Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848.[Spaltenumbruch]
Reiche deutscher Nation, so in dem neuen Bundesstaat als höhere Aber solches ist auf diesem Gebiete der Drang der Ereignisse daß zur Mit bewundernswürdigem Instinct hat die Nation in allen ihren Will man diese Nationalversammlung als das deutsche Unterhaus Weniger Schwierigkeiten wird das Verhältniß dieses aus Regie- Daran schlöße sich die allgemeine deutsche Gesetzgebung, Ein- Daneben wird das Werk der einzelnen deutschen Staaten gehen. [Spaltenumbruch]
Reiche deutſcher Nation, ſo in dem neuen Bundesſtaat als höhere Aber ſolches iſt auf dieſem Gebiete der Drang der Ereigniſſe daß zur Mit bewundernswürdigem Inſtinct hat die Nation in allen ihren Will man dieſe Nationalverſammlung als das deutſche Unterhaus Weniger Schwierigkeiten wird das Verhältniß dieſes aus Regie- Daran ſchlöße ſich die allgemeine deutſche Geſetzgebung, Ein- Daneben wird das Werk der einzelnen deutſchen Staaten gehen. <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0010" n="1306"/><cb/> Reiche deutſcher Nation, ſo in dem neuen Bundesſtaat als höhere<lb/> Nationaleinheit über den Landeseinheiten angeſtrebt wird.</p><lb/> <p>Aber ſolches iſt auf dieſem Gebiete der Drang der Ereigniſſe daß zur<lb/> Realiſtrung des hier Nothwendigen kaum noch Monate zur Verfügung<lb/> ſtehen, und die Gefahr dieſer Ereigniſſe iſt — was noch vor zwei<lb/> Wochen verborgen ſchien — eine dringendere von innen als von außen.<lb/> Wie der Sturm der vor dem dichten Ungewitter vorhergeht und Staub<lb/> und alles Dürre und Loſegewordene vor ſich hertreibt, iſt die Revolution<lb/> über die centralen Gaue von Deutſchland einhergeſchritten, hat die<lb/> Bürgergemeinden erſchüttert, die Paläſte der Fürſten mit Schrecken er-<lb/> füllt und raſch durch Conceſſtonen der entſchiedenſten Art die Schwierig-<lb/> keit hinweggefegt die der neuen Geſtaltung als Geſtrüpp, Schanzgräben<lb/> und Verhaue abgeſtorbener Stämme entgegenſtanden. Aber damit man<lb/> nicht glaube daß hinter dieſem erſchütternden Wirbel der Ereigniſſe ſich<lb/> das Gewitter alſobald der Fülle ſeines Segens auf die durſtigen Fluren<lb/> entladen werde, daran hindern uns zwei verhängnißvolle Ereigniſſe die<lb/> mit großem Umgeſtüm hervordrängen: die Bewegungen der arbeitenden<lb/> Claſſen, welche mit elektriſcher Schnelle nicht nur vom Rhein her die<lb/> deutſchen Gaue durchzucken, und der ſtürmiſche Aufſtand ganzer Bauern-<lb/> ſchaften, welche in den Kataſtrophen das Ende der Bedrängniſſe von<lb/> Grund und Boden erblicken — den viele von ihnen bisher unter großen<lb/> Laſten und Entbehrungen in dem Schweiß ihres Antlitzes befruchtet hat-<lb/> ten — wie viele Tage, um nicht zu ſagen Wochen, wird es brauchen<lb/> dieſe gewaltigſten Schichten der Geſellſchaft unter dem Feldgeſchrei der<lb/> Republik zu vereinigen, wenn nicht alſobald und mit Entſchiedenheit<lb/> zur Rettung ſowie der Völker ſo der Monarchie Hand an das Werk der<lb/> Wiedergeburt gelegt und in ihm die Möglichkeit der Hülfe gezeigt wird,<lb/> die auch den arbeitenden Claſſen durch Entlaſtung und Fürſorge zu gute<lb/> kommen ſoll.