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Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848.

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Freie Städte.

Das Frankf. J. meldet unterm 12 März, bereits
wehe die schwarz-roth-goldene Fahne auf dem Bundespalaste. Diese
Nachricht ist jedoch', wie uns ein Privatschreiben versichert, voreilig;
man erwartete die Aufstellung der Fahne erst in den nächsten Tagen.
(Nürnb. C.)

Preußen.


Unbegreifliches, Be-
sorgnißerregendes geht um uns vor. Seit drei Tagen füllen sich
Halle, Schkeuditz und die in der Umgegend gelegenen Städte und
Dörfer mit Truppen: Fußvolk, Reiterei und schwerem Geschütz,
die von allen Seiten heranziehen und dem Vernehmen nach
gegen die sächfische Gränze, zunächst gegen Leipzig bestimmt find. Die
Bestürzung und die Entrüstung darüber ist allgemein; selbst die Offi-
ciere und Soldaten fragen sich mit Bangigkeit, ob ihnen die Aufgabe ge-
stellt seyn solle nach dreiunddreißig Friedensjahren, in dem Augenblick
einheitlicher Erhebung des gesammten deutschen Volkes das Beispiel ei-
nes deutschen Bürgerkrieges zu geben und gegen die Wünsche und Hoff-
nungen ihrer Brüder, die sie selbst im innersten Busen hegen, mit den
Waffen einzuschreiten. Von wem kann diese unselige Maßregel ausge-
hen? Hat die sächfische Regierung in ihrer Rathlofigkeit eine solche De-
monstration von der preußischen verlangt, und ist diese darauf eingegan-
gen? Oder hat das Berliner Cabinet, das so eben den Grundsatz der
Nichtintervention verkündigt hat, sich ex ossicio berufen geglaubt den
vaterländischen Sinn der Leipziger einzuschüchtern? Jndeß aufgefordert
oder nicht aufgefordert -- die Staatsmänner von Berlin und Sanssouci
haben dadurch gezeigt daß sie wenigstens in den Tagen wo sie die Befehle
zu diesen Truppenbewegungen gaben, den Geist der Zeit, die Allgemeinheit
und Jntensivität der deutschen Bewegung noch nicht begriffen und gewürdigt
hatten. Während sie ihre Bataillone aus Erfurt gegen Leipzig entsand-
ten, brach der Volksunwille in Weimar aus; während sie die Censur in
Sachsen mit Bajonnetten stützen wollten, begehrte selbst das schüchterne
Berlin die Preßfreiheit, und der König sagte sie in einer Cabinetsordre
zu. Wollen sie nun etwa auch in Weimar, in Gotha, in Berlin selbst
mit den Waffen einschreiten? So viel ist durch diesen Einen Mißgriff
klar geworden: die Bodelschwinghe, Eichhorne und Canitze find nicht die
Männer welche unter den jetzigen Umständen das Richtige zu treffen
wissen; ein preußisches Ministerium welches solche Anordnungen erläßt,
kann nicht am Ruder bleiben. Nachschrift. Bis jetzt sind 10 Batail-
lone Preußen (namentlich das 8te und 12te Regiment), zwei Husaren-
regimenter und 24 Geschütze in den Saalgegenden zusammengezogen.
Hinter Leipzig sollen 8 Bataillone Sachsen stehen.


Umlaufenden Gerüchten zufolge wird Preu-
ßen wegen des in Neuenburg Geschehenen protestiren und abwarten.
(Nordd. Bl.)


Jn aller Eile nur die
Mittheilung daß im Thiergarten und unter den Linden sich aufrühreri-
sche Bewegungen zeigen. Auf dem Schloßplatz und auf dem Gendar-
menmarkt ist Cavallerie und Jnfanterie aufgestellt. Cuirassiere spren-
gen durch den Thiergarten um diesen zu säubern. Ueber den Ausgangs-
punkt dieser Bewegungen find wir noch ungewiß. Die meisten Beam-
ten haben Befehl erhalten ihre Amtslocale nicht zu verlassen. Mor-
gen mehr.


