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Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848.

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[Spaltenumbruch] kurz alle diejenigen Materien über die der Papst ex cathedra entschei-
det, könnten sehr wohl durch diese Kammer, welche der ehrwürdige
Wächter des Dogma und der Kirche sey, discutirt werden. Schließlich
wird dem P. Ventura trotz aller seiner Verwahrungen der Vorwurf
des Kastengeistes gemacht und an seine Thätigkeit als Redacteur der
Enciclopedia morale e religiosa erinnert, die in dem verhängniß-
vollen Jahr 1821 in Neapel gedruckt wurde.

Der Cardinal Ferretti soll in Ravenna bei-
nahe gesteinigt worden seyn, angeblich weil er tricolore Cocarden die man
ihm zugesandt hatte zum Schmuck seiner Pferde verwandt habe. Sonst
auch sieht es in der Romagna sehr schlimm aus. Die Wechselmorde wer-
den immer häufiger. Das Verlangen nach der Constitution macht sich
immer lebhafter vernehmbar. Zum Glück wird dasselbe allernächst be-
friedigt werden, indem die Arbeiten der Verfassungscommission bereits
gestern zum Abschluß gekommen seyn sollen, und man daher heute oder
morgen eine deßfallsige Bekanntmachung erwartet. -- Der Tesoriere hat
einen Befehl erlassen, demzufolge die Fünffrankenstücke und die Napo-
leons, jedes um einen Bajocco im Curs, hinaufgesetzt werden. Man
hofft dadurch der Ausführung dieser Münzsorten nach denjenigen Staa-
ten wo sie höhere Geltung haben, einigermaßen Gränzen zu setzen. Ge-
genwärtig befinden sich diese Münzsorten fast immer auf dem Durchzug.
Andere bessere Münzsorten wie Colonnaten, ältere Scudi u. dgl. sind fast
ganz verschwunden. Die neuen Münzen sollen nun auch nach einem
andern System ausgeprägt werden. -- Das Präventivum für 1848 soll
nächstens durch den Druck bekannt gemacht werden. -- Heute wird das
Urtheil über den Paridisischen Incidenzfall gefällt werden, welcher sich
mit der Frage beschäftigt ob ein unter der Censur veröffentlichtes Libell
criminellen Recurs zuläßt?

Türkei.

