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Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848.

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[Spaltenumbruch] dem Augenblick wo ich diese Zeilen schreibe verbreitet sich die Nachricht daß
auch der Kaiser von Oesterreich sich für die Sache des Fortschritts er-
klärt und Fürst Metternich das Ruder des Staatsschiffes, welches, aus
der Ferne betrachtet, in gefährliche Untiefen und zwischen drohende
Klippen gerathen zu seyn scheint, in jüngere und rüstigere Hände ab-
gegeben hat. Nun werden die unvergeßlichen Worte welche vor einigen
Jahren der König von Preußen und der Erzherzog Johann von Oester-
reich am deutschen Rheinstrom aussprachen: "Hinfort soll kein Oester-
reich mehr und kein Preußen, sondern nur ein einiges großes Deutsch-
land seyn", hoffentlich rascher zur Wahrheit werden als man sich da-
mals wohl hätte träumen lassen. Und -- abermals eine neue Nach-
richt! So eben ist ein Schreiben Sr. Durchlaucht des Landgrafen Wil-
helm von Hessen eingelaufen, worin er unsere Verfassung unumwunden
anerkennt und einen Bevollmächtigten zur gegenwärtigen Ständever-
sammlung ankündigt. Heil Deutschland, wenn seine Fürsten fortfahren
auf diese Weise ihren Völkern zu vertrauen! Sie werden sicher die Er-
fahrung machen daß die auf Liebe gegründete Macht großartiger und
dauerhafter ist als jegliche Herrschaft, die nur auf Furcht gegründet ist
und nur durch Gewalt behauptet werden kann.



Aus Sachsen.

Das neue Ministerium ist endlich er-
nannt. Gestern um 11 Uhr wurden die HH. Braun, Georgi und von
der Pfordten als Staatsminister vereidigt. Es war eine schwere Ge-
burt. Die Aristokratie und die Hofkoterie suchte das alte Ministerium
zu behaupten: aber wie kann ein Ministerium sich halten, wenn es Leip-
zig wider sich hat? Lange verkannte man in Dresden den Stand der
Dinge völlig, sprach in der "guten Gesellschaft" davon daß einige be-
zahlte
Schreier in Leipzig die Bevölkerung eingeschüchtert hätten, und
häufte rings um Leipzig Truppenmassen. Aber die Leipziger Politiker
verstanden den Kampf besser als die Hofherren. Die Truppen schreckten
nicht, keine Einschüchterung erfolgte und nur das ruhige Zusehen der
Regierungsbehörden hielt von ihrem Sturze, den Ungestüme wirklich
verlangten, zurück. Inmittelst fuhren die Leipziger in ihren Erklä-
rungen fort, befestigten und vermehrten ihre auswärtigen Verbindungen
und erhielten von allen Seiten Beitrittserklärungen. Das Vogtland
und Theile des Erzgebirgs sagten Unterstützung zu; man sprach von
einem Zug nach Dresden, an dem sechzehn andere Städte sich betheiligen
wollten; in Glauchau fand eine Volksversammlung statt, und am vorigen
Sonntag traten in Leipzig eine große Zahl Stimmführer der sächsischen
Opposition zusammen und sprachen ihr Mißtrauen gegen das Ministe-
rium aus, sowie ihre Forderungen welche der Landtagsabgeordnete
Advocat Dr. Schaffrath aus Neustadt aufgesetzt hatte. Der bäuerliche
Abgeordnete Dr. Joseph führte den Vorsitz dieser Versammlung, an der
sich von Seiten Leipzigs nur wenige betheiligten, um das Land sich rein
aussprechen zu lassen. In dieser Versammlung wurden Todt, Bürger-
meister von Adorf, und Biedermann, Professor und zweiter Vorsteher
der Stadtverordneten in Leipzig, zur Beschickung eines deutschen Parla-
ments vorläufig ernannt. Leipzig war ohne Straßenkampf nicht zu
unterwerfen, und der erste Gewaltschritt hätte zur Aufwerfung provi-