Die allgemeine Gäh-
rung der Gemüther ist endlich auch hier zum Ausbruch gekommen. Der
Ausgangspunkt ist durch den bekannten Versammlungsort im Thier-
garten vor den Zelten gebildet worden. Schon am Nachmittag bildeten
sich dort Gruppen von Bürgern und Handwerkern, welche sich in dem
schönen Frühlingswetter ergingen, ohne sich jedoch eigentlich tumultarisch
zu benehmen. Man sang Lieder, trank Weißbier und brachte Vivats.
Später scheinen einige Angetrunkene hinzugekommen zu seyn, was neben
dem gleichzeitigen Anblick einiger Polizeibeamten die Menge erhitzte.
Man hielt kurze Reden, ließ sich in Neckereien mit den Gendarmen ein,
welche sich jedoch der Mehrzahl gegenüber passiv verhielten. Einer von
ihnen wurde sogar vom Publicum verhaftet und der Thorwache über-
geben. Etwas später erschien der Polizeipräsident zu Pferd. Ein Ar-
beiter trat zu ihm heran und klagte ihm daß er sieben Kinder, aber seit
mehreren Tagen keine Arbeit habe. Der Polizeipräsident versprach allen
es solle thunlichft für sie gesorgt werden, nur möchten sie sich friedlich
verhalten, worauf ihm die Menge ein Hoch ausbrachte. Gegen 6 Uhr
begannen die Massen sich im Thiergarten in einem imposanteren
Grade anzuhäufen, und gleichzeitig durchzogen starke Truppenab-
theilungen, theils Jnfanterie theils Uhlanen und Garde-Cuirassiere,
[Spaltenumbruch] die Stadt. Sie besetzten die innern Theile im Schloß, im Zeughaus, in
der königlichen Bank, und stationirten an verschiedenen Theilen der Stadt,
namentlich vor den prinzlichen Hotels, größere oder kleinere Posten.
Jetzt strömt alles nach dem Thiergarten hinaus, wo nach einer uns
zugegangenen aber vielleicht übertriebenen Mittheilung 20 bis 30,000
Menschen versammelt gewesen seyn sollen. Die Versammlung nahm
jetzt einen mehr politischen Charakter an. Es traten einige Redner
auf, welche an die königliche Adresse anknüpfend mittheilten daß die-
selbe, nachdem die Stadtverordneten die Uebergabe abgelehnt hätten,
Sr. Majestät durch die Post gesendet sey. Bis zum Donnerstag er-
warte man Nachricht, und dann solle eine neue Volksversammlung stattfin-
den, um weiteres zu berathen. Andere Redner ermahnten zur Ruhe und zum
friedlichen Auseinandergehen. Da nun hiermit der augenblickliche Zweck
erledigt, ein weiterer aber vorerst nicht zu verfolgen war, so scheint es
der Truppenmasse, welche sich nach 7 Uhr vor dem Thor entwickelte,
vermuthlich um die Menge zu zerstreuen, kaum bedurft zu haben. Jm
Gegentheil glauben wir daß nur dieser Anblick das Volk, welches sonft
ruhig auseinandergegangen wäre, gereizt hat. Die Menge zog sich jetzt
unter Schreien, Pfeifen, Singen etc. langsam durch das Brandenburger
Thor die Linden hinunter nach dem Schloß zu. Hier stieß es auf
eine auf der Schloßfreiheit stationirte Abtheilung Garde-Cuiras-
fiere, welche nun den theils Neugierigen theils Tumultuirenden als
Anhaltspunkt diente. Man versammelte sich unter den Fenstern
des Schlosses, schrie "Freiheit!" "Preßfreiheit!" verhöhnte das
Militär und warf mit Steinen. Die Bewegung nahm endlich
vollständig den Charakter eines Straßenauflaufs an, welcher sich
um das Schloß concentrirte und von hier die Linden hinauf bis zum
Brandenburger Thor erstreckte. Dann und wann sprengte das auf dieser
ganzen Strecke piketweise vertheilte Militär ein, worauf die Menge
auseinanderstob, aber gleich wieder lärmend und schreiend in den Vor-
dergrund irat. Auf dem Schloßplatz sollen dabei mehrere bedeutende
Verwundungen vorgekommen, und unter den Linden einige durch Lanzen-
stiche niedergestreckt seyn. Dennoch erhielt die Bewegung keinen ernstern
Charakter. Die Menge, zum großen Theil aus Burschen, Gesellen und Neu-
gierigen bestehend, schien sich ihrer unbewaffneten Ohnmacht zu sehr be-
wußt um einen Angriff oder Widerstand zu wagen. Die Hausthüren
am Schauplatz der Bewegung waren zwar geschlossen, aber alle Fen-
ster hatten sich mit Köpfen Neugieriger gefüllt, und die Communica-
tion auf den Straßen war weder für Wagen noch für Fußgänger ge-
sperrt. Um 10 Uhr wurde es ruhiger. Nur in den Seitenstraßen
erblickte man aufgeregte Gruppen welche in heftigem oder leisem Ge-
spräch beisammen standen. Starke Militärpatrouillen, namentlich Jn-
fanterie, durchzogen die Umgegend des Schlosses, ohne auf Widerstand
zu stoßen. Es scheint als ob die Ruhe in der Nacht nicht weiter
gestört werden wird; die Aufregung ist indeß nichtsdestoweniger groß
und allgemein.

