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Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848.

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[Spaltenumbruch] die gleich darauf veröffentlichte Maßregel war die Censur sofort auf-
zuheben, ohne erst die Erlassung eines besondern Preßgesetzes abzu-
warten. Diese Concession genügte jedoch nicht den sich steigernden An-
sprüchen der politischen Vereine. Um einer mit Beftimmtheit zu erwar-
tenden Volksdemonstration, welche leicht bedauerliche Unruhen hätte her-
beiführen können, zuvorzukommen, entschloß sich der Senat am Tage
darauf, nachdem auch das wichtigste bürgerschaftliche Collegium der
180ger eine den Wünschen jener Vereine entsprechende Vorstellung ein-
gereicht hatte, seinen Vorschlag wegen der am 13 niederzusetzenden
Verfassungsdeputation dahin zu erweitern: daß die Wahl der bürger-
schaftlichen Deputationsmitglieder nicht allein auf Conventsberechtigte
zu beschränken sey, sondern auch auf andere Bürger ausgedehnt werden
könne, und ferner daß die Wahl nicht durch die einzelnen Kirchspiele
für sich vollzogen werde, sondern daß jedes Mitglied der Bürgerschaft
an 15 Personen seine Stimme gebe, und die Stimmen sodann durch
die ganze Bürgerschaft gezählt werden. Die Protokolle dieser Depu-
tation sollen wöchentlich veröffentlicht werden. Zugleich ist diesem
Nachtrag zum Antrag noch eine Aufzählung der Punkte beigefügt welche
auf den Vorschlag des 180ger Collegiums der Deputation zur sorgfäl-
tigen Berücksichtigung mitgetheilt werden sollen. Diese Punkte nun,
welche im wesentlichen mit den in Bremen und in andern deutschen
Staaten anerkannten Principien der Reform übereinstimmen, lauten
wie folgt.

1. Politische Berechtigung für jeden Staatsangehörigen der dem
Staat durch seine Person oder aus seinem Vermögen Pflichten erfüllt;
namentlich allgemeines Wahlrecht und allgemeine Wählbarkeit. 2. Gänz-
liche Trennung der Kirche vom Staat. Unabhängigkeit der bürger-
lichen und politischen Rechte von dem religiösen Bekenntniß. 3. Aus-
drückliche Anerkennung der Freiheit nicht nur der politischen, sondern
auch der religiösen Association. 4. Ersetzung der Erbgesessenen Bür-
gerschaft und ihrer bisherigen Ausschüsse durch eine Versammlung pe-
riodisch gewählter Repräsentanten mit Oeffentlichkeit der Verhandlun-
gen, jedoch unter Vorbehalt des absoluten Veto für die Wähler in den
wichtigsten grundgesetzlich näher zu bestimmenden Gesetzesvorlagen.
5. Aufhebung der Lebenslänglichkeit und Selbstergänzung des Senats.
6. Verantwortlichkeit aller die in öffentlichen Geschäften thätig find.
Schutz für jedes Recht durch unabhängige von der Verwaltung ge-
trennte Gerichte. 7. Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerichte.
Schwurgerichte in Criminalsachen, politischen und Preßverbrechen. 8.
Unterricht für die Jugend aller Staatsangehörigen als Staatsangele-
genheit. 9. Vertretung der National-Jnteressen durch ein deutsches
Parlament. 10. Baldigste Herbeiführung einer gemeinsamen deutschen
Gesetzgebung in allen Rechtszweigen. 11. Freie Wahl der Officiere der
Bürgergarde. 12. Trennung der Schule von der Kirche.

