona und Venedig wissen. Auch dort
fehlten directe Berichte von Mailand seit dem 18 Mittags. Hier in
Chur sind heute Seidesendungen -- jedoch ohne Briefe -- eingetroffen, die
Bergamo nach dem Ausbruch und wahrscheinlich nach Beendigung des
dortigen Aufstandes verlassen hatten. Die Regierung Tessins hat 2
Bataillone und einige Schützencompagnien aufgeboten um die Gränze
gegen die Lombarder zu besetzen.

Niederland.

Hr. Dirk Donker Curtius ist
zum Justizminister ernannt und hat bereits den Eid in die Hände des
Königs abgelegt; Luzac und Thorbecke sind gewiß, über die andern noch
nichts entscheidendes.



[irrelevantes Material]


[Spaltenumbruch] Städte ſind von Nationalgarden beſetzt. Wir Clevner ziehen mit Muſik
im Lande herum und verkünden die Republik. In wenigen Tagen
hoſſen auch wir frei zu ſeyn.““ Dieſe Berichte werden durch andere
Briefe beſtätigt. Der Auſſtand in Mailand iſt am 18 Mittags los-
gebrochen; ſogleich wurden alle Thore geſchloſſen.“

Die directen Berichte von Mailand gehen bis
zum 18 Mittags, ſie melden folgendes: Am 18 Morgens gegen 10 Uhr
wurde in den Straßen der Stadt folgende Bekanntmachung angeſchla-
gen:

„Die Präſidenz der k. k. Regierung macht es ſich zur Pflicht dem
Publicum von dem Inhalt einer telegraphiſchen Depeſche Kenntniß zu
geben, welche am 15 d. von Wien abgehend am nämlichen Tage in Cilly
und geſtern Abend hier angekommen iſt. Sie lautet: „„Se. Maj. der
Kaiſer hat beſchloſſen die Cenſur aufzuheben, unverzüglich ein Preßge-
ſetz veröffentlichen zu laſſen, ſowie ferner die Stände der deutſchen und
ſlawiſchen Reiche und die Central-Congregationen des lombardiſch-vene-
zianiſchen Königreichs einzuberufen. Der Zuſammentritt derſelben ſoll
ſpäteſtens am 3 des nächſtkommenden Monats Julius ſtattfinden. Un-
terzeichnet:

M. Hartl, k. k. Inſpector des Telegraphen, und der Viceprä-
ſident Graf O’Donell.““
— Statt das Volk zu beſchwichtigen, rief dieſer
„Aviso“ eine ſtärkere Aufregung hervor. „Vane promesse e bugiarde!“
„è troppo tardi!“
hörte man auf allen Straßen. Die Anſchläge wur-
den abgeriſſen; das Geſchrei des Aufruhrs wurde laut. Gegen 11 Uhr
entvölkerten ſich die Straßen; Häuſer, Cafés und Wirthſchaften wurden
ſogleich geſchloſſen. Nach und nach aber zeigten ſich bald hier bald
dort einzelne Volkshaufen, die augenblicklich und unglaublich ſich
vergrößerten. Als die Diligence Mittags abfuhr, waren die Contra-
da-larga, der Domplatz und der Platz beim Broletto mit Volksmaſſen
beſetzt; kaum vermochte ſie durchzudringen. Dieß ſind die letzten di-
recten
Berichte aus der lombardiſchen Hauptſtadt. Ich will nun verſu-
chen zuſammenzuſtellen was teſſiniſche Zeitungen und Privatberichte aus
Chiaſſo, Como und Chiavenna uns brachten. Am 19 Morgens brachte
eine Staffette von Chiaſſo den Bericht nach Lugano, der Kampf habe in
Mailand begonnen. Das Volk habe Barricaden errichtet; das Militär ſich
ins Caſtell zurückgezogen. Der Vicekönig ſey entfloben, aber in Brescia von
italieniſchen Grenadiercompagnien gefangen genommen worden, welche
der Sympathie mit der Bevölkerung verdächtig von Mailand nach jener
Stadt verlegt worden. Nach dieſem Bericht hätte man am 19 um 3 Uhr
Morgens kanoniren hören; bis dahin glaube man ſey kein Blut gefloſſen.
Nach andern Berichten wären die Truppen beim Ausbruch des Aufſtan-
des ſogleich nach dem Marktplatz gezogen um ſich dort der Getreide-
vorräthe zu verſichern und dieſelben ins Caſtell zu bringen. Das Volk
habe ſich vergeblich widerſetzt und ein kleines Gefecht ſtattgefunden, wo-
bei mehrere gefallen ſeyen. Darauf haben ſich die Truppen zum Theil
ins Caſtell zurückgezogen, zum Theil haben ſie die befeſtigten Stadtthore
von außen beſetzt. Eine ſtarke Abtheilung Tiroler Jäger habe den Dom
erſtiegen und von den Terraſſen desſelben die umliegenden Straßen be-
ſchoſſen. Das Volk habe hierauf die Treppen theilweiſe zerſtört und auf
ſolche Weiſe dieſe Mannſchaft abgeſchnitten. Von außen her ſey die
Stadt mit Kanonen beſchoſſen worden; an den einzelnen Thoren ſeyen
in hartnäckigen Kämpfen ſowohl vom Volke als von den Truppen viele
[Spaltenumbruch] Verwundete und Todte gefallen. Die Municipalität von Mailand habe ſich
als proviſoriſche Regierung für die ganze Lombardei erklärt; Radetzki ſey
geflohen; Gallimberti getödtet; Torreſani in den Händen des Volks. Dieſe
Nachrichten ſollen durch einen Boten der Municipalität, der der Wachſamkeit
der Truppen entgehen konnte, an die Municipalität von Como gelangt
ſeyn. Como verhielt ſich am 19 noch ruhig, bereits traf aber viel Volk
aus der Umgend und vom See her in der Stadt ein. Wenige waren
mit Jagdflinten bewaffnet; man rüſtete ſich ſo gut möglich zum Kampf
mit Sicheln, Hacken und andern Werkzeugen. Aber auch zwei Com-
pagnien Croaten zogen ungehindert aus der Umgegend in das Städt-
chen. Auf dem Domplatz ſtanden fremde Truppen und Civica ſich unthätig
aber höchſt geſpannt gegenüber. Am 19 noch zog eine mit Jagdflinten
bewaffnete Schaar Lombarden und Venezianer von Chiaſſo aus mit drei-
farbiger Fahne. Auf dem Monte Olimpino zog eine Gendarmerie-Pa-
trouille mit dem Rufe: „Viva Italia,“ bei ihnen vorüber. In Como ange-
kommen, ſprach der Führer dieſer Schaar, der Dichter Diego Piacentini,
zum zahlreich verſammelten Volke, er wurde mit ſtürmiſchem Beifall em-
pfangen. Von der Municipalität wurden die Ankömmlinge angeſichts der
ſich paſſiv verhaltenden Truppen in die Civica eingereiht. Am 20 Mor-
gens begann in Como der Kampf; um 9 Uhr hörte man in Chiaſſo
Kanonen- und Pelotonfeuer. Von der Spitze des Monte Olimpino ſah
man auf dem Domplatz in Como das Aufblitzen der Geſchütze, man
ſchloß auf einen ſehr hartnäckigen Kampf. In Como und der Umgegend
heulten die Sturmglocken. Nach 10 Uhr traf in Chiaſſo ein reitender
Bote ein; die Municipalität von Como ſendet um Waffen, aber nur
wenige ſind aufzutreiben. Beim Abgang des Boten war erſt ein
Soldat und ein Bürger gefallen; alle Thore waren geſchloſſen. Der
Polizeicommiſſär von Ponte-Chiaſſo hat in letzterem Orte bereits um ein
Aſyl angehalten; er erhielt die Antwort, das Land der Freihei ſtehet allen
Flüchtlingen offen. — 4000 Piemonteſer ſollen den Gravellone über-
ſchritten haben um den Lombarden Hülfe zu bringen. Mit den Dampf-
ſchiffen langten in Chiaſſo viele wohlbewaffnete Veltliner an, die kampf-
begierig ihren Brüdern beizuſtehen eilten. — In Cleven (Chiavenna)
zogen am 19 Volkshaufen mit Muſik herum und verkündetem mit un-
geheurem Jubel die Republik. Es bildete ſich ſofort eine National-
garde. Am 20 hatten alle Behörden ſich aufgelöst; überall waren die
öſterreichiſchen Wappen abgenommen worden. Berichte von dort mel-
den in Brescia und Bergamo ſey die Revolution vollendet; bewaſſnete
Schaaren ziehen von dort der bedrängten Hauptſtadt zu Hülfe. Ja
man will von Aufſtänden in Verona und Venedig wiſſen. Auch dort
fehlten directe Berichte von Mailand ſeit dem 18 Mittags. Hier in
Chur ſind heute Seideſendungen — jedoch ohne Briefe — eingetroffen, die
Bergamo nach dem Ausbruch und wahrſcheinlich nach Beendigung des
dortigen Aufſtandes verlaſſen hatten. Die Regierung Teſſins hat 2
Bataillone und einige Schützencompagnien aufgeboten um die Gränze
gegen die Lombarder zu beſetzen.