Oesterreich.

Wir erhalten heute einen ganzen Strom Wiener
Briefe vom 13 und 14 März. Die Briefe vom 13 Abends waren also
dort zurückgehalten worden, wie auch zwei unsrer dortigen Correspon-
denten ausdrücklich schreiben. Das welthistorische Resultat ist: die
Abdankung des Fürsten Metternich, der Sturz seines
ganzen Systems, Preßfreiheit und die Einleitung von Re-
formen
wie sie dem ganzen übrigen Deutschland, mit Ausnahme Preu-
ßens, Sachsens und Hannovers, jetzt zugefichert sind, und nun auch von
diesen nicht mehr verweigert werden können. Wir haben die Berliner und
Wiener Post erst in später Stunde erhalten, können also heute nur
einen kleinen Theil unserer Briefe mittheilen, und ersparen weiteres auf
morgen. Der Schluß eines unserer Briefe aus Wien vom 14 spricht
von schweren Unruhen in Gratz, Preßburg, Pesth und Prag. Die mor-
gige Post wird die Bestätigung oder Widerlegung bringen.


Die niederösterreichischen Stände treten heute
zusammen, und im Publicum find eine Menge Erwartungen rege. Die
Straßen wogen von Menschen, und zunächst dem Landhause und in den
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Art durchdringt die Luft. Indeß sieht man unter dem zusammengelau-
fenen Volke kein Gesindel, an dem in Wien nicht minder Ueberfluß ist
wie in allen großen Städten. Die Garnison ist zwar in Bereitschaft,
aber der Fall sie zu gebrauchen wird bei dem guten Geist unserer Bevöl-
kerung wohl nicht eintreten. -- Das Landhausgebäude ist voll Menschen,
und in den Höfen die mit Studenten und jungen Leuten angefüllt find, wer-
den vom Brunnen herab Reden gehalten, deren Inhalt nur die Nächft-

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Freie Städte.

Das Frankf. J. meldet unterm 12 März, bereits
wehe die ſchwarz-roth-goldene Fahne auf dem Bundespalaſte. Dieſe
Nachricht iſt jedoch’, wie uns ein Privatſchreiben verſichert, voreilig;
man erwartete die Aufſtellung der Fahne erſt in den nächſten Tagen.
(Nürnb. C.)

Preußen.


Unbegreifliches, Be-
ſorgnißerregendes geht um uns vor. Seit drei Tagen füllen ſich
Halle, Schkeuditz und die in der Umgegend gelegenen Städte und
Dörfer mit Truppen: Fußvolk, Reiterei und ſchwerem Geſchütz,
die von allen Seiten heranziehen und dem Vernehmen nach
gegen die ſächfiſche Gränze, zunächſt gegen Leipzig beſtimmt find. Die
Beſtürzung und die Entrüſtung darüber iſt allgemein; ſelbſt die Offi-
ciere und Soldaten fragen ſich mit Bangigkeit, ob ihnen die Aufgabe ge-
ſtellt ſeyn ſolle nach dreiunddreißig Friedensjahren, in dem Augenblick
einheitlicher Erhebung des geſammten deutſchen Volkes das Beiſpiel ei-
nes deutſchen Bürgerkrieges zu geben und gegen die Wünſche und Hoff-
nungen ihrer Brüder, die ſie ſelbſt im innerſten Buſen hegen, mit den
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hen? Hat die ſächfiſche Regierung in ihrer Rathlofigkeit eine ſolche De-
monſtration von der preußiſchen verlangt, und iſt dieſe darauf eingegan-
gen? Oder hat das Berliner Cabinet, das ſo eben den Grundſatz der
Nichtintervention verkündigt hat, ſich ex oſſicio berufen geglaubt den
vaterländiſchen Sinn der Leipziger einzuſchüchtern? Jndeß aufgefordert
oder nicht aufgefordert — die Staatsmänner von Berlin und Sansſouci
haben dadurch gezeigt daß ſie wenigſtens in den Tagen wo ſie die Befehle
zu dieſen Truppenbewegungen gaben, den Geiſt der Zeit, die Allgemeinheit
und Jntenſivität der deutſchen Bewegung noch nicht begriffen und gewürdigt
hatten. Während ſie ihre Bataillone aus Erfurt gegen Leipzig entſand-
ten, brach der Volksunwille in Weimar aus; während ſie die Cenſur in
Sachſen mit Bajonnetten ſtützen wollten, begehrte ſelbſt das ſchüchterne
Berlin die Preßfreiheit, und der König ſagte ſie in einer Cabinetsordre
zu. Wollen ſie nun etwa auch in Weimar, in Gotha, in Berlin ſelbſt
mit den Waffen einſchreiten? So viel iſt durch dieſen Einen Mißgriff
klar geworden: die Bodelſchwinghe, Eichhorne und Canitze find nicht die
Männer welche unter den jetzigen Umſtänden das Richtige zu treffen
wiſſen; ein preußiſches Miniſterium welches ſolche Anordnungen erläßt,
kann nicht am Ruder bleiben. Nachſchrift. Bis jetzt ſind 10 Batail-
lone Preußen (namentlich das 8te und 12te Regiment), zwei Huſaren-
regimenter und 24 Geſchütze in den Saalgegenden zuſammengezogen.
Hinter Leipzig ſollen 8 Bataillone Sachſen ſtehen.


