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Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848.

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[Spaltenumbruch] politanischen Officier. Nach ihm wurden am 14 und 15 Jan. 320
Officiere, 6933 Soldaten, 20 Kanonen und 45 Dragoner und Gen-
darmen nach Palermo hinübergeschifft. Desauget untersagte dem
Oberst Groß das Bombenwerfen auf Befehl des Königs, und erließ
am 16 Jan. einen überaus milden Befehl zur Wiederherstellung und
Ordnung in der "guten Stadt Palermo."


Die gestrigen Nachrichten aus Messina lau-
ten daß die Sicilianer gleich nach der Rückkehr Pronio's in die Citadelle
wieder angefangen Batterien (und zwar stärkere als die frühern welche
nach einer halbstündigen Kanonade zerstört wurden) zu errichten, daß
die Zahl der Streiter sich vermehrt und daß man neuen Kämpfen ent-
gegensehe. Der Portofranco brannte noch, als das Dampfschiff gestern
Messina verließ: 14 Waarenmagazine liegen in Asche und die Be-
mühungen zu löschen waren mit der Gefahr verknüpft von der Citadelle
aus niedergeschossen zu werden. Nur die Sicilianer schafften ihre
Waaren fort, die Fremden weniger; letztere hoffen auf Ersatz und lie-
ßen getrosten Muthes Manufacturen verbrennen, welche sie sonst
schwerlich verkauft haben würden. Die Rechnungen sollen viele auch
schon vor der vorausgesehenen Kanonade gemacht und eingericht ha-
ben. Die Bewohner Reggio's legen die größte Sympathie für Mes-
sina und Sicilien an den Tag und in Calabrien ist es keineswegs wie
in der Hauptstadt, wo Sicilianer und Neapolitaner sich als zwei fremde
Nationalitäten einander gegenüberstellen. Wir erwähnten früher daß die
Expedition nach Palermo, ohne an Spitäler, Aerzte, Medicamente, Jn-
strumente, ja selbst ohne an Nahrungsmittel zu denken, abgesegelt. Jetzt
sucht man begangene Fehler wieder gut zu machen, und an Calabriens
Fußspitze ein Lager, Arsenale, Magazine etc. zu errichten. Die Schwie-
rigkeiten solcher Niederlassungen, die Widersetzlichkeiten der Calabre-
sen und die Symptome neue Gährungen daselbst zu schildern würde
zu weit führen. -- Heute redet man von nichts anderm als von einem
gestern angelangten und bereits dem König und dem Ministerium mit-
getheilten Protest der Großmächte, nicht etwa gegen die Constitution
sondern gegen die Möglichkeit einer Teritorialumgestaltung der im
Wiener Congreß stipulirten Länderverhältnisse in Bezug auf Sicilien.


Mit der Bildung eines neuen Ministeriums
hat es große Schwierigkeiten: es fürchtet natürlich jeder auf so schlüpfe-
rigem Boden auszugleiten. Der arme Fürst von Cariati, welcher damit
beauftragt ist, erscheint bereits öffentlich als Caricatur, als Diogenes
mit der Laterne oder als spürender Jagdhund. Andererseits find viele
tausend Unterschriften gesammelt um Bozzelli (nebst Poerio und To-
fano) zu fesseln, es find Deputationen an ihn und an den König abge-
schickt um seinen Austritt zu hindern. Serracapriola ist unbeliebt, so-
wohl bei dem Adel als bei den Bürgern. Wenig Stimmen erheben sich
für ihn. Er wird mit Guizot, Bussieres, Montessuy und den Retrogra-
den auf eine Stufe gesetzt. Der junge Duca di Proto ist einer der
Hauptleiter der Liberalen und vermittelndes Organ zwischen diesen und
dem König. Das Cafe d'Europe ist -- so äußerte sich der König --
die Pairskammer, das Cafe Buono die Deputirtenkammer. Der König
hat, aller Verwirrungen ungeachtet, dennoch seinen guten Humor nicht
ganz verloren. Er ersuchte am 30 Jan. den jungen Duca di Proto im
Theater nicht mit der Tricolorcocarde zu erscheinen. Proto versprach
gerührt alles, und meinte man wolle nur Evviva rufen. "Gut, lieber
Proto, sagte der König, macht es so; dann rufe ich aus meiner Loge
Evviva Proto!" -- Die Königin kam gestern Nachmittag mit einem
Prinzen nieder, welches Ereigniß mit den üblichen Kanonenschüssen, Eti-
kettefeierlichkeiten, Illuminationen u. s. w. gefeiert ward. (Uns ano
e ben conformato Principe,
heißt's im Moniteur.) Die Erklärung der
austretenden Minister wird von vielen als eine "unpatriotische Hand-
lung" angesehen. Als solche mögen wir sie nicht bezeichnen, obschon es
gewiß besser gewesen wäre für die Neapolitaner, wenn sie nicht von
