Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848.[Spaltenumbruch]
so muß man der Zeit ihr Recht lassen, die alles dieß und gewiß noch Die Besteurungsfrage in Ungarn wird und muß zunächst die Sache Ebensowenig würde ein praktisches Resultat dadurch erzielt wer- So sehen wir den Stand der Dinge an; von diesem Gesichtspunkte Unter dem Gesichtspunkt von Oesterreichs fortschreitender Eini- Was also ist natürlicher als das Zusammentreten aus den ver- Die Grundsätze der Jesuiten und die paritätischen Staaten. * In der Beilage zu Nr. 354 der Allgem. Zeitung hat Einsender *) Wir wiederholen die anfangs gemachte Bemerkung daß dieser Auffatz
Fragment einer Schrift ist, die einige Zeit vor der Pariser Februar- Revolution und den deutschen Ereignissen geschrieben wurden. [Spaltenumbruch]
ſo muß man der Zeit ihr Recht laſſen, die alles dieß und gewiß noch Die Beſteurungsfrage in Ungarn wird und muß zunächſt die Sache Ebenſowenig würde ein praktiſches Reſultat dadurch erzielt wer- So ſehen wir den Stand der Dinge an; von dieſem Geſichtspunkte Unter dem Geſichtspunkt von Oeſterreichs fortſchreitender Eini- Was alſo iſt natürlicher als das Zuſammentreten aus den ver- Die Grundſätze der Jeſuiten und die paritätiſchen Staaten. * In der Beilage zu Nr. 354 der Allgem. Zeitung hat Einſender *) Wir wiederholen die anfangs gemachte Bemerkung daß dieſer Auffatz
Fragment einer Schrift iſt, die einige Zeit vor der Pariſer Februar- Revolution und den deutſchen Ereigniſſen geſchrieben wurden. <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0010"/><cb/> ſo muß man der Zeit ihr Recht laſſen, die alles dieß und gewiß noch<lb/> mehr bringen wird, wenn nur einmal der rechte Geiſt, der ernſtliche<lb/> Wille der <hi rendition="#g">Einigung</hi> Regierer und Regierte beſeelt. Uebrigens<lb/> laſſen ſich diejenigen Provinzen welche in ihren Verhältniſſen gleich oder<lb/> beinahe gleich ſtehen ohne beſondere Schwierigkeiten vereinigen; ſo<lb/> z. B. wenn auch vorläufig von Galizien und Jtalien abgeſehen wird,<lb/> könnte Ungarn völlig mit Siebenbürgen, dann Ober- und Unteröſter-<lb/> reich, Steiermark, Kärnthen und Krain, Görz und das Trieſtiner Ge-<lb/> biet und Salzburg zu einem zweiten Ganzen; Tirol und Vorarlberg zu<lb/> einem dritten, und endlich Böhmen, Mähren und Schleſten zu einem<lb/> vierten Ganzen vereinigt werden. Wir hätten dann ſtatt zwölf Länder<lb/> und Ländchen, deren wenigſtens nur vier, aber freilich auch mehr als<lb/> ein halb Duzend Gouverneure weniger, und ſtatt zwölf die man thei-<lb/> len kann, nur mehr das Spiel mit vieren, ſtatt des ungariſchen Land-<lb/> tags, dem man allein Aufmerkſamkeit ſchenkte, noch drei andere große<lb/> Ständekörper die man beachten müßte. Dieß alles mundet nicht — den<lb/> Bureaukraten. Wir werden daher, ſo lange dieſe herrſchen, ſolche Dinge<lb/> kaum verwirklicht ſehen. Doch darum wird nicht minder der Einigungs-<lb/> proceß fortſchreiten, ſobald der Gedanke gezündet hat und die Völker<lb/> zur Einſicht gelangt ſind daß es nicht länger in ihrem Vortheil liege<lb/> der ſtaatsklugen und doch grundfalſchen Marime: <hi rendition="#aq">divide et impera!