sorischer Regierungen im Vogtland und in Leipzig geführt. Da endlich
wich das Ministerium, aber die Minister suchten anfangs noch sich gleich-
gesinnte Nachfolger zu geben. Jetzt galt es, nach diesem ersten Siege,
einen zweiten zu erringen, und der vorbereitende Ausschuß des zu ver-
anstaltenden Zuges beschloß nöthigenfalls energisch Dresden in die Be-
wegung hineinzuziehen, wo der gute Geist des Fortschritts sich zwar
schon regte, aber langsam und träge. Am Nachmittag den 14 wurde
beschlossen eine Deputation nach Dresden abgehen zu lassen, welche mit
einer Volksversammlung sich über den Zug verständigen solle. Am
Abend den 15 trat diese in die hiesige große Bürgerversammlung, die sie
mit donnerndem Hoch auf Leipzig empfing. Dr. Wuttke setzte die Lage
und das Verlangen Leipzigs auseinander, den Zusammenhang der säch-
sischen Frage mit der deutschen, wie ohne die mindesten Unordnungen
der Leipziger Liberalismus sich entwickelt habe (eine zerworfene Fenster-
scheibe, eine einzige, war der ganze angerichtete Schaden), und wie man
mit Bajonetten keine Erklärungen durchstechen noch Kanonen mit Ge-
danken laden könne. Die harte Nothwendigkeit treibe vorwärts. Ge-
schiehe es dahin daß volksthümliche Männer an der Spitze der Verwal-
tung träten, so könne der vielgeforderte große Petitionszug wegfallen
und allenfalls in ein Volksfest umgewandelt werden. Die Liberalen
[Spaltenumbruch] meinten: "Jetzt oder niemals." Bei diesen Worten brach die ganze Ver-
sammlung in den Ruf aus "Jetzt oder niemals." Nach ihm sprachen
von den Leipzigern noch der Buchhändler Schreck und Dr. Ruge, von
Dresden Wittig, Köchly u. a. Noch verhandelte die Versammlung als
die Nachricht gebracht wurde daß in der Stadt Tumult ausgebrochen
sey, daß Pöbelhaufen Fenster im Schlosse eingeworfen hätten. Wahr-
scheinlich war dieß ein von Widersachern des Fortschritts bezahlter
Scandal, denn die Rotten der Unruhigen ließen keinen politischen Ruf
hören, sondern warfen arg mit Steinen auf die Communalgardisten, so
daß diese sehr aufgebracht wurden. Wohin das zielen sollte, ist klar
abzusehen. Es blieb die Nacht unruhig. Inmittelst hatten verschiedene
Anhänger des alten Systems die ihnen angetragenen Portefeuilles be-
reits abgelehnt, und es kam nun doch wenigstens ein halbes Ministerium
aus dem rechten und linken Centrum zu Stande: Braun, Georgi und
von der Pfordten. Also ein Advocat, ein Kaufmann und ein Professor
wurden Minister, Graf Holtzendorff, Befehlshaber der Schützen in Leip-
zig, der in der letzten Zeit in seiner schwierigen Stellung sich das Ver-
trauen der Einwohnerschaft zu erhalten gewußt hatte, wurde, ohne selbst
darum zu wissen (denn eine frühere Combination fiel nun rasch), zum
provisorischen Kriegsminister erhoben und als solcher verkündigt, zwei
Ministerien aber (Cultus und Auswärtiges) wurden fürs erste noch
gar nicht besetzt, denn man ist noch so zäh mit lauter Stimme gegen
einen Mann der offenen Opposition zu schreien und kann doch kaum
wagen einen Mann vom alten System in der jetzigen Krise dem Lande
vorzusetzen. Wir aber fürchten daß ohne einen Mann der reinen Linken
das Ministerium lebensunfähig seyn dürfte. Indeß fühlen wohl die
neuen Minister daß die ausgesprochenen Forderungen in ihrer Person
keine volle Gewährung finden und werden ebendeßhalb, um ihnen wirk-
lich zu genügen, zu so großen Zugeständnissen sich bequemen, als nur
irgend mit ihrer Ansicht vereinbar sind.



Steyermark.