gleichsam selbst erwählten Leitern des "Deliriums der Leidenschaften,
der Ungeduld, der ungezügelten Ruhestörungen u. s. w." angeklagt wor-
den wären. Das Durchschimmernlassen der Unfähigkeit des Königs "die
Integrität des Territoriums unverletzt aufrechtzuerhalten" wird am hef-
tigsten angegriffen. Man findet darin eine Aufforderung an die Groß-
mächte doch ja recht bald zu interveniren und schiebt diesen Passus, der
aus dem Wiener Tractat hervorgeholt zu seyn scheint, ganz und gar dem
Herzog von Serracapriola in die Schuhe, welcher mit Bussieres, Montes-
suy und Guizot zum Nachtheil des Landes und um sich heimlich an Eng-
land zu rächen, intriguirt. Es ist Thatsache daß man einer Verschwö-
rung von Retrograden d. h. abgesetzten Beamten, Generalen, Gendar-
[Spaltenumbruch] men, Geistlichen etc. auf die Spur gekommen: man wollte Haussuchungen
vornehmen lassen und sich mehrerer Papiere bemächtigen, aber der Kö-
nig wollte nicht und meinte dergleichen stände fortan nur den Kammern
zu. Auch Delcarretto und sein langer sonderbarer Aufenthalt im Laza-
reth wird mit in diese neue Verwirrung hineingezogen, ja einige nennen
D. einen heimlichen Abgesandten an Guizot und Metternich. Höhnisch
klingt in der Ministererklärung der Ausdruck daß sie unfähig feyen "neue
Mittel zur Lösung der sicilischen Frage auszudenken" u. s. w. Vor fünf
Tagen erklärten dieselben Herren in der Staatszeitung daß sie ein glück-
liches Resultat hofften und gestern reichen sie in bittern, ja fast beleidi-
genden Worten ihre Entlassung ein. Das find unsere Zustände! Die
ganze Familie Statella (Cassaro, Spuccaforno) haben Aemter, Titel und
Orden zurückgegeben, und die Spannung zwischen Sicilianern und Nea-
politanern wird mit jedem Tage schlimmer. Rente 971/4. Eine An-
leihe ist im Werke. Hr. della Valle soll von dem hiefigen Rothschild,
welcher sich zu compromittiren fürchtete, aber dennoch zu gewinnen hoffte,
an das Pariser Haus gewiesen und dahin abgereist seyn. Fürst
Schwarzenberg will Neapel verlassen. Jedermann geht ihm und den
Repräsentanten Rußlands, Frankreichs und leider auch Preußens (wel-
ches in Jtalien eine klägliche Rolle spielt) aus dem Wege. Bussieres
soll mit Serracapriola aufs engste verbündet seyn. England über-
wacht alles.


Die Worte welche Pius IX der Deputa-
tion wegen Ertheilung der Repräsentativverfassung erwiedert hat, lau-
ten folgendermaßen: "Die Ereignisse welche, man kann nicht sagen
einander folgen, sondern über einander stürzen, rechtfertigen hinrei-
chend die Bitte welche Sie, Hr. Senator, im Namen des Magistrats
und des Raths an mich gestellt haben. Jedermann weiß daß ich un-
ermüdlich beschäftigt bin dem Gouvernement diejenige Form zu geben
die Sie, meine Herren, erbitten, und welche die Völker verlangen;
aber jedermann kennt auch die große Schwierigkeit auf welche man
stößt, da es zwei große Würden in fich vereinigt. Das was bei ei-
nem weltlichen Gouvernement in einer Nacht vollbracht werden kann,
kann beim päpstlichen Gouvernement nicht ohne reifliche Prüfung zu
Stande kommen, indem es gar sehr schwierig ist genau jene Linie
zu ziehen welche eine Gewalt von der andern trennen soll. Nichts-
destoweniger schmeichle ich mir in einigen Tagen nach vollbrachter
Arbeit im Stande zu seyn die neue Form des Gouvernements zu ver-
künden, welche zur Zusriedenheit der Commune und mehr noch des
Senats seyn wird, der die Umstände und die Lage des Landes näher
kennt. Gott segne diesen Wunsch, diese meine Arbeit; und wenn
daraus der Religion ein Vortheil erwachsen sollte, so will ich mich
zu Füßen des Crucisires stellen und ihm für alle Ereignisse danken
die er zugelassen hat, und die mich mehr noch wie als Fürsten, als
Oberhaupt der gesammten Kirche freuen werden, wenn sie zur grö-
ßern Ehre Gottes ausfallen. Wenn die Völker heutzutage
in verschiedenen Gegenden außerordentliche Verlan-
gen
(esigenze) zeigen; so ist andererseits auch wahr daß
zu Gunsten der Völker die väterlichen Sorgen verges-
sen worden sind welche deren wahre Tugend hätten aus-
bilden sollen, wenn daher die Folgen davon schlecht
seyn werden, so wird man nicht alle den Völkern zur
Last legen dürfen."