</hi><lb/> Vorſchub zu leiſten.</p><lb/> <p>Die Beſteurungsfrage in Ungarn wird und muß zunächſt die Sache<lb/> zum Durchbruch bringen; ſie iſt eine Lebensfrage für Ungaru ſowohl,<lb/> als den Geſammtſtaat. Für Ungarn, weil ohne Steuern Jnſtitute und<lb/> Organe nicht erhalten und bezahlt werden können, die für Rechts-<lb/> pflege, Sicherheit, Wiſſenſchaft, Geſundheit und Verkehr unerläßlich<lb/> ſind; ohne Steuern der gehörige Geldumlauf in allen Theilen des<lb/> Landes nicht einzuleiten iſt, ohne Steuern das zwingende Vehikel<lb/> fehlt jedermann zur regelmäßigen Thätigkeit und Ordnung in ſeinem<lb/> Haushalt zu gewöhnen; ohne Steuern die Zollſchranken nicht fallen<lb/> werden welche Ungarn von den übrigen Saaten abſperren — mit<lb/> einem Wort: weil ohne Steuern die unermeßlichen Schätze des Lan-<lb/> des immerfort brach liegen bleiben und nicht aufgeſchloſſen werden<lb/> können. Für den Geſammtſtaat aber nicht nur weil die Zollſchranken<lb/> ſeiner Einigung ein Hinderniß ſind, ſondern weil deſſen kläglicher Finanz-<lb/> zuſtand vorausſichtlich einer zweiten Kataſtrophe entgegengeht, wenn Un-<lb/> garn die Staatsſchuld nicht verzinſen und abſtoßen hilft die nun einmal,<lb/> wie immer denken mag, vorhanden iſt, und großentheils — das kann<lb/> nicht geläugnet werden — in den Kämpfen ihren Urſprung hat welche<lb/> Oeſterreich nicht aus frivolen Gründen, ſondern zum Schutz der höch-<lb/> ſten Güter führen mußte. Dieß iſt jedem Hellſehenden klar; wie denn<lb/> überhaupt das obſcure Vorurtheil gegen Steuern, die denn doch nichts<lb/> anders ſind als eine Saat, ein Zuſammenſchießen zum Zweck das<lb/> Gegebene vervielfältigt wieder zu erhalten, immer mehr abnimmt; und<lb/> wären wir ſo gewiß als bei der Muttererde daß unſere Hoffnungen<lb/> ſtets verwirklicht würden, ſo entſtünde ein wahres Sturmlaufen zu<lb/> den Steuercaſſen. Hier alſo iſt der wunde Fleck; <hi rendition="#g">es mangelt das<lb/> Vertrauen,</hi> und begreiflich iſts daß Ungarn ſich ohne Garantien<lb/> nicht beſteuern will, am allerwenigſten aber Angeſichts eines er-<lb/> ſchöpften Staatsſchatzes und Credits. Perſönliches Vertrauen reicht hier<lb/> nicht hin; es müſſen alſo Bürgſchaften anderer Natur aufgefunden<lb/> werden. Wir kennen keine andern als jene einer <hi rendition="#g">wirkſamen Con-<lb/> trolle</hi> des Staatsſchatzes durch die Beſteuerten ſelbſt. Dieſe hat auch<lb/> Ungarn vor Augen, und will däher, weil ſie anders bei der Zerklüf-<lb/> tung Oeſterreichs nicht ausführbar, gewiſſermaßen bloß eine <hi rendition="#g">Provin-<lb/> zialſteuer</hi> für Provinzialzwecke zahlen, und dieſe dann unter Con-<lb/> trole ſeines Reichstages nehmen. Damit iſt aber hinwieder weder<lb/> der Zweck erreicht die ungariſchen Gränzölle abſchaffen zu ſehen, noch<lb/> überhaupt die gleichmäßige Behandlung Ungarns und die Verbeſſe-<lb/> rung der öſterreichiſchen Finanzlage. Es wird alſo eine ſo geſtaltet<lb/> Beſteuerung, die überdieß ein eigenes ungariſches Miniſterium voraus-<lb/> ſetzt und zu noch größerer Trennung ſtatt zur Vereinigung führt,<lb/> entweder gar nicht zu Stande kommen, oder aber nur einen kleinen<lb/> Theil der Vortheile bringen die ſonſt zu erreichen wären.