Am gestrigen Tage und selbst noch heute Morgen früh war hier
ziemliche Besorgniß verbreitet daß es am nächsten Montag zu gewalt-
samen Ruhestörungen und zu dem Versuch einer Hintertreibung des
angesetzten Rath- und Bürgerconvents kommen werde. Die Exaltir-
testen in der zahlreichen gemischten Versammlung, welche aus Mitglie-
dern der verschiedenen politischen Vereine (dem Grundeigenthümer-
Verein, dem Bürger-Verein, dem Juristen-Verein, dem Arbeiter-Verein
u. a.) sich gebildet hat, suchten durch die heftigsten Reden einen Be-
schluß zu bewirken am 13 März eine eclatante Demonstration vorzu-
nehmen, und wo möglich die Wahl der Deputation vorläufig zu ver-
hindern, da von der Wahl die Nichterbgesessenen Bürger ausgeschlossen
seyen, die doch auch hinsichtlich der allgemeinen Reform ein Wort mit-
zusprechen hätten. Nach manchen Debatten hat jedoch in der heute
Morgen abgehaltenen Versammlung endlich die Ansicht derjenigen
welche sich mit den gemachten Zugeständnissen vorderhand begnügen
wollen, die Oberhand erhalten, wozu hauptsächlich beigetragen daß in-
zwischen der vorerwähnte Nachtrag zu dem Antrage des Senats be-
kannt wurde. Auch sehen viele der Grundeigenthümer allmählich ein
daß die Diatriben doch auch zu weit gehen können und ihrem eigenen
Interesse und Einflusse nachtheilig werden dürften. Eine Liste der Na-
men welche von den Mitgliedern des Vereins der Grundeigenthümer bei
dem Wahlact zur Verfassungsdeputation besonders berücksichtigt werden
sollen, circulirt bereits und zeigt eine ganz zweckmäßige Zusammensetzung
von Männern der verschiedensten Ansichten und Parteien. Das Pro-
gramm welches heute in der obengedachten gemischten Versammlung
ausgegeben wurde, enthält hauptsächlich die 12 Punkte, welche auch
dem Senatsantrage jetzt beigefügt sind; außerdem aber noch einen
[Spaltenumbruch] dreizehnten Artikel: Aufhebung der Zünfte und Gewerbefreiheit.
Seit heute Mittag ist man nun über den Ausgang des Rath- und Bürger-
Convents ziemlich beruhigt. Die Bürgergarde ist von dem besten Geiste be-
seelt und würde sicher jeden Versuch Straßentumult zu erregen oder son-
stigen Frevel nachdrücklichst verhindern. Die zu erwählende Deputation
wird übrigens einen sehr schweren Stand haben um die verschiedenarti-
gen Ansprüche und großen Erwartungen durch einen in verhältnißmäßig
kurzer Zeit zu beendigenden Verfassungsentwurf zu befriedigen. So
viel aber steht wohl kaum zu bezweifeln daß die hamburgische Verfassung,
welche bisher schon eine so bedeutende demokratische Bafis hatte, wie wenige
andere Staaten, künftig noch mehr demokratisches Element in sich auf-
nehmen wird.

Oldenburg.

Endlich hat auch Oldenburg seine
Reform- und Verfassungsbewegung angefangen und an einem
Tage durchgesetzt was Jahre nicht vermochten. Der 10 März
war dieser Tag. Am 6 Oct. 1830 versprach der Großherzog er werde
"in einer minder bewegten Zeit die etwa erforderlichen Verbesse-
rungen der Staatseinrichtungen" eintreten lassen. Jetzt ist die Verfas-
sung in einem Augenblick der allerbewegtesten Zeit gegeben welche die
deutsche Geschichte kennt. Der Hergang ist folgender: Am 10 März
ward durch fünf Abgeordnete der Oldenburger Bürgerschaft eine Adresse
derselben Sr. k. Hoh. dem Großherzog überreicht, in welcher zuerst der
Dank für das Versprechen baldiger Einführung der ständischen Verfas-
sung ausgesprochen, und als Grundlagen der letztern 1) ausgedehnteste
Wahlfähigkeit und Wählbarkeit aller Staatsbürger, 2) Verantwortlich-
keit der Minister, 3) Oeffentlichkeit der Kammerverhandlungen, 4) Be-
rechtigung der Kammer auch zur Vorlegung von Gesetzentwürfen, be-
zeichnet wurden. Oeffentlichkeit und Mündlichkeit wurden gleichfalls
erbeten. Mündlich fügte der Sprecher der Deputation, Rathsherr
Schröder, bei Uebergabe der Adresse hinzu: es sey der Wunsch des gan-
zen Landes daß die Verfassung vor ihrer Erlassung erst mit er-
fahrenen Männern des Landes berathen werde.
Auf diese
letztere Bitte erwiederte der Großherzog daß er sich die Resolution dar-
über vorbehalte. Dieselbe Erwiederung erhielt auch die in gleicher Ab-
sicht eingetroffene Deputation der Einwohner von Jeverland. Allein
die Vorstellungen welche die letztere dem Fürsten sowie dem Minister-
verweser Geheimerath v. Beaulieu über die Nothwendigkeit schneller und
klarer Entscheidung zur Beruhigung der großen Aufregung des Landes
machte, führten endlich zum erwünschten Ziele, und die Deputation
von Jever erhielt schon Nachmittags die Antwort: Se. k. Hoh. habe
durch ein heute unterzeichnetes Patent (welches am Tage darauf mit
dem Wochenblatt erschien) bereits die Wahl von Abgeordneten des Lan-
des angeordnet, mit denen der Entwurf des Grundgesetzes berathen wer-
den solle. Als diese Entscheidung bekannt war, brachte die im Casino
versammelte Bürgerversammlung dem Fürsten ein Lebehoch, und setzte
fich von zahlreicher Begleitung des Volks gefolgt in Bewegung um die-
ses Hoch im Theater zu wiederholen, woselbst der Großherzog sich auf
Bitten mehrerer Abgeordneten mit dem Erbgroßherzog Peter und der
Herzogin Friederike dem Volke im Vestibul zeigte. Jubel und Ständ-
chen in der Stadt den liberalen Männern gebracht, dauerten bis nach Mit-
ternacht. Niemand zweifelt mehr daran daß unsere Verfassung eine
durchaus liberale seyn, und daß sich Oldenburg auch hinsichtlich der
nationalen Forderung eines deutschen Parlaments kräftig an Süd-
deutschland anschließen werde.