Umlaufenden Gerüchten zufolge wird Preu-
ßen wegen des in Neuenburg Geſchehenen proteſtiren und abwarten.
(Nordd. Bl.)


Jn aller Eile nur die
Mittheilung daß im Thiergarten und unter den Linden ſich aufrühreri-
ſche Bewegungen zeigen. Auf dem Schloßplatz und auf dem Gendar-
menmarkt iſt Cavallerie und Jnfanterie aufgeſtellt. Cuiraſſiere ſpren-
gen durch den Thiergarten um dieſen zu ſäubern. Ueber den Ausgangs-
punkt dieſer Bewegungen find wir noch ungewiß. Die meiſten Beam-
ten haben Befehl erhalten ihre Amtslocale nicht zu verlaſſen. Mor-
gen mehr.


Die allgemeine Gäh-
rung der Gemüther iſt endlich auch hier zum Ausbruch gekommen. Der
Ausgangspunkt iſt durch den bekannten Verſammlungsort im Thier-
garten vor den Zelten gebildet worden. Schon am Nachmittag bildeten
ſich dort Gruppen von Bürgern und Handwerkern, welche ſich in dem
ſchönen Frühlingswetter ergingen, ohne ſich jedoch eigentlich tumultariſch
zu benehmen. Man ſang Lieder, trank Weißbier und brachte Vivats.
Später ſcheinen einige Angetrunkene hinzugekommen zu ſeyn, was neben
dem gleichzeitigen Anblick einiger Polizeibeamten die Menge erhitzte.
Man hielt kurze Reden, ließ ſich in Neckereien mit den Gendarmen ein,
welche ſich jedoch der Mehrzahl gegenüber paſſiv verhielten. Einer von
ihnen wurde ſogar vom Publicum verhaftet und der Thorwache über-
geben. Etwas ſpäter erſchien der Polizeipräſident zu Pferd. Ein Ar-
beiter trat zu ihm heran und klagte ihm daß er ſieben Kinder, aber ſeit
mehreren Tagen keine Arbeit habe. Der Polizeipräſident verſprach allen
es ſolle thunlichft für ſie geſorgt werden, nur möchten ſie ſich friedlich
verhalten, worauf ihm die Menge ein Hoch ausbrachte. Gegen 6 Uhr
begannen die Maſſen ſich im Thiergarten in einem impoſanteren
Grade anzuhäufen, und gleichzeitig durchzogen ſtarke Truppenab-
theilungen, theils Jnfanterie theils Uhlanen und Garde-Cuiraſſiere,
[Spaltenumbruch] die Stadt. Sie beſetzten die innern Theile im Schloß, im Zeughaus, in
der königlichen Bank, und ſtationirten an verſchiedenen Theilen der Stadt,
namentlich vor den prinzlichen Hotels, größere oder kleinere Poſten.
Jetzt ſtrömt alles nach dem Thiergarten hinaus, wo nach einer uns
zugegangenen aber vielleicht übertriebenen Mittheilung 20 bis 30,000
Menſchen verſammelt geweſen ſeyn ſollen. Die Verſammlung nahm
jetzt einen mehr politiſchen Charakter an. Es traten einige Redner
auf, welche an die königliche Adreſſe anknüpfend mittheilten daß die-
ſelbe, nachdem die Stadtverordneten die Uebergabe abgelehnt hätten,
Sr. Majeſtät durch die Poſt geſendet ſey. Bis zum Donnerstag er-
warte man Nachricht, und dann ſolle eine neue Volksverſammlung ſtattfin-
den, um weiteres zu berathen. Andere Redner ermahnten zur Ruhe und zum
friedlichen Auseinandergehen. Da nun hiermit der augenblickliche Zweck
erledigt, ein weiterer aber vorerſt nicht zu verfolgen war, ſo ſcheint es
der Truppenmaſſe, welche ſich nach 7 Uhr vor dem Thor entwickelte,