</p><lb/> <p>Ebenſowenig würde ein praktiſches Reſultat dadurch erzielt wer-<lb/> den wenn ſelbſt ſich die Regierung herbeiließe in jeder der dreizehn<lb/> bis jetzt beſtehenden Ständekammern die ausgedehnteſte Rechenſchaft<lb/> über ihren Haushalt abzulegen und das Steuererforderniß genau nach-<lb/> zuweiſen, weil weder die Frage über das Geſammterforderniß über-<lb/> haupt und noch weniger die über deſſen Vertheilung in den Provin-<lb/><cb/> zen hiedurch gelöst werden könnten; denn höchſt wahrſcheinlich ſtün-<lb/> den ſich gar oft dreizehn Anfichten gegenüber, geſchweige denn daß<lb/> die ungleichförmigen Befugniſſe der verſchiedenen Ständekammern, welche<lb/> überdem ohne allen Zuſammenhang unter ſich ſind, ſchon in formel-<lb/> ler Hinſicht der Vereinbarung über die meiſten Fragen unüberſteig-<lb/> liche Hinderniſſe in den Weg legen würden. Bei ſolcher Sachlage<lb/> wird ſich gewiß ſchon in nächſter Zukunft die Nothwendigkeit heraus-<lb/> ſtellen in der Steuerfage umſomehr zu einem genügenden Abſchluß<lb/> zu gelangen als ſich, außer Ungarn, auch in jenen Provinzen denen<lb/> das Steuerverwilligungsrecht verfaſſungsmäßig zuſteht, Anzeichen ein-<lb/> ſtellen die darauf hindeuten daß die bisherige Beſteuerungsweiſe ohne<lb/> genügende Controle und Garantien dort kaum mehr auf die Länge aus-<lb/> führbar ſeyn wird. Dann aber erübrigt nichts anders mehr als das<lb/> was ſchon längſt hätte angebahnt und ins Werk geſetzt werden ſollen,<lb/> nämlich: <hi rendition="#g">die Conſtituirung des Reichs,</hi> und zwar mindeſtens in-<lb/> ſoweit daß die Staatseinheit ausgeſprochen und allſeitig anerkannt<lb/> werde; was aber hinwieder nur geſchehen kann wenn ſolche Grundlagen<lb/> für die Vereinigung aufgeſtellt werden die von allen Betheiligten und<lb/> namentlich von Ungarn angenommen werden können. Es müſſen alſo<lb/> wenigſtens für dasjenige wo die bisher getrennten Länder künftig in<lb/> gemeinſame Concurrenz treten ſollen, <hi rendition="#g">gemeinſame</hi> Regeln oder Grund-<lb/> ſätze aufgeſtellt werden. Und da dieſe, wie es nicht anders gedenkbar<lb/> iſt, auf die Landesvertretung baſirt ſeyn werden, ſo ſtellt ſich von ſelbſt<lb/> die Nothwendigkeit dar ein Reichsparlament zu ſchaffen oder aber neben<lb/> den Provinzialkammern einen Centralausſchuß aufzuſtellen, oder endlich<lb/> einen Modus ausfindig zu machen wodurch die Stände der einzelnen<lb/> Provinzen bei Fragen von allgemeinem Jntereſſe ſich verſtändigen können,<lb/> wie dieß z. B. in älterer Zeit durch das Zuſammentreten von Deputirten<lb/> aus den Gremien der verſchiedenen Provinzialſtände, die ſogenannten<lb/> vereinigten Landtage des fünfzehnten, ſechzehnten und fiebzehnten Jahr-<lb/> hunderts, der Fall war.</p><lb/> <p>So ſehen wir den Stand der Dinge an; von dieſem Geſichtspunkte<lb/> betrachten wir den großen Entwicklungsproceß den Oeſterreich durch-<lb/> gemacht hat und zu vollenden ſtrebt. Möge er ohne oder doch nur mit<lb/> leichten Geburtswehen die neue Schöpfung ans Licht treten laſſen und<lb/> mit ihr Heil und Segen, freudiges Erblühen der edlen Keime fördern<lb/> die in ſo reichem Maß das herrliche Vaterland birgt!