Dieser letzte sehr bedeutungsvolle Satz fehlt
in den Abdrücken dieser kurzen Rede, welche in Umlauf gesetzt wor-
den sind. Ueber deren Aechtheit habe ich keinen Zweifel. Sie tragen
ganz das Gepräge des aufrichtigen Kirchenfürsten, der seine wahrhaft
liberale Gesinnung bei keiner Gelegenheit zu verläugnen vermag.
Welchen Eindruck diese Schlußworte namentlich in dem gegenwärtigen
Augenblick gemacht haben, können Sie sich vorstellen.


Der Carneval ist also wirklich im Dunkeln
begraben worden. Niemand scheint an die Ausführung dieses Vor-
habens geglaubt zu haben. Dennoch hat keiner gewagt ein Licht an-
zuzünden, obwohl sehr viele mit Wachsstockbündeln versehen waren.
Kleine Haufen junger Leute durchzogen den Corso mit allerlei Vivat-
geschrei. Die Civica, welche diesen Tag in sehr großer Anzahl ausge-
rückt war, blieb bis zum letzten Kanonenschuß, mit welchem das
Straßenfest geschlossen wird, unter dem Gewehr. Von den gefürchte-
ten Unordnungen zeigte sich nicht eine Spur. Verschieden find die
Auslegungen welche dieses charakterfeste Benehmen des römischen
Volks erfahren hat. Die Aengstlicheren, welche binnen vier Wochen
auch hier die Republik verkündigt zu sehen fürchten, sehen die Sache

[Spaltenumbruch] politaniſchen Officier. Nach ihm wurden am 14 und 15 Jan. 320
Officiere, 6933 Soldaten, 20 Kanonen und 45 Dragoner und Gen-
darmen nach Palermo hinübergeſchifft. Deſauget unterſagte dem
Oberſt Groß das Bombenwerfen auf Befehl des Königs, und erließ
am 16 Jan. einen überaus milden Befehl zur Wiederherſtellung und
Ordnung in der „guten Stadt Palermo.“


Die geſtrigen Nachrichten aus Meſſina lau-
ten daß die Sicilianer gleich nach der Rückkehr Pronio’s in die Citadelle
wieder angefangen Batterien (und zwar ſtärkere als die frühern welche
nach einer halbſtündigen Kanonade zerſtört wurden) zu errichten, daß
die Zahl der Streiter ſich vermehrt und daß man neuen Kämpfen ent-
gegenſehe. Der Portofranco brannte noch, als das Dampfſchiff geſtern
Meſſina verließ: 14 Waarenmagazine liegen in Aſche und die Be-
mühungen zu löſchen waren mit der Gefahr verknüpft von der Citadelle
aus niedergeſchoſſen zu werden. Nur die Sicilianer ſchafften ihre
Waaren fort, die Fremden weniger; letztere hoffen auf Erſatz und lie-
ßen getroſten Muthes Manufacturen verbrennen, welche ſie ſonſt
ſchwerlich verkauft haben würden. Die Rechnungen ſollen viele auch
ſchon vor der vorausgeſehenen Kanonade gemacht und eingericht ha-
ben. Die Bewohner Reggio’s legen die größte Sympathie für Meſ-
ſina und Sicilien an den Tag und in Calabrien iſt es keineswegs wie
in der Hauptſtadt, wo Sicilianer und Neapolitaner ſich als zwei fremde
Nationalitäten einander gegenüberſtellen. Wir erwähnten früher daß die
Expedition nach Palermo, ohne an Spitäler, Aerzte, Medicamente, Jn-
ſtrumente, ja ſelbſt ohne an Nahrungsmittel zu denken, abgeſegelt. Jetzt
ſucht man begangene Fehler wieder gut zu machen, und an Calabriens
Fußſpitze ein Lager, Arſenale, Magazine ꝛc. zu errichten. Die Schwie-
rigkeiten ſolcher Niederlaſſungen, die Widerſetzlichkeiten der Calabre-
ſen und die Symptome neue Gährungen daſelbſt zu ſchildern würde
zu weit führen. — Heute redet man von nichts anderm als von einem
geſtern angelangten und bereits dem König und dem Miniſterium mit-
getheilten Proteſt der Großmächte, nicht etwa gegen die Conſtitution
ſondern gegen die Möglichkeit einer Teritorialumgeſtaltung der im
Wiener Congreß ſtipulirten Länderverhältniſſe in Bezug auf Sicilien.