Eine Bürgerversamm-
lung hat im ständischen Redoutensaal um 3 Uhr stattgefunden. Der
Zudrang war außerordentlich. Die Petition, von 600 Unterschriften
bedeckt und an Se. Majestät den Kaiser gerichtet, lautet folgender-
maßen:

"Ew. k. k. Majestät! Beseelt von aufrichtiger Liebe und An-
hänglichkeit an das hohe Kaiserhaus und durch das Streben geleitet
in den tiefbewegten Zeiten einer neuen Gestaltung des politischen Le-
bens auf dem Wege friedlicher gesetzlicher Ordnung, mit Vermeidung
der uns rings umgebenden bedauerlichen Scenen von Gewalt und
Blutvergießen, vereint mit Eurer Majestät in unwiderstehlicher Macht
der Monarchie sich der neuen Ordnung anzuschließen, erfüllen wir
eine heilige Pflicht, indem wir Ew. Majestät die als einzige Ret-
tungsmittel sich bietenden nothwendigen Reformen als ebenso viele
Wünsche des ganzen Volkes in folgenden unterthänigsten Bitten vor-
legen: 1) Vertretung des Bürger- und Bauernstandes am hohen
Landtage mit Berücksichtigung des Grundbesitzes, der Besteuerung
und der Seelenzahl. 2) Theilnahme der sogestaltigen Landesvertre-
tung an der Gesetzgebung und ausschließliche Befugniß der Steuer-
bewilligung. 3) Uebertragung der Leitung der Volksbildung an einen
aus den Landesvertretern zu wählenden permanenten Ausschuß. 4)
Errichtung eines besondern Ministeriums für Handel und Industrie.
5) Verantwortlichkeit der Minister, mit der Verbindlichkeit über alle
Staatseinnahmen und Ausgaben jährlich öffentliche Rechnung zu le-
gen. 6) Denk-, Rede- und Gewissensfreiheit. 7) Sogleiche Auf-
hebung jeder Censur. 8) Kein Bündniß mit Rußland, inni-
ges Anschließen an unsere deutschen Brüder und Ver-
tretung des deutschen Volkes durch ein deutsches Parla-
ment.
9) Volksthümliche Wehrverfassung. 10) Beeidigung des Mi-
litärs auf die Verfassung. 11) Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des
Gerichtsverfahrens und Geschwornengerichte. 12) Persönliche Freiheit,
Erwirkung eines Gesetzes wodurch bestimmt wird daß keine Person
ohne einen von der politischen Behörde gegebenen Verhaftsbefehl ge-
fänglich eingezogen werden darf, mit alleiniger Ausnahme wenn die
gefänglich einzuziehende Person bei Ausübung einer durch die Straf-
gesetze verpönten nichtpolitischen Handlung ergriffen wird -- daß die
Ursache der Inhaftirung binnen 24 Stunden mit sogleicher Einlei-
tung der Untersuchung dem Inhaftirten bekannt gegeben, und daß der-
selbe gegen Stellung von Bürgen auf freiem Fuße untersucht werde.

[Spaltenumbruch] dem Augenblick wo ich dieſe Zeilen ſchreibe verbreitet ſich die Nachricht daß
auch der Kaiſer von Oeſterreich ſich für die Sache des Fortſchritts er-
klärt und Fürſt Metternich das Ruder des Staatsſchiffes, welches, aus
der Ferne betrachtet, in gefährliche Untiefen und zwiſchen drohende
Klippen gerathen zu ſeyn ſcheint, in jüngere und rüſtigere Hände ab-
gegeben hat. Nun werden die unvergeßlichen Worte welche vor einigen
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reich am deutſchen Rheinſtrom ausſprachen: „Hinfort ſoll kein Oeſter-
reich mehr und kein Preußen, ſondern nur ein einiges großes Deutſch-
land ſeyn“, hoffentlich raſcher zur Wahrheit werden als man ſich da-
mals wohl hätte träumen laſſen. Und — abermals eine neue Nach-
richt! So eben iſt ein Schreiben Sr. Durchlaucht des Landgrafen Wil-
helm von Heſſen eingelaufen, worin er unſere Verfaſſung unumwunden
anerkennt und einen Bevollmächtigten zur gegenwärtigen Ständever-
ſammlung ankündigt. Heil Deutſchland, wenn ſeine Fürſten fortfahren
auf dieſe Weiſe ihren Völkern zu vertrauen! Sie werden ſicher die Er-
fahrung machen daß die auf Liebe gegründete Macht großartiger und
dauerhafter iſt als jegliche Herrſchaft, die nur auf Furcht gegründet iſt
und nur durch Gewalt behauptet werden kann.



Aus Sachſen.