</p><lb/> <p>Unter dem Geſichtspunkt von Oeſterreichs fortſchreitender Eini-<lb/> gung haben wir auch die ſtändiſche Bewegung aufgefaßt, welche ſeit<lb/> mehr als zwanzig Jahren die Jdeen erklärt, und — vielleicht ſich ſelber<lb/> unbewußt — einen weit höhern Zweck als den vermittelten welchen ſie<lb/> zunächſt vor Augen hatte. Jedenfalls hat dieſe Bewegung uns vor<lb/> dem Verſinken in dem Schlamme engherziger Beſchränktheit und fri-<lb/> volen Genuſſes bewahrt; jedenfalls hat ſie einen neuen edlern Geiſt<lb/> geweckt, weil eben in der Erweiterung der Beziehungen menſchlicher<lb/> Beſtrebungen die Bedingung des Fortſchrittes zum Beſſern und Edlern<lb/> liegt. Patriotismus war es der die Herzen der Männer erwärmte<lb/> die zuerſt Hand ans Werk legten die Gerechtſame und Freiheiten ihres<lb/> Vaterlandes wieder aufzurichten. Sollte in der Bruſt dieſer Männer<lb/> kein höherer Patriotismus Platz finden? Sollten ſie nicht ebenſo<lb/> wie ſie ihr Privatintereſſe dem Landesintereſſe unterordneten, auch<lb/> aus den engen Beziehungen des Burgfriedens ihrer Väter heraustre-<lb/> ten wollen, um in einem ausgedehnten Gebiete thätig zu ſeyn? Kann<lb/> es ihnen entgehen daß auf den Zinnen der benachbarten Veſten <hi rendition="#g">ſeit</hi><lb/> Jahrhunderten dieſelbe Fahne weht?</p><lb/> <p>Was alſo iſt natürlicher als das Zuſammentreten aus den ver-<lb/> ſchiedenen Gebieten, das Vereinigen der zerſtreuten Kräfte zur Löſung<lb/> einer erweiterten Aufgabe? — einer Aufgabe die <hi rendition="#g">nicht</hi> im Verwiſchen<lb/> und Zerſtören aller Eigenthümlichkeiten, ſondern vielmehr in dem<lb/> Uebertragen alles Guten und Nützlichen auf die Geſammtheit, in dem<lb/> Erſchaffen des Beſten und Herrlichſten beſtehen muß. So verſtehen<lb/> wir die Vereinigung, ſo faſſen wir öfterreichiſchen Patriotismus auf.<note place="foot" n="*)">Wir wiederholen die anfangs gemachte Bemerkung daß dieſer Auffatz<lb/> Fragment einer Schrift iſt, die einige Zeit vor der Pariſer Februar-<lb/> Revolution und den deutſchen Ereigniſſen geſchrieben wurden.</note></p> </div> </div><lb/> <div type="jVarious" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Grundſätze der Jeſuiten und die paritätiſchen<lb/> Staaten.</hi> </head><lb/> <p>* In der Beilage zu Nr. 354 der Allgem. Zeitung hat Einſender<lb/> dieſes bei Beſprechung der ſchweizeriſchen Angelegenheiten nachzuweiſen<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
ſo muß man der Zeit ihr Recht laſſen, die alles dieß und gewiß noch
mehr bringen wird, wenn nur einmal der rechte Geiſt, der ernſtliche
Wille der Einigung Regierer und Regierte beſeelt. Uebrigens
laſſen ſich diejenigen Provinzen welche in ihren Verhältniſſen gleich oder
beinahe gleich ſtehen ohne beſondere Schwierigkeiten vereinigen; ſo
z. B. wenn auch vorläufig von Galizien und Jtalien abgeſehen wird,
könnte Ungarn völlig mit Siebenbürgen, dann Ober- und Unteröſter-
reich, Steiermark, Kärnthen und Krain, Görz und das Trieſtiner Ge-