</p><lb/> <p>Mit bewundernswürdigem Inſtinct hat die Nation in allen ihren<lb/> Claſſen, Fürſten und Adel nicht ausgenommen, die nächſte und mäch-<lb/> tigſte Hülfe gegen dieſes Ungemach in einem deutſchen Parlament er-<lb/> kannt, weil nur dieſes allgemeine Bedürfniſſe ausſprechen und befriedi-<lb/> gen kann, und allerdings iſt die Möglichkeit, ja die Wahrſcheinlichkeit<lb/> gegeben daß es helfen kann, wenn es noch im Laufe des April eröffnet<lb/> wird, vorausgeſetzt daß die Aufgabe mit Sicherheit und Uebereinſtim-<lb/> mung gefaßt und mit Entſchiedenheit gelöst wird. Neue Wahlkörper<lb/> für das Parlament zu bilden fehlt die Zeit, und ſchon die Noth und<lb/> der Drang der Ereigniſſe gebieten die, gleichviel ob aus Wahl oder<lb/> Privilegium hervorgegangenen ſtändiſchen Verſammlungen als Wahl-<lb/> körper anzuerkennen. Die nach Frankfurt einberufene Verſammlung<lb/> von Abgeordneten iſt es nicht welche als Nationalverſammlung gelten<lb/> kann, denn ſie hat ihre Miſſion nur von ſich ſelber; doch kann ihre Er-<lb/> klärung als Aufforderung an ſämmtliche deutſche Standſchaften ange-<lb/> ſehen werden nach Frankfurt die Abgeordneten ihrer Wahl, ſey es aus<lb/> ihrem Gremium, oder ſeyen es andere Männer ihres Vertrauens, nach<lb/> der Scala von einem Abgeordneten auf 100,000 Einwohner zu ſchicken,<lb/> und den Landesregierungen würde dabei obliegen ihre Geſandtſchaften<lb/> in Frankfurt anzuweiſen jene Deputationen als Abgeordnete ihres Landes<lb/> bei der deutſchen Nationalverſammlung anzuerkennen, und mit ihnen<lb/> als ſolchen zu verkehren. Das alles kann bei der Raſchheit der Ereig-<lb/> niſſe in wenig Wochen ausgerichtet werden, und würden einzelne Pro-<lb/> vinzen bis zu einem beſtimmten Termin noch nicht vertreten ſeyn, ſo<lb/> dürfte ſolches die indeß erſchienenen nicht hindern alſobald Hand an<lb/> das Werk zu legen; die ſpäter ankommenden würden bei ihrer Erſchei-<lb/> nung in die Verſammlung aufgenommen, und dieſe darum in dem<lb/> Maß ergänzt als die an einzelnen Orten den Abordnungen entgegen-<lb/> ſtehenden Schwierigkeiten beſtegt würden. Daß dabei alle Länder des<lb/> deutſchen Bundes, daß auch die deutſchen Bevölkerungen außer dem<lb/> Bunde, die unter dem Scepter deutſcher Bundesfürſten ſtehen oder mit<lb/> dieſen ſtaatsrechtlich verknüpft ſind, die Abgeordneten von Oſtpreußen<lb/> ſo gut wie von Schleswig-Holſtein begriffen wären, verſteht ſich von<lb/> ſelber.</p><lb/> <p>Will man dieſe Nationalverſammlung als das deutſche Unterhaus<lb/> anerkennen, ſo erſchiene die Bundesverſammlung, ihm als Oberhaus<lb/> zur Seite geſtellt, offenbar als zu ſchwach, ja als ungehörig. Nicht als<lb/> Oberhaus, ſondern als Regierung oder, wenn man will, als deutſches<lb/> Miniſterium ſteht die Bundesverſammlung gegenüber dem deutſchen<lb/> Congreß, und als ſolche bedarf ſie eines Bundesoberhauptes, das für<lb/> beſtimmte Perioden alternirend die beiden deutſchen Großmächte und<lb/> collectiv die Mächte zweiten oder dritten Ranges ſeyn, oder in einem<lb/><cb/> Prinzen oder Staatsmann ihres Hauſes ſtellen würden, ſolange man<lb/> noch nicht zur altehrwürdigen Idee des deutſchen Kaiſerthums ſich wie-<lb/> der erheben kann. Allerdings aber ſcheint eine obere Kammer oder ein<lb/> Senat neben dem nationalen Congreß durch die Lage von Deutſchland<lb/> und durch die Intereſſen der einzelnen Monarchien und Fürſtenthümer<lb/> ebenſo geboten als es unabweisbar iſt daß nationale Einwirkung auf<lb/> ſeine Zuſammenſetzung nicht