Das neue Miniſterium iſt endlich er-
nannt. Geſtern um 11 Uhr wurden die HH. Braun, Georgi und von
der Pfordten als Staatsminiſter vereidigt. Es war eine ſchwere Ge-
burt. Die Ariſtokratie und die Hofkoterie ſuchte das alte Miniſterium
zu behaupten: aber wie kann ein Miniſterium ſich halten, wenn es Leip-
zig wider ſich hat? Lange verkannte man in Dresden den Stand der
Dinge völlig, ſprach in der „guten Geſellſchaft“ davon daß einige be-
zahlte
Schreier in Leipzig die Bevölkerung eingeſchüchtert hätten, und
häufte rings um Leipzig Truppenmaſſen. Aber die Leipziger Politiker
verſtanden den Kampf beſſer als die Hofherren. Die Truppen ſchreckten
nicht, keine Einſchüchterung erfolgte und nur das ruhige Zuſehen der
Regierungsbehörden hielt von ihrem Sturze, den Ungeſtüme wirklich
verlangten, zurück. Inmittelſt fuhren die Leipziger in ihren Erklä-
rungen fort, befeſtigten und vermehrten ihre auswärtigen Verbindungen
und erhielten von allen Seiten Beitrittserklärungen. Das Vogtland
und Theile des Erzgebirgs ſagten Unterſtützung zu; man ſprach von
einem Zug nach Dresden, an dem ſechzehn andere Städte ſich betheiligen
wollten; in Glauchau fand eine Volksverſammlung ſtatt, und am vorigen
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Oppoſition zuſammen und ſprachen ihr Mißtrauen gegen das Miniſte-
rium aus, ſowie ihre Forderungen welche der Landtagsabgeordnete
Advocat Dr. Schaffrath aus Neuſtadt aufgeſetzt hatte. Der bäuerliche
Abgeordnete Dr. Joſeph führte den Vorſitz dieſer Verſammlung, an der
ſich von Seiten Leipzigs nur wenige betheiligten, um das Land ſich rein
ausſprechen zu laſſen. In dieſer Verſammlung wurden Todt, Bürger-
meiſter von Adorf, und Biedermann, Profeſſor und zweiter Vorſteher
der Stadtverordneten in Leipzig, zur Beſchickung eines deutſchen Parla-
ments vorläufig ernannt. Leipzig war ohne Straßenkampf nicht zu
unterwerfen, und der erſte Gewaltſchritt hätte zur Aufwerfung provi-
ſoriſcher Regierungen im Vogtland und in Leipzig geführt. Da endlich
wich das Miniſterium, aber die Miniſter ſuchten anfangs noch ſich gleich-
geſinnte Nachfolger zu geben. Jetzt galt es, nach dieſem erſten Siege,
einen zweiten zu erringen, und der vorbereitende Ausſchuß des zu ver-
anſtaltenden Zuges beſchloß nöthigenfalls energiſch Dresden in die Be-
wegung hineinzuziehen, wo der gute Geiſt des Fortſchritts ſich zwar
ſchon regte, aber langſam und träge. Am Nachmittag den 14 wurde
beſchloſſen eine Deputation nach Dresden abgehen zu laſſen, welche mit
einer Volksverſammlung ſich über den Zug verſtändigen ſolle. Am
Abend den 15 trat dieſe in die hieſige große Bürgerverſammlung, die ſie
mit donnerndem Hoch auf Leipzig empfing. Dr. Wuttke ſetzte die Lage
und das Verlangen Leipzigs auseinander, den Zuſammenhang der ſäch-
ſiſchen Frage mit der deutſchen, wie ohne die mindeſten Unordnungen
der Leipziger Liberalismus ſich entwickelt habe (eine zerworfene Fenſter-
ſcheibe, eine einzige, war der ganze angerichtete Schaden), und wie man
mit Bajonetten keine Erklärungen durchſtechen noch Kanonen mit Ge-
danken laden könne. Die harte Nothwendigkeit treibe vorwärts. Ge-
ſchiehe es dahin daß volksthümliche Männer an der Spitze der Verwal-
tung träten, ſo könne der vielgeforderte große Petitionszug wegfallen
und allenfalls in ein Volksfeſt umgewandelt werden. Die Liberalen