Mit der Bildung eines neuen Miniſteriums
hat es große Schwierigkeiten: es fürchtet natürlich jeder auf ſo ſchlüpfe-
rigem Boden auszugleiten. Der arme Fürſt von Cariati, welcher damit
beauftragt iſt, erſcheint bereits öffentlich als Caricatur, als Diogenes
mit der Laterne oder als ſpürender Jagdhund. Andererſeits find viele
tauſend Unterſchriften geſammelt um Bozzelli (nebſt Poërio und To-
fano) zu feſſeln, es find Deputationen an ihn und an den König abge-
ſchickt um ſeinen Austritt zu hindern. Serracapriola iſt unbeliebt, ſo-
wohl bei dem Adel als bei den Bürgern. Wenig Stimmen erheben ſich
für ihn. Er wird mit Guizot, Buſſierès, Monteſſuy und den Retrogra-
den auf eine Stufe geſetzt. Der junge Duca di Proto iſt einer der
Hauptleiter der Liberalen und vermittelndes Organ zwiſchen dieſen und
dem König. Das Café d’Europe iſt — ſo äußerte ſich der König —
die Pairskammer, das Café Buono die Deputirtenkammer. Der König
hat, aller Verwirrungen ungeachtet, dennoch ſeinen guten Humor nicht
ganz verloren. Er erſuchte am 30 Jan. den jungen Duca di Proto im
Theater nicht mit der Tricolorcocarde zu erſcheinen. Proto verſprach
gerührt alles, und meinte man wolle nur Evviva rufen. „Gut, lieber
Proto, ſagte der König, macht es ſo; dann rufe ich aus meiner Loge
Evviva Proto!“ — Die Königin kam geſtern Nachmittag mit einem
Prinzen nieder, welches Ereigniß mit den üblichen Kanonenſchüſſen, Eti-
kettefeierlichkeiten, Illuminationen u. ſ. w. gefeiert ward. (Uns ano
e ben conformato Principe,
heißt’s im Moniteur.) Die Erklärung der
austretenden Miniſter wird von vielen als eine „unpatriotiſche Hand-
lung“ angeſehen. Als ſolche mögen wir ſie nicht bezeichnen, obſchon es
gewiß beſſer geweſen wäre für die Neapolitaner, wenn ſie nicht von
gleichſam ſelbſt erwählten Leitern des „Deliriums der Leidenſchaften,
der Ungeduld, der ungezügelten Ruheſtörungen u. ſ. w.“ angeklagt wor-
den wären. Das Durchſchimmernlaſſen der Unfähigkeit des Königs „die
Integrität des Territoriums unverletzt aufrechtzuerhalten“ wird am hef-
tigſten angegriffen. Man findet darin eine Aufforderung an die Groß-
mächte doch ja recht bald zu interveniren und ſchiebt dieſen Paſſus, der
aus dem Wiener Tractat hervorgeholt zu ſeyn ſcheint, ganz und gar dem
Herzog von Serracapriola in die Schuhe, welcher mit Buſſierès, Monteſ-
ſuy und Guizot zum Nachtheil des Landes und um ſich heimlich an Eng-
land zu rächen, intriguirt. Es iſt Thatſache daß man einer Verſchwö-
rung von Retrograden d. h. abgeſetzten Beamten, Generalen, Gendar-
[Spaltenumbruch] men, Geiſtlichen ꝛc. auf die Spur gekommen: man wollte Hausſuchungen
vornehmen laſſen und ſich mehrerer Papiere bemächtigen, aber der Kö-
nig wollte nicht und meinte dergleichen ſtände fortan nur den Kammern
zu. Auch Delcarretto und ſein langer ſonderbarer Aufenthalt im Laza-
reth wird mit in dieſe neue Verwirrung hineingezogen, ja einige nennen
D. einen heimlichen Abgeſandten an Guizot und Metternich. Höhniſch
klingt in der Miniſtererklärung der Ausdruck daß ſie unfähig feyen „neue
Mittel zur Löſung der ſiciliſchen Frage auszudenken“ u. ſ. w. Vor fünf