Oesterreichische Zustände.

Der bekannte österreichische Edelmann der vor etwa sieben Jahren
mit der bemerkenswerthen Schrift "Oesterreich und seine Zukunst" auf-
trat, hat derselben vor etwa anderthalb Jahren eine zweite, etwas
weniger stürmisch gehaltene Abtheilung folgen lassen, die vor mehreren
Monaten in zweiter Auflage erschienen.

"Wir wollen (sagt er in den
Einleitungsworten) gleich anfangs den Standpunkt feststellen aus
welchem die österreichischen Zustände im Jahr 1846 betrachtet werden
müssen -- und daher im vorhinein zugeben daß wir jetzt lange nicht
mehr dort stehen wo wir vor fünf Jahren standen. Seit 1841 sind
unläugbar, sowohl in materieller als in geistiger Beziehung bedeutende

[Spaltenumbruch] die gleich darauf veröffentlichte Maßregel war die Cenſur ſofort auf-
zuheben, ohne erſt die Erlaſſung eines beſondern Preßgeſetzes abzu-
warten. Dieſe Conceſſion genügte jedoch nicht den ſich ſteigernden An-
ſprüchen der politiſchen Vereine. Um einer mit Beftimmtheit zu erwar-
tenden Volksdemonſtration, welche leicht bedauerliche Unruhen hätte her-
beiführen können, zuvorzukommen, entſchloß ſich der Senat am Tage
darauf, nachdem auch das wichtigſte bürgerſchaftliche Collegium der
180ger eine den Wünſchen jener Vereine entſprechende Vorſtellung ein-
gereicht hatte, ſeinen Vorſchlag wegen der am 13 niederzuſetzenden
Verfaſſungsdeputation dahin zu erweitern: daß die Wahl der bürger-
ſchaftlichen Deputationsmitglieder nicht allein auf Conventsberechtigte
zu beſchränken ſey, ſondern auch auf andere Bürger ausgedehnt werden
könne, und ferner daß die Wahl nicht durch die einzelnen Kirchſpiele
für ſich vollzogen werde, ſondern daß jedes Mitglied der Bürgerſchaft
an 15 Perſonen ſeine Stimme gebe, und die Stimmen ſodann durch
die ganze Bürgerſchaft gezählt werden. Die Protokolle dieſer Depu-
tation ſollen wöchentlich veröffentlicht werden. Zugleich iſt dieſem
Nachtrag zum Antrag noch eine Aufzählung der Punkte beigefügt welche
auf den Vorſchlag des 180ger Collegiums der Deputation zur ſorgfäl-
tigen Berückſichtigung mitgetheilt werden ſollen. Dieſe Punkte nun,
welche im weſentlichen mit den in Bremen und in andern deutſchen
Staaten anerkannten Principien der Reform übereinſtimmen, lauten
wie folgt.