vermuthlich um die Menge zu zerſtreuen, kaum bedurft zu haben. Jm
Gegentheil glauben wir daß nur dieſer Anblick das Volk, welches ſonft
ruhig auseinandergegangen wäre, gereizt hat. Die Menge zog ſich jetzt
unter Schreien, Pfeifen, Singen ꝛc. langſam durch das Brandenburger
Thor die Linden hinunter nach dem Schloß zu. Hier ſtieß es auf
eine auf der Schloßfreiheit ſtationirte Abtheilung Garde-Cuiraſ-
fiere, welche nun den theils Neugierigen theils Tumultuirenden als
Anhaltspunkt diente. Man verſammelte ſich unter den Fenſtern
des Schloſſes, ſchrie „Freiheit!“ „Preßfreiheit!“ verhöhnte das
Militär und warf mit Steinen. Die Bewegung nahm endlich
vollſtändig den Charakter eines Straßenauflaufs an, welcher ſich
um das Schloß concentrirte und von hier die Linden hinauf bis zum
Brandenburger Thor erſtreckte. Dann und wann ſprengte das auf dieſer
ganzen Strecke piketweiſe vertheilte Militär ein, worauf die Menge
auseinanderſtob, aber gleich wieder lärmend und ſchreiend in den Vor-
dergrund irat. Auf dem Schloßplatz ſollen dabei mehrere bedeutende
Verwundungen vorgekommen, und unter den Linden einige durch Lanzen-
ſtiche niedergeſtreckt ſeyn. Dennoch erhielt die Bewegung keinen ernſtern
Charakter. Die Menge, zum großen Theil aus Burſchen, Geſellen und Neu-
gierigen beſtehend, ſchien ſich ihrer unbewaffneten Ohnmacht zu ſehr be-
wußt um einen Angriff oder Widerſtand zu wagen. Die Hausthüren
am Schauplatz der Bewegung waren zwar geſchloſſen, aber alle Fen-
ſter hatten ſich mit Köpfen Neugieriger gefüllt, und die Communica-
tion auf den Straßen war weder für Wagen noch für Fußgänger ge-
ſperrt. Um 10 Uhr wurde es ruhiger. Nur in den Seitenſtraßen
erblickte man aufgeregte Gruppen welche in heftigem oder leiſem Ge-
ſpräch beiſammen ſtanden. Starke Militärpatrouillen, namentlich Jn-
fanterie, durchzogen die Umgegend des Schloſſes, ohne auf Widerſtand
zu ſtoßen. Es ſcheint als ob die Ruhe in der Nacht nicht weiter
geſtört werden wird; die Aufregung iſt indeß nichtsdeſtoweniger groß
und allgemein.

Oeſterreich.

Wir erhalten heute einen ganzen Strom Wiener
Briefe vom 13 und 14 März. Die Briefe vom 13 Abends waren alſo
dort zurückgehalten worden, wie auch zwei unſrer dortigen Correſpon-
denten ausdrücklich ſchreiben. Das welthiſtoriſche Reſultat iſt: die
Abdankung des Fürſten Metternich, der Sturz ſeines
ganzen Syſtems, Preßfreiheit und die Einleitung von Re-
formen
wie ſie dem ganzen übrigen Deutſchland, mit Ausnahme Preu-
ßens, Sachſens und Hannovers, jetzt zugefichert ſind, und nun auch von
dieſen nicht mehr verweigert werden können. Wir haben die Berliner und
Wiener Poſt erſt in ſpäter Stunde erhalten, können alſo heute nur
einen kleinen Theil unſerer Briefe mittheilen, und erſparen weiteres auf
morgen. Der Schluß eines unſerer Briefe aus Wien vom 14 ſpricht
von ſchweren Unruhen in Gratz, Preßburg, Peſth und Prag. Die mor-
gige Poſt wird die Beſtätigung oder Widerlegung bringen.