Feste und wieder Feste, darum
drehen sich jetzt fast alle unsere Berichte; glückliches Land! Vorigen
Donnerstag feierte man den Jahrestag der Geburt des Propheten
(Mewlud). Schon am Vorabend kündigten zahlreiche Salven der Bat-
terien und Kriegsschiffe und Beleuchtung der Moscheen und übrigen
öffentlichen Gebäude das Fest an. Donnerstag Morgens begab sich
der Großherr in großer Ceremonie, umgeben von seinem Hosstaat, sei-
nen Ministern, den Oberofficieren der Linie und Marine, nebst den
höchsten Civilbeamten und Ulemas aus dem Serai von Topkapu in
die Moschee Sultan Achmeds, um der Ablesung des Lebenslaufes Mo-
hammeds beizuwohnen. Der Sultan trug auf seiner Brust die Denk-
[Spaltenumbruch] münze die zur Erinnerung an die Unterwerfung Kurdistans geprägt
wurde. Sie zeigt auf einer Seite die Chiffre des Sultans, auf der
andern eine Landschaft, die Gebirge Kurdistans vorstellend. Auch der
Großwessier und Seriasker waren damit decorirt. Der päpstliche Nun-
cius sah vom Serai aus, wo man mehrere Gemächer zur Verfügung
des diplomatischen Corps gestellt hatte, den Zug mit an. An die Of-
ficiere der Armee von Albanien sowie des Blokadegeschwaders wurden
kürzlich eine Menge Ehrensäbel und andere Gratificationen vertheilt.
Die Sultanin-Mutter war in voriger Woche bedeutend unwohl, be-
findet sich nun aber wieder besser. Letzten Sonntag assistirte Mons.
Ferrieri einer Messe im Kloster S. Pietro in Galata. Am Eingang
ins Kloster hatte man einen großen Triumphbogen erbaut und mit
Fahnen, Inschriften u. s. w. verziert. Die dreifarbige Nationalfahne
flatterte mitten über der Straße an den Giebeln zweier Häuser be-
festigt. Daß hauptsächlich die hiesige italienische Colonie sich wieder
an dieser Feier betheiligte, versteht sich von selbst. Man sah aber auch
andere, namentlich Juden und Jüdinnen, gleichfalls mit der dreifar-
bigen Cocarde geschmückt, nicht blos an den Evviva's für Pio IX bei
Ankunft des Nuncius lebhaften Antheil nehmen, sondern sogar der Messe
selbst beiwohnen. Nach Beendigung der Messe gab man dem Nuncius
im Kloster ein Frühstück, zu dem auch der sardinische Geschäftsträger so-
wie das gesammte Gesandtschaftspersonal nebst einigen andern Herrn
geladen waren. Der Speisesaal war mit den Bildnissen Pius IX und
Karl Alberts sowie mit den römischen und sardinischen Fahnen und ver-
schiedenen Inschriften geschmückt. An die Armen wurden Speisen und
Geld vertheilt. Auf dem Wege nach dem Kloster widerfuhr indeß dem
Nuncius, wie man versichert, eine kleine Unannehmlichkeit. Mehrere
Individuen griechischer Nation sollen versucht haben faule Früchte in
seinen Wagen zu werfen. Thatsache ist daß der Gesandte des Papstes
in nicht unbedeutendem Grad die Aufmerksamkeit der schismatisch-
armenischen und griechischen Bevölkerung erregt und, wie es scheint,
einige Unruhe verursacht. Was will er, was macht er hier? kann man
oft angelegentlich fragen hören. -- Zu dem großen Gastmahl das in
voriger Woche die hiesige italienische Colonie gab (der Nuncius nahm
nicht Theil daran), hatte man auch einen Corsen und einen Malteser
eingeladen. Auch die getrennten und halb entfremdeten Bruchtheile der
Nation sollen wieder mit dem Ganzen sich einen. Hat Deutschland
nicht auch mehr als ein Glied das leider getrennt und zu Fremdem ge-
fügt ist? Alle andern denken, wie man sieht, an Einigung und festere
Bindung, solls Deutschland nicht? -- Cholerafälle kommen noch hier
vor, es ist auch nicht wahrscheinlich daß die Seuche jetzt schon gauz
hier erlöschen wird.



[irrelevantes Material]

[Spaltenumbruch] kurz alle diejenigen Materien über die der Papſt ex cathedra entſchei-
det, könnten ſehr wohl durch dieſe Kammer, welche der ehrwürdige
Wächter des Dogma und der Kirche ſey, discutirt werden. Schließlich
wird dem P. Ventura trotz aller ſeiner Verwahrungen der Vorwurf
des Kaſtengeiſtes gemacht und an ſeine Thätigkeit als Redacteur der
Enciclopedia morale e religiosa erinnert, die in dem verhängniß-
vollen Jahr 1821 in Neapel gedruckt wurde.

Der Cardinal Ferretti ſoll in Ravenna bei-
nahe geſteinigt worden ſeyn, angeblich weil er tricolore Cocarden die man
ihm zugeſandt hatte zum Schmuck ſeiner Pferde verwandt habe. Sonſt
auch ſieht es in der Romagna ſehr ſchlimm aus. Die Wechſelmorde wer-
den immer häufiger. Das Verlangen nach der Conſtitution macht ſich
immer lebhafter vernehmbar. Zum Glück wird dasſelbe allernächſt be-
friedigt werden, indem die Arbeiten der Verfaſſungscommiſſion bereits
geſtern zum Abſchluß gekommen ſeyn ſollen, und man daher heute oder
morgen eine deßfallſige Bekanntmachung erwartet. — Der Teſoriere hat
einen Befehl erlaſſen, demzufolge die Fünffrankenſtücke und die Napo-
leons, jedes um einen Bajocco im Curs, hinaufgeſetzt werden. Man
hofft dadurch der Ausführung dieſer Münzſorten nach denjenigen Staa-
ten wo ſie höhere Geltung haben, einigermaßen Gränzen zu ſetzen. Ge-
genwärtig befinden ſich dieſe Münzſorten faſt immer auf dem Durchzug.
Andere beſſere Münzſorten wie Colonnaten, ältere Scudi u. dgl. ſind faſt
ganz verſchwunden. Die neuen Münzen ſollen nun auch nach einem
andern Syſtem ausgeprägt werden. — Das Präventivum für 1848 ſoll
nächſtens durch den Druck bekannt gemacht werden. — Heute wird das
Urtheil über den Paridiſiſchen Incidenzfall gefällt werden, welcher ſich
mit der Frage beſchäftigt ob ein unter der Cenſur veröffentlichtes Libell
criminellen Recurs zuläßt?