[Spaltenumbruch] meinten: „Jetzt oder niemals.“ Bei dieſen Worten brach die ganze Ver-
ſammlung in den Ruf aus „Jetzt oder niemals.“ Nach ihm ſprachen
von den Leipzigern noch der Buchhändler Schreck und Dr. Ruge, von
Dresden Wittig, Köchly u. a. Noch verhandelte die Verſammlung als
die Nachricht gebracht wurde daß in der Stadt Tumult ausgebrochen
ſey, daß Pöbelhaufen Fenſter im Schloſſe eingeworfen hätten. Wahr-
ſcheinlich war dieß ein von Widerſachern des Fortſchritts bezahlter
Scandal, denn die Rotten der Unruhigen ließen keinen politiſchen Ruf
hören, ſondern warfen arg mit Steinen auf die Communalgardiſten, ſo
daß dieſe ſehr aufgebracht wurden. Wohin das zielen ſollte, iſt klar
abzuſehen. Es blieb die Nacht unruhig. Inmittelſt hatten verſchiedene
Anhänger des alten Syſtems die ihnen angetragenen Portefeuilles be-
reits abgelehnt, und es kam nun doch wenigſtens ein halbes Miniſterium
aus dem rechten und linken Centrum zu Stande: Braun, Georgi und
von der Pfordten. Alſo ein Advocat, ein Kaufmann und ein Profeſſor
wurden Miniſter, Graf Holtzendorff, Befehlshaber der Schützen in Leip-
zig, der in der letzten Zeit in ſeiner ſchwierigen Stellung ſich das Ver-
trauen der Einwohnerſchaft zu erhalten gewußt hatte, wurde, ohne ſelbſt
darum zu wiſſen (denn eine frühere Combination fiel nun raſch), zum
proviſoriſchen Kriegsminiſter erhoben und als ſolcher verkündigt, zwei
Miniſterien aber (Cultus und Auswärtiges) wurden fürs erſte noch
gar nicht beſetzt, denn man iſt noch ſo zäh mit lauter Stimme gegen
einen Mann der offenen Oppoſition zu ſchreien und kann doch kaum
wagen einen Mann vom alten Syſtem in der jetzigen Kriſe dem Lande
vorzuſetzen. Wir aber fürchten daß ohne einen Mann der reinen Linken
das Miniſterium lebensunfähig ſeyn dürfte. Indeß fühlen wohl die
neuen Miniſter daß die ausgeſprochenen Forderungen in ihrer Perſon
keine volle Gewährung finden und werden ebendeßhalb, um ihnen wirk-
lich zu genügen, zu ſo großen Zugeſtändniſſen ſich bequemen, als nur
irgend mit ihrer Anſicht vereinbar ſind.



Steyermark.

Eine Bürgerverſamm-
lung hat im ſtändiſchen Redoutenſaal um 3 Uhr ſtattgefunden. Der
Zudrang war außerordentlich. Die Petition, von 600 Unterſchriften
bedeckt und an Se. Majeſtät den Kaiſer gerichtet, lautet folgender-
maßen:

„Ew. k. k. Majeſtät! Beſeelt von aufrichtiger Liebe und An-
hänglichkeit an das hohe Kaiſerhaus und durch das Streben geleitet
in den tiefbewegten Zeiten einer neuen Geſtaltung des politiſchen Le-
bens auf dem Wege friedlicher geſetzlicher Ordnung, mit Vermeidung
der uns rings umgebenden bedauerlichen Scenen von Gewalt und
Blutvergießen, vereint mit Eurer Majeſtät in unwiderſtehlicher Macht
der Monarchie ſich der neuen Ordnung anzuſchließen, erfüllen wir
eine heilige Pflicht, indem wir Ew. Majeſtät die als einzige Ret-
tungsmittel ſich bietenden nothwendigen Reformen als ebenſo viele
Wünſche des ganzen Volkes in folgenden unterthänigſten Bitten vor-
legen: 1) Vertretung des Bürger- und Bauernſtandes am hohen
Landtage mit Berückſichtigung des Grundbeſitzes, der Beſteuerung
und der Seelenzahl. 2) Theilnahme der ſogeſtaltigen Landesvertre-
tung an der Geſetzgebung und ausſchließliche Befugniß der Steuer-
bewilligung. 3) Uebertragung der Leitung der Volksbildung an einen
aus den Landesvertretern zu wählenden permanenten Ausſchuß. 4)
Errichtung eines beſondern Miniſteriums für Handel und Induſtrie.