ausgeſchloſſen werde. Soll demnach als<lb/> Grundſatz gelten daß, wie in den deutſchen Kammern die volljährigen<lb/> Prinzen von Geblüt Sitz und Stimme haben, ſo in dem deutſchen Ober-<lb/> hauſe dieſen vielleicht die Curiatſtimmen der Mediatiſtrten beigefügt<lb/> würden, daß zu dieſen noch eine Anzahl von Mitgliedern durch Ernen-<lb/> nung der einzelnen königlichen und fürſtlichen Geſchlechter berufen<lb/> würde, ſo müßte die andere Hälfte des Senats, um Männer des allge-<lb/> meinen Vertrauens hinzuzuführen, wohl ebenfalls der Wahl der Stände-<lb/> verſammlungen mit der Weiſung anheimgegeben werden daß die ihnen<lb/> zu ernennen obliegenden Senatoren aus den oberen Kammern ihrer<lb/> Länder zu nehmen ſeyen.</p><lb/> <p>Weniger Schwierigkeiten wird das Verhältniß dieſes aus Regie-<lb/> rung und zwei Häuſern beſtehenden deutſchen Nationalcongreſſes zu den<lb/> einzelnen deutſchen Staaten und die Beſtimmung der Sphäre ſeiner<lb/> Thätigkeit haben. Deutſchland erſcheint dann als ein Staatenbund,<lb/> und Nordamerika, welches die möglichſt freie Bewegung der einzelnen<lb/> Staaten mit der ſattſam ausgerüſteten Centralgewalt für die Beſorgung<lb/> der allgemeinen Angelegenheiten verbindet, tritt uns hier als Beiſpiel<lb/> und praktiſches Muſter entgegen. Nicht Aufhebung der einzelnen deut-<lb/> ſchen Heere, ſondern Wahrung der Heeresverfaſſung des Bundes iſt ge-<lb/> boten, dazu endliche Aufſtellung des Stabs des deutſchen Bundesheers<lb/> und der Anführer ſeiner einzelnen Abtheilungen wie des Oberfeldherrn<lb/> der bewaffneten Bundesmacht. Inwiefern aus dieſer proviſoriſchen Vor-<lb/> kehrung ſich die Herüberführung der einzelnen Truppencorps des Bundes<lb/> zu einem vom Bunde unmittelbar abhängigen und von ihm beſoldeten<lb/> Heer erzielen ließe, bliebe weiterer Entwicklung der Verhältniſſe vorbe-<lb/> halten. Mit gleicher Entſchiedenheit muß das Induſtrie- und Handels-<lb/> ſyſtem von Deutſchland jetzt durchgeſetzt, und alle zum deutſchen Bund<lb/> gehörigen Staaten, wie ſolches ſchon durch die Bundesacte bedingt war,<lb/> müſſen nun endlich zu einem nationalen Syſtem für Handel und Ge-<lb/> werbe von Deutſchland geſtaltet werden, an welches die Ausrüſtung<lb/> einer deutſchen Flotte, eines deutſchen Conſularſyſtems in Verbindung<lb/> mit Handelsverträgen nach dem Princip der Gegenſeitigkeit ſich an-<lb/> ſchließen würden. Die ſämmtlichen Zollerträgniſſe würden wie in<lb/> Amerika der Bundescaſſe zur Beſtreitung der allgemeinen Bedürfniſſe<lb/> zu überweiſen ſeyn.</p><lb/> <p>Daran ſchlöße ſich die allgemeine deutſche Geſetzgebung, Ein-<lb/> führung eines allgemeinen bürgerlichen und peinlichen Rechts, eines<lb/> auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit gegründeten und nach allgemeinen<lb/> Principien geordneten Rechtsverfahrens mit Schwurgerichten, über-<lb/> einſtimmende Geſetzgebung über Handel, Induſtrie, Wechſelrecht, Münze<lb/> und Gewichte und endlich über allgemeines deutſches Bürgerrecht nebſt<lb/> Vertretung des Bundes durch eigene Abgeſandte bei den europäiſchen<lb/> Mächten. Das alles läßt ſich nicht mit Einem Schlage erreichen. Die<lb/> völlige Realiſtrung iſt vielleicht das Werk eines Menſchenalters; aber<lb/> es läßt ſich in Ausſicht ſtellen und vielleicht in Angriff nehmen, und<lb/> nach altem Sprüchwort hat der die Hälfte der angefangen hat:<lb/><hi rendition="#aq">Dimidium facti qui coepit habet.