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Allgemeine Zeitung, Nr. 75, 15. März 1848.

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Gr. Hessen.

Aus dem Odenwald, 13 März. Nach
einem Bericht des Frankfurter Journals haben die Bauern im Oden-
wald den Grafen Erbach, Fürstenau und Schönberg, von denen
der letztere ein sehr humaner Mann ist, durch drohendes Auftreten in
Haufen von 2000 Mann ihre Forderungen gestellt. Der Graf Eber-
hard stellte den Fordernden einen Revers aus, in welchem er förmlich
verzichtete auf das Präsentationsrecht bei Besetzung geistlicher und welt-
licher Stellen in der Grafschaft Erbach-Erbach, auf alle Jagden, die schon
in vier Wochen gänzlich freigegeben werden sollen, auf Zehnten, Grund-
renten etc., so daß dem Grafen, wenn diese ihm abgedrungene Verzicht-
leistung gerichtliche Gültigkeit haben könnte, von seinem Vermögen
weiter nichts übrig bleiben würde als sein Jmmobiliarbesitz an Feldern,
Wäldern etc. Der Graf Albert zu Erbach-Fürstenau sollte eine Urkunde
ausstellen, wonach er bei Ablösung der Grundrenten mit dem sechsfachen
Betrage des Werthes zuf rieden sey, während das vor etwa zwölf Jah-
ren erlassene Gesetz in Betreff der Ablösung der Grundrenten den 18-
fachen Betrag des Werthes der Grundrente als Ablösungssumme für
die Pflichtigen bestimmt. Der Graf verweigerte dieses Ansinnen und
erklärte daß er lieber gar nichts für die Ablösung nehmen wolle. Von
dem Grafen zu Erbach-Schönberg sollen sie unter andern verlangt haben
daß derselbe ihnen den Kaufwerth für die ihnen zur Zeit der vorjährigen
Theurung zu einem ungewöhnlich billigen Preis von dem gräflichen
Rentspeicher abgelaffenen Früchte gänzlich erlasse.

Kurhessen.

Hier im Fuldathal setzten die Orts-
vorsteher der drei Orte Lengsfeld, Weilar und Gehaus eine Petition auf
und ersuchten die Freiherren v. Boineburg um Abgabe des Patrimonial-
gerichts, um billige Ablösung der Lehens- und Feudalabgaben, um nie-
drige Holzpreise, um Jagd- und Fischereiberechtigung auf und an den
Grundstücken der Besitzer, um freies Haidesammeln im Walde. Sie
überreichten die Petition durch eine Deputation, welche in die einzelnen
Schlösser zog und eine große Schaar Nachzügler bei sich hatte, die
sich vor den Schloßhöfen aufstellte. Die Gerichtsherren genügten sogleich
den so vorgebrachten Bitten.

Freie Städte.

Wir erhalten so eben die vom 11 d. datirte Proclamation des Kurfür-
sten durch welche er (wie schon gestern kurz gemeldet) alle Forderungen
der Hanauer (mit Ausnahme der Ständeauflösung) genehmigt und dem-
nach 1) verspricht, bei Besetzung aller Ministerien, soweit dieß nicht
neuerdings bereits geschehen ist, Männer zu berufen die das Volksver-
trauen genießen; 2) und 3) vollständige Preßfreiheit, vollständige Reli-
gions- und Gewissensfreiheit und deren Ausübung, 4) vollständige
Amnestie für alle seit 1830 begangenen politischen Vergehen, soweit sie
nicht verfassungsmäßig von seinem Begnadigungsrecht ausgenommen
sind, sogleich gewährt, hinsichtlich der andern alsbaldige Gesetzvorlage
an die dermaligen Stände verspricht, 5) alle Beschränkungen des Pe-
titions-, Einigungs- und Versammlungsrechts aufhebt, 6) die weiter
erforderlichen Gesetzentwürfe der dermaligen Ständeversammlung
vorzulegen, und 7) auf Nationalvertretung beim Bundestage hinzuwir-
ken verspricht. Bürgermeister Eberhard in Hanau erhielt gestern
Nachmittag das Decret als Minister des Jnnern.


Als gestern um 1 Uhr Nachmittags
die Senatsanträge zum Convent vom 13 d. bekannt wurden, herrschte
allgemeine Unzufriedenheit damit an der Börse sowohl als in der Stadt,
besonders weil zur Ausarbeitung eines Preßgesetzes vier Wochen und zu
den übrigen Reformen sechs Monate Zeit gegeben wird, was unter jetzi-
gen Umständen viel zu lange scheint. Die Aufregung steigert sich im-
mer mehr. Da nun aus der von Bremen angekommenen Nachricht her-
vorging wie der dortige Senat den Bürgern alle ihm gestellten Anfor-
derungen bewilligt und die Presse bereits freigegeben, so verlangte man
hier dasselbe. Es traten daher mehrere intelligente Männer des Fort-
schritts zu einer Besprechung um 3 Uhr zusammen, und kamen überein:
daß man auch hier dem Senat Vorstellungen machen müsse, er solle
ähnliche Zugeständnisse machen, damit Unruhen vermieden werden.
Diese Besprechung dauerte bis 5 Uhr, und es ward darin beschlossen den
Grundeigenthümerverein, dessen Vorstand zum Abend eine Versamm-
lung anberaumt hatte um über die Senatsanträge zu berathen, zu einer
Demonstration in diesem Sinne zu veranlassen. Jn dieser Versamm-
lung ging es sehr stürmisch her. Man zankte sich über das Princip der
Erbgesessenheit, welches der eine Theil bekämpfte, der andere mit großer
Zähigkeit vertheidigte, ließ indeß diesen Zwist fürs erste ruhen, und ei-
[Spaltenumbruch] nigte sich über den Vorschlag des Hrn. Ami de Chapeaurouge (das bekannte
conservative Mitglied). Dieser Vorschlag ging dahin: eine Deputation an
den Senator Goßler (seinen Schwager) den Polizeiherrn abzuschicken,
um auf sofortige Aufhebung der Censur zu bitten. Dem Antragsteller
wurde Hr. Eichhoff (Vorsitzender) und Hr. Wer beigesellt. Es war
gegen 9 Uhr Abends als sich diese Deputation nach dem Stadthause be-
gab. Senator Goßler sagte: er wolle sogleich nach dem Rathhause ge-
hen, wo der Senat eben versammelt sey, und die Wünsche der Deputation
vortragen. Sie möchte ihrerseits die Vereinsversammlung ersuchen las-
sen nicht auseinanderzugehen. Dieses geschah und Senator G. kam nach
etwa 3/4 Stunden zurück, und kündigte der Deputation die Gewährung
der Wünsche des Grundeigenthümervereins an. Es war gegen 10 Uhr
als die Deputation zurückkam. Jhre Mittheilung verursachte außer-
ordentliche Freude. Das Hurrah mit welchem sie empfangen ward,
klang wie Donnerschläge. Auch in der Börsenhalle so wie in den
Clubs und Kaffeehäusern verbreite sich diese fröhliche Kunde sogleich, und
ist heute früh in der Form eines Mandats des Senats an allen Ecken
und öffentlichen Plätzen zu lesen.


Jn diesem Augenblick erscheint eine Be-
kanntmachung unsers Senats, welche der Umgestaltung unserer Verfas-
sung die schleunigste Ausführung verheißt. Der Senat, welcher alle
Forderungen der Bürgerschaft rückhaltlos bewilligt und dadurch als ge-
rechte und nothwendige anerkannt hat, macht bekannt daß er eine Ver-
sammlung von Bürgern (den Convent) mit Zuziehung von wenigstens
100 neuen Mitgliedern aus der Zahl der Antragsteller schon in den er-
sten Tagen der nächsten Woche berufen werde, um über die spätestens
Ende des laufenden Monats in den Kirchspielen vorzunehmenden Wah-
len die nöthigen Einleitungen zu treffen. Jn unserer Stadt herrscht ein
bisher nie geahntes politisches Leben, und selbst die Handelsgeschäfte tre-
ten dagegen einen Augenblick völlig in den Hintergrund. Nirgends hört
man daß "Geschäfte gemacht" werden. Die politische Discussion, die Hoffnun-
gen der einen, die Befürchtungen der andern, nehmen alles Jnteresse in
Anspruch. Darin ist jedoch die überwiegende Mehrzahl einig daß dieser neue
Umschwung der Dinge ein großer und selbst für Deutschland nicht bedeu-
tungsloser Fortschritt sey. Schon dadurch daß man die Forderung aller Deut-
schen, die Forderung eines deutschen National parlaments an die bre-
mischen Reformforderungen knüpft, erhob sich die hiesige locale Re-
formbewegung zu der Höhe einer nationalen deutschen Bewegung. Die
Weser Zeitung, welche noch vor drei Tagen einen Artikel brachte der sich
gegen jede "wesentliche Umgestaltung" der bremischen Verfassung
und namentlich gegen eine Repräsentativverfassung aussprach, stellt jetzt
in einem leitenden Artikel die Einführung einer Repräsentativverfassung
in einer Republik als einen principiellen "Rückschritt" dar, weil der
Bürger einer Republik als solcher Anspruch habe sich selbst zu reprä-
sentiren
, also indem er sich repräsentiren lasse, etwas verliere -- eine
Behauptung zu welcher manche Leser unserer republicanischen Staats-
zeitung denn doch den Kopf schütteln werden.

K. Sachsen.

Hier ist fol-
gende Bekanntmachung angeschlagen worden:

Eine Anzahl hiesiger Ein-
wohner beabsichtigt in den nächsten Tagen von hier nach Dresden sich zu
begeben, um dort die allgemeine Theilnahme an den von hier abge-
gangenen Petitionen und Adressen an den Tag zu legen und durch ver-
eintes Erscheinen die Erreichung ihrer Wünsche zu unterstützen. Jm Jn-
teresse sowohl der einzelnen dabei Betheiligten, als ganz besonders der
guten Sache, halten wir es für eine dringende Pflicht von der Ausfüh-
rung jener Absicht hiermit inständigst abzumahnen. Leipzig, den 11
März 1848. Der Rath der Stadt Leipzig. (Leipz. Ztg.)

Preußen.

Heute ist wieder eine Versamm-
lung rheinischer Abgeordneten und Stellvertreter in Bonn. Sie wird
wahrscheinlich zahlreicher besucht werden als eine der frühern: Han-
semann, Camphausen, Mevissen, v. Beckerath, Aldenhoven, Stedtmann,
Flemming etc. werden nicht fehlen. Die Zeit gebietet es dem König
entschiedene Schritte dringend anzurathen und laut zu sagen was man
erwarte. Die Abgeordneten der Provinz Preußen mit v. Brünneck an
der Spitze verließen Berlin nicht ohne ihre Meinung dem König vor-
getragen zu haben. Das constitutionelle System muß Anerkennung
und Geltung erhalten, wenn Deutschland einig bleiben soll. Die so-
fortige Einberufung des Allgemeinen Landtags wird mit Zuversicht er-
wartet, und es ist Thatsache daß unsere höchsten Provincialbehörden
sich wiederholt dafür ausgesprochen haben. Die Aufregung des Volks

[Spaltenumbruch]
Gr. Heſſen.

Aus dem Odenwald, 13 März. Nach
einem Bericht des Frankfurter Journals haben die Bauern im Oden-
wald den Grafen Erbach, Fürſtenau und Schönberg, von denen
der letztere ein ſehr humaner Mann iſt, durch drohendes Auftreten in
Haufen von 2000 Mann ihre Forderungen geſtellt. Der Graf Eber-
hard ſtellte den Fordernden einen Revers aus, in welchem er förmlich
verzichtete auf das Präſentationsrecht bei Beſetzung geiſtlicher und welt-
licher Stellen in der Grafſchaft Erbach-Erbach, auf alle Jagden, die ſchon
in vier Wochen gänzlich freigegeben werden ſollen, auf Zehnten, Grund-
renten ꝛc., ſo daß dem Grafen, wenn dieſe ihm abgedrungene Verzicht-
leiſtung gerichtliche Gültigkeit haben könnte, von ſeinem Vermögen
weiter nichts übrig bleiben würde als ſein Jmmobiliarbeſitz an Feldern,
Wäldern ꝛc. Der Graf Albert zu Erbach-Fürſtenau ſollte eine Urkunde
ausſtellen, wonach er bei Ablöſung der Grundrenten mit dem ſechsfachen
Betrage des Werthes zuf rieden ſey, während das vor etwa zwölf Jah-
ren erlaſſene Geſetz in Betreff der Ablöſung der Grundrenten den 18-
fachen Betrag des Werthes der Grundrente als Ablöſungsſumme für
die Pflichtigen beſtimmt. Der Graf verweigerte dieſes Anſinnen und
erklärte daß er lieber gar nichts für die Ablöſung nehmen wolle. Von
dem Grafen zu Erbach-Schönberg ſollen ſie unter andern verlangt haben
daß derſelbe ihnen den Kaufwerth für die ihnen zur Zeit der vorjährigen
Theurung zu einem ungewöhnlich billigen Preis von dem gräflichen
Rentſpeicher abgelaffenen Früchte gänzlich erlaſſe.

Kurheſſen.

Hier im Fuldathal ſetzten die Orts-
vorſteher der drei Orte Lengsfeld, Weilar und Gehaus eine Petition auf
und erſuchten die Freiherren v. Boineburg um Abgabe des Patrimonial-
gerichts, um billige Ablöſung der Lehens- und Feudalabgaben, um nie-
drige Holzpreiſe, um Jagd- und Fiſchereiberechtigung auf und an den
Grundſtücken der Beſitzer, um freies Haideſammeln im Walde. Sie
überreichten die Petition durch eine Deputation, welche in die einzelnen
Schlöſſer zog und eine große Schaar Nachzügler bei ſich hatte, die
ſich vor den Schloßhöfen aufſtellte. Die Gerichtsherren genügten ſogleich
den ſo vorgebrachten Bitten.

Freie Städte.

Wir erhalten ſo eben die vom 11 d. datirte Proclamation des Kurfür-
ſten durch welche er (wie ſchon geſtern kurz gemeldet) alle Forderungen
der Hanauer (mit Ausnahme der Ständeauflöſung) genehmigt und dem-
nach 1) verſpricht, bei Beſetzung aller Miniſterien, ſoweit dieß nicht
neuerdings bereits geſchehen iſt, Männer zu berufen die das Volksver-
trauen genießen; 2) und 3) vollſtändige Preßfreiheit, vollſtändige Reli-
gions- und Gewiſſensfreiheit und deren Ausübung, 4) vollſtändige
Amneſtie für alle ſeit 1830 begangenen politiſchen Vergehen, ſoweit ſie
nicht verfaſſungsmäßig von ſeinem Begnadigungsrecht ausgenommen
ſind, ſogleich gewährt, hinſichtlich der andern alsbaldige Geſetzvorlage
an die dermaligen Stände verſpricht, 5) alle Beſchränkungen des Pe-
titions-, Einigungs- und Verſammlungsrechts aufhebt, 6) die weiter
erforderlichen Geſetzentwürfe der dermaligen Ständeverſammlung
vorzulegen, und 7) auf Nationalvertretung beim Bundestage hinzuwir-
ken verſpricht. Bürgermeiſter Eberhard in Hanau erhielt geſtern
Nachmittag das Decret als Miniſter des Jnnern.


Als geſtern um 1 Uhr Nachmittags
die Senatsanträge zum Convent vom 13 d. bekannt wurden, herrſchte
allgemeine Unzufriedenheit damit an der Börſe ſowohl als in der Stadt,
beſonders weil zur Ausarbeitung eines Preßgeſetzes vier Wochen und zu
den übrigen Reformen ſechs Monate Zeit gegeben wird, was unter jetzi-
gen Umſtänden viel zu lange ſcheint. Die Aufregung ſteigert ſich im-
mer mehr. Da nun aus der von Bremen angekommenen Nachricht her-
vorging wie der dortige Senat den Bürgern alle ihm geſtellten Anfor-
derungen bewilligt und die Preſſe bereits freigegeben, ſo verlangte man
hier dasſelbe. Es traten daher mehrere intelligente Männer des Fort-
ſchritts zu einer Beſprechung um 3 Uhr zuſammen, und kamen überein:
daß man auch hier dem Senat Vorſtellungen machen müſſe, er ſolle
ähnliche Zugeſtändniſſe machen, damit Unruhen vermieden werden.
Dieſe Beſprechung dauerte bis 5 Uhr, und es ward darin beſchloſſen den
Grundeigenthümerverein, deſſen Vorſtand zum Abend eine Verſamm-
lung anberaumt hatte um über die Senatsanträge zu berathen, zu einer
Demonſtration in dieſem Sinne zu veranlaſſen. Jn dieſer Verſamm-
lung ging es ſehr ſtürmiſch her. Man zankte ſich über das Princip der
Erbgeſeſſenheit, welches der eine Theil bekämpfte, der andere mit großer
Zähigkeit vertheidigte, ließ indeß dieſen Zwiſt fürs erſte ruhen, und ei-
[Spaltenumbruch] nigte ſich über den Vorſchlag des Hrn. Ami de Chapeaurouge (das bekannte
conſervative Mitglied). Dieſer Vorſchlag ging dahin: eine Deputation an
den Senator Goßler (ſeinen Schwager) den Polizeiherrn abzuſchicken,
um auf ſofortige Aufhebung der Cenſur zu bitten. Dem Antragſteller
wurde Hr. Eichhoff (Vorſitzender) und Hr. Wer beigeſellt. Es war
gegen 9 Uhr Abends als ſich dieſe Deputation nach dem Stadthauſe be-
gab. Senator Goßler ſagte: er wolle ſogleich nach dem Rathhauſe ge-
hen, wo der Senat eben verſammelt ſey, und die Wünſche der Deputation
vortragen. Sie möchte ihrerſeits die Vereinsverſammlung erſuchen laſ-
ſen nicht auseinanderzugehen. Dieſes geſchah und Senator G. kam nach
etwa ¾ Stunden zurück, und kündigte der Deputation die Gewährung
der Wünſche des Grundeigenthümervereins an. Es war gegen 10 Uhr
als die Deputation zurückkam. Jhre Mittheilung verurſachte außer-
ordentliche Freude. Das Hurrah mit welchem ſie empfangen ward,
klang wie Donnerſchläge. Auch in der Börſenhalle ſo wie in den
Clubs und Kaffeehäuſern verbreite ſich dieſe fröhliche Kunde ſogleich, und
iſt heute früh in der Form eines Mandats des Senats an allen Ecken
und öffentlichen Plätzen zu leſen.


Jn dieſem Augenblick erſcheint eine Be-
kanntmachung unſers Senats, welche der Umgeſtaltung unſerer Verfaſ-
ſung die ſchleunigſte Ausführung verheißt. Der Senat, welcher alle
Forderungen der Bürgerſchaft rückhaltlos bewilligt und dadurch als ge-
rechte und nothwendige anerkannt hat, macht bekannt daß er eine Ver-
ſammlung von Bürgern (den Convent) mit Zuziehung von wenigſtens
100 neuen Mitgliedern aus der Zahl der Antragſteller ſchon in den er-
ſten Tagen der nächſten Woche berufen werde, um über die ſpäteſtens
Ende des laufenden Monats in den Kirchſpielen vorzunehmenden Wah-
len die nöthigen Einleitungen zu treffen. Jn unſerer Stadt herrſcht ein
bisher nie geahntes politiſches Leben, und ſelbſt die Handelsgeſchäfte tre-
ten dagegen einen Augenblick völlig in den Hintergrund. Nirgends hört
man daß „Geſchäfte gemacht“ werden. Die politiſche Discuſſion, die Hoffnun-
gen der einen, die Befürchtungen der andern, nehmen alles Jntereſſe in
Anſpruch. Darin iſt jedoch die überwiegende Mehrzahl einig daß dieſer neue
Umſchwung der Dinge ein großer und ſelbſt für Deutſchland nicht bedeu-
tungsloſer Fortſchritt ſey. Schon dadurch daß man die Forderung aller Deut-
ſchen, die Forderung eines deutſchen National parlaments an die bre-
miſchen Reformforderungen knüpft, erhob ſich die hieſige locale Re-
formbewegung zu der Höhe einer nationalen deutſchen Bewegung. Die
Weſer Zeitung, welche noch vor drei Tagen einen Artikel brachte der ſich
gegen jede „weſentliche Umgeſtaltung“ der bremiſchen Verfaſſung
und namentlich gegen eine Repräſentativverfaſſung ausſprach, ſtellt jetzt
in einem leitenden Artikel die Einführung einer Repräſentativverfaſſung
in einer Republik als einen principiellen „Rückſchritt“ dar, weil der
Bürger einer Republik als ſolcher Anſpruch habe ſich ſelbſt zu reprä-
ſentiren
, alſo indem er ſich repräſentiren laſſe, etwas verliere — eine
Behauptung zu welcher manche Leſer unſerer republicaniſchen Staats-
zeitung denn doch den Kopf ſchütteln werden.

K. Sachſen.

Hier iſt fol-
gende Bekanntmachung angeſchlagen worden:

Eine Anzahl hieſiger Ein-
wohner beabſichtigt in den nächſten Tagen von hier nach Dresden ſich zu
begeben, um dort die allgemeine Theilnahme an den von hier abge-
gangenen Petitionen und Adreſſen an den Tag zu legen und durch ver-
eintes Erſcheinen die Erreichung ihrer Wünſche zu unterſtützen. Jm Jn-
tereſſe ſowohl der einzelnen dabei Betheiligten, als ganz beſonders der
guten Sache, halten wir es für eine dringende Pflicht von der Ausfüh-
rung jener Abſicht hiermit inſtändigſt abzumahnen. Leipzig, den 11
März 1848. Der Rath der Stadt Leipzig. (Leipz. Ztg.)

Preußen.

Heute iſt wieder eine Verſamm-
lung rheiniſcher Abgeordneten und Stellvertreter in Bonn. Sie wird
wahrſcheinlich zahlreicher beſucht werden als eine der frühern: Han-
ſemann, Camphauſen, Meviſſen, v. Beckerath, Aldenhoven, Stedtmann,
Flemming ꝛc. werden nicht fehlen. Die Zeit gebietet es dem König
entſchiedene Schritte dringend anzurathen und laut zu ſagen was man
erwarte. Die Abgeordneten der Provinz Preußen mit v. Brünneck an
der Spitze verließen Berlin nicht ohne ihre Meinung dem König vor-
getragen zu haben. Das conſtitutionelle Syſtem muß Anerkennung
und Geltung erhalten, wenn Deutſchland einig bleiben ſoll. Die ſo-
fortige Einberufung des Allgemeinen Landtags wird mit Zuverſicht er-
wartet, und es iſt Thatſache daß unſere höchſten Provincialbehörden
ſich wiederholt dafür ausgeſprochen haben. Die Aufregung des Volks

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[1188/0004] Gr. Heſſen. Darmſtadt. Aus dem Odenwald, 13 März. Nach einem Bericht des Frankfurter Journals haben die Bauern im Oden- wald den Grafen Erbach, Fürſtenau und Schönberg, von denen der letztere ein ſehr humaner Mann iſt, durch drohendes Auftreten in Haufen von 2000 Mann ihre Forderungen geſtellt. Der Graf Eber- hard ſtellte den Fordernden einen Revers aus, in welchem er förmlich verzichtete auf das Präſentationsrecht bei Beſetzung geiſtlicher und welt- licher Stellen in der Grafſchaft Erbach-Erbach, auf alle Jagden, die ſchon in vier Wochen gänzlich freigegeben werden ſollen, auf Zehnten, Grund- renten ꝛc., ſo daß dem Grafen, wenn dieſe ihm abgedrungene Verzicht- leiſtung gerichtliche Gültigkeit haben könnte, von ſeinem Vermögen weiter nichts übrig bleiben würde als ſein Jmmobiliarbeſitz an Feldern, Wäldern ꝛc. Der Graf Albert zu Erbach-Fürſtenau ſollte eine Urkunde ausſtellen, wonach er bei Ablöſung der Grundrenten mit dem ſechsfachen Betrage des Werthes zuf rieden ſey, während das vor etwa zwölf Jah- ren erlaſſene Geſetz in Betreff der Ablöſung der Grundrenten den 18- fachen Betrag des Werthes der Grundrente als Ablöſungsſumme für die Pflichtigen beſtimmt. Der Graf verweigerte dieſes Anſinnen und erklärte daß er lieber gar nichts für die Ablöſung nehmen wolle. Von dem Grafen zu Erbach-Schönberg ſollen ſie unter andern verlangt haben daß derſelbe ihnen den Kaufwerth für die ihnen zur Zeit der vorjährigen Theurung zu einem ungewöhnlich billigen Preis von dem gräflichen Rentſpeicher abgelaffenen Früchte gänzlich erlaſſe. Kurheſſen. Lengsfeld, 9 März. Hier im Fuldathal ſetzten die Orts- vorſteher der drei Orte Lengsfeld, Weilar und Gehaus eine Petition auf und erſuchten die Freiherren v. Boineburg um Abgabe des Patrimonial- gerichts, um billige Ablöſung der Lehens- und Feudalabgaben, um nie- drige Holzpreiſe, um Jagd- und Fiſchereiberechtigung auf und an den Grundſtücken der Beſitzer, um freies Haideſammeln im Walde. Sie überreichten die Petition durch eine Deputation, welche in die einzelnen Schlöſſer zog und eine große Schaar Nachzügler bei ſich hatte, die ſich vor den Schloßhöfen aufſtellte. Die Gerichtsherren genügten ſogleich den ſo vorgebrachten Bitten. Freie Städte. || Frankfurt a. M., 13 März. Morgens. Wir erhalten ſo eben die vom 11 d. datirte Proclamation des Kurfür- ſten durch welche er (wie ſchon geſtern kurz gemeldet) alle Forderungen der Hanauer (mit Ausnahme der Ständeauflöſung) genehmigt und dem- nach 1) verſpricht, bei Beſetzung aller Miniſterien, ſoweit dieß nicht neuerdings bereits geſchehen iſt, Männer zu berufen die das Volksver- trauen genießen; 2) und 3) vollſtändige Preßfreiheit, vollſtändige Reli- gions- und Gewiſſensfreiheit und deren Ausübung, 4) vollſtändige Amneſtie für alle ſeit 1830 begangenen politiſchen Vergehen, ſoweit ſie nicht verfaſſungsmäßig von ſeinem Begnadigungsrecht ausgenommen ſind, ſogleich gewährt, hinſichtlich der andern alsbaldige Geſetzvorlage an die dermaligen Stände verſpricht, 5) alle Beſchränkungen des Pe- titions-, Einigungs- und Verſammlungsrechts aufhebt, 6) die weiter erforderlichen Geſetzentwürfe der dermaligen Ständeverſammlung vorzulegen, und 7) auf Nationalvertretung beim Bundestage hinzuwir- ken verſpricht. Bürgermeiſter Eberhard in Hanau erhielt geſtern Nachmittag das Decret als Miniſter des Jnnern. * Hamburg, 10 März. Als geſtern um 1 Uhr Nachmittags die Senatsanträge zum Convent vom 13 d. bekannt wurden, herrſchte allgemeine Unzufriedenheit damit an der Börſe ſowohl als in der Stadt, beſonders weil zur Ausarbeitung eines Preßgeſetzes vier Wochen und zu den übrigen Reformen ſechs Monate Zeit gegeben wird, was unter jetzi- gen Umſtänden viel zu lange ſcheint. Die Aufregung ſteigert ſich im- mer mehr. Da nun aus der von Bremen angekommenen Nachricht her- vorging wie der dortige Senat den Bürgern alle ihm geſtellten Anfor- derungen bewilligt und die Preſſe bereits freigegeben, ſo verlangte man hier dasſelbe. Es traten daher mehrere intelligente Männer des Fort- ſchritts zu einer Beſprechung um 3 Uhr zuſammen, und kamen überein: daß man auch hier dem Senat Vorſtellungen machen müſſe, er ſolle ähnliche Zugeſtändniſſe machen, damit Unruhen vermieden werden. Dieſe Beſprechung dauerte bis 5 Uhr, und es ward darin beſchloſſen den Grundeigenthümerverein, deſſen Vorſtand zum Abend eine Verſamm- lung anberaumt hatte um über die Senatsanträge zu berathen, zu einer Demonſtration in dieſem Sinne zu veranlaſſen. Jn dieſer Verſamm- lung ging es ſehr ſtürmiſch her. Man zankte ſich über das Princip der Erbgeſeſſenheit, welches der eine Theil bekämpfte, der andere mit großer Zähigkeit vertheidigte, ließ indeß dieſen Zwiſt fürs erſte ruhen, und ei- nigte ſich über den Vorſchlag des Hrn. Ami de Chapeaurouge (das bekannte conſervative Mitglied). Dieſer Vorſchlag ging dahin: eine Deputation an den Senator Goßler (ſeinen Schwager) den Polizeiherrn abzuſchicken, um auf ſofortige Aufhebung der Cenſur zu bitten. Dem Antragſteller wurde Hr. Eichhoff (Vorſitzender) und Hr. Wer beigeſellt. Es war gegen 9 Uhr Abends als ſich dieſe Deputation nach dem Stadthauſe be- gab. Senator Goßler ſagte: er wolle ſogleich nach dem Rathhauſe ge- hen, wo der Senat eben verſammelt ſey, und die Wünſche der Deputation vortragen. Sie möchte ihrerſeits die Vereinsverſammlung erſuchen laſ- ſen nicht auseinanderzugehen. Dieſes geſchah und Senator G. kam nach etwa ¾ Stunden zurück, und kündigte der Deputation die Gewährung der Wünſche des Grundeigenthümervereins an. Es war gegen 10 Uhr als die Deputation zurückkam. Jhre Mittheilung verurſachte außer- ordentliche Freude. Das Hurrah mit welchem ſie empfangen ward, klang wie Donnerſchläge. Auch in der Börſenhalle ſo wie in den Clubs und Kaffeehäuſern verbreite ſich dieſe fröhliche Kunde ſogleich, und iſt heute früh in der Form eines Mandats des Senats an allen Ecken und öffentlichen Plätzen zu leſen. * Bremen, 10 März. Jn dieſem Augenblick erſcheint eine Be- kanntmachung unſers Senats, welche der Umgeſtaltung unſerer Verfaſ- ſung die ſchleunigſte Ausführung verheißt. Der Senat, welcher alle Forderungen der Bürgerſchaft rückhaltlos bewilligt und dadurch als ge- rechte und nothwendige anerkannt hat, macht bekannt daß er eine Ver- ſammlung von Bürgern (den Convent) mit Zuziehung von wenigſtens 100 neuen Mitgliedern aus der Zahl der Antragſteller ſchon in den er- ſten Tagen der nächſten Woche berufen werde, um über die ſpäteſtens Ende des laufenden Monats in den Kirchſpielen vorzunehmenden Wah- len die nöthigen Einleitungen zu treffen. Jn unſerer Stadt herrſcht ein bisher nie geahntes politiſches Leben, und ſelbſt die Handelsgeſchäfte tre- ten dagegen einen Augenblick völlig in den Hintergrund. Nirgends hört man daß „Geſchäfte gemacht“ werden. Die politiſche Discuſſion, die Hoffnun- gen der einen, die Befürchtungen der andern, nehmen alles Jntereſſe in Anſpruch. Darin iſt jedoch die überwiegende Mehrzahl einig daß dieſer neue Umſchwung der Dinge ein großer und ſelbſt für Deutſchland nicht bedeu- tungsloſer Fortſchritt ſey. Schon dadurch daß man die Forderung aller Deut- ſchen, die Forderung eines deutſchen National parlaments an die bre- miſchen Reformforderungen knüpft, erhob ſich die hieſige locale Re- formbewegung zu der Höhe einer nationalen deutſchen Bewegung. Die Weſer Zeitung, welche noch vor drei Tagen einen Artikel brachte der ſich gegen jede „weſentliche Umgeſtaltung“ der bremiſchen Verfaſſung und namentlich gegen eine Repräſentativverfaſſung ausſprach, ſtellt jetzt in einem leitenden Artikel die Einführung einer Repräſentativverfaſſung in einer Republik als einen principiellen „Rückſchritt“ dar, weil der Bürger einer Republik als ſolcher Anſpruch habe ſich ſelbſt zu reprä- ſentiren, alſo indem er ſich repräſentiren laſſe, etwas verliere — eine Behauptung zu welcher manche Leſer unſerer republicaniſchen Staats- zeitung denn doch den Kopf ſchütteln werden. K. Sachſen. Leipzig, 11 März Nachmittags. Hier iſt fol- gende Bekanntmachung angeſchlagen worden: Eine Anzahl hieſiger Ein- wohner beabſichtigt in den nächſten Tagen von hier nach Dresden ſich zu begeben, um dort die allgemeine Theilnahme an den von hier abge- gangenen Petitionen und Adreſſen an den Tag zu legen und durch ver- eintes Erſcheinen die Erreichung ihrer Wünſche zu unterſtützen. Jm Jn- tereſſe ſowohl der einzelnen dabei Betheiligten, als ganz beſonders der guten Sache, halten wir es für eine dringende Pflicht von der Ausfüh- rung jener Abſicht hiermit inſtändigſt abzumahnen. Leipzig, den 11 März 1848. Der Rath der Stadt Leipzig. (Leipz. Ztg.) Preußen. 0 Köln, 11 März. Heute iſt wieder eine Verſamm- lung rheiniſcher Abgeordneten und Stellvertreter in Bonn. Sie wird wahrſcheinlich zahlreicher beſucht werden als eine der frühern: Han- ſemann, Camphauſen, Meviſſen, v. Beckerath, Aldenhoven, Stedtmann, Flemming ꝛc. werden nicht fehlen. Die Zeit gebietet es dem König entſchiedene Schritte dringend anzurathen und laut zu ſagen was man erwarte. Die Abgeordneten der Provinz Preußen mit v. Brünneck an der Spitze verließen Berlin nicht ohne ihre Meinung dem König vor- getragen zu haben. Das conſtitutionelle Syſtem muß Anerkennung und Geltung erhalten, wenn Deutſchland einig bleiben ſoll. Die ſo- fortige Einberufung des Allgemeinen Landtags wird mit Zuverſicht er- wartet, und es iſt Thatſache daß unſere höchſten Provincialbehörden ſich wiederholt dafür ausgeſprochen haben. Die Aufregung des Volks

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 75, 15. März 1848, S. 1188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine75_1848/4>, abgerufen am 22.11.2024.