5) Verantwortlichkeit der Miniſter, mit der Verbindlichkeit über alle
Staatseinnahmen und Ausgaben jährlich öffentliche Rechnung zu le-
gen. 6) Denk-, Rede- und Gewiſſensfreiheit. 7) Sogleiche Auf-
hebung jeder Cenſur. 8) Kein Bündniß mit Rußland, inni-
ges Anſchließen an unſere deutſchen Brüder und Ver-
tretung des deutſchen Volkes durch ein deutſches Parla-
ment.
9) Volksthümliche Wehrverfaſſung. 10) Beeidigung des Mi-
litärs auf die Verfaſſung. 11) Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des
Gerichtsverfahrens und Geſchwornengerichte. 12) Perſönliche Freiheit,
Erwirkung eines Geſetzes wodurch beſtimmt wird daß keine Perſon
ohne einen von der politiſchen Behörde gegebenen Verhaftsbefehl ge-
fänglich eingezogen werden darf, mit alleiniger Ausnahme wenn die
gefänglich einzuziehende Perſon bei Ausübung einer durch die Straf-
geſetze verpönten nichtpolitiſchen Handlung ergriffen wird — daß die
Urſache der Inhaftirung binnen 24 Stunden mit ſogleicher Einlei-
tung der Unterſuchung dem Inhaftirten bekannt gegeben, und daß der-
ſelbe gegen Stellung von Bürgen auf freiem Fuße unterſucht werde.

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[1323/0011] dem Augenblick wo ich dieſe Zeilen ſchreibe verbreitet ſich die Nachricht daß auch der Kaiſer von Oeſterreich ſich für die Sache des Fortſchritts er- klärt und Fürſt Metternich das Ruder des Staatsſchiffes, welches, aus der Ferne betrachtet, in gefährliche Untiefen und zwiſchen drohende Klippen gerathen zu ſeyn ſcheint, in jüngere und rüſtigere Hände ab- gegeben hat. Nun werden die unvergeßlichen Worte welche vor einigen Jahren der König von Preußen und der Erzherzog Johann von Oeſter- reich am deutſchen Rheinſtrom ausſprachen: „Hinfort ſoll kein Oeſter- reich mehr und kein Preußen, ſondern nur ein einiges großes Deutſch- land ſeyn“, hoffentlich raſcher zur Wahrheit werden als man ſich da- mals wohl hätte träumen laſſen. Und — abermals eine neue Nach- richt! So eben iſt ein Schreiben Sr. Durchlaucht des Landgrafen Wil- helm von Heſſen eingelaufen, worin er unſere Verfaſſung unumwunden anerkennt und einen Bevollmächtigten zur gegenwärtigen Ständever- ſammlung ankündigt. Heil Deutſchland, wenn ſeine Fürſten fortfahren auf dieſe Weiſe ihren Völkern zu vertrauen! Sie werden ſicher die Er- fahrung machen daß die auf Liebe gegründete Macht großartiger und dauerhafter iſt als jegliche Herrſchaft, die nur auf Furcht gegründet iſt und nur durch Gewalt behauptet werden kann. Aus Sachſen. ꖌ Dresden, 17 März.Das neue Miniſterium iſt endlich er- nannt. Geſtern um 11 Uhr wurden die HH. Braun, Georgi und von der Pfordten als Staatsminiſter vereidigt. Es war eine ſchwere Ge- burt. Die Ariſtokratie und die Hofkoterie ſuchte das alte Miniſterium zu behaupten: aber wie kann ein Miniſterium ſich halten, wenn es Leip- zig wider ſich hat? Lange verkannte man in Dresden den Stand der Dinge völlig, ſprach in der „guten Geſellſchaft“ davon daß einige be- zahlte Schreier in Leipzig die Bevölkerung eingeſchüchtert hätten, und häufte rings um Leipzig Truppenmaſſen. Aber die Leipziger Politiker verſtanden den Kampf beſſer als die Hofherren. Die Truppen ſchreckten nicht, keine Einſchüchterung erfolgte und nur das ruhige Zuſehen der Regierungsbehörden hielt von ihrem Sturze, den Ungeſtüme wirklich verlangten, zurück. Inmittelſt fuhren die Leipziger in ihren Erklä- rungen fort, befeſtigten und vermehrten ihre auswärtigen Verbindungen und erhielten von allen Seiten Beitrittserklärungen. Das Vogtland und Theile des Erzgebirgs ſagten Unterſtützung zu; man ſprach von einem Zug nach Dresden, an dem ſechzehn andere Städte ſich betheiligen wollten; in Glauchau fand eine Volksverſammlung ſtatt, und am vorigen Sonntag traten in Leipzig eine große Zahl Stimmführer der ſächſiſchen Oppoſition zuſammen und ſprachen ihr Mißtrauen gegen das Miniſte- rium aus, ſowie ihre Forderungen welche der Landtagsabgeordnete Advocat Dr. Schaffrath aus Neuſtadt aufgeſetzt hatte. Der bäuerliche Abgeordnete Dr. Joſeph führte den Vorſitz dieſer Verſammlung, an der ſich von Seiten Leipzigs nur wenige betheiligten, um das Land ſich rein ausſprechen zu laſſen. In dieſer Verſammlung wurden Todt, Bürger- meiſter von Adorf, und Biedermann, Profeſſor und zweiter Vorſteher der Stadtverordneten in Leipzig, zur Beſchickung eines deutſchen Parla- ments vorläufig ernannt. Leipzig war ohne Straßenkampf nicht zu unterwerfen, und der erſte Gewaltſchritt hätte zur Aufwerfung provi- ſoriſcher Regierungen im Vogtland und in Leipzig geführt. Da endlich wich das Miniſterium, aber die Miniſter ſuchten anfangs noch ſich gleich- geſinnte Nachfolger zu geben. Jetzt galt es, nach dieſem erſten Siege, einen zweiten zu erringen, und der vorbereitende Ausſchuß des zu ver- anſtaltenden Zuges beſchloß nöthigenfalls energiſch Dresden in die Be- wegung hineinzuziehen, wo der gute Geiſt des Fortſchritts ſich zwar ſchon regte, aber langſam und träge. Am Nachmittag den 14 wurde beſchloſſen eine Deputation nach Dresden abgehen zu laſſen, welche mit einer Volksverſammlung ſich über den Zug verſtändigen ſolle. Am Abend den 15 trat dieſe in die hieſige große Bürgerverſammlung, die ſie mit donnerndem Hoch auf Leipzig empfing. Dr. Wuttke ſetzte die Lage und das Verlangen Leipzigs auseinander, den Zuſammenhang der ſäch- ſiſchen Frage mit der deutſchen, wie ohne die mindeſten Unordnungen der Leipziger Liberalismus ſich entwickelt habe (eine zerworfene Fenſter- ſcheibe, eine einzige, war der ganze angerichtete Schaden), und wie man mit Bajonetten keine Erklärungen durchſtechen noch Kanonen mit Ge- danken laden könne. Die harte Nothwendigkeit treibe vorwärts. Ge- ſchiehe es dahin daß volksthümliche Männer an der Spitze der Verwal- tung träten, ſo könne der vielgeforderte große Petitionszug wegfallen und allenfalls in ein Volksfeſt umgewandelt werden. Die Liberalen meinten: „Jetzt oder niemals.“ Bei dieſen Worten brach die ganze Ver- ſammlung in den Ruf aus „Jetzt oder niemals.“ Nach ihm ſprachen von den Leipzigern noch der Buchhändler Schreck und Dr. Ruge, von Dresden Wittig, Köchly u. a. Noch verhandelte die Verſammlung als die Nachricht gebracht wurde daß in der Stadt Tumult ausgebrochen ſey, daß Pöbelhaufen Fenſter im Schloſſe eingeworfen hätten. Wahr- ſcheinlich war dieß ein von Widerſachern des Fortſchritts bezahlter Scandal, denn die Rotten der Unruhigen ließen keinen politiſchen Ruf hören, ſondern warfen arg mit Steinen auf die Communalgardiſten, ſo daß dieſe ſehr aufgebracht wurden. Wohin das zielen ſollte, iſt klar abzuſehen. Es blieb die Nacht unruhig. Inmittelſt hatten verſchiedene Anhänger des alten Syſtems die ihnen angetragenen Portefeuilles be- reits abgelehnt, und es kam nun doch wenigſtens ein halbes Miniſterium aus dem rechten und linken Centrum zu Stande: Braun, Georgi und von der Pfordten. Alſo ein Advocat, ein Kaufmann und ein Profeſſor wurden Miniſter, Graf Holtzendorff, Befehlshaber der Schützen in Leip- zig, der in der letzten Zeit in ſeiner ſchwierigen Stellung ſich das