</hi> Wird während desſelben die<lb/> Nation zum Kampf gerufen, ſo wird ſie um ſo freudiger ſich zu ihm<lb/> erheben, für ihn ihren letzten Sohn ſtellen und ihren letzten Groſchen<lb/> einzahlen.</p><lb/> <p>Daneben wird das Werk der einzelnen deutſchen Staaten gehen.<lb/> Jeder hat in ſich die Bedingungen der neuen Zeit zu realiſiren und<lb/> durch reine Durchführung verfaſſungsmäßiger Regierung und Ver-<lb/> waltung in ſeinen Marken zu leiſten was dem Bunde für das Ganze<lb/> obliegt. Auch hier hat Baden rühmlichen Anfang gemacht. Der<lb/> Geſetzesvorſchlag, nach dem die Feudallaſten von der Landescaſſe über-<lb/> nommen werden, was die Leiſtungen der von ihnen zu Befreienden nach<lb/> Maßgabe des Verhältniſſes nicht ausſchließt, iſt ein den andern Staaten<lb/> vorleuchtendes Beiſpiel. Nicht weniger ruhmreich iſt der Antrag durch<lb/> eine Vermögensſteuer von wenigſtens fünf Procent einen Schatz zu ge-<lb/> winnen aus dem würdigen aber bedürftigen Werkführern und Arbeitern<lb/> unverzinsliche Vorſchüſſe geleiſtet und für Arbeiteraſſociation zur Grün-<lb/> dung größerer Gewerbe die Fonds bis zu den Zeiten geliefert werden<lb/> wo aus den Erträgniſſen der Genoſſenſchaft ihre Zurückerſtattung mög-<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1306/0010]
Reiche deutſcher Nation, ſo in dem neuen Bundesſtaat als höhere
Nationaleinheit über den Landeseinheiten angeſtrebt wird.
Aber ſolches iſt auf dieſem Gebiete der Drang der Ereigniſſe daß zur
Realiſtrung des hier Nothwendigen kaum noch Monate zur Verfügung
ſtehen, und die Gefahr dieſer Ereigniſſe iſt — was noch vor zwei
Wochen verborgen ſchien — eine dringendere von innen als von außen.
Wie der Sturm der vor dem dichten Ungewitter vorhergeht und Staub
und alles Dürre und Loſegewordene vor ſich hertreibt, iſt die Revolution
über die centralen Gaue von Deutſchland einhergeſchritten, hat die
Bürgergemeinden erſchüttert, die Paläſte der Fürſten mit Schrecken er-
füllt und raſch durch Conceſſtonen der entſchiedenſten Art die Schwierig-
keit hinweggefegt die der neuen Geſtaltung als Geſtrüpp, Schanzgräben
und Verhaue abgeſtorbener Stämme entgegenſtanden. Aber damit man
nicht glaube daß hinter dieſem erſchütternden Wirbel der Ereigniſſe ſich
das Gewitter alſobald der Fülle ſeines Segens auf die durſtigen Fluren
entladen werde, daran hindern uns zwei verhängnißvolle Ereigniſſe die
mit großem Umgeſtüm hervordrängen: die Bewegungen der arbeitenden
Claſſen, welche mit elektriſcher Schnelle nicht nur vom Rhein her die
deutſchen Gaue durchzucken, und der ſtürmiſche Aufſtand ganzer Bauern-
ſchaften, welche in den Kataſtrophen das Ende der Bedrängniſſe von
Grund und Boden erblicken — den viele von ihnen bisher unter großen
Laſten und Entbehrungen in dem Schweiß ihres Antlitzes befruchtet hat-
ten — wie viele Tage, um nicht zu ſagen Wochen, wird es brauchen
dieſe gewaltigſten Schichten der Geſellſchaft unter dem Feldgeſchrei der
Republik zu vereinigen, wenn nicht alſobald und mit Entſchiedenheit
zur Rettung ſowie der Völker ſo der Monarchie Hand an das Werk der
Wiedergeburt gelegt und in ihm die Möglichkeit der Hülfe gezeigt wird,
die auch den arbeitenden Claſſen durch Entlaſtung und Fürſorge zu gute
kommen ſoll.