Türkei.

Feſte und wieder Feſte, darum
drehen ſich jetzt faſt alle unſere Berichte; glückliches Land! Vorigen
Donnerstag feierte man den Jahrestag der Geburt des Propheten
(Mewlud). Schon am Vorabend kündigten zahlreiche Salven der Bat-
terien und Kriegsſchiffe und Beleuchtung der Moſcheen und übrigen
öffentlichen Gebäude das Feſt an. Donnerstag Morgens begab ſich
der Großherr in großer Ceremonie, umgeben von ſeinem Hoſſtaat, ſei-
nen Miniſtern, den Oberofficieren der Linie und Marine, nebſt den
höchſten Civilbeamten und Ulemas aus dem Serai von Topkapu in
die Moſchee Sultan Achmeds, um der Ableſung des Lebenslaufes Mo-
hammeds beizuwohnen. Der Sultan trug auf ſeiner Bruſt die Denk-
[Spaltenumbruch] münze die zur Erinnerung an die Unterwerfung Kurdiſtans geprägt
wurde. Sie zeigt auf einer Seite die Chiffre des Sultans, auf der
andern eine Landſchaft, die Gebirge Kurdiſtans vorſtellend. Auch der
Großweſſier und Seriasker waren damit decorirt. Der päpſtliche Nun-
cius ſah vom Serai aus, wo man mehrere Gemächer zur Verfügung
des diplomatiſchen Corps geſtellt hatte, den Zug mit an. An die Of-
ficiere der Armee von Albanien ſowie des Blokadegeſchwaders wurden
kürzlich eine Menge Ehrenſäbel und andere Gratificationen vertheilt.
Die Sultanin-Mutter war in voriger Woche bedeutend unwohl, be-
findet ſich nun aber wieder beſſer. Letzten Sonntag aſſiſtirte Monſ.
Ferrieri einer Meſſe im Kloſter S. Pietro in Galata. Am Eingang
ins Kloſter hatte man einen großen Triumphbogen erbaut und mit
Fahnen, Inſchriften u. ſ. w. verziert. Die dreifarbige Nationalfahne
flatterte mitten über der Straße an den Giebeln zweier Häuſer be-
feſtigt. Daß hauptſächlich die hieſige italieniſche Colonie ſich wieder
an dieſer Feier betheiligte, verſteht ſich von ſelbſt. Man ſah aber auch
andere, namentlich Juden und Jüdinnen, gleichfalls mit der dreifar-
bigen Cocarde geſchmückt, nicht blos an den Evviva’s für Pio IX bei
Ankunft des Nuncius lebhaften Antheil nehmen, ſondern ſogar der Meſſe
ſelbſt beiwohnen. Nach Beendigung der Meſſe gab man dem Nuncius
im Kloſter ein Frühſtück, zu dem auch der ſardiniſche Geſchäftsträger ſo-
wie das geſammte Geſandtſchaftsperſonal nebſt einigen andern Herrn
geladen waren. Der Speiſeſaal war mit den Bildniſſen Pius IX und
Karl Alberts ſowie mit den römiſchen und ſardiniſchen Fahnen und ver-
ſchiedenen Inſchriften geſchmückt. An die Armen wurden Speiſen und
Geld vertheilt. Auf dem Wege nach dem Kloſter widerfuhr indeß dem
Nuncius, wie man verſichert, eine kleine Unannehmlichkeit. Mehrere
Individuen griechiſcher Nation ſollen verſucht haben faule Früchte in
ſeinen Wagen zu werfen. Thatſache iſt daß der Geſandte des Papſtes
in nicht unbedeutendem Grad die Aufmerkſamkeit der ſchismatiſch-
armeniſchen und griechiſchen Bevölkerung erregt und, wie es ſcheint,
einige Unruhe verurſacht. Was will er, was macht er hier? kann man
oft angelegentlich fragen hören. — Zu dem großen Gaſtmahl das in
voriger Woche die hieſige italieniſche Colonie gab (der Nuncius nahm
nicht Theil daran), hatte man auch einen Corſen und einen Malteſer
eingeladen. Auch die getrennten und halb entfremdeten Bruchtheile der
Nation ſollen wieder mit dem Ganzen ſich einen. Hat Deutſchland
nicht auch mehr als ein Glied das leider getrennt und zu Fremdem ge-
fügt iſt? Alle andern denken, wie man ſieht, an Einigung und feſtere
Bindung, ſolls Deutſchland nicht? — Cholerafälle kommen noch hier
vor, es iſt auch nicht wahrſcheinlich daß die Seuche jetzt ſchon gauz
hier erlöſchen wird.



[irrelevantes Material]
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[1165/0013] kurz alle diejenigen Materien über die der Papſt ex cathedra entſchei- det, könnten ſehr wohl durch dieſe Kammer, welche der ehrwürdige Wächter des Dogma und der Kirche ſey, discutirt werden. Schließlich wird dem P. Ventura trotz aller ſeiner Verwahrungen der Vorwurf des Kaſtengeiſtes gemacht und an ſeine Thätigkeit als Redacteur der Enciclopedia morale e religiosa erinnert, die in dem verhängniß- vollen Jahr 1821 in Neapel gedruckt wurde. ∆ Rom, 3 März.Der Cardinal Ferretti ſoll in Ravenna bei- nahe geſteinigt worden ſeyn, angeblich weil er tricolore Cocarden die man ihm zugeſandt hatte zum Schmuck ſeiner Pferde verwandt habe. Sonſt auch ſieht es in der Romagna ſehr ſchlimm aus. Die Wechſelmorde wer- den immer häufiger. Das Verlangen nach der Conſtitution macht ſich immer lebhafter vernehmbar. 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Letzten Sonntag aſſiſtirte Monſ. Ferrieri einer Meſſe im Kloſter S. Pietro in Galata. Am Eingang ins Kloſter hatte man einen großen Triumphbogen erbaut und mit Fahnen, Inſchriften u. ſ. w. verziert. Die dreifarbige Nationalfahne flatterte mitten über der Straße an den Giebeln zweier Häuſer be- feſtigt. Daß hauptſächlich die hieſige italieniſche Colonie ſich wieder an dieſer Feier betheiligte, verſteht ſich von ſelbſt. Man ſah aber auch andere, namentlich Juden und Jüdinnen, gleichfalls mit der dreifar- bigen Cocarde geſchmückt, nicht blos an den Evviva’s für Pio IX bei Ankunft des Nuncius lebhaften Antheil nehmen, ſondern ſogar der Meſſe ſelbſt beiwohnen. Nach Beendigung der Meſſe gab man dem Nuncius im Kloſter ein Frühſtück, zu dem auch der ſardiniſche Geſchäftsträger ſo- wie das geſammte Geſandtſchaftsperſonal nebſt einigen andern Herrn geladen waren. Der Speiſeſaal war mit den Bildniſſen Pius IX und Karl Alberts ſowie mit den römiſchen und ſardiniſchen Fahnen und ver- ſchiedenen Inſchriften geſchmückt. An die Armen wurden Speiſen und Geld vertheilt. Auf dem Wege nach dem Kloſter widerfuhr indeß dem Nuncius, wie man verſichert, eine kleine Unannehmlichkeit. Mehrere Individuen griechiſcher Nation ſollen verſucht haben faule Früchte in ſeinen Wagen zu werfen. Thatſache iſt daß der Geſandte des Papſtes in nicht unbedeutendem Grad die Aufmerkſamkeit der ſchismatiſch- armeniſchen und griechiſchen Bevölkerung erregt und, wie es ſcheint, einige Unruhe verurſacht. Was will er, was macht er hier? kann man oft angelegentlich fragen hören. — Zu dem großen Gaſtmahl das in voriger Woche die hieſige italieniſche Colonie gab (der Nuncius nahm nicht Theil daran), hatte man auch einen Corſen und einen Malteſer eingeladen. Auch die getrennten und halb entfremdeten Bruchtheile der Nation ſollen wieder mit dem Ganzen ſich einen. Hat Deutſchland nicht auch mehr als ein Glied das leider getrennt und zu Fremdem ge- fügt iſt? Alle andern denken, wie man ſieht, an Einigung und feſtere Bindung, ſolls Deutſchland nicht? — Cholerafälle kommen noch hier vor, es iſt auch nicht wahrſcheinlich daß die Seuche jetzt ſchon gauz hier erlöſchen wird. _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-08-16T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848, S. 1165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine73_1848/13>, abgerufen am 25.11.2024.