Niederland.

Hr. Dirk Donker Curtius iſt
zum Juſtizminiſter ernannt und hat bereits den Eid in die Hände des
Königs abgelegt; Luzac und Thorbecke ſind gewiß, über die andern noch
nichts entſcheidendes.



[irrelevantes Material]


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[4/0020] Städte ſind von Nationalgarden beſetzt. Wir Clevner ziehen mit Muſik im Lande herum und verkünden die Republik. In wenigen Tagen hoſſen auch wir frei zu ſeyn.““ Dieſe Berichte werden durch andere Briefe beſtätigt. Der Auſſtand in Mailand iſt am 18 Mittags los- gebrochen; ſogleich wurden alle Thore geſchloſſen.“ * Chur, 22 März.Die directen Berichte von Mailand gehen bis zum 18 Mittags, ſie melden folgendes: Am 18 Morgens gegen 10 Uhr wurde in den Straßen der Stadt folgende Bekanntmachung angeſchla- gen: „Die Präſidenz der k. k. Regierung macht es ſich zur Pflicht dem Publicum von dem Inhalt einer telegraphiſchen Depeſche Kenntniß zu geben, welche am 15 d. von Wien abgehend am nämlichen Tage in Cilly und geſtern Abend hier angekommen iſt. Sie lautet: „„Se. Maj. der Kaiſer hat beſchloſſen die Cenſur aufzuheben, unverzüglich ein Preßge- ſetz veröffentlichen zu laſſen, ſowie ferner die Stände der deutſchen und ſlawiſchen Reiche und die Central-Congregationen des lombardiſch-vene- zianiſchen Königreichs einzuberufen. Der Zuſammentritt derſelben ſoll ſpäteſtens am 3 des nächſtkommenden Monats Julius ſtattfinden. Un- terzeichnet: M. Hartl, k. k. Inſpector des Telegraphen, und der Viceprä- ſident Graf O’Donell.““ — Statt das Volk zu beſchwichtigen, rief dieſer „Aviso“ eine ſtärkere Aufregung hervor. „Vane promesse e bugiarde!“ „è troppo tardi!“ hörte man auf allen Straßen. Die Anſchläge wur- den abgeriſſen; das Geſchrei des Aufruhrs wurde laut. Gegen 11 Uhr entvölkerten ſich die Straßen; Häuſer, Cafés und Wirthſchaften wurden ſogleich geſchloſſen. Nach und nach aber zeigten ſich bald hier bald dort einzelne Volkshaufen, die augenblicklich und unglaublich ſich vergrößerten. Als die Diligence Mittags abfuhr, waren die Contra- da-larga, der Domplatz und der Platz beim Broletto mit Volksmaſſen beſetzt; kaum vermochte ſie durchzudringen. Dieß ſind die letzten di- recten Berichte aus der lombardiſchen Hauptſtadt. Ich will nun verſu- chen zuſammenzuſtellen was teſſiniſche Zeitungen und Privatberichte aus Chiaſſo, Como und Chiavenna uns brachten. Am 19 Morgens brachte eine Staffette von Chiaſſo den Bericht nach Lugano, der Kampf habe in Mailand begonnen. Das Volk habe Barricaden errichtet; das Militär ſich ins Caſtell zurückgezogen. Der Vicekönig ſey entfloben, aber in Brescia von italieniſchen Grenadiercompagnien gefangen genommen worden, welche der Sympathie mit der Bevölkerung verdächtig von Mailand nach jener Stadt verlegt worden. Nach dieſem Bericht hätte man am 19 um 3 Uhr Morgens kanoniren hören; bis dahin glaube man ſey kein Blut gefloſſen. Nach andern Berichten wären die Truppen beim Ausbruch des Aufſtan- des ſogleich nach dem Marktplatz gezogen um ſich dort der Getreide- vorräthe zu verſichern und dieſelben ins Caſtell zu bringen. Das Volk habe ſich vergeblich widerſetzt und ein kleines Gefecht ſtattgefunden, wo- bei mehrere gefallen ſeyen. Darauf haben ſich die Truppen zum Theil ins Caſtell zurückgezogen, zum Theil haben ſie die befeſtigten Stadtthore von außen beſetzt. Eine ſtarke Abtheilung Tiroler Jäger habe den Dom erſtiegen und von den Terraſſen desſelben die umliegenden Straßen be- ſchoſſen. Das Volk habe hierauf die Treppen theilweiſe zerſtört und auf ſolche Weiſe dieſe Mannſchaft abgeſchnitten. Von