Die niederöſterreichiſchen Stände treten heute
zuſammen, und im Publicum find eine Menge Erwartungen rege. Die
Straßen wogen von Menſchen, und zunächſt dem Landhauſe und in den
nahe liegenden Plätzen iſt Kopf an Kopf, und Geſchrei und Lärm aller
Art durchdringt die Luft. Indeß ſieht man unter dem zuſammengelau-
fenen Volke kein Geſindel, an dem in Wien nicht minder Ueberfluß iſt
wie in allen großen Städten. Die Garniſon iſt zwar in Bereitſchaft,
aber der Fall ſie zu gebrauchen wird bei dem guten Geiſt unſerer Bevöl-
kerung wohl nicht eintreten. — Das Landhausgebäude iſt voll Menſchen,
und in den Höfen die mit Studenten und jungen Leuten angefüllt find, wer-
den vom Brunnen herab Reden gehalten, deren Inhalt nur die Nächft-

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[1221/0005] Freie Städte. Das Frankf. J. meldet unterm 12 März, bereits wehe die ſchwarz-roth-goldene Fahne auf dem Bundespalaſte. Dieſe Nachricht iſt jedoch’, wie uns ein Privatſchreiben verſichert, voreilig; man erwartete die Aufſtellung der Fahne erſt in den nächſten Tagen. (Nürnb. C.) Preußen. * Von der Saale, 13 März. Unbegreifliches, Be- ſorgnißerregendes geht um uns vor. Seit drei Tagen füllen ſich Halle, Schkeuditz und die in der Umgegend gelegenen Städte und Dörfer mit Truppen: Fußvolk, Reiterei und ſchwerem Geſchütz, die von allen Seiten heranziehen und dem Vernehmen nach gegen die ſächfiſche Gränze, zunächſt gegen Leipzig beſtimmt find. Die Beſtürzung und die Entrüſtung darüber iſt allgemein; ſelbſt die Offi- ciere und Soldaten fragen ſich mit Bangigkeit, ob ihnen die Aufgabe ge- ſtellt ſeyn ſolle nach dreiunddreißig Friedensjahren, in dem Augenblick einheitlicher Erhebung des geſammten deutſchen Volkes das Beiſpiel ei- nes deutſchen Bürgerkrieges zu geben und gegen die Wünſche und Hoff- nungen ihrer Brüder, die ſie ſelbſt im innerſten Buſen hegen, mit den Waffen einzuſchreiten. Von wem kann dieſe unſelige Maßregel ausge- hen? Hat die ſächfiſche Regierung in ihrer Rathlofigkeit eine ſolche De- monſtration von der preußiſchen verlangt, und iſt dieſe darauf eingegan- gen? Oder hat das Berliner Cabinet, das ſo eben den Grundſatz der Nichtintervention verkündigt hat, ſich ex oſſicio berufen geglaubt den vaterländiſchen Sinn der Leipziger einzuſchüchtern? Jndeß aufgefordert oder nicht aufgefordert — die Staatsmänner von Berlin und Sansſouci haben dadurch gezeigt daß ſie wenigſtens in den Tagen wo ſie die Befehle zu dieſen Truppenbewegungen gaben, den Geiſt der Zeit, die Allgemeinheit und Jntenſivität der deutſchen Bewegung noch nicht begriffen und gewürdigt hatten. Während ſie ihre Bataillone aus Erfurt gegen Leipzig entſand- ten, brach der Volksunwille in Weimar aus; während ſie die Cenſur in Sachſen mit Bajonnetten ſtützen wollten, begehrte ſelbſt das ſchüchterne Berlin die Preßfreiheit, und der König ſagte ſie in einer Cabinetsordre zu. Wollen ſie nun etwa auch in Weimar, in Gotha, in Berlin ſelbſt mit den Waffen einſchreiten? So viel iſt durch dieſen Einen Mißgriff klar geworden: die Bodelſchwinghe, Eichhorne und Canitze find nicht die Männer welche unter den jetzigen Umſtänden das Richtige zu treffen wiſſen; ein preußiſches Miniſterium welches ſolche Anordnungen erläßt, kann nicht am Ruder bleiben. Nachſchrift. Bis jetzt ſind 10 Batail- lone Preußen (namentlich das 8te und 12te Regiment), zwei Huſaren- regimenter und 24 Geſchütze in den Saalgegenden zuſammengezogen. Hinter Leipzig