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Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848.

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[Spaltenumbruch] ter (Sohn des hiestgen, genugsam als Mann des Volkes bekannten
Bürgermeisters) sich gegen diese Rohheit und für Sicherung der Ord-
nung, des Eigenthums und der Personen an die Bürger gewendet
hatte. Man hat daselbst und an andern Orten die Häuser der Juden
verwüstet, geplündert und mehrfach die Geängsteten mißhandelt. Jetzt
haben die Abgeordneten in Mannheim, die Männer der sieg- und er-
folgreichen Opposition, die überhaupt überall mit Energie für Auf-
rechthaltung der bürgerlichen Ordnung, namentlich auch in Karlsruhe
eingetreten, einen dringenden Aufruf gegen jene Uebelthaten erlassen;
möge er helfen! Die Uebelthäter lesen aber nicht was ihnen nicht
behagt, und viele mögen selbst nicht einmal lesen können. Wir mögen
niemanden für diese Erscheinungen verantwortlich machen, glauben
aber daß, während sie am wenigsten der Regierung, auch wohl nicht der
Censur und dem schriftlichen Verfahren zunächst zur Last zu legen seyn
werden, diejenigen welche, in was immer für einem Amte es sey, auf die
untersten Schichten der Gesellschaft einzuwirken, und für dieselben zur
Sittlichung und bürgerlichen Ordnung zu sorgen haben, in diesen Er-
scheinungen eine dringende Mahnung erhalten. Fast noch schlimmeres
begibt sich im östlichen Theile unseres Landes. Da ist in diesen Tagen
gegen die Grundherren ein Vernichtungskrieg ausgebrochen. Auf dem
Boden, grade in den Gränzen der Gebiete wo vor 300 Jahren der
Bauernkrieg entsprang, haben sich Haufen des bedrängten Volks ge-
sammelt, ziehen wie damals von Dorf zu Dorf, zwingen mit unmit-
telbarer Gewalt und Branddrohung die Bewohner zur Mithandlung
und stürzen dann auf die Herrenhäuser, die sie verwüsten, niederbren-
nen, namentlich aber die Archive und Registraturen vernichten. So
ists im Taubergrund, im Odenwald losgegangen, und heute früh ging
ein starkes, dahin bestimmtes Militärcommando hier durch. Einem
Frhrn. v. Helmstädt, einem v. Rüdt sind, obgleich ersterer alles mög-
liche gewährte und zusagte, letzterer ein bei seinen Hintersassen als
mild und gütig bekannter und geachteter Mann ist, auf diese Weise
die Häuser zerstört, alles vernichtet worden. Sie haben sich mit ihren
Familien flüchten müssen; v. Rüdt ist hier angekommen; andere werden
sich, wie man hört, vor dem Sturme schon zurückziehen. Dem Fürsten
von Leiningen (dem trefflichen Präsidenten Ihrer erblichen Reichsräthe)
ist das schöne Jagdschloß, das er nach dem Vorbilde von Windsor Castle
mit großem Aufwande erbaut hatte, zerstört und eingeäschert worden.
Woher diese Erscheinung, die wie eine Mordfackel in die allgemeine
Bewegung hineinleuchtet? Die nächste Erklärung liegt wohl in dem
Mißwachse der letzten Jahre, der Armuth der Gegend, dem Drucke der
Abgaben; ein wesentlicher Grund aber auch in dem unseligen Verhält-
nisse der Grundherrlichkeit, und in der noch unseligern Verblendung
der Grundherrn die, statt das Unhaltbare, Unbillige unter leidlichen Be-
dingungen aufzugeben, es wohl noch straffer anzogen, wenigstens fest-
hielten bis am Ende jetzt auch sie das: "zu spät!" nöthigen wird das Un-
leidliche zu übernehmen, d. h. auch die Einbuße des sonst haltbaren
Rechts und der billigen Entschädigung. So sind wir z. B. überzeugt
daß es unmöglich seyn wird jetzt noch auch nur für ein Jahr die
verderblichen Jagdrechte aufrechtzuerhalten, und gerade deren mehr
als strenge Handhabung in jenen Gegenden hat die armen Grund-
holden am meisten erbittert. Es scheint aber auch noch in jenen Ge-
genden eine Erinnerung dessen was vor 300 Jahren geschehen zu
leben, und dann wird die Erscheinung noch tragischer, weil jetzt die-
jenigen welche die damals ihren Vorbesitzern auferlegte unpolitische
Strafe bis jetzt, sie die seit 300 Jahren Unschuldigen, getragen und
gebüßt haben, von den nicht schuldigen Nachbesitzern derer die vor
300 Jahren die Strafe auferlegten, ebenso unpolitisch als ungerecht
die Sühne des langen Unrechts einfordern. Hoffen wir daß es ge-
lingen wird die Bewegung zu dämpfen und daß die Grundherren
nunmehr lernen mögen was an der Zeit sey -- dasselbe was ihnen in
Darmstadt als sie Repressionshülfe nachsuchten sehr praktisch erwidert
wurde: durch gerichtliche Abhülfe der Beschwerden Sicherheit und
Ordnung herzustellen. Bemerkenswerth ist daß die Banden überall
ihre Anhänglichkeit an die badische Regierung zu erkennen geben und
bei den Vernichtungen mit: Es lebe der Großherzog! zu Werke gehen.
Als vor einigen Tagen einem solchen Haufen der Postwagen von Wert-
heim begegnete, hielt man ihn an und frug wessen die Post und der
Wagen sey; auf die Antwort: großherzoglich, ließ man ihn ungehin-
dert ziehen.

Gr. Hessen.

In der gestrigen Sitzung
der Kammern hat v. Gagern uns in einer längeren Rede viele erfreuliche
[Spaltenumbruch] Aussichten geboten: er wird unverzüglich einen Gesetzentwurf vorbereiten
lassen, nach welchem die Verschiedenheit der Religion keine Beschränkung
politischer oder bürgerlicher Rechte zur Folge hat; die Regierung wird
Vorlagen machen bei denen ihr Bestreben ist in Einverständniß mit
den Ständen alle Feudallasten zu beseitigen, die Privilegien einzelner
Classen aufzuheben und alle Staatsangehörigen vor dem Gesetz unbe-
dingt gleichzustellen. Das Militär ist bereits auf die Verfassung be-
eidigt. Unter den bei der zweiten Ständekammer eingelaufenen Peti-
tionen vom platten Lande befindet sich auch eine aus dem Odenwald
welche mit mehr als 1000 Unterschriften bedeckt ist, und welche unter
ihren zehn Forderungen die Abschaffung aller standesherrlichen Rechte
gleich obenan stellt. Die standesherrlichen Bezirke des Großherzog-
thums sind aber auch gerade diejenigen welche sich in der gedrücktesten
Lage befinden, weil sie doppelt belastet sind, und sich ihrer Verbindlich-
keiten gegen die Grundherrschaft und den Staat kaum zu entledigen
wissen. (Hess. Bl.)

Aus allen Theilen unserer oberhes-
sischen Provinz gehen Deputationen nach Darmstadt ab um dem Groß-
herzog und Erbgroßherzog zu danken. Unsere braven Leute haben
hierin offenbar mit dem guten Tact eines gesunden Herzens das richtige
Mittel gefunden zu zeigen daß sie keine Revolution, sondern Reform
wollten. Leider mischt sich indeß auch in unsere Freiheitsbewegung ein
Element, dessen Zurückdrängung allen Wohlgesinnten entschiedene Ge-
wissenssache ist. Mit roher Gewalt haben die Landleute z. B. in Mör-
felden den Förster und seine Schützen vertrieben. Die Klagen dieser
Leute über bisherige rücksichtslose Handhabung der Forstpolizei sind ge-
wiß gerecht, aber der Weg auf dem sie ihre Klagen geltend machen ist
durchaus verwerflich. Bereits hat in richtiger Erkenntniß des Nöthi-
gen die Regierung angeordnet daß die Forstbeamten inskünftige weder
kleine Waldfrevel zur Anzeige, noch Denunciationsgebühren beziehen
sollen, und daran daß sie die Nöthen des Landmanns noch weiter berück-
sichtigen wird, ist nicht zu zweifeln. Mögen die Landleute, wo sie ge-
drückt sind, sich versammeln und das volle Petitionsrecht ausüben, als-
dann wird ihnen Abhülfe auf dem Wege der Reform nicht entstehen.
Das sahen wir an den Landleuten welche so eben in Masse hierher ka-
men, ihre Beschwerden vorbrachten und in anständiger Haltung vor dem
Sitzungslocal der Oberforstdirection Front machten, bis ihnen vom Mi-
nister des Innern und von einem Mitgliede der Oberforstbehörde genü-
gende Antwort gegeben ward.

Freie Städte.

Zuver-
lässigem Vernehmen nach hat sich die Bundesversammlung gestern für
Annahme der schwarz-roth goldnen Farben als Bundesfarben und des
Doppeladlers als Bundeswappen entschieden. -- Man will hier wissen
Staatsrath Nebenius habe die Ernennung zum badischen Bundestags-
gesandten nicht angenommen, und die Wahl werde nun auf einen der
Koryphäen der badischen Kammer-Opposition fallen. Man sieht noch
weitern Aenderungen im Personal der Bundestagsgesandtschaften ent-
gegen. In Bockenheim sieht es seit mehreren Tagen ganz kriegerisch
aus. Ein großer Theil der streitbaren Bevölkerung rüstet sich den Ha-
nauern Hülfe zu bringen falls nicht bis Sonntag eine entschieden gün-
stige Erklärung des Kurfürsten erfolgt. -- Nachschrift. Der Kurfürst
hat die nach Kassel gesandten Deputirten Mackcldey und v. Schenk ohne
Antwort zurückgeschickt. Die Stimmung im benachbarten kurhessischen
Gebiet wird als im höchsten Grade aufgeregt geschildert.

Preußen.

Hr. v. Camphausen ist von Berlin
zurückgekehrt. So eben zog eine große Zahl der anständigsten Bürger
von der Börse aus nach seiner Wohnung, um ihren Abgeordneten zu be-
willkommnen und ihm ihren Dank darzubringen. Camphausen dankte
in einer Rede worin er sagte: daß der Ausdruck der öffentlichen Mei-
nung hinsichtlich des Strafgesetzes nicht wirkungskos gewesen sey, und
auch nicht gewesen seyn würde, wenn auch die letzten Weltereignisse nicht
eingetreten wären. Er ermahnte weiter zu bauen an unsern öf-
fentlichen Einrichtungen, aber nicht das Haus umzureißen, son-
dern auf der gegebenen Grundlage fortzubauen.
Er erin-
nerte daran daß er schon neulich auf die Nothwendigkeit hingedeutet
daß der deutsche Bund volksmäßig umgestaltet würde, und schloß mit
dem Wunsche daß Deutschland im Westen geachtet und im Osten ge-
fürchtet werden möge.
Es wurde ihm ein wiederholtes herzliches
Hoch dargebracht. Zur Erläuterung seiner Ansprache ist es nöthig zu
wissen daß die Aufregung hier einen bedenklichen Grad erreicht hat. Es

[Spaltenumbruch] ter (Sohn des hieſtgen, genugſam als Mann des Volkes bekannten
Bürgermeiſters) ſich gegen dieſe Rohheit und für Sicherung der Ord-
nung, des Eigenthums und der Perſonen an die Bürger gewendet
hatte. Man hat daſelbſt und an andern Orten die Häuſer der Juden
verwüſtet, geplündert und mehrfach die Geängſteten mißhandelt. Jetzt
haben die Abgeordneten in Mannheim, die Männer der ſieg- und er-
folgreichen Oppoſition, die überhaupt überall mit Energie für Auf-
rechthaltung der bürgerlichen Ordnung, namentlich auch in Karlsruhe
eingetreten, einen dringenden Aufruf gegen jene Uebelthaten erlaſſen;
möge er helfen! Die Uebelthäter leſen aber nicht was ihnen nicht
behagt, und viele mögen ſelbſt nicht einmal leſen können. Wir mögen
niemanden für dieſe Erſcheinungen verantwortlich machen, glauben
aber daß, während ſie am wenigſten der Regierung, auch wohl nicht der
Cenſur und dem ſchriftlichen Verfahren zunächſt zur Laſt zu legen ſeyn
werden, diejenigen welche, in was immer für einem Amte es ſey, auf die
unterſten Schichten der Geſellſchaft einzuwirken, und für dieſelben zur
Sittlichung und bürgerlichen Ordnung zu ſorgen haben, in dieſen Er-
ſcheinungen eine dringende Mahnung erhalten. Faſt noch ſchlimmeres
begibt ſich im öſtlichen Theile unſeres Landes. Da iſt in dieſen Tagen
gegen die Grundherren ein Vernichtungskrieg ausgebrochen. Auf dem
Boden, grade in den Gränzen der Gebiete wo vor 300 Jahren der
Bauernkrieg entſprang, haben ſich Haufen des bedrängten Volks ge-
ſammelt, ziehen wie damals von Dorf zu Dorf, zwingen mit unmit-
telbarer Gewalt und Branddrohung die Bewohner zur Mithandlung
und ſtürzen dann auf die Herrenhäuſer, die ſie verwüſten, niederbren-
nen, namentlich aber die Archive und Regiſtraturen vernichten. So
iſts im Taubergrund, im Odenwald losgegangen, und heute früh ging
ein ſtarkes, dahin beſtimmtes Militärcommando hier durch. Einem
Frhrn. v. Helmſtädt, einem v. Rüdt ſind, obgleich erſterer alles mög-
liche gewährte und zuſagte, letzterer ein bei ſeinen Hinterſaſſen als
mild und gütig bekannter und geachteter Mann iſt, auf dieſe Weiſe
die Häuſer zerſtört, alles vernichtet worden. Sie haben ſich mit ihren
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ſich, wie man hört, vor dem Sturme ſchon zurückziehen. Dem Fürſten
von Leiningen (dem trefflichen Präſidenten Ihrer erblichen Reichsräthe)
iſt das ſchöne Jagdſchloß, das er nach dem Vorbilde von Windſor Caſtle
mit großem Aufwande erbaut hatte, zerſtört und eingeäſchert worden.
Woher dieſe Erſcheinung, die wie eine Mordfackel in die allgemeine
Bewegung hineinleuchtet? Die nächſte Erklärung liegt wohl in dem
Mißwachſe der letzten Jahre, der Armuth der Gegend, dem Drucke der
Abgaben; ein weſentlicher Grund aber auch in dem unſeligen Verhält-
niſſe der Grundherrlichkeit, und in der noch unſeligern Verblendung
der Grundherrn die, ſtatt das Unhaltbare, Unbillige unter leidlichen Be-
dingungen aufzugeben, es wohl noch ſtraffer anzogen, wenigſtens feſt-
hielten bis am Ende jetzt auch ſie das: „zu ſpät!“ nöthigen wird das Un-
leidliche zu übernehmen, d. h. auch die Einbuße des ſonſt haltbaren
Rechts und der billigen Entſchädigung. So ſind wir z. B. überzeugt
daß es unmöglich ſeyn wird jetzt noch auch nur für ein Jahr die
verderblichen Jagdrechte aufrechtzuerhalten, und gerade deren mehr
als ſtrenge Handhabung in jenen Gegenden hat die armen Grund-
holden am meiſten erbittert. Es ſcheint aber auch noch in jenen Ge-
genden eine Erinnerung deſſen was vor 300 Jahren geſchehen zu
leben, und dann wird die Erſcheinung noch tragiſcher, weil jetzt die-
jenigen welche die damals ihren Vorbeſitzern auferlegte unpolitiſche
Strafe bis jetzt, ſie die ſeit 300 Jahren Unſchuldigen, getragen und
gebüßt haben, von den nicht ſchuldigen Nachbeſitzern derer die vor
300 Jahren die Strafe auferlegten, ebenſo unpolitiſch als ungerecht
die Sühne des langen Unrechts einfordern. Hoffen wir daß es ge-
lingen wird die Bewegung zu dämpfen und daß die Grundherren
nunmehr lernen mögen was an der Zeit ſey — dasſelbe was ihnen in
Darmſtadt als ſie Repreſſionshülfe nachſuchten ſehr praktiſch erwidert
wurde: durch gerichtliche Abhülfe der Beſchwerden Sicherheit und
Ordnung herzuſtellen. Bemerkenswerth iſt daß die Banden überall
ihre Anhänglichkeit an die badiſche Regierung zu erkennen geben und
bei den Vernichtungen mit: Es lebe der Großherzog! zu Werke gehen.
Als vor einigen Tagen einem ſolchen Haufen der Poſtwagen von Wert-
heim begegnete, hielt man ihn an und frug weſſen die Poſt und der
Wagen ſey; auf die Antwort: großherzoglich, ließ man ihn ungehin-
dert ziehen.

Gr. Heſſen.

In der geſtrigen Sitzung
der Kammern hat v. Gagern uns in einer längeren Rede viele erfreuliche
[Spaltenumbruch] Ausſichten geboten: er wird unverzüglich einen Geſetzentwurf vorbereiten
laſſen, nach welchem die Verſchiedenheit der Religion keine Beſchränkung
politiſcher oder bürgerlicher Rechte zur Folge hat; die Regierung wird
Vorlagen machen bei denen ihr Beſtreben iſt in Einverſtändniß mit
den Ständen alle Feudallaſten zu beſeitigen, die Privilegien einzelner
Claſſen aufzuheben und alle Staatsangehörigen vor dem Geſetz unbe-
dingt gleichzuſtellen. Das Militär iſt bereits auf die Verfaſſung be-
eidigt. Unter den bei der zweiten Ständekammer eingelaufenen Peti-
tionen vom platten Lande befindet ſich auch eine aus dem Odenwald
welche mit mehr als 1000 Unterſchriften bedeckt iſt, und welche unter
ihren zehn Forderungen die Abſchaffung aller ſtandesherrlichen Rechte
gleich obenan ſtellt. Die ſtandesherrlichen Bezirke des Großherzog-
thums ſind aber auch gerade diejenigen welche ſich in der gedrückteſten
Lage befinden, weil ſie doppelt belaſtet ſind, und ſich ihrer Verbindlich-
keiten gegen die Grundherrſchaft und den Staat kaum zu entledigen
wiſſen. (Heſſ. Bl.)

Aus allen Theilen unſerer oberheſ-
ſiſchen Provinz gehen Deputationen nach Darmſtadt ab um dem Groß-
herzog und Erbgroßherzog zu danken. Unſere braven Leute haben
hierin offenbar mit dem guten Tact eines geſunden Herzens das richtige
Mittel gefunden zu zeigen daß ſie keine Revolution, ſondern Reform
wollten. Leider miſcht ſich indeß auch in unſere Freiheitsbewegung ein
Element, deſſen Zurückdrängung allen Wohlgeſinnten entſchiedene Ge-
wiſſensſache iſt. Mit roher Gewalt haben die Landleute z. B. in Mör-
felden den Förſter und ſeine Schützen vertrieben. Die Klagen dieſer
Leute über bisherige rückſichtsloſe Handhabung der Forſtpolizei ſind ge-
wiß gerecht, aber der Weg auf dem ſie ihre Klagen geltend machen iſt
durchaus verwerflich. Bereits hat in richtiger Erkenntniß des Nöthi-
gen die Regierung angeordnet daß die Forſtbeamten inskünftige weder
kleine Waldfrevel zur Anzeige, noch Denunciationsgebühren beziehen
ſollen, und daran daß ſie die Nöthen des Landmanns noch weiter berück-
ſichtigen wird, iſt nicht zu zweifeln. Mögen die Landleute, wo ſie ge-
drückt ſind, ſich verſammeln und das volle Petitionsrecht ausüben, als-
dann wird ihnen Abhülfe auf dem Wege der Reform nicht entſtehen.
Das ſahen wir an den Landleuten welche ſo eben in Maſſe hierher ka-
men, ihre Beſchwerden vorbrachten und in anſtändiger Haltung vor dem
Sitzungslocal der Oberforſtdirection Front machten, bis ihnen vom Mi-
niſter des Innern und von einem Mitgliede der Oberforſtbehörde genü-
gende Antwort gegeben ward.

Freie Städte.

Zuver-
läſſigem Vernehmen nach hat ſich die Bundesverſammlung geſtern für
Annahme der ſchwarz-roth goldnen Farben als Bundesfarben und des
Doppeladlers als Bundeswappen entſchieden. — Man will hier wiſſen
Staatsrath Nebenius habe die Ernennung zum badiſchen Bundestags-
geſandten nicht angenommen, und die Wahl werde nun auf einen der
Koryphäen der badiſchen Kammer-Oppoſition fallen. Man ſieht noch
weitern Aenderungen im Perſonal der Bundestagsgeſandtſchaften ent-
gegen. In Bockenheim ſieht es ſeit mehreren Tagen ganz kriegeriſch
aus. Ein großer Theil der ſtreitbaren Bevölkerung rüſtet ſich den Ha-
nauern Hülfe zu bringen falls nicht bis Sonntag eine entſchieden gün-
ſtige Erklärung des Kurfürſten erfolgt. — Nachſchrift. Der Kurfürſt
hat die nach Kaſſel geſandten Deputirten Mackcldey und v. Schenk ohne
Antwort zurückgeſchickt. Die Stimmung im benachbarten kurheſſiſchen
Gebiet wird als im höchſten Grade aufgeregt geſchildert.

Preußen.

Hr. v. Camphauſen iſt von Berlin
zurückgekehrt. So eben zog eine große Zahl der anſtändigſten Bürger
von der Börſe aus nach ſeiner Wohnung, um ihren Abgeordneten zu be-
willkommnen und ihm ihren Dank darzubringen. Camphauſen dankte
in einer Rede worin er ſagte: daß der Ausdruck der öffentlichen Mei-
nung hinſichtlich des Strafgeſetzes nicht wirkungskos geweſen ſey, und
auch nicht geweſen ſeyn würde, wenn auch die letzten Weltereigniſſe nicht
eingetreten wären. Er ermahnte weiter zu bauen an unſern öf-
fentlichen Einrichtungen, aber nicht das Haus umzureißen, ſon-
dern auf der gegebenen Grundlage fortzubauen.
Er erin-
nerte daran daß er ſchon neulich auf die Nothwendigkeit hingedeutet
daß der deutſche Bund volksmäßig umgeſtaltet würde, und ſchloß mit
dem Wunſche daß Deutſchland im Weſten geachtet und im Oſten ge-
fürchtet werden möge.
Es wurde ihm ein wiederholtes herzliches
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wiſſen daß die Aufregung hier einen bedenklichen Grad erreicht hat. Es

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[1156/0004] ter (Sohn des hieſtgen, genugſam als Mann des Volkes bekannten Bürgermeiſters) ſich gegen dieſe Rohheit und für Sicherung der Ord- nung, des Eigenthums und der Perſonen an die Bürger gewendet hatte. Man hat daſelbſt und an andern Orten die Häuſer der Juden verwüſtet, geplündert und mehrfach die Geängſteten mißhandelt. Jetzt haben die Abgeordneten in Mannheim, die Männer der ſieg- und er- folgreichen Oppoſition, die überhaupt überall mit Energie für Auf- rechthaltung der bürgerlichen Ordnung, namentlich auch in Karlsruhe eingetreten, einen dringenden Aufruf gegen jene Uebelthaten erlaſſen; möge er helfen! Die Uebelthäter leſen aber nicht was ihnen nicht behagt, und viele mögen ſelbſt nicht einmal leſen können. Wir mögen niemanden für dieſe Erſcheinungen verantwortlich machen, glauben aber daß, während ſie am wenigſten der Regierung, auch wohl nicht der Cenſur und dem ſchriftlichen Verfahren zunächſt zur Laſt zu legen ſeyn werden, diejenigen welche, in was immer für einem Amte es ſey, auf die unterſten Schichten der Geſellſchaft einzuwirken, und für dieſelben zur Sittlichung und bürgerlichen Ordnung zu ſorgen haben, in dieſen Er- ſcheinungen eine dringende Mahnung erhalten. Faſt noch ſchlimmeres begibt ſich im öſtlichen Theile unſeres Landes. Da iſt in dieſen Tagen gegen die Grundherren ein Vernichtungskrieg ausgebrochen. Auf dem Boden, grade in den Gränzen der Gebiete wo vor 300 Jahren der Bauernkrieg entſprang, haben ſich Haufen des bedrängten Volks ge- ſammelt, ziehen wie damals von Dorf zu Dorf, zwingen mit unmit- telbarer Gewalt und Branddrohung die Bewohner zur Mithandlung und ſtürzen dann auf die Herrenhäuſer, die ſie verwüſten, niederbren- nen, namentlich aber die Archive und Regiſtraturen vernichten. So iſts im Taubergrund, im Odenwald losgegangen, und heute früh ging ein ſtarkes, dahin beſtimmtes Militärcommando hier durch. Einem Frhrn. v. Helmſtädt, einem v. Rüdt ſind, obgleich erſterer alles mög- liche gewährte und zuſagte, letzterer ein bei ſeinen Hinterſaſſen als mild und gütig bekannter und geachteter Mann iſt, auf dieſe Weiſe die Häuſer zerſtört, alles vernichtet worden. Sie haben ſich mit ihren Familien flüchten müſſen; v. Rüdt iſt hier angekommen; andere werden ſich, wie man hört, vor dem Sturme ſchon zurückziehen. Dem Fürſten von Leiningen (dem trefflichen Präſidenten Ihrer erblichen Reichsräthe) iſt das ſchöne Jagdſchloß, das er nach dem Vorbilde von Windſor Caſtle mit großem Aufwande erbaut hatte, zerſtört und eingeäſchert worden. Woher dieſe Erſcheinung, die wie eine Mordfackel in die allgemeine Bewegung hineinleuchtet? Die nächſte Erklärung liegt wohl in dem Mißwachſe der letzten Jahre, der Armuth der Gegend, dem Drucke der Abgaben; ein weſentlicher Grund aber auch in dem unſeligen Verhält- niſſe der Grundherrlichkeit, und in der noch unſeligern Verblendung der Grundherrn die, ſtatt das Unhaltbare, Unbillige unter leidlichen Be- dingungen aufzugeben, es wohl noch ſtraffer anzogen, wenigſtens feſt- hielten bis am Ende jetzt auch ſie das: „zu ſpät!“ nöthigen wird das Un- leidliche zu übernehmen, d. h. auch die Einbuße des ſonſt haltbaren Rechts und der billigen Entſchädigung. So ſind wir z. B. überzeugt daß es unmöglich ſeyn wird jetzt noch auch nur für ein Jahr die verderblichen Jagdrechte aufrechtzuerhalten, und gerade deren mehr als ſtrenge Handhabung in jenen Gegenden hat die armen Grund- holden am meiſten erbittert. Es ſcheint aber auch noch in jenen Ge- genden eine Erinnerung deſſen was vor 300 Jahren geſchehen zu leben, und dann wird die Erſcheinung noch tragiſcher, weil jetzt die- jenigen welche die damals ihren Vorbeſitzern auferlegte unpolitiſche Strafe bis jetzt, ſie die ſeit 300 Jahren Unſchuldigen, getragen und gebüßt haben, von den nicht ſchuldigen Nachbeſitzern derer die vor 300 Jahren die Strafe auferlegten, ebenſo unpolitiſch als ungerecht die Sühne des langen Unrechts einfordern. Hoffen wir daß es ge- lingen wird die Bewegung zu dämpfen und daß die Grundherren nunmehr lernen mögen was an der Zeit ſey — dasſelbe was ihnen in Darmſtadt als ſie Repreſſionshülfe nachſuchten ſehr praktiſch erwidert wurde: durch gerichtliche Abhülfe der Beſchwerden Sicherheit und Ordnung herzuſtellen. Bemerkenswerth iſt daß die Banden überall ihre Anhänglichkeit an die badiſche Regierung zu erkennen geben und bei den Vernichtungen mit: Es lebe der Großherzog! zu Werke gehen. Als vor einigen Tagen einem ſolchen Haufen der Poſtwagen von Wert- heim begegnete, hielt man ihn an und frug weſſen die Poſt und der Wagen ſey; auf die Antwort: großherzoglich, ließ man ihn ungehin- dert ziehen. Gr. Heſſen. Darmſtadt, 8 März.In der geſtrigen Sitzung der Kammern hat v. Gagern uns in einer längeren Rede viele erfreuliche Ausſichten geboten: er wird unverzüglich einen Geſetzentwurf vorbereiten laſſen, nach welchem die Verſchiedenheit der Religion keine Beſchränkung politiſcher oder bürgerlicher Rechte zur Folge hat; die Regierung wird Vorlagen machen bei denen ihr Beſtreben iſt in Einverſtändniß mit den Ständen alle Feudallaſten zu beſeitigen, die Privilegien einzelner Claſſen aufzuheben und alle Staatsangehörigen vor dem Geſetz unbe- dingt gleichzuſtellen. Das Militär iſt bereits auf die Verfaſſung be- eidigt. Unter den bei der zweiten Ständekammer eingelaufenen Peti- tionen vom platten Lande befindet ſich auch eine aus dem Odenwald welche mit mehr als 1000 Unterſchriften bedeckt iſt, und welche unter ihren zehn Forderungen die Abſchaffung aller ſtandesherrlichen Rechte gleich obenan ſtellt. Die ſtandesherrlichen Bezirke des Großherzog- thums ſind aber auch gerade diejenigen welche ſich in der gedrückteſten Lage befinden, weil ſie doppelt belaſtet ſind, und ſich ihrer Verbindlich- keiten gegen die Grundherrſchaft und den Staat kaum zu entledigen wiſſen. (Heſſ. Bl.) ⊙ Darmſtadt, 10 März.Aus allen Theilen unſerer oberheſ- ſiſchen Provinz gehen Deputationen nach Darmſtadt ab um dem Groß- herzog und Erbgroßherzog zu danken. Unſere braven Leute haben hierin offenbar mit dem guten Tact eines geſunden Herzens das richtige Mittel gefunden zu zeigen daß ſie keine Revolution, ſondern Reform wollten. Leider miſcht ſich indeß auch in unſere Freiheitsbewegung ein Element, deſſen Zurückdrängung allen Wohlgeſinnten entſchiedene Ge- wiſſensſache iſt. Mit roher Gewalt haben die Landleute z. B. in Mör- felden den Förſter und ſeine Schützen vertrieben. Die Klagen dieſer Leute über bisherige rückſichtsloſe Handhabung der Forſtpolizei ſind ge- wiß gerecht, aber der Weg auf dem ſie ihre Klagen geltend machen iſt durchaus verwerflich. Bereits hat in richtiger Erkenntniß des Nöthi- gen die Regierung angeordnet daß die Forſtbeamten inskünftige weder kleine Waldfrevel zur Anzeige, noch Denunciationsgebühren beziehen ſollen, und daran daß ſie die Nöthen des Landmanns noch weiter berück- ſichtigen wird, iſt nicht zu zweifeln. Mögen die Landleute, wo ſie ge- drückt ſind, ſich verſammeln und das volle Petitionsrecht ausüben, als- dann wird ihnen Abhülfe auf dem Wege der Reform nicht entſtehen. Das ſahen wir an den Landleuten welche ſo eben in Maſſe hierher ka- men, ihre Beſchwerden vorbrachten und in anſtändiger Haltung vor dem Sitzungslocal der Oberforſtdirection Front machten, bis ihnen vom Mi- niſter des Innern und von einem Mitgliede der Oberforſtbehörde genü- gende Antwort gegeben ward. Freie Städte. || Frankfurt a. M., 10 März.Zuver- läſſigem Vernehmen nach hat ſich die Bundesverſammlung geſtern für Annahme der ſchwarz-roth goldnen Farben als Bundesfarben und des Doppeladlers als Bundeswappen entſchieden. — Man will hier wiſſen Staatsrath Nebenius habe die Ernennung zum badiſchen Bundestags- geſandten nicht angenommen, und die Wahl werde nun auf einen der Koryphäen der badiſchen Kammer-Oppoſition fallen. Man ſieht noch weitern Aenderungen im Perſonal der Bundestagsgeſandtſchaften ent- gegen. In Bockenheim ſieht es ſeit mehreren Tagen ganz kriegeriſch aus. Ein großer Theil der ſtreitbaren Bevölkerung rüſtet ſich den Ha- nauern Hülfe zu bringen falls nicht bis Sonntag eine entſchieden gün- ſtige Erklärung des Kurfürſten erfolgt. — Nachſchrift. Der Kurfürſt hat die nach Kaſſel geſandten Deputirten Mackcldey und v. Schenk ohne Antwort zurückgeſchickt. Die Stimmung im benachbarten kurheſſiſchen Gebiet wird als im höchſten Grade aufgeregt geſchildert. Preußen. ⊙ Köln, 9 März.Hr. v. Camphauſen iſt von Berlin zurückgekehrt. So eben zog eine große Zahl der anſtändigſten Bürger von der Börſe aus nach ſeiner Wohnung, um ihren Abgeordneten zu be- willkommnen und ihm ihren Dank darzubringen. Camphauſen dankte in einer Rede worin er ſagte: daß der Ausdruck der öffentlichen Mei- nung hinſichtlich des Strafgeſetzes nicht wirkungskos geweſen ſey, und auch nicht geweſen ſeyn würde, wenn auch die letzten Weltereigniſſe nicht eingetreten wären. Er ermahnte weiter zu bauen an unſern öf- fentlichen Einrichtungen, aber nicht das Haus umzureißen, ſon- dern auf der gegebenen Grundlage fortzubauen. Er erin- nerte daran daß er ſchon neulich auf die Nothwendigkeit hingedeutet daß der deutſche Bund volksmäßig umgeſtaltet würde, und ſchloß mit dem Wunſche daß Deutſchland im Weſten geachtet und im Oſten ge- fürchtet werden möge. Es wurde ihm ein wiederholtes herzliches Hoch dargebracht. Zur Erläuterung ſeiner Anſprache iſt es nöthig zu wiſſen daß die Aufregung hier einen bedenklichen Grad erreicht hat. Es

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-08-16T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848, S. 1156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine73_1848/4>, abgerufen am 17.09.2024.