Tagen erklärten dieſelben Herren in der Staatszeitung daß ſie ein glück-
liches Reſultat hofften und geſtern reichen ſie in bittern, ja faſt beleidi-
genden Worten ihre Entlaſſung ein. Das find unſere Zuſtände! Die
ganze Familie Statella (Caſſaro, Spuccaforno) haben Aemter, Titel und
Orden zurückgegeben, und die Spannung zwiſchen Sicilianern und Nea-
politanern wird mit jedem Tage ſchlimmer. Rente 97¼. Eine An-
leihe iſt im Werke. Hr. della Valle ſoll von dem hiefigen Rothſchild,
welcher ſich zu compromittiren fürchtete, aber dennoch zu gewinnen hoffte,
an das Pariſer Haus gewieſen und dahin abgereist ſeyn. Fürſt
Schwarzenberg will Neapel verlaſſen. Jedermann geht ihm und den
Repräſentanten Rußlands, Frankreichs und leider auch Preußens (wel-
ches in Jtalien eine klägliche Rolle ſpielt) aus dem Wege. Buſſiéres
ſoll mit Serracapriola aufs engſte verbündet ſeyn. England über-
wacht alles.


Die Worte welche Pius IX der Deputa-
tion wegen Ertheilung der Repräſentativverfaſſung erwiedert hat, lau-
ten folgendermaßen: „Die Ereigniſſe welche, man kann nicht ſagen
einander folgen, ſondern über einander ſtürzen, rechtfertigen hinrei-
chend die Bitte welche Sie, Hr. Senator, im Namen des Magiſtrats
und des Raths an mich geſtellt haben. Jedermann weiß daß ich un-
ermüdlich beſchäftigt bin dem Gouvernement diejenige Form zu geben
die Sie, meine Herren, erbitten, und welche die Völker verlangen;
aber jedermann kennt auch die große Schwierigkeit auf welche man
ſtößt, da es zwei große Würden in fich vereinigt. Das was bei ei-
nem weltlichen Gouvernement in einer Nacht vollbracht werden kann,
kann beim päpſtlichen Gouvernement nicht ohne reifliche Prüfung zu
Stande kommen, indem es gar ſehr ſchwierig iſt genau jene Linie
zu ziehen welche eine Gewalt von der andern trennen ſoll. Nichts-
deſtoweniger ſchmeichle ich mir in einigen Tagen nach vollbrachter
Arbeit im Stande zu ſeyn die neue Form des Gouvernements zu ver-
künden, welche zur Zuſriedenheit der Commune und mehr noch des
Senats ſeyn wird, der die Umſtände und die Lage des Landes näher
kennt. Gott ſegne dieſen Wunſch, dieſe meine Arbeit; und wenn
daraus der Religion ein Vortheil erwachſen ſollte, ſo will ich mich
zu Füßen des Cruciſires ſtellen und ihm für alle Ereigniſſe danken
die er zugelaſſen hat, und die mich mehr noch wie als Fürſten, als
Oberhaupt der geſammten Kirche freuen werden, wenn ſie zur grö-
ßern Ehre Gottes ausfallen. Wenn die Völker heutzutage
in verſchiedenen Gegenden außerordentliche Verlan-
gen
(esigenze) zeigen; ſo iſt andererſeits auch wahr daß
zu Gunſten der Völker die väterlichen Sorgen vergeſ-
ſen worden ſind welche deren wahre Tugend hätten aus-
bilden ſollen, wenn daher die Folgen davon ſchlecht
ſeyn werden, ſo wird man nicht alle den Völkern zur
Laſt legen dürfen.“
Dieſer letzte ſehr bedeutungsvolle Satz fehlt
in den Abdrücken dieſer kurzen Rede, welche in Umlauf geſetzt wor-
den ſind. Ueber deren Aechtheit habe ich keinen Zweifel. Sie tragen
ganz das Gepräge des aufrichtigen Kirchenfürſten, der ſeine wahrhaft
liberale Geſinnung bei keiner Gelegenheit zu verläugnen vermag.