ſollen 8 Bataillone Sachſen ſtehen. Berlin, 13 März. Umlaufenden Gerüchten zufolge wird Preu- ßen wegen des in Neuenburg Geſchehenen proteſtiren und abwarten. (Nordd. Bl.) — Berlin, 13 März Abends 8 Uhr. Jn aller Eile nur die Mittheilung daß im Thiergarten und unter den Linden ſich aufrühreri- ſche Bewegungen zeigen. Auf dem Schloßplatz und auf dem Gendar- menmarkt iſt Cavallerie und Jnfanterie aufgeſtellt. Cuiraſſiere ſpren- gen durch den Thiergarten um dieſen zu ſäubern. Ueber den Ausgangs- punkt dieſer Bewegungen find wir noch ungewiß. Die meiſten Beam- ten haben Befehl erhalten ihre Amtslocale nicht zu verlaſſen. Mor- gen mehr. — Berlin, 13 März. Abends 11 Uhr. Die allgemeine Gäh- rung der Gemüther iſt endlich auch hier zum Ausbruch gekommen. Der Ausgangspunkt iſt durch den bekannten Verſammlungsort im Thier- garten vor den Zelten gebildet worden. Schon am Nachmittag bildeten ſich dort Gruppen von Bürgern und Handwerkern, welche ſich in dem ſchönen Frühlingswetter ergingen, ohne ſich jedoch eigentlich tumultariſch zu benehmen. Man ſang Lieder, trank Weißbier und brachte Vivats. Später ſcheinen einige Angetrunkene hinzugekommen zu ſeyn, was neben dem gleichzeitigen Anblick einiger Polizeibeamten die Menge erhitzte. Man hielt kurze Reden, ließ ſich in Neckereien mit den Gendarmen ein, welche ſich jedoch der Mehrzahl gegenüber paſſiv verhielten. Einer von ihnen wurde ſogar vom Publicum verhaftet und der Thorwache über- geben. Etwas ſpäter erſchien der Polizeipräſident zu Pferd. Ein Ar- beiter trat zu ihm heran und klagte ihm daß er ſieben Kinder, aber ſeit mehreren Tagen keine Arbeit habe. Der Polizeipräſident verſprach allen es ſolle thunlichft für ſie geſorgt werden, nur möchten ſie ſich friedlich verhalten, worauf ihm die Menge ein Hoch ausbrachte. Gegen 6 Uhr begannen die Maſſen ſich im Thiergarten in einem impoſanteren Grade anzuhäufen, und gleichzeitig durchzogen ſtarke Truppenab- theilungen, theils Jnfanterie theils Uhlanen und Garde-Cuiraſſiere, die Stadt. Sie beſetzten die innern Theile im Schloß, im Zeughaus, in der königlichen Bank, und ſtationirten an verſchiedenen Theilen der Stadt, namentlich vor den prinzlichen Hotels, größere oder kleinere Poſten. Jetzt ſtrömt alles nach dem Thiergarten hinaus, wo nach einer uns zugegangenen aber vielleicht übertriebenen Mittheilung 20 bis 30,000 Menſchen verſammelt geweſen ſeyn ſollen. Die Verſammlung nahm jetzt einen mehr politiſchen Charakter an. Es traten einige Redner auf, welche an die königliche Adreſſe anknüpfend mittheilten daß die- ſelbe, nachdem die Stadtverordneten die Uebergabe abgelehnt hätten, Sr. Majeſtät durch die Poſt geſendet ſey. Bis zum Donnerstag er- warte man Nachricht, und dann ſolle eine neue Volksverſammlung ſtattfin- den, um weiteres zu berathen. Andere Redner ermahnten zur Ruhe und zum friedlichen Auseinandergehen. Da nun hiermit der augenblickliche Zweck erledigt, ein weiterer aber vorerſt nicht zu verfolgen war, ſo ſcheint es der Truppenmaſſe, welche ſich nach 7 Uhr vor dem Thor entwickelte, vermuthlich um die Menge zu zerſtreuen, kaum bedurft zu haben. Jm Gegentheil glauben wir daß nur dieſer Anblick das Volk, welches ſonft ruhig auseinandergegangen wäre, gereizt hat. Die Menge zog ſich jetzt unter Schreien, Pfeifen, Singen ꝛc. langſam durch das Brandenburger Thor die Linden hinunter nach dem Schloß zu. Hier ſtieß es auf eine auf der Schloßfreiheit ſtationirte Abtheilung Garde-Cuiraſ- fiere, welche nun den theils Neugierigen theils Tumultuirenden als Anhaltspunkt diente. Man verſammelte ſich unter den Fenſtern des Schloſſes, ſchrie „Freiheit!