außen her ſey die Stadt mit Kanonen beſchoſſen worden; an den einzelnen Thoren ſeyen in hartnäckigen Kämpfen ſowohl vom Volke als von den Truppen viele Verwundete und Todte gefallen. Die Municipalität von Mailand habe ſich als proviſoriſche Regierung für die ganze Lombardei erklärt; Radetzki ſey geflohen; Gallimberti getödtet; Torreſani in den Händen des Volks. Dieſe Nachrichten ſollen durch einen Boten der Municipalität, der der Wachſamkeit der Truppen entgehen konnte, an die Municipalität von Como gelangt ſeyn. Como verhielt ſich am 19 noch ruhig, bereits traf aber viel Volk aus der Umgend und vom See her in der Stadt ein. Wenige waren mit Jagdflinten bewaffnet; man rüſtete ſich ſo gut möglich zum Kampf mit Sicheln, Hacken und andern Werkzeugen. Aber auch zwei Com- pagnien Croaten zogen ungehindert aus der Umgegend in das Städt- chen. Auf dem Domplatz ſtanden fremde Truppen und Civica ſich unthätig aber höchſt geſpannt gegenüber. Am 19 noch zog eine mit Jagdflinten bewaffnete Schaar Lombarden und Venezianer von Chiaſſo aus mit drei- farbiger Fahne. Auf dem Monte Olimpino zog eine Gendarmerie-Pa- trouille mit dem Rufe: „Viva Italia,“ bei ihnen vorüber. In Como ange- kommen, ſprach der Führer dieſer Schaar, der Dichter Diego Piacentini, zum zahlreich verſammelten Volke, er wurde mit ſtürmiſchem Beifall em- pfangen. Von der Municipalität wurden die Ankömmlinge angeſichts der ſich paſſiv verhaltenden Truppen in die Civica eingereiht. Am 20 Mor- gens begann in Como der Kampf; um 9 Uhr hörte man in Chiaſſo Kanonen- und Pelotonfeuer. Von der Spitze des Monte Olimpino ſah man auf dem Domplatz in Como das Aufblitzen der Geſchütze, man ſchloß auf einen ſehr hartnäckigen Kampf. In Como und der Umgegend heulten die Sturmglocken. Nach 10 Uhr traf in Chiaſſo ein reitender Bote ein; die Municipalität von Como ſendet um Waffen, aber nur wenige ſind aufzutreiben. Beim Abgang des Boten war erſt ein Soldat und ein Bürger gefallen; alle Thore waren geſchloſſen. Der Polizeicommiſſär von Ponte-Chiaſſo hat in letzterem Orte bereits um ein Aſyl angehalten; er erhielt die Antwort, das Land der Freihei ſtehet allen Flüchtlingen offen. — 4000 Piemonteſer ſollen den Gravellone über- ſchritten haben um den Lombarden Hülfe zu bringen. Mit den Dampf- ſchiffen langten in Chiaſſo viele wohlbewaffnete Veltliner an, die kampf- begierig ihren Brüdern beizuſtehen eilten. — In Cleven (Chiavenna) zogen am 19 Volkshaufen mit Muſik herum und verkündetem mit un- geheurem Jubel die Republik. Es bildete ſich ſofort eine National- garde. Am 20 hatten alle Behörden ſich aufgelöst; überall waren die öſterreichiſchen Wappen abgenommen worden. Berichte von dort mel- den in Brescia und Bergamo ſey die Revolution vollendet; bewaſſnete Schaaren ziehen von dort der bedrängten Hauptſtadt zu Hülfe. Ja man will von Aufſtänden in Verona und Venedig wiſſen. Auch dort fehlten directe Berichte von Mailand ſeit dem 18 Mittags. Hier in Chur ſind heute Seideſendungen — jedoch ohne Briefe — eingetroffen, die Bergamo nach dem Ausbruch und wahrſcheinlich nach Beendigung des dortigen Aufſtandes verlaſſen hatten. Die Regierung Teſſins hat 2 Bataillone und einige Schützencompagnien aufgeboten um die Gränze gegen die Lombarder zu beſetzen. Niederland. * Vom Niederrhein, 21 März.Hr. Dirk Donker Curtius iſt zum Juſtizminiſter ernannt und hat bereits den Eid in die Hände des Königs abgelegt; Luzac und Thorbecke ſind gewiß, über die andern noch nichts entſcheidendes. _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine84_1848/20>, abgerufen am 28.11.2024.