Welchen Eindruck dieſe Schlußworte namentlich in dem gegenwärtigen
Augenblick gemacht haben, können Sie ſich vorſtellen.


Der Carneval iſt alſo wirklich im Dunkeln
begraben worden. Niemand ſcheint an die Ausführung dieſes Vor-
habens geglaubt zu haben. Dennoch hat keiner gewagt ein Licht an-
zuzünden, obwohl ſehr viele mit Wachsſtockbündeln verſehen waren.
Kleine Haufen junger Leute durchzogen den Corſo mit allerlei Vivat-
geſchrei. Die Civica, welche dieſen Tag in ſehr großer Anzahl ausge-
rückt war, blieb bis zum letzten Kanonenſchuß, mit welchem das
Straßenfeſt geſchloſſen wird, unter dem Gewehr. Von den gefürchte-
ten Unordnungen zeigte ſich nicht eine Spur. Verſchieden find die
Auslegungen welche dieſes charakterfeſte Benehmen des römiſchen
Volks erfahren hat. Die Aengſtlicheren, welche binnen vier Wochen
auch hier die Republik verkündigt zu ſehen fürchten, ſehen die Sache

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[[1246]/0014] politaniſchen Officier. Nach ihm wurden am 14 und 15 Jan. 320 Officiere, 6933 Soldaten, 20 Kanonen und 45 Dragoner und Gen- darmen nach Palermo hinübergeſchifft. Deſauget unterſagte dem Oberſt Groß das Bombenwerfen auf Befehl des Königs, und erließ am 16 Jan. einen überaus milden Befehl zur Wiederherſtellung und Ordnung in der „guten Stadt Palermo.“ * Neapel, 4 März. Die geſtrigen Nachrichten aus Meſſina lau- ten daß die Sicilianer gleich nach der Rückkehr Pronio’s in die Citadelle wieder angefangen Batterien (und zwar ſtärkere als die frühern welche nach einer halbſtündigen Kanonade zerſtört wurden) zu errichten, daß die Zahl der Streiter ſich vermehrt und daß man neuen Kämpfen ent- gegenſehe. Der Portofranco brannte noch, als das Dampfſchiff geſtern Meſſina verließ: 14 Waarenmagazine liegen in Aſche und die Be- mühungen zu löſchen waren mit der Gefahr verknüpft von der Citadelle aus niedergeſchoſſen zu werden. Nur die Sicilianer ſchafften ihre Waaren fort, die Fremden weniger; letztere hoffen auf Erſatz und lie- ßen getroſten Muthes Manufacturen verbrennen, welche ſie ſonſt ſchwerlich verkauft haben würden. Die Rechnungen ſollen viele auch ſchon vor der vorausgeſehenen Kanonade gemacht und eingericht ha- ben. Die Bewohner Reggio’s legen die größte Sympathie für Meſ- ſina und Sicilien an den Tag und in Calabrien iſt es keineswegs wie in der Hauptſtadt, wo Sicilianer und Neapolitaner ſich als zwei fremde Nationalitäten einander gegenüberſtellen. Wir erwähnten früher daß die Expedition nach Palermo, ohne an Spitäler, Aerzte, Medicamente, Jn- ſtrumente, ja ſelbſt ohne an Nahrungsmittel zu denken, abgeſegelt. Jetzt ſucht man begangene Fehler wieder gut zu machen, und an Calabriens Fußſpitze ein Lager, Arſenale, Magazine ꝛc. zu errichten. Die Schwie- rigkeiten ſolcher Niederlaſſungen, die Widerſetzlichkeiten der Calabre- ſen und die Symptome neue Gährungen daſelbſt zu ſchildern würde zu weit führen. — Heute redet man von nichts anderm als von einem geſtern angelangten und bereits dem König und dem Miniſterium mit- getheilten Proteſt der Großmächte, nicht etwa gegen die Conſtitution ſondern gegen die Möglichkeit einer Teritorialumgeſtaltung der im Wiener Congreß ſtipulirten Länderverhältniſſe in Bezug auf Sicilien. * Neapel, 5 März. Mit der Bildung eines neuen Miniſteriums hat es große Schwierigkeiten: es fürchtet natürlich jeder auf ſo ſchlüpfe- rigem Boden auszugleiten. Der arme Fürſt von Cariati, welcher damit beauftragt iſt, erſcheint bereits öffentlich als Caricatur, als Diogenes mit der Laterne oder als ſpürender Jagdhund. Andererſeits find viele tauſend Unterſchriften geſammelt um Bozzelli (nebſt Poërio und To- fano) zu feſſeln, es find Deputationen an ihn und an den König abge- ſchickt um ſeinen Austritt zu hindern. Serracapriola iſt unbeliebt, ſo- wohl bei dem Adel als bei den Bürgern. Wenig Stimmen erheben ſich für ihn. Er wird mit Guizot, Buſſierès, Monteſſuy und den Retrogra- den auf eine Stufe geſetzt. Der junge Duca di Proto iſt einer der Hauptleiter der Liberalen und vermittelndes Organ zwiſchen dieſen und dem König. Das Café d’Europe iſt — ſo äußerte ſich der König — die Pairskammer, das Café Buono die Deputirtenkammer. Der König hat, aller Verwirrungen ungeachtet, dennoch ſeinen guten Humor nicht ganz verloren. Er erſuchte am 30 Jan. den jungen Duca di Proto im Theater nicht mit der Tricolorcocarde zu erſcheinen. Proto verſprach gerührt alles, und meinte man wolle nur Evviva rufen. „Gut, lieber Proto, ſagte der König, macht es ſo; dann rufe ich aus meiner Loge Evviva Proto!“ — Die Königin kam geſtern Nachmittag mit einem Prinzen nieder, welches Ereigniß mit den üblichen Kanonenſchüſſen, Eti- kettefeierlichkeiten, Illuminationen u. ſ. w. gefeiert ward. (Uns ano e ben conformato Principe, heißt’s im Moniteur.) Die Erklärung der austretenden Miniſter wird von vielen als eine „unpatriotiſche Hand- lung“ angeſehen. Als ſolche mögen wir ſie nicht bezeichnen, obſchon es gewiß beſſer geweſen wäre für die Neapolitaner, wenn ſie nicht von gleichſam ſelbſt erwählten Leitern des „Deliriums der Leidenſchaften, der Ungeduld, der ungezügelten Ruheſtörungen u. ſ. w.“ angeklagt wor- den wären. Das Durchſchimmernlaſſen der Unfähigkeit des Königs „die Integrität des Territoriums unverletzt aufrechtzuerhalten“ wird am hef- tigſten angegriffen. Man findet darin eine Aufforderung an die Groß- mächte doch ja recht bald zu interveniren und ſchiebt dieſen Paſſus, der aus dem Wiener Tractat hervorgeholt zu ſeyn ſcheint, ganz und gar dem Herzog von Serracapriola in die Schuhe, welcher mit Buſſierès, Monteſ- ſuy und Guizot zum Nachtheil des Landes und um ſich heimlich an Eng- land zu rächen, intriguirt. Es iſt Thatſache daß man einer Verſchwö- rung von Retrograden d. h. abgeſetzten Beamten, Generalen, Gendar- men, Geiſtlichen ꝛc. auf die Spur gekommen: man wollte Hausſuchungen vornehmen laſſen und ſich mehrerer Papiere bemächtigen, aber der Kö- nig wollte nicht und meinte dergleichen ſtände fortan nur den Kammern zu. Auch Delcarretto und ſein langer ſonderbarer Aufenthalt im Laza- reth wird mit in dieſe neue Verwirrung hineingezogen, ja einige nennen D. einen heimlichen Abgeſandten an Guizot und Metternich. Höhniſch klingt in der Miniſtererklärung der Ausdruck daß ſie unfähig feyen „neue Mittel zur Löſung der ſiciliſchen Frage auszudenken“ u. ſ. w. Vor fünf Tagen erklärten dieſelben Herren in der Staatszeitung daß ſie ein glück- liches Reſultat hofften und geſtern reichen ſie in bittern, ja faſt beleidi- genden Worten ihre Entlaſſung ein. Das find unſere Zuſtände! Die ganze Familie Statella (Caſſaro, Spuccaforno) haben Aemter, Titel und Orden zurückgegeben, und die Spannung zwiſchen Sicilianern und Nea- politanern wird mit jedem Tage ſchlimmer. Rente 97¼. Eine An- leihe iſt im Werke. Hr. della Valle ſoll von dem hiefigen Rothſchild, welcher ſich zu compromittiren fürchtete, aber dennoch zu gewinnen hoffte, an das Pariſer Haus gewieſen und dahin abgereist ſeyn. Fürſt Schwarzenberg will Neapel verlaſſen. Jedermann geht ihm und den