Ver- trauen der Einwohnerſchaft zu erhalten gewußt hatte, wurde, ohne ſelbſt darum zu wiſſen (denn eine frühere Combination fiel nun raſch), zum proviſoriſchen Kriegsminiſter erhoben und als ſolcher verkündigt, zwei Miniſterien aber (Cultus und Auswärtiges) wurden fürs erſte noch gar nicht beſetzt, denn man iſt noch ſo zäh mit lauter Stimme gegen einen Mann der offenen Oppoſition zu ſchreien und kann doch kaum wagen einen Mann vom alten Syſtem in der jetzigen Kriſe dem Lande vorzuſetzen. Wir aber fürchten daß ohne einen Mann der reinen Linken das Miniſterium lebensunfähig ſeyn dürfte. Indeß fühlen wohl die neuen Miniſter daß die ausgeſprochenen Forderungen in ihrer Perſon keine volle Gewährung finden und werden ebendeßhalb, um ihnen wirk- lich zu genügen, zu ſo großen Zugeſtändniſſen ſich bequemen, als nur irgend mit ihrer Anſicht vereinbar ſind. Steyermark. # Grätz, 15 März. Abends 6 Uhr.Eine Bürgerverſamm- lung hat im ſtändiſchen Redoutenſaal um 3 Uhr ſtattgefunden. Der Zudrang war außerordentlich. Die Petition, von 600 Unterſchriften bedeckt und an Se. Majeſtät den Kaiſer gerichtet, lautet folgender- maßen: „Ew. k. k. Majeſtät! Beſeelt von aufrichtiger Liebe und An- hänglichkeit an das hohe Kaiſerhaus und durch das Streben geleitet in den tiefbewegten Zeiten einer neuen Geſtaltung des politiſchen Le- bens auf dem Wege friedlicher geſetzlicher Ordnung, mit Vermeidung der uns rings umgebenden bedauerlichen Scenen von Gewalt und Blutvergießen, vereint mit Eurer Majeſtät in unwiderſtehlicher Macht der Monarchie ſich der neuen Ordnung anzuſchließen, erfüllen wir eine heilige Pflicht, indem wir Ew. Majeſtät die als einzige Ret- tungsmittel ſich bietenden nothwendigen Reformen als ebenſo viele Wünſche des ganzen Volkes in folgenden unterthänigſten Bitten vor- legen: 1) Vertretung des Bürger- und Bauernſtandes am hohen Landtage mit Berückſichtigung des Grundbeſitzes, der Beſteuerung und der Seelenzahl. 2) Theilnahme der ſogeſtaltigen Landesvertre- tung an der Geſetzgebung und ausſchließliche Befugniß der Steuer- bewilligung. 3) Uebertragung der Leitung der Volksbildung an einen aus den Landesvertretern zu wählenden permanenten Ausſchuß. 4) Errichtung eines beſondern Miniſteriums für Handel und Induſtrie. 5) Verantwortlichkeit der Miniſter, mit der Verbindlichkeit über alle Staatseinnahmen und Ausgaben jährlich öffentliche Rechnung zu le- gen. 6) Denk-, Rede- und Gewiſſensfreiheit. 7) Sogleiche Auf- hebung jeder Cenſur. 8) Kein Bündniß mit Rußland, inni- ges Anſchließen an unſere deutſchen Brüder und Ver- tretung des deutſchen Volkes durch ein deutſches Parla- ment. 9) Volksthümliche Wehrverfaſſung. 10) Beeidigung des Mi- litärs auf die Verfaſſung. 11) Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens und Geſchwornengerichte. 12) Perſönliche Freiheit, Erwirkung eines Geſetzes wodurch beſtimmt wird daß keine Perſon ohne einen von der politiſchen Behörde gegebenen Verhaftsbefehl ge- fänglich eingezogen werden darf, mit alleiniger Ausnahme wenn die gefänglich einzuziehende Perſon bei Ausübung einer durch die Straf- geſetze verpönten nichtpolitiſchen Handlung ergriffen wird — daß die Urſache der Inhaftirung binnen 24 Stunden mit ſogleicher Einlei- tung der Unterſuchung dem Inhaftirten bekannt gegeben, und daß der- ſelbe gegen Stellung von Bürgen auf freiem Fuße unterſucht werde.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848, S. 1323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine83_1848/11>, abgerufen am 22.11.2024.