biet und Salzburg zu einem zweiten Ganzen; Tirol und Vorarlberg zu
einem dritten, und endlich Böhmen, Mähren und Schleſten zu einem
vierten Ganzen vereinigt werden. Wir hätten dann ſtatt zwölf Länder
und Ländchen, deren wenigſtens nur vier, aber freilich auch mehr als
ein halb Duzend Gouverneure weniger, und ſtatt zwölf die man thei-
len kann, nur mehr das Spiel mit vieren, ſtatt des ungariſchen Land-
tags, dem man allein Aufmerkſamkeit ſchenkte, noch drei andere große
Ständekörper die man beachten müßte. Dieß alles mundet nicht — den
Bureaukraten. Wir werden daher, ſo lange dieſe herrſchen, ſolche Dinge
kaum verwirklicht ſehen. Doch darum wird nicht minder der Einigungs-
proceß fortſchreiten, ſobald der Gedanke gezündet hat und die Völker
zur Einſicht gelangt ſind daß es nicht länger in ihrem Vortheil liege
der ſtaatsklugen und doch grundfalſchen Marime: divide et impera!
Vorſchub zu leiſten.
Die Beſteurungsfrage in Ungarn wird und muß zunächſt die Sache
zum Durchbruch bringen; ſie iſt eine Lebensfrage für Ungaru ſowohl,
als den Geſammtſtaat. Für Ungarn, weil ohne Steuern Jnſtitute und
Organe nicht erhalten und bezahlt werden können, die für Rechts-
pflege, Sicherheit, Wiſſenſchaft, Geſundheit und Verkehr unerläßlich
ſind; ohne Steuern der gehörige Geldumlauf in allen Theilen des
Landes nicht einzuleiten iſt, ohne Steuern das zwingende Vehikel
fehlt jedermann zur regelmäßigen Thätigkeit und Ordnung in ſeinem
Haushalt zu gewöhnen; ohne Steuern die Zollſchranken nicht fallen
werden welche Ungarn von den übrigen Saaten abſperren — mit
einem Wort: weil ohne Steuern die unermeßlichen Schätze des Lan-
des immerfort brach liegen bleiben und nicht aufgeſchloſſen werden
können. Für den Geſammtſtaat aber nicht nur weil die Zollſchranken
ſeiner Einigung ein Hinderniß ſind, ſondern weil deſſen kläglicher Finanz-
zuſtand vorausſichtlich einer zweiten Kataſtrophe entgegengeht, wenn Un-
garn die Staatsſchuld nicht verzinſen und abſtoßen hilft die nun einmal,
wie immer denken mag, vorhanden iſt, und großentheils — das kann
nicht geläugnet werden — in den Kämpfen ihren Urſprung hat welche
Oeſterreich nicht aus frivolen Gründen, ſondern zum Schutz der höch-
ſten Güter führen mußte. Dieß iſt jedem Hellſehenden klar; wie denn
überhaupt das obſcure Vorurtheil gegen Steuern, die denn doch nichts
anders ſind als eine Saat, ein Zuſammenſchießen zum Zweck das
Gegebene vervielfältigt wieder zu erhalten, immer mehr abnimmt; und
wären wir ſo gewiß als bei der Muttererde daß unſere Hoffnungen
ſtets verwirklicht würden, ſo entſtünde ein wahres Sturmlaufen zu
den Steuercaſſen. Hier alſo iſt der wunde Fleck; es mangelt das
Vertrauen, und begreiflich iſts daß Ungarn ſich ohne Garantien
nicht beſteuern will, am allerwenigſten aber Angeſichts eines er-
ſchöpften Staatsſchatzes und Credits. Perſönliches Vertrauen reicht hier
nicht hin; es müſſen alſo Bürgſchaften anderer Natur aufgefunden
werden. Wir kennen keine andern als jene einer wirkſamen Con-
trolle des Staatsſchatzes durch die Beſteuerten ſelbſt. Dieſe hat auch
Ungarn vor Augen, und will däher, weil ſie anders bei der Zerklüf-
tung Oeſterreichs nicht ausführbar, gewiſſermaßen bloß eine Provin-
zialſteuer für Provinzialzwecke zahlen, und dieſe dann unter Con-
trole ſeines Reichstages nehmen. Damit iſt aber hinwieder weder
der Zweck erreicht die ungariſchen Gränzölle abſchaffen zu ſehen, noch
überhaupt die gleichmäßige Behandlung Ungarns und die Verbeſſe-
rung der öſterreichiſchen Finanzlage. Es wird alſo eine ſo geſtaltet
Beſteuerung, die überdieß ein eigenes ungariſches Miniſterium voraus-
ſetzt und zu noch größerer Trennung ſtatt zur Vereinigung führt,
entweder gar nicht zu Stande kommen, oder aber nur einen kleinen
Theil der Vortheile bringen die ſonſt zu erreichen wären.
Ebenſowenig würde ein praktiſches Reſultat dadurch erzielt wer-
den wenn ſelbſt ſich die Regierung herbeiließe in jeder der dreizehn
bis jetzt beſtehenden Ständekammern die ausgedehnteſte Rechenſchaft
über ihren Haushalt abzulegen und das Steuererforderniß genau nach-
zuweiſen, weil weder die Frage über das Geſammterforderniß über-
haupt und noch weniger die über deſſen Vertheilung in den Provin-
zen hiedurch gelöst werden könnten; denn höchſt wahrſcheinlich ſtün-
den ſich gar oft dreizehn Anfichten gegenüber, geſchweige denn daß
die ungleichförmigen Befugniſſe der verſchiedenen Ständekammern, welche
überdem ohne allen Zuſammenhang unter ſich ſind, ſchon in formel-
ler Hinſicht der Vereinbarung über die meiſten Fragen unüberſteig-
liche Hinderniſſe in den Weg legen würden. Bei ſolcher Sachlage
wird ſich gewiß ſchon in nächſter Zukunft die Nothwendigkeit heraus-
ſtellen in der Steuerfage umſomehr zu einem genügenden Abſchluß
zu gelangen als ſich, außer Ungarn, auch in jenen Provinzen denen
das Steuerverwilligungsrecht verfaſſungsmäßig zuſteht, Anzeichen ein-
ſtellen die darauf hindeuten daß die bisherige Beſteuerungsweiſe ohne
genügende Controle und Garantien dort kaum mehr auf die Länge aus-
führbar ſeyn wird. Dann aber erübrigt nichts anders mehr als das
was ſchon längſt hätte angebahnt und ins Werk geſetzt werden ſollen,
nämlich: die Conſtituirung des Reichs, und zwar mindeſtens in-
ſoweit daß die Staatseinheit ausgeſprochen und allſeitig anerkannt
werde; was aber hinwieder nur geſchehen kann wenn ſolche Grundlagen
für die Vereinigung aufgeſtellt werden die von allen Betheiligten und
namentlich von Ungarn angenommen werden können. Es müſſen alſo
wenigſtens für dasjenige wo die bisher getrennten Länder künftig in
gemeinſame Concurrenz treten ſollen, gemeinſame Regeln oder Grund-
ſätze aufgeſtellt werden. Und da dieſe, wie es nicht anders gedenkbar
iſt, auf die Landesvertretung baſirt ſeyn werden, ſo ſtellt ſich von ſelbſt
die Nothwendigkeit dar ein Reichsparlament zu ſchaffen oder aber neben
den Provinzialkammern einen Centralausſchuß aufzuſtellen, oder endlich
einen Modus ausfindig zu machen wodurch die Stände der einzelnen
Provinzen bei Fragen von allgemeinem Jntereſſe ſich verſtändigen können,
wie dieß z. B. in älterer Zeit durch das Zuſammentreten von Deputirten
aus den Gremien der verſchiedenen Provinzialſtände, die ſogenannten
vereinigten Landtage des fünfzehnten, ſechzehnten und fiebzehnten Jahr-
hunderts, der Fall war.
So ſehen wir den Stand der Dinge an; von dieſem Geſichtspunkte
betrachten wir den großen Entwicklungsproceß den Oeſterreich durch-
gemacht hat und zu vollenden ſtrebt. Möge er ohne oder doch nur mit
leichten Geburtswehen die neue Schöpfung ans Licht treten laſſen und
mit ihr Heil und Segen, freudiges Erblühen der edlen Keime fördern
die in ſo reichem Maß das herrliche Vaterland birgt!
Unter dem Geſichtspunkt von Oeſterreichs fortſchreitender Eini-
gung haben wir auch die ſtändiſche Bewegung aufgefaßt, welche ſeit
mehr als zwanzig Jahren die Jdeen erklärt, und — vielleicht ſich ſelber
unbewußt — einen weit höhern Zweck als den vermittelten welchen ſie
zunächſt vor Augen hatte. Jedenfalls hat dieſe Bewegung uns vor
dem Verſinken in dem Schlamme engherziger Beſchränktheit und fri-
volen Genuſſes bewahrt; jedenfalls hat ſie einen neuen edlern Geiſt
geweckt, weil eben in der Erweiterung der Beziehungen menſchlicher
Beſtrebungen die Bedingung des Fortſchrittes zum Beſſern und Edlern
liegt. Patriotismus war es der die Herzen der Männer erwärmte
die zuerſt Hand ans Werk legten die Gerechtſame und Freiheiten ihres
Vaterlandes wieder aufzurichten. Sollte in der Bruſt dieſer Männer
kein höherer Patriotismus Platz finden? Sollten ſie nicht ebenſo
wie ſie ihr Privatintereſſe dem Landesintereſſe unterordneten, auch
aus den engen Beziehungen des Burgfriedens ihrer Väter heraustre-
ten wollen, um in einem ausgedehnten Gebiete thätig zu ſeyn? Kann
es ihnen entgehen daß auf den Zinnen der benachbarten Veſten ſeit
Jahrhunderten dieſelbe Fahne weht?
Was alſo iſt natürlicher als das Zuſammentreten aus den ver-
ſchiedenen Gebieten, das Vereinigen der zerſtreuten Kräfte zur Löſung
einer erweiterten Aufgabe? — einer Aufgabe die nicht im Verwiſchen
und Zerſtören aller Eigenthümlichkeiten, ſondern vielmehr in dem
Uebertragen alles Guten und Nützlichen auf die Geſammtheit, in dem
Erſchaffen des Beſten und Herrlichſten beſtehen muß. So verſtehen
wir die Vereinigung, ſo faſſen wir öfterreichiſchen Patriotismus auf. *)
Die Grundſätze der Jeſuiten und die paritätiſchen
Staaten.
* In der Beilage zu Nr. 354 der Allgem. Zeitung hat Einſender
dieſes bei Beſprechung der ſchweizeriſchen Angelegenheiten nachzuweiſen
*) Wir wiederholen die anfangs gemachte Bemerkung daß dieſer Auffatz
Fragment einer Schrift iſt, die einige Zeit vor der Pariſer Februar-
Revolution und den deutſchen Ereigniſſen geſchrieben wurden.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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