Repräſentanten Rußlands, Frankreichs und leider auch Preußens (wel- ches in Jtalien eine klägliche Rolle ſpielt) aus dem Wege. Buſſiéres ſoll mit Serracapriola aufs engſte verbündet ſeyn. England über- wacht alles. ∆ Rom, 8 März. Die Worte welche Pius IX der Deputa- tion wegen Ertheilung der Repräſentativverfaſſung erwiedert hat, lau- ten folgendermaßen: „Die Ereigniſſe welche, man kann nicht ſagen einander folgen, ſondern über einander ſtürzen, rechtfertigen hinrei- chend die Bitte welche Sie, Hr. Senator, im Namen des Magiſtrats und des Raths an mich geſtellt haben. Jedermann weiß daß ich un- ermüdlich beſchäftigt bin dem Gouvernement diejenige Form zu geben die Sie, meine Herren, erbitten, und welche die Völker verlangen; aber jedermann kennt auch die große Schwierigkeit auf welche man ſtößt, da es zwei große Würden in fich vereinigt. Das was bei ei- nem weltlichen Gouvernement in einer Nacht vollbracht werden kann, kann beim päpſtlichen Gouvernement nicht ohne reifliche Prüfung zu Stande kommen, indem es gar ſehr ſchwierig iſt genau jene Linie zu ziehen welche eine Gewalt von der andern trennen ſoll. Nichts- deſtoweniger ſchmeichle ich mir in einigen Tagen nach vollbrachter Arbeit im Stande zu ſeyn die neue Form des Gouvernements zu ver- künden, welche zur Zuſriedenheit der Commune und mehr noch des Senats ſeyn wird, der die Umſtände und die Lage des Landes näher kennt. Gott ſegne dieſen Wunſch, dieſe meine Arbeit; und wenn daraus der Religion ein Vortheil erwachſen ſollte, ſo will ich mich zu Füßen des Cruciſires ſtellen und ihm für alle Ereigniſſe danken die er zugelaſſen hat, und die mich mehr noch wie als Fürſten, als Oberhaupt der geſammten Kirche freuen werden, wenn ſie zur grö- ßern Ehre Gottes ausfallen. Wenn die Völker heutzutage in verſchiedenen Gegenden außerordentliche Verlan- gen (esigenze) zeigen; ſo iſt andererſeits auch wahr daß zu Gunſten der Völker die väterlichen Sorgen vergeſ- ſen worden ſind welche deren wahre Tugend hätten aus- bilden ſollen, wenn daher die Folgen davon ſchlecht ſeyn werden, ſo wird man nicht alle den Völkern zur Laſt legen dürfen.“ Dieſer letzte ſehr bedeutungsvolle Satz fehlt in den Abdrücken dieſer kurzen Rede, welche in Umlauf geſetzt wor- den ſind. Ueber deren Aechtheit habe ich keinen Zweifel. Sie tragen ganz das Gepräge des aufrichtigen Kirchenfürſten, der ſeine wahrhaft liberale Geſinnung bei keiner Gelegenheit zu verläugnen vermag. Welchen Eindruck dieſe Schlußworte namentlich in dem gegenwärtigen Augenblick gemacht haben, können Sie ſich vorſtellen. ♀ Rom, 9 März. Der Carneval iſt alſo wirklich im Dunkeln begraben worden. Niemand ſcheint an die Ausführung dieſes Vor- habens geglaubt zu haben. Dennoch hat keiner gewagt ein Licht an- zuzünden, obwohl ſehr viele mit Wachsſtockbündeln verſehen waren. Kleine Haufen junger Leute durchzogen den Corſo mit allerlei Vivat- geſchrei. Die Civica, welche dieſen Tag in ſehr großer Anzahl ausge- rückt war, blieb bis zum letzten Kanonenſchuß, mit welchem das Straßenfeſt geſchloſſen wird, unter dem Gewehr. Von den gefürchte- ten Unordnungen zeigte ſich nicht eine Spur. Verſchieden find die Auslegungen welche dieſes charakterfeſte Benehmen des römiſchen Volks erfahren hat. Die Aengſtlicheren, welche binnen vier Wochen auch hier die Republik verkündigt zu ſehen fürchten, ſehen die Sache

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848, S. [1246]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine78_1848/14>, abgerufen am 21.11.2024.