1. Politiſche Berechtigung für jeden Staatsangehörigen der dem
Staat durch ſeine Perſon oder aus ſeinem Vermögen Pflichten erfüllt;
namentlich allgemeines Wahlrecht und allgemeine Wählbarkeit. 2. Gänz-
liche Trennung der Kirche vom Staat. Unabhängigkeit der bürger-
lichen und politiſchen Rechte von dem religiöſen Bekenntniß. 3. Aus-
drückliche Anerkennung der Freiheit nicht nur der politiſchen, ſondern
auch der religiöſen Aſſociation. 4. Erſetzung der Erbgeſeſſenen Bür-
gerſchaft und ihrer bisherigen Ausſchüſſe durch eine Verſammlung pe-
riodiſch gewählter Repräſentanten mit Oeffentlichkeit der Verhandlun-
gen, jedoch unter Vorbehalt des abſoluten Veto für die Wähler in den
wichtigſten grundgeſetzlich näher zu beſtimmenden Geſetzesvorlagen.
5. Aufhebung der Lebenslänglichkeit und Selbſtergänzung des Senats.
6. Verantwortlichkeit aller die in öffentlichen Geſchäften thätig find.
Schutz für jedes Recht durch unabhängige von der Verwaltung ge-
trennte Gerichte. 7. Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerichte.
Schwurgerichte in Criminalſachen, politiſchen und Preßverbrechen. 8.
Unterricht für die Jugend aller Staatsangehörigen als Staatsangele-
genheit. 9. Vertretung der National-Jntereſſen durch ein deutſches
Parlament. 10. Baldigſte Herbeiführung einer gemeinſamen deutſchen
Geſetzgebung in allen Rechtszweigen. 11. Freie Wahl der Officiere der
Bürgergarde. 12. Trennung der Schule von der Kirche.

Am geſtrigen Tage und ſelbſt noch heute Morgen früh war hier
ziemliche Beſorgniß verbreitet daß es am nächſten Montag zu gewalt-
ſamen Ruheſtörungen und zu dem Verſuch einer Hintertreibung des
angeſetzten Rath- und Bürgerconvents kommen werde. Die Exaltir-
teſten in der zahlreichen gemiſchten Verſammlung, welche aus Mitglie-
dern der verſchiedenen politiſchen Vereine (dem Grundeigenthümer-
Verein, dem Bürger-Verein, dem Juriſten-Verein, dem Arbeiter-Verein
u. a.) ſich gebildet hat, ſuchten durch die heftigſten Reden einen Be-
ſchluß zu bewirken am 13 März eine eclatante Demonſtration vorzu-
nehmen, und wo möglich die Wahl der Deputation vorläufig zu ver-
hindern, da von der Wahl die Nichterbgeſeſſenen Bürger ausgeſchloſſen
ſeyen, die doch auch hinſichtlich der allgemeinen Reform ein Wort mit-
zuſprechen hätten. Nach manchen Debatten hat jedoch in der heute
Morgen abgehaltenen Verſammlung endlich die Anſicht derjenigen
welche ſich mit den gemachten Zugeſtändniſſen vorderhand begnügen
wollen, die Oberhand erhalten, wozu hauptſächlich beigetragen daß in-
zwiſchen der vorerwähnte Nachtrag zu dem Antrage des Senats be-
kannt wurde. Auch ſehen viele der Grundeigenthümer allmählich ein
daß die Diatriben doch auch zu weit gehen können und ihrem eigenen
Intereſſe und Einfluſſe nachtheilig werden dürften. Eine Liſte der Na-
men welche von den Mitgliedern des Vereins der Grundeigenthümer bei
dem Wahlact zur Verfaſſungsdeputation beſonders berückſichtigt werden
ſollen, circulirt bereits und zeigt eine ganz zweckmäßige Zuſammenſetzung
von Männern der verſchiedenſten Anſichten und Parteien. Das Pro-
gramm welches heute in der obengedachten gemiſchten Verſammlung
ausgegeben wurde, enthält hauptſächlich die 12 Punkte, welche auch
dem Senatsantrage jetzt beigefügt ſind; außerdem aber noch einen
[Spaltenumbruch] dreizehnten Artikel: Aufhebung der Zünfte und Gewerbefreiheit.
Seit heute Mittag iſt man nun über den Ausgang des Rath- und Bürger-
Convents ziemlich beruhigt. Die Bürgergarde iſt von dem beſten Geiſte be-
ſeelt und würde ſicher jeden Verſuch Straßentumult zu erregen oder ſon-
ſtigen Frevel nachdrücklichſt verhindern. Die zu erwählende Deputation
wird übrigens einen ſehr ſchweren Stand haben um die verſchiedenarti-
gen Anſprüche und großen Erwartungen durch einen in verhältnißmäßig
kurzer Zeit zu beendigenden Verfaſſungsentwurf zu befriedigen. So
viel aber ſteht wohl kaum zu bezweifeln daß die hamburgiſche Verfaſſung,
welche bisher ſchon eine ſo bedeutende demokratiſche Bafis hatte, wie wenige
andere Staaten, künftig noch mehr demokratiſches Element in ſich auf-
nehmen wird.