Mit bewundernswürdigem Inſtinct hat die Nation in allen ihren
Claſſen, Fürſten und Adel nicht ausgenommen, die nächſte und mäch-
tigſte Hülfe gegen dieſes Ungemach in einem deutſchen Parlament er-
kannt, weil nur dieſes allgemeine Bedürfniſſe ausſprechen und befriedi-
gen kann, und allerdings iſt die Möglichkeit, ja die Wahrſcheinlichkeit
gegeben daß es helfen kann, wenn es noch im Laufe des April eröffnet
wird, vorausgeſetzt daß die Aufgabe mit Sicherheit und Uebereinſtim-
mung gefaßt und mit Entſchiedenheit gelöst wird. Neue Wahlkörper
für das Parlament zu bilden fehlt die Zeit, und ſchon die Noth und
der Drang der Ereigniſſe gebieten die, gleichviel ob aus Wahl oder
Privilegium hervorgegangenen ſtändiſchen Verſammlungen als Wahl-
körper anzuerkennen. Die nach Frankfurt einberufene Verſammlung
von Abgeordneten iſt es nicht welche als Nationalverſammlung gelten
kann, denn ſie hat ihre Miſſion nur von ſich ſelber; doch kann ihre Er-
klärung als Aufforderung an ſämmtliche deutſche Standſchaften ange-
ſehen werden nach Frankfurt die Abgeordneten ihrer Wahl, ſey es aus
ihrem Gremium, oder ſeyen es andere Männer ihres Vertrauens, nach
der Scala von einem Abgeordneten auf 100,000 Einwohner zu ſchicken,
und den Landesregierungen würde dabei obliegen ihre Geſandtſchaften
in Frankfurt anzuweiſen jene Deputationen als Abgeordnete ihres Landes
bei der deutſchen Nationalverſammlung anzuerkennen, und mit ihnen
als ſolchen zu verkehren. Das alles kann bei der Raſchheit der Ereig-
niſſe in wenig Wochen ausgerichtet werden, und würden einzelne Pro-
vinzen bis zu einem beſtimmten Termin noch nicht vertreten ſeyn, ſo
dürfte ſolches die indeß erſchienenen nicht hindern alſobald Hand an
das Werk zu legen; die ſpäter ankommenden würden bei ihrer Erſchei-
nung in die Verſammlung aufgenommen, und dieſe darum in dem
Maß ergänzt als die an einzelnen Orten den Abordnungen entgegen-
ſtehenden Schwierigkeiten beſtegt würden. Daß dabei alle Länder des
deutſchen Bundes, daß auch die deutſchen Bevölkerungen außer dem
Bunde, die unter dem Scepter deutſcher Bundesfürſten ſtehen oder mit
dieſen ſtaatsrechtlich verknüpft ſind, die Abgeordneten von Oſtpreußen
ſo gut wie von Schleswig-Holſtein begriffen wären, verſteht ſich von
ſelber.
Will man dieſe Nationalverſammlung als das deutſche Unterhaus
anerkennen, ſo erſchiene die Bundesverſammlung, ihm als Oberhaus
zur Seite geſtellt, offenbar als zu ſchwach, ja als ungehörig. Nicht als
Oberhaus, ſondern als Regierung oder, wenn man will, als deutſches
Miniſterium ſteht die Bundesverſammlung gegenüber dem deutſchen
Congreß, und als ſolche bedarf ſie eines Bundesoberhauptes, das für
beſtimmte Perioden alternirend die beiden deutſchen Großmächte und
collectiv die Mächte zweiten oder dritten Ranges ſeyn, oder in einem
Prinzen oder Staatsmann ihres Hauſes ſtellen würden, ſolange man
noch nicht zur altehrwürdigen Idee des deutſchen Kaiſerthums ſich wie-
der erheben kann. Allerdings aber ſcheint eine obere Kammer oder ein
Senat neben dem nationalen Congreß durch die Lage von Deutſchland
und durch die Intereſſen der einzelnen Monarchien und Fürſtenthümer
ebenſo geboten als es unabweisbar iſt daß nationale Einwirkung auf
ſeine Zuſammenſetzung nicht ausgeſchloſſen werde. Soll demnach als
Grundſatz gelten daß, wie in den deutſchen Kammern die volljährigen
Prinzen von Geblüt Sitz und Stimme haben, ſo in dem deutſchen Ober-
hauſe dieſen vielleicht die Curiatſtimmen der Mediatiſtrten beigefügt
würden, daß zu dieſen noch eine Anzahl von Mitgliedern durch Ernen-
nung der einzelnen königlichen und fürſtlichen Geſchlechter berufen
würde, ſo müßte die andere Hälfte des Senats, um Männer des allge-
meinen Vertrauens hinzuzuführen, wohl ebenfalls der Wahl der Stände-
verſammlungen mit der Weiſung anheimgegeben werden daß die ihnen
zu ernennen obliegenden Senatoren aus den oberen Kammern ihrer
Länder zu nehmen ſeyen.