“ „Preßfreiheit!“ verhöhnte das Militär und warf mit Steinen. Die Bewegung nahm endlich vollſtändig den Charakter eines Straßenauflaufs an, welcher ſich um das Schloß concentrirte und von hier die Linden hinauf bis zum Brandenburger Thor erſtreckte. Dann und wann ſprengte das auf dieſer ganzen Strecke piketweiſe vertheilte Militär ein, worauf die Menge auseinanderſtob, aber gleich wieder lärmend und ſchreiend in den Vor- dergrund irat. Auf dem Schloßplatz ſollen dabei mehrere bedeutende Verwundungen vorgekommen, und unter den Linden einige durch Lanzen- ſtiche niedergeſtreckt ſeyn. Dennoch erhielt die Bewegung keinen ernſtern Charakter. Die Menge, zum großen Theil aus Burſchen, Geſellen und Neu- gierigen beſtehend, ſchien ſich ihrer unbewaffneten Ohnmacht zu ſehr be- wußt um einen Angriff oder Widerſtand zu wagen. Die Hausthüren am Schauplatz der Bewegung waren zwar geſchloſſen, aber alle Fen- ſter hatten ſich mit Köpfen Neugieriger gefüllt, und die Communica- tion auf den Straßen war weder für Wagen noch für Fußgänger ge- ſperrt. Um 10 Uhr wurde es ruhiger. Nur in den Seitenſtraßen erblickte man aufgeregte Gruppen welche in heftigem oder leiſem Ge- ſpräch beiſammen ſtanden. Starke Militärpatrouillen, namentlich Jn- fanterie, durchzogen die Umgegend des Schloſſes, ohne auf Widerſtand zu ſtoßen. Es ſcheint als ob die Ruhe in der Nacht nicht weiter geſtört werden wird; die Aufregung iſt indeß nichtsdeſtoweniger groß und allgemein. Oeſterreich. Wir erhalten heute einen ganzen Strom Wiener Briefe vom 13 und 14 März. Die Briefe vom 13 Abends waren alſo dort zurückgehalten worden, wie auch zwei unſrer dortigen Correſpon- denten ausdrücklich ſchreiben. Das welthiſtoriſche Reſultat iſt: die Abdankung des Fürſten Metternich, der Sturz ſeines ganzen Syſtems, Preßfreiheit und die Einleitung von Re- formen wie ſie dem ganzen übrigen Deutſchland, mit Ausnahme Preu- ßens, Sachſens und Hannovers, jetzt zugefichert ſind, und nun auch von dieſen nicht mehr verweigert werden können. Wir haben die Berliner und Wiener Poſt erſt in ſpäter Stunde erhalten, können alſo heute nur einen kleinen Theil unſerer Briefe mittheilen, und erſparen weiteres auf morgen. Der Schluß eines unſerer Briefe aus Wien vom 14 ſpricht von ſchweren Unruhen in Gratz, Preßburg, Peſth und Prag. Die mor- gige Poſt wird die Beſtätigung oder Widerlegung bringen. * Wien, 13 März Die niederöſterreichiſchen Stände treten heute zuſammen, und im Publicum find eine Menge Erwartungen rege. Die Straßen wogen von Menſchen, und zunächſt dem Landhauſe und in den nahe liegenden Plätzen iſt Kopf an Kopf, und Geſchrei und Lärm aller Art durchdringt die Luft. Indeß ſieht man unter dem zuſammengelau- fenen Volke kein Geſindel, an dem in Wien nicht minder Ueberfluß iſt wie in allen großen Städten. Die Garniſon iſt zwar in Bereitſchaft, aber der Fall ſie zu gebrauchen wird bei dem guten Geiſt unſerer Bevöl- kerung wohl nicht eintreten. — Das Landhausgebäude iſt voll Menſchen, und in den Höfen die mit Studenten und jungen Leuten angefüllt find, wer- den vom Brunnen herab Reden gehalten, deren Inhalt nur die Nächft-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848, S. 1221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine77_1848/5>, abgerufen am 23.11.2024.