Oldenburg.

Endlich hat auch Oldenburg ſeine
Reform- und Verfaſſungsbewegung angefangen und an einem
Tage durchgeſetzt was Jahre nicht vermochten. Der 10 März
war dieſer Tag. Am 6 Oct. 1830 verſprach der Großherzog er werde
„in einer minder bewegten Zeit die etwa erforderlichen Verbeſſe-
rungen der Staatseinrichtungen“ eintreten laſſen. Jetzt iſt die Verfaſ-
ſung in einem Augenblick der allerbewegteſten Zeit gegeben welche die
deutſche Geſchichte kennt. Der Hergang iſt folgender: Am 10 März
ward durch fünf Abgeordnete der Oldenburger Bürgerſchaft eine Adreſſe
derſelben Sr. k. Hoh. dem Großherzog überreicht, in welcher zuerſt der
Dank für das Verſprechen baldiger Einführung der ſtändiſchen Verfaſ-
ſung ausgeſprochen, und als Grundlagen der letztern 1) ausgedehnteſte
Wahlfähigkeit und Wählbarkeit aller Staatsbürger, 2) Verantwortlich-
keit der Miniſter, 3) Oeffentlichkeit der Kammerverhandlungen, 4) Be-
rechtigung der Kammer auch zur Vorlegung von Geſetzentwürfen, be-
zeichnet wurden. Oeffentlichkeit und Mündlichkeit wurden gleichfalls
erbeten. Mündlich fügte der Sprecher der Deputation, Rathsherr
Schröder, bei Uebergabe der Adreſſe hinzu: es ſey der Wunſch des gan-
zen Landes daß die Verfaſſung vor ihrer Erlaſſung erſt mit er-
fahrenen Männern des Landes berathen werde.
Auf dieſe
letztere Bitte erwiederte der Großherzog daß er ſich die Reſolution dar-
über vorbehalte. Dieſelbe Erwiederung erhielt auch die in gleicher Ab-
ſicht eingetroffene Deputation der Einwohner von Jeverland. Allein
die Vorſtellungen welche die letztere dem Fürſten ſowie dem Miniſter-
verweſer Geheimerath v. Beaulieu über die Nothwendigkeit ſchneller und
klarer Entſcheidung zur Beruhigung der großen Aufregung des Landes
machte, führten endlich zum erwünſchten Ziele, und die Deputation
von Jever erhielt ſchon Nachmittags die Antwort: Se. k. Hoh. habe
durch ein heute unterzeichnetes Patent (welches am Tage darauf mit
dem Wochenblatt erſchien) bereits die Wahl von Abgeordneten des Lan-
des angeordnet, mit denen der Entwurf des Grundgeſetzes berathen wer-
den ſolle. Als dieſe Entſcheidung bekannt war, brachte die im Caſino
verſammelte Bürgerverſammlung dem Fürſten ein Lebehoch, und ſetzte
fich von zahlreicher Begleitung des Volks gefolgt in Bewegung um die-
ſes Hoch im Theater zu wiederholen, woſelbſt der Großherzog ſich auf
Bitten mehrerer Abgeordneten mit dem Erbgroßherzog Peter und der
Herzogin Friederike dem Volke im Veſtibul zeigte. Jubel und Ständ-
chen in der Stadt den liberalen Männern gebracht, dauerten bis nach Mit-
ternacht. Niemand zweifelt mehr daran daß unſere Verfaſſung eine
durchaus liberale ſeyn, und daß ſich Oldenburg auch hinſichtlich der
nationalen Forderung eines deutſchen Parlaments kräftig an Süd-
deutſchland anſchließen werde.

Oeſterreichiſche Zuſtände.

Der bekannte öſterreichiſche Edelmann der vor etwa ſieben Jahren
mit der bemerkenswerthen Schrift „Oeſterreich und ſeine Zukunſt“ auf-
trat, hat derſelben vor etwa anderthalb Jahren eine zweite, etwas
weniger ſtürmiſch gehaltene Abtheilung folgen laſſen, die vor mehreren
Monaten in zweiter Auflage erſchienen.

„Wir wollen (ſagt er in den
Einleitungsworten) gleich anfangs den Standpunkt feſtſtellen aus
welchem die öſterreichiſchen Zuſtände im Jahr 1846 betrachtet werden
müſſen — und daher im vorhinein zugeben daß wir jetzt lange nicht
mehr dort ſtehen wo wir vor fünf Jahren ſtanden. Seit 1841 ſind
unläugbar, ſowohl in materieller als in geiſtiger Beziehung bedeutende
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[[1243]/0011] die gleich darauf veröffentlichte Maßregel war die Cenſur ſofort auf- zuheben, ohne erſt die Erlaſſung eines beſondern Preßgeſetzes abzu- warten. Dieſe Conceſſion genügte jedoch nicht den ſich ſteigernden An- ſprüchen der politiſchen Vereine. Um einer mit Beftimmtheit zu erwar- tenden Volksdemonſtration, welche leicht bedauerliche Unruhen hätte her- beiführen können, zuvorzukommen, entſchloß ſich der Senat am Tage darauf, nachdem auch das wichtigſte bürgerſchaftliche Collegium der 180ger eine den Wünſchen jener Vereine entſprechende Vorſtellung ein- gereicht hatte, ſeinen Vorſchlag wegen der am 13 niederzuſetzenden Verfaſſungsdeputation dahin zu erweitern: daß die Wahl der bürger- ſchaftlichen Deputationsmitglieder nicht allein auf Conventsberechtigte zu beſchränken ſey, ſondern auch auf andere Bürger ausgedehnt werden könne, und ferner daß die Wahl nicht durch die einzelnen Kirchſpiele für ſich vollzogen werde, ſondern daß jedes Mitglied der Bürgerſchaft an 15 Perſonen ſeine Stimme gebe, und die Stimmen ſodann durch die ganze Bürgerſchaft gezählt werden. Die Protokolle dieſer Depu- tation ſollen wöchentlich veröffentlicht werden. Zugleich iſt dieſem Nachtrag zum Antrag noch eine Aufzählung der Punkte beigefügt welche auf den Vorſchlag des 180ger Collegiums der Deputation zur ſorgfäl- tigen Berückſichtigung mitgetheilt werden ſollen. Dieſe Punkte nun, welche im weſentlichen mit den in Bremen und in andern deutſchen Staaten anerkannten Principien der Reform übereinſtimmen, lauten wie folgt. 1. Politiſche Berechtigung für jeden Staatsangehörigen der dem Staat durch ſeine Perſon oder aus ſeinem Vermögen Pflichten erfüllt; namentlich allgemeines Wahlrecht und allgemeine Wählbarkeit. 2. Gänz- liche Trennung der Kirche vom Staat. Unabhängigkeit der bürger- lichen und politiſchen Rechte von dem religiöſen Bekenntniß. 3. Aus- drückliche Anerkennung der Freiheit nicht nur der politiſchen, ſondern auch der religiöſen Aſſociation. 4. Erſetzung der Erbgeſeſſenen Bür- gerſchaft und ihrer bisherigen Ausſchüſſe durch eine Verſammlung pe- riodiſch gewählter Repräſentanten mit Oeffentlichkeit der Verhandlun- gen, jedoch unter Vorbehalt des abſoluten Veto für die Wähler in den wichtigſten grundgeſetzlich näher zu beſtimmenden Geſetzesvorlagen. 5. Aufhebung der Lebenslänglichkeit und Selbſtergänzung des Senats. 6. Verantwortlichkeit aller die in öffentlichen Geſchäften thätig find. Schutz für jedes Recht durch unabhängige von der Verwaltung ge- trennte Gerichte. 7. Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerichte. Schwurgerichte in Criminalſachen, politiſchen und Preßverbrechen. 8. Unterricht für die Jugend aller Staatsangehörigen als Staatsangele- genheit. 9. Vertretung der National-Jntereſſen durch ein deutſches Parlament. 10. Baldigſte Herbeiführung einer gemeinſamen deutſchen Geſetzgebung in allen Rechtszweigen. 11. Freie Wahl der Officiere der Bürgergarde. 12. Trennung der Schule von der Kirche. Am geſtrigen Tage und ſelbſt noch heute Morgen früh war hier ziemliche Beſorgniß verbreitet daß es am nächſten Montag zu gewalt- ſamen Ruheſtörungen und zu dem Verſuch einer Hintertreibung des angeſetzten Rath- und Bürgerconvents kommen werde. Die Exaltir- teſten in der zahlreichen gemiſchten Verſammlung, welche aus Mitglie- dern der verſchiedenen politiſchen Vereine (dem Grundeigenthümer- Verein, dem Bürger-Verein, dem Juriſten-Verein, dem Arbeiter-Verein u. a.) ſich gebildet hat, ſuchten durch die heftigſten Reden einen Be- ſchluß zu bewirken am 13 März eine eclatante Demonſtration vorzu- nehmen, und wo möglich die Wahl der Deputation vorläufig zu ver- hindern, da von der Wahl die Nichterbgeſeſſenen Bürger ausgeſchloſſen ſeyen, die doch auch hinſichtlich der allgemeinen Reform ein Wort mit- zuſprechen hätten. Nach manchen Debatten hat jedoch in der heute Morgen abgehaltenen Verſammlung endlich die Anſicht derjenigen welche ſich mit den gemachten Zugeſtändniſſen vorderhand begnügen wollen, die Oberhand erhalten, wozu hauptſächlich beigetragen daß in- zwiſchen der vorerwähnte Nachtrag zu dem Antrage des Senats be- kannt wurde. Auch ſehen viele der Grundeigenthümer allmählich ein daß die Diatriben doch auch zu weit gehen können und ihrem eigenen Intereſſe und Einfluſſe nachtheilig werden dürften. Eine Liſte der Na- men welche von den Mitgliedern des Vereins der Grundeigenthümer bei dem Wahlact zur Verfaſſungsdeputation beſonders berückſichtigt werden ſollen, circulirt bereits und zeigt eine ganz zweckmäßige Zuſammenſetzung von Männern der verſchiedenſten Anſichten und Parteien. Das Pro- gramm welches heute in der obengedachten gemiſchten Verſammlung ausgegeben wurde, enthält hauptſächlich die 12 Punkte, welche auch dem Senatsantrage jetzt beigefügt ſind; außerdem aber noch einen dreizehnten Artikel: Aufhebung der Zünfte und Gewerbefreiheit. Seit heute Mittag iſt man nun über den Ausgang des Rath- und Bürger- Convents ziemlich beruhigt. Die Bürgergarde iſt von dem beſten Geiſte be- ſeelt und würde ſicher jeden Verſuch Straßentumult zu erregen oder ſon- ſtigen Frevel nachdrücklichſt verhindern. Die zu erwählende Deputation wird übrigens einen ſehr ſchweren Stand haben um die verſchiedenarti- gen Anſprüche und großen Erwartungen durch einen in verhältnißmäßig kurzer Zeit zu beendigenden Verfaſſungsentwurf zu befriedigen. So viel aber ſteht wohl kaum zu bezweifeln daß die hamburgiſche Verfaſſung, welche bisher ſchon eine ſo bedeutende demokratiſche Bafis hatte, wie wenige andere Staaten, künftig noch mehr demokratiſches Element in ſich auf- nehmen wird. Oldenburg. * Oldenburg, 12 März. Endlich hat auch Oldenburg ſeine Reform- und Verfaſſungsbewegung angefangen und an einem Tage durchgeſetzt was Jahre nicht vermochten. Der 10 März war dieſer Tag. Am 6 Oct. 1830 verſprach der Großherzog er werde „in einer minder bewegten Zeit die etwa erforderlichen Verbeſſe- rungen der