Weniger Schwierigkeiten wird das Verhältniß dieſes aus Regie-
rung und zwei Häuſern beſtehenden deutſchen Nationalcongreſſes zu den
einzelnen deutſchen Staaten und die Beſtimmung der Sphäre ſeiner
Thätigkeit haben. Deutſchland erſcheint dann als ein Staatenbund,
und Nordamerika, welches die möglichſt freie Bewegung der einzelnen
Staaten mit der ſattſam ausgerüſteten Centralgewalt für die Beſorgung
der allgemeinen Angelegenheiten verbindet, tritt uns hier als Beiſpiel
und praktiſches Muſter entgegen. Nicht Aufhebung der einzelnen deut-
ſchen Heere, ſondern Wahrung der Heeresverfaſſung des Bundes iſt ge-
boten, dazu endliche Aufſtellung des Stabs des deutſchen Bundesheers
und der Anführer ſeiner einzelnen Abtheilungen wie des Oberfeldherrn
der bewaffneten Bundesmacht. Inwiefern aus dieſer proviſoriſchen Vor-
kehrung ſich die Herüberführung der einzelnen Truppencorps des Bundes
zu einem vom Bunde unmittelbar abhängigen und von ihm beſoldeten
Heer erzielen ließe, bliebe weiterer Entwicklung der Verhältniſſe vorbe-
halten. Mit gleicher Entſchiedenheit muß das Induſtrie- und Handels-
ſyſtem von Deutſchland jetzt durchgeſetzt, und alle zum deutſchen Bund
gehörigen Staaten, wie ſolches ſchon durch die Bundesacte bedingt war,
müſſen nun endlich zu einem nationalen Syſtem für Handel und Ge-
werbe von Deutſchland geſtaltet werden, an welches die Ausrüſtung
einer deutſchen Flotte, eines deutſchen Conſularſyſtems in Verbindung
mit Handelsverträgen nach dem Princip der Gegenſeitigkeit ſich an-
ſchließen würden. Die ſämmtlichen Zollerträgniſſe würden wie in
Amerika der Bundescaſſe zur Beſtreitung der allgemeinen Bedürfniſſe
zu überweiſen ſeyn.
Daran ſchlöße ſich die allgemeine deutſche Geſetzgebung, Ein-
führung eines allgemeinen bürgerlichen und peinlichen Rechts, eines
auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit gegründeten und nach allgemeinen
Principien geordneten Rechtsverfahrens mit Schwurgerichten, über-
einſtimmende Geſetzgebung über Handel, Induſtrie, Wechſelrecht, Münze
und Gewichte und endlich über allgemeines deutſches Bürgerrecht nebſt
Vertretung des Bundes durch eigene Abgeſandte bei den europäiſchen
Mächten. Das alles läßt ſich nicht mit Einem Schlage erreichen. Die
völlige Realiſtrung iſt vielleicht das Werk eines Menſchenalters; aber
es läßt ſich in Ausſicht ſtellen und vielleicht in Angriff nehmen, und
nach altem Sprüchwort hat der die Hälfte der angefangen hat:
Dimidium facti qui coepit habet. Wird während desſelben die
Nation zum Kampf gerufen, ſo wird ſie um ſo freudiger ſich zu ihm
erheben, für ihn ihren letzten Sohn ſtellen und ihren letzten Groſchen
einzahlen.
Daneben wird das Werk der einzelnen deutſchen Staaten gehen.
Jeder hat in ſich die Bedingungen der neuen Zeit zu realiſiren und
durch reine Durchführung verfaſſungsmäßiger Regierung und Ver-
waltung in ſeinen Marken zu leiſten was dem Bunde für das Ganze
obliegt. Auch hier hat Baden rühmlichen Anfang gemacht. Der
Geſetzesvorſchlag, nach dem die Feudallaſten von der Landescaſſe über-
nommen werden, was die Leiſtungen der von ihnen zu Befreienden nach
Maßgabe des Verhältniſſes nicht ausſchließt, iſt ein den andern Staaten
vorleuchtendes Beiſpiel. Nicht weniger ruhmreich iſt der Antrag durch
eine Vermögensſteuer von wenigſtens fünf Procent einen Schatz zu ge-
winnen aus dem würdigen aber bedürftigen Werkführern und Arbeitern
unverzinsliche Vorſchüſſe geleiſtet und für Arbeiteraſſociation zur Grün-
dung größerer Gewerbe die Fonds bis zu den Zeiten geliefert werden
wo aus den Erträgniſſen der Genoſſenſchaft ihre Zurückerſtattung mög-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |