Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848.[Spaltenumbruch]
Verantwortlichkeit der Verfasser, Drucker und Verleger für alle Druck- *** Hannover, 7 März. Magistrat und Bürgerrepräsen- H. Braunschweig. [] Braunschweig, 6 März. Die großen *** Breslau, 7 März. Der gestrige Tag war ein Tag der Un- *) Seitdem ist der Bundesbeschluß vom 3 März erschienen.
[Spaltenumbruch]
Verantwortlichkeit der Verfaſſer, Drucker und Verleger für alle Druck- *** Hannover, 7 März. Magiſtrat und Bürgerrepräſen- H. Braunſchweig. [] Braunſchweig, 6 März. Die großen *** Breslau, 7 März. Der geſtrige Tag war ein Tag der Un- *) Seitdem iſt der Bundesbeſchluß vom 3 März erſchienen.
<TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div type="jArticle" n="5"> <p><pb facs="#f0019"/><cb/> Verantwortlichkeit der Verfaſſer, Drucker und Verleger für <hi rendition="#g">alle</hi> Druck-<lb/> ſchriften beſtimmt, feſtgeſetzt daß alle Druckſachen den Namen des<lb/> Druckers und (wenn ſie einen ſolchen haben) des Verlegers angeben<lb/> müſſen; als Mißbrauch der Preſſe die Verletzung der dem deutſchen<lb/> Bunde und deſſen einzelnen Gliedern ſchuldigen Rückſicht bezeichnet,<lb/> und auf Uebertretung dieſer Anordnungen außer den geſetzlichen Stra-<lb/> fen Entziehung der Conceſſion geſetzt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="5"> <dateline>*** <hi rendition="#b">Hannover,</hi> 7 März.</dateline> <p>Magiſtrat und Bürgerrepräſen-<lb/> tanten haben geſtern dem König eine Adreſſe überreicht, in wel-<lb/> cher ſie als ihre dringendſten Wünſche die ſofortige Einberufung der<lb/> Stände, Benützung des vom Bunde eingeräumten Rechts zur Einfüh-<lb/> rung der Preßfreiheit und Mitwirkung des Königs zu einer Ständever-<lb/> tretung am Bunde ausſprechen. Der König, faſt beſtändig kränkelnd,<lb/> nahm die erſt gegen Abend ſich meldende Deputation nicht perſönlich an;<lb/> man hatte auch gar nicht darauf gerechnet und deßhalb nur die beiden<lb/> Präſidenten der Stadtbehörde mit der Adreſſe abgeſchickt. Dieſer erſte<lb/> Schritt ſollte wohl ein ſchneller ſeyn, man glaubte unter der täglich ſtei-<lb/> genden Fluth beſorglicher Gerüchte ein Lebenszeichen geben zu müſſen:<lb/> aus Sachſen droht eine zürnende Volksmiene, aus Hamburg kam der<lb/> Bericht von Angriffen auf „einzelne Häuſer“, wie die republicaniſche<lb/> Preſſe Hamburgs ſich ausdrückt, um nicht ſagen zu müſſen auf die Häu-<lb/> ſer des Bürgermeiſters Kellinghuſen, des Senators u. ſ. w.; aus<lb/> Braunſchweig brachte der Sonntagszug die Nachricht von einer ſo eben<lb/> vollendeten großen Demonſtration. Der Herzog hatte vor dem Portal<lb/> ſeiner Wohnung zu der Bürgerverſammlung geſprochen, er hatte ſich<lb/> mit allen Wünſchen derſelben einverſtanden erklärt, ſobald es auch die<lb/> Stände wären, die er ſofort darum befragen wolle. Nur Einen Wunſch<lb/> ſoll er beſtimmt und entſchieden abgelehnt haben, den: ein Ehebündniß<lb/> zu ſchließen. Eine etwanige Descendenz ſey einer ſo ungewiſſen Zukunft<lb/> ausgeſetzt daß, wenn keine vollſtändigen Garantien einträten, er feſt ent-<lb/> ſchloſſen ſey ſich niemals zu verheirathen. Auf Hannover zurückzukom-<lb/> men: dieſe Bewegung rings um uns her und die erſten Spuren von<lb/> Reformwünſchen in der Provinz des eigenen Landes haben den Magi-<lb/> ſtrat getrieben einſtweilen etwas zu erbitten, wovon die Einberufung der<lb/> Stände, wie ich höre, ſchon vorgeſtern auf den 14 d. M. beſchloſſen war.<lb/> Weitere ſehr zahlreiche Wünſche und Klagen ſoll nun heute eine gemein-<lb/> ſchaftliche Commiſſion von Mitgliedern des Magiſtrats und der Stadt-<lb/> verordneten niederſchreiben, unter denen hoffentlich und wahrſcheinlich<lb/> auch der auf Herſtellung eines verfaſſungsmäßigen Rechtszuſtands nicht<lb/> fehlen wird. (Die ablehnende Antwort des Königs haben wir geſtern<lb/> ſchon mitgetheilt.)</p> </div> </div><lb/> <div n="4"> <head>H. <hi rendition="#g">Braunſchweig.</hi></head><lb/> <div type="jArticle" n="5"> <dateline><supplied>&#xfffc;</supplied><hi rendition="#b">Braunſchweig,</hi> 6 März.</dateline> <p>Die großen<lb/> Ereigniſſe in Frankreich welche elektriſch die Welt durchzucken, haben<lb/> auch uns nicht ganz unberührt gelaſſen. 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In der am verfloſſenen Freitag (3) ſtattgehabten<lb/> Sitzung des hieſigen Bürgervereins hatte ſich außer den Mitgliedern<lb/> eine große Menge von Bürgern und Einwohnern eingefunden. Von<lb/> einem Mitglied wurde der Antrag geſtellt dem Herzog eine deßfallſige<lb/> Bittſchrift zu überreichen, und dieſe wurde, nachdem der Bürgerverein als<lb/> ſolcher ſeine Sitzung aufgehoben hatte, von der Verſammlung einſtim-<lb/> mig angenommen, und beſchloſſen daß die Bittſchrift am anderen Tag<lb/> in demſelben Local zur Unterſchrift ausgelegt und dann durch eine zu<lb/> dieſem Zweck erwählte Deputation dem Miniſterium überreicht werden<lb/> ſolle. Als dieſe aber nach vollendeter Verſammlung die Adreſſe ent-<lb/> werfen wollte, fanden zwiſchen ihr und vielen welche der Verſamm-<lb/> lung beigewohnt hatten, noch weitere Beſprechungen ſtatt, in Folge<lb/> deren man der Anſicht war daß man weiter gehen müſſe. Es wurde<lb/> daher auf der Stelle eine Eingabe an dem Herzog entworfen, worin<lb/> derſelbe gebeten wurde: 1) um allgemeine Bürgerbewaffnung; 2) um<lb/><cb/> Oeffentlichkeit der Verhandlungen der Staats- und Gemeindeverwal-<lb/> tung, ſowie des Gerichtsverfahrens mit Schwurgerichten; 3) um Preß-<lb/> freiheit und einſtweilige Aufhebung der Cenſur; 4) um Mitwirkung<lb/> dazu daß die Völker beim deutſchen Bund mit vertreten würden; 5) um<lb/> Mitwirkung bei der nächſten Zollconferenz behufs einer mercantiliſchen<lb/> Vereinigung von ganz Deutſchland; 6) möglichſtbaldige Zuſammen-<lb/> berufung eines außerordentlichem Landtags. Am 4 d. M. Vormittags<lb/> 11 Uhr war der große Saal im mediciniſchen Garten gedrängtvoll von<lb/> Männern aus den verſchiedenſten Ständen, und die Bittſchrift wurde<lb/> einſtimmig genehmigt. Ueber die Frage jedoch, ob dieſelbe durch die<lb/> geſtern erwählte Deputation übergeben werden ſolle, erhoben ſich Debatten,<lb/> indem einige Anweſende es für beſſer hielten daß man den Magiſtrat<lb/> auffordere ſich zum Organ der allgemeinen Wünſche bei dem Herzog<lb/> zu machen. Bei der allgemein herrſchenden lebhaften Aufregung war<lb/> man allerdings mehr zu raſchen Schritten geneigt, allein die dem Braun-<lb/> ſchweiger eigenthümliche Beſonnenheit machte ſich doch geltend, und man<lb/> verſchob den Beſchluß bis zu einer auf den Abend anberaumten Ver-<lb/> ſammlung, bis wohin die Deputation ſich mit dem Magiſtrat und den<lb/> Stadtverordneten beſprechen wollte. In dieſer Verſammlung berichtete<lb/> die Deputation daß auch inmitten dieſer Behörden die Wünſche der<lb/> Bürgerſchaft zur Beſprechung gekömmen ſeyen und dieſelben Sonntag<lb/> den 5 ſich über eine deßfallſige Eingabe an den Landesfürſten verein-<lb/> baren würden, die wahrſcheinlich von der hier beſchloſſenen nicht weſent-<lb/> lich abweichen dürfte, und daß dann beide Eingaben durch vereinigte<lb/> Deputationen übergeben werden könnten. Am Sonntag fand ſich wieder<lb/> eine große Verſammlung in dem bisherigen Locale zuſammen und die<lb/> Petition wurde von Tauſenden unterſchrieben. Mittags wurde ange-<lb/> kündigt daß der Magiſtrat und die Stadtverordneten in allen Punkten<lb/> mit dem Inhalt der obigen Eingabe übereinſtimmten und es wurde eine<lb/> dieſelbe zu begleiten beſtimmte Vorſtellung derſelben an den Herzog vor-<lb/> geleſen welche, in kräftigen einfachen Worten alle jene Wünſche und<lb/> Anträge befürwortend, mit dem größten Beifall aufgenommen wurde.<lb/> Nun begab ſich die erwählte Deputation mit der von den Stadtbehörden<lb/> erwählten, beſtehend aus aus dem Stadtdirector und zwei Stadtverord-<lb/> neten auf das Schloß wo ſie, von dem Herzog freundlich empfangen, die<lb/> Bittſchriften übergaben. Der Herzog ging ſogleich die darin ent-<lb/> haltenen Punkte mit ihnen durch und erklärte zu 1) daß die Bürger-<lb/> garden noch geſetzlich beſtänden, ſofort das Erforderliche, namentlich<lb/> wegen Verbeſſerung ihres ungenügenden Reglements, an Magiſtrat<lb/> und Stadtverordnete erlaſſen werden ſolle; 2) daß Se. Hoh. der Oeffent-<lb/> lichkeit geneigt wäre und den Landſtänden das Erforderliche vorgelegt<lb/> werden ſolle. 3) In dieſer Beziehung ſey der Beſchluß des Bundes und<lb/> was die größeren Bundesſtaaten thun würden, abzuwarten.<note place="foot" n="*)">Seitdem iſt der Bundesbeſchluß vom 3 März erſchienen.</note> 4)<lb/> Hierüber werde, da der Herzog zu einer ſofortigen Erklärung nicht ge-<lb/> nug vorbereitet ſey, weiterer Beſcheid vorbehalten. 5) Hiezu ſcheine die<lb/> jetzige unruhige Zeit nicht geeignet. 6) Hierüber werde der Herzog ſich<lb/> von den Miniſtern Vortrag machen laſſen. Am Schluß äußerte der-<lb/> ſelbe daß nunmehr weitere Volksverſammlungen — die man regel-<lb/> mäßig abzuhalten beſchloſſen hatte — nicht erforderlich ſchienen, daß aber<lb/> nichts dagegen zu erinnern ſey wenn der Bürgerverrin, der ſtets das<lb/> Vertrauen Sr. Hoh. beſeſſen, ſich künftig auch mit politiſchen Gegen-<lb/> ſtänden beſchäftigte. Dieſes von der Deputation der Verſammlung,<lb/> welche ihre Rückkehr erwartete, mitgetheilte Ergebniß erregte allgemeine<lb/> Befriedigung, und wenn nur erſt die Bürgerbewaffnung und die Ein-<lb/> berufung der Ständeverſammlung erfolgt ſeyn wird, ſo leidet es keinen<lb/> Zweifel daß wir auf friedlichem und geſetzlichen Wege alles erlangen<lb/> werden, was wir billigerweiſe wünſchen können die bei den letzten Stände-<lb/> verſammlung zwiſchen dieſer und der Regierung ausgebrochenen Zer-<lb/> würfniſſe werden namentlich ſehr leicht zu beſeitigen ſeyn. Dem Buch-<lb/> händler Vieweg iſt die Conceſſion zu einer Zeitung ertheilt, wovon in<lb/> dieſen Tagen die Probeblätler erſcheinen werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="5"> <dateline>*** <hi rendition="#b">Breslau,</hi> 7 März.</dateline> <p>Der geſtrige Tag war ein Tag der Un-<lb/> ruhe und des Schreckens. 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Verantwortlichkeit der Verfaſſer, Drucker und Verleger für alle Druck-
ſchriften beſtimmt, feſtgeſetzt daß alle Druckſachen den Namen des
Druckers und (wenn ſie einen ſolchen haben) des Verlegers angeben
müſſen; als Mißbrauch der Preſſe die Verletzung der dem deutſchen
Bunde und deſſen einzelnen Gliedern ſchuldigen Rückſicht bezeichnet,
und auf Uebertretung dieſer Anordnungen außer den geſetzlichen Stra-
fen Entziehung der Conceſſion geſetzt.
*** Hannover, 7 März.Magiſtrat und Bürgerrepräſen-
tanten haben geſtern dem König eine Adreſſe überreicht, in wel-
cher ſie als ihre dringendſten Wünſche die ſofortige Einberufung der
Stände, Benützung des vom Bunde eingeräumten Rechts zur Einfüh-
rung der Preßfreiheit und Mitwirkung des Königs zu einer Ständever-
tretung am Bunde ausſprechen. Der König, faſt beſtändig kränkelnd,
nahm die erſt gegen Abend ſich meldende Deputation nicht perſönlich an;
man hatte auch gar nicht darauf gerechnet und deßhalb nur die beiden
Präſidenten der Stadtbehörde mit der Adreſſe abgeſchickt. Dieſer erſte
Schritt ſollte wohl ein ſchneller ſeyn, man glaubte unter der täglich ſtei-
genden Fluth beſorglicher Gerüchte ein Lebenszeichen geben zu müſſen:
aus Sachſen droht eine zürnende Volksmiene, aus Hamburg kam der
Bericht von Angriffen auf „einzelne Häuſer“, wie die republicaniſche
Preſſe Hamburgs ſich ausdrückt, um nicht ſagen zu müſſen auf die Häu-
ſer des Bürgermeiſters Kellinghuſen, des Senators u. ſ. w.; aus
Braunſchweig brachte der Sonntagszug die Nachricht von einer ſo eben
vollendeten großen Demonſtration. Der Herzog hatte vor dem Portal
ſeiner Wohnung zu der Bürgerverſammlung geſprochen, er hatte ſich
mit allen Wünſchen derſelben einverſtanden erklärt, ſobald es auch die
Stände wären, die er ſofort darum befragen wolle. Nur Einen Wunſch
ſoll er beſtimmt und entſchieden abgelehnt haben, den: ein Ehebündniß
zu ſchließen. Eine etwanige Descendenz ſey einer ſo ungewiſſen Zukunft
ausgeſetzt daß, wenn keine vollſtändigen Garantien einträten, er feſt ent-
ſchloſſen ſey ſich niemals zu verheirathen. Auf Hannover zurückzukom-
men: dieſe Bewegung rings um uns her und die erſten Spuren von
Reformwünſchen in der Provinz des eigenen Landes haben den Magi-
ſtrat getrieben einſtweilen etwas zu erbitten, wovon die Einberufung der
Stände, wie ich höre, ſchon vorgeſtern auf den 14 d. M. beſchloſſen war.
Weitere ſehr zahlreiche Wünſche und Klagen ſoll nun heute eine gemein-
ſchaftliche Commiſſion von Mitgliedern des Magiſtrats und der Stadt-
verordneten niederſchreiben, unter denen hoffentlich und wahrſcheinlich
auch der auf Herſtellung eines verfaſſungsmäßigen Rechtszuſtands nicht
fehlen wird. (Die ablehnende Antwort des Königs haben wir geſtern
ſchon mitgetheilt.)
H. Braunſchweig.
 Braunſchweig, 6 März.Die großen
Ereigniſſe in Frankreich welche elektriſch die Welt durchzucken, haben
auch uns nicht ganz unberührt gelaſſen. Mit der größten Spannung
harrte man auf die Blätter die uns die neueſten Nachrichten aus
Frankreich bringen, und ſelbſt ſolche Leute die ſonſt den Blick nicht
über das Alltagsleben hinausrichten, waren von der allgemeinen
Stimmung ergriffen. Eingedenk des Jahrs 1830, wo die Volks-
wuth ſich nicht bloß gegen einen Fürſten gerichtet hatte dem weder Ver-
faſſung, noch Geſetz, noch Sitte heilig ſchien, ſondern, weit darüber hin-
ausgehend, ſich die unteren Schichten der Bevölkerung drohend gegen
Leben, Eigenthum uns alle geſetzliche Ordnung erheben zu wollen
ſchienen, und damals eine Bürgergarde hier wie in allen Städten
des Landes errichtet, ſpäter aber wieder entwaffnet wurde, ſprach ſich
ſchon in der verfloſſenen Woche allgemein der Wunſch aus daß dieſe
Bürgergarde ihre Waffen wieder erhalten und ſofort wieder ins Leben ge-
rufen werden möchte. In der am verfloſſenen Freitag (3) ſtattgehabten
Sitzung des hieſigen Bürgervereins hatte ſich außer den Mitgliedern
eine große Menge von Bürgern und Einwohnern eingefunden. Von
einem Mitglied wurde der Antrag geſtellt dem Herzog eine deßfallſige
Bittſchrift zu überreichen, und dieſe wurde, nachdem der Bürgerverein als
ſolcher ſeine Sitzung aufgehoben hatte, von der Verſammlung einſtim-
mig angenommen, und beſchloſſen daß die Bittſchrift am anderen Tag
in demſelben Local zur Unterſchrift ausgelegt und dann durch eine zu
dieſem Zweck erwählte Deputation dem Miniſterium überreicht werden
ſolle. Als dieſe aber nach vollendeter Verſammlung die Adreſſe ent-
werfen wollte, fanden zwiſchen ihr und vielen welche der Verſamm-
lung beigewohnt hatten, noch weitere Beſprechungen ſtatt, in Folge
deren man der Anſicht war daß man weiter gehen müſſe. Es wurde
daher auf der Stelle eine Eingabe an dem Herzog entworfen, worin
derſelbe gebeten wurde: 1) um allgemeine Bürgerbewaffnung; 2) um
Oeffentlichkeit der Verhandlungen der Staats- und Gemeindeverwal-
tung, ſowie des Gerichtsverfahrens mit Schwurgerichten; 3) um Preß-
freiheit und einſtweilige Aufhebung der Cenſur; 4) um Mitwirkung
dazu daß die Völker beim deutſchen Bund mit vertreten würden; 5) um
Mitwirkung bei der nächſten Zollconferenz behufs einer mercantiliſchen
Vereinigung von ganz Deutſchland; 6) möglichſtbaldige Zuſammen-
berufung eines außerordentlichem Landtags. Am 4 d. M. Vormittags
11 Uhr war der große Saal im mediciniſchen Garten gedrängtvoll von
Männern aus den verſchiedenſten Ständen, und die Bittſchrift wurde
einſtimmig genehmigt. Ueber die Frage jedoch, ob dieſelbe durch die
geſtern erwählte Deputation übergeben werden ſolle, erhoben ſich Debatten,
indem einige Anweſende es für beſſer hielten daß man den Magiſtrat
auffordere ſich zum Organ der allgemeinen Wünſche bei dem Herzog
zu machen. Bei der allgemein herrſchenden lebhaften Aufregung war
man allerdings mehr zu raſchen Schritten geneigt, allein die dem Braun-
ſchweiger eigenthümliche Beſonnenheit machte ſich doch geltend, und man
verſchob den Beſchluß bis zu einer auf den Abend anberaumten Ver-
ſammlung, bis wohin die Deputation ſich mit dem Magiſtrat und den
Stadtverordneten beſprechen wollte. In dieſer Verſammlung berichtete
die Deputation daß auch inmitten dieſer Behörden die Wünſche der
Bürgerſchaft zur Beſprechung gekömmen ſeyen und dieſelben Sonntag
den 5 ſich über eine deßfallſige Eingabe an den Landesfürſten verein-
baren würden, die wahrſcheinlich von der hier beſchloſſenen nicht weſent-
lich abweichen dürfte, und daß dann beide Eingaben durch vereinigte
Deputationen übergeben werden könnten. Am Sonntag fand ſich wieder
eine große Verſammlung in dem bisherigen Locale zuſammen und die
Petition wurde von Tauſenden unterſchrieben. Mittags wurde ange-
kündigt daß der Magiſtrat und die Stadtverordneten in allen Punkten
mit dem Inhalt der obigen Eingabe übereinſtimmten und es wurde eine
dieſelbe zu begleiten beſtimmte Vorſtellung derſelben an den Herzog vor-
geleſen welche, in kräftigen einfachen Worten alle jene Wünſche und
Anträge befürwortend, mit dem größten Beifall aufgenommen wurde.
Nun begab ſich die erwählte Deputation mit der von den Stadtbehörden
erwählten, beſtehend aus aus dem Stadtdirector und zwei Stadtverord-
neten auf das Schloß wo ſie, von dem Herzog freundlich empfangen, die
Bittſchriften übergaben. Der Herzog ging ſogleich die darin ent-
haltenen Punkte mit ihnen durch und erklärte zu 1) daß die Bürger-
garden noch geſetzlich beſtänden, ſofort das Erforderliche, namentlich
wegen Verbeſſerung ihres ungenügenden Reglements, an Magiſtrat
und Stadtverordnete erlaſſen werden ſolle; 2) daß Se. Hoh. der Oeffent-
lichkeit geneigt wäre und den Landſtänden das Erforderliche vorgelegt
werden ſolle. 3) In dieſer Beziehung ſey der Beſchluß des Bundes und
was die größeren Bundesſtaaten thun würden, abzuwarten. *) 4)
Hierüber werde, da der Herzog zu einer ſofortigen Erklärung nicht ge-
nug vorbereitet ſey, weiterer Beſcheid vorbehalten. 5) Hiezu ſcheine die
jetzige unruhige Zeit nicht geeignet. 6) Hierüber werde der Herzog ſich
von den Miniſtern Vortrag machen laſſen. Am Schluß äußerte der-
ſelbe daß nunmehr weitere Volksverſammlungen — die man regel-
mäßig abzuhalten beſchloſſen hatte — nicht erforderlich ſchienen, daß aber
nichts dagegen zu erinnern ſey wenn der Bürgerverrin, der ſtets das
Vertrauen Sr. Hoh. beſeſſen, ſich künftig auch mit politiſchen Gegen-
ſtänden beſchäftigte. Dieſes von der Deputation der Verſammlung,
welche ihre Rückkehr erwartete, mitgetheilte Ergebniß erregte allgemeine
Befriedigung, und wenn nur erſt die Bürgerbewaffnung und die Ein-
berufung der Ständeverſammlung erfolgt ſeyn wird, ſo leidet es keinen
Zweifel daß wir auf friedlichem und geſetzlichen Wege alles erlangen
werden, was wir billigerweiſe wünſchen können die bei den letzten Stände-
verſammlung zwiſchen dieſer und der Regierung ausgebrochenen Zer-
würfniſſe werden namentlich ſehr leicht zu beſeitigen ſeyn. Dem Buch-
händler Vieweg iſt die Conceſſion zu einer Zeitung ertheilt, wovon in
dieſen Tagen die Probeblätler erſcheinen werden.
*** Breslau, 7 März.Der geſtrige Tag war ein Tag der Un-
ruhe und des Schreckens. Geſtern Abend um 7 Uhr ſollte in dem Win-
tergarten eine große Verſammlung von 2 bis 3000 Perſonen ſtattfin-
den, in welcher die Punkte feſtgeſtellt werden ſollten um deren Gewäh-
rung man Se. Maj. zu bitten ſich anſchickte. Wie es heißt, wollte man
vorzüglich auf unbedingte Preßfreiheit, ſofortige Einberufung der Reichs-
ſtände, auf Reducirung des Militäretats, auf Bewaffnung aller Bür-
ger ꝛc. antragen. Nachmittags um 4 Uhr wurde eine Bekanntmachung
*) Seitdem iſt der Bundesbeſchluß vom 3 März erſchienen.
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(2021-08-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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