Staatseinrichtungen“ eintreten laſſen. Jetzt iſt die Verfaſ- ſung in einem Augenblick der allerbewegteſten Zeit gegeben welche die deutſche Geſchichte kennt. Der Hergang iſt folgender: Am 10 März ward durch fünf Abgeordnete der Oldenburger Bürgerſchaft eine Adreſſe derſelben Sr. k. Hoh. dem Großherzog überreicht, in welcher zuerſt der Dank für das Verſprechen baldiger Einführung der ſtändiſchen Verfaſ- ſung ausgeſprochen, und als Grundlagen der letztern 1) ausgedehnteſte Wahlfähigkeit und Wählbarkeit aller Staatsbürger, 2) Verantwortlich- keit der Miniſter, 3) Oeffentlichkeit der Kammerverhandlungen, 4) Be- rechtigung der Kammer auch zur Vorlegung von Geſetzentwürfen, be- zeichnet wurden. Oeffentlichkeit und Mündlichkeit wurden gleichfalls erbeten. Mündlich fügte der Sprecher der Deputation, Rathsherr Schröder, bei Uebergabe der Adreſſe hinzu: es ſey der Wunſch des gan- zen Landes daß die Verfaſſung vor ihrer Erlaſſung erſt mit er- fahrenen Männern des Landes berathen werde. Auf dieſe letztere Bitte erwiederte der Großherzog daß er ſich die Reſolution dar- über vorbehalte. Dieſelbe Erwiederung erhielt auch die in gleicher Ab- ſicht eingetroffene Deputation der Einwohner von Jeverland. Allein die Vorſtellungen welche die letztere dem Fürſten ſowie dem Miniſter- verweſer Geheimerath v. Beaulieu über die Nothwendigkeit ſchneller und klarer Entſcheidung zur Beruhigung der großen Aufregung des Landes machte, führten endlich zum erwünſchten Ziele, und die Deputation von Jever erhielt ſchon Nachmittags die Antwort: Se. k. Hoh. habe durch ein heute unterzeichnetes Patent (welches am Tage darauf mit dem Wochenblatt erſchien) bereits die Wahl von Abgeordneten des Lan- des angeordnet, mit denen der Entwurf des Grundgeſetzes berathen wer- den ſolle. Als dieſe Entſcheidung bekannt war, brachte die im Caſino verſammelte Bürgerverſammlung dem Fürſten ein Lebehoch, und ſetzte fich von zahlreicher Begleitung des Volks gefolgt in Bewegung um die- ſes Hoch im Theater zu wiederholen, woſelbſt der Großherzog ſich auf Bitten mehrerer Abgeordneten mit dem Erbgroßherzog Peter und der Herzogin Friederike dem Volke im Veſtibul zeigte. Jubel und Ständ- chen in der Stadt den liberalen Männern gebracht, dauerten bis nach Mit- ternacht. Niemand zweifelt mehr daran daß unſere Verfaſſung eine durchaus liberale ſeyn, und daß ſich Oldenburg auch hinſichtlich der nationalen Forderung eines deutſchen Parlaments kräftig an Süd- deutſchland anſchließen werde. Oeſterreichiſche Zuſtände. Der bekannte öſterreichiſche Edelmann der vor etwa ſieben Jahren mit der bemerkenswerthen Schrift „Oeſterreich und ſeine Zukunſt“ auf- trat, hat derſelben vor etwa anderthalb Jahren eine zweite, etwas weniger ſtürmiſch gehaltene Abtheilung folgen laſſen, die vor mehreren Monaten in zweiter Auflage erſchienen. „Wir wollen (ſagt er in den Einleitungsworten) gleich anfangs den Standpunkt feſtſtellen aus welchem die öſterreichiſchen Zuſtände im Jahr 1846 betrachtet werden müſſen — und daher im vorhinein zugeben daß wir jetzt lange nicht mehr dort ſtehen wo wir vor fünf Jahren ſtanden. Seit 1841 ſind unläugbar, ſowohl in materieller als in geiſtiger Beziehung bedeutende

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848, S. [1243]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine78_1848/11>, abgerufen am 21.11.2024.