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Allgemeine Zeitung, Nr. 45, 14. Februar 1871.

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[Spaltenumbruch] reichische Richtmaß verloren. Diese beiden Fractionen gebärden sich als
ob die Auflösung Oefterreichs nur eine Zeitfrage wäre.

Man kann nicht läugnen daß das Ministerium Potozki ein sehr
freundliches Andenken in den Herzen aller aufrichtigen öfterreichischen
Patrioten hinterlassen wird. Es war versöhnend und liberal zugleich;
leider wurde seine Versöhnlichkeit als Schwäche ausgelegt und der Genuß
der verfassungsrechtlichen Freiheit, die es sorgsam aufrecht hielt, oft zu
staatsfeindlichen Zwecken mißbraucht. Unter solchen Umständen bleibt ein
Ministerium streng-österreichischer, conservirender Natur unbedingt ange-
zeigt. Jst das neue Ministerium Hohenwart im Stande dem von unver-
söhnlichen Parteien eingeleiteten Zersetzungsprocesse mit Kraft Einhalt zu
thun, und mit staatsmännischer Weisheit die durch wühlerische Einflüsse
aufgeregten Volksgeister Oesterreichs in patriotische Bahnen zurückzulenken,
so wird es den Dank aller aufrichtigen Vaterlandsfreunde verdienen. Jst
Selbsterhaltung das höchste Recht und die erste Pflicht eines jeden Staates,
so kann es sich um ein Markten und Feilschen, um Nebensächliches und bloße
Opportunitätsrücksichten nicht handeln. Jedenfalls glauben wir daß auch
das neue Ministerium seiner Aufgabe gerecht werden kann, ohne an die
Freiheiten Oesterreichs zu rühren; im Gegentheil sind wir überzeugt daß
diese jetzt theilweise mißachteten, theilweise mißbrauchten Freiheiten bei
zurückgekehrter Besinnung der äußersten Parteien das geeignetste vereini-
gende Band für alle gutgesinnten Oesterreicher bilden werden. Wir haben
über das Ministerium und dessen Beruf vorläufig mehr eine abstracte als
eine positive Meinung; denn wir müssen es erst thätig im Geschäfte sehen um
beurtheilen zu können ob sein Actionsplan den Bedürfnissen der Lage
vollkommen entspricht, und ob, selbst wenn diesem Plan die vollendetste
Correctheit zugesprochen werden müßte, in seinem Schooße die nöthigen
staatsmännischen Kräfte vorhanden sind, um ihn nicht bloß mit unbeug-
samer, sondern auch mit glücklicher Hand durchzuführen.

Allein wir sehen keine Ursache diesem Cabinet von vornherein unser
Vertrauen zu versagen. Der maßgebende Gedanke ein Ministerium über
die Parteien zu stellen, ist unbedingt richtig, denn bei dem Umstande daß
die Mehrheit des Abgeordnetenhauses des Reichsraths im gegenwärtigen
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ten und Zielpunkten nur unvollkommen einige Partei, während zahlreiche
andere nicht minder gewichtige Parteien theils auf der Schwelle der Reichs-
rathspforten, theils sogar außerhalb derselben stehen, war die Bildung
eines parlamentarischen Ministeriums nicht möglich, weil ein solches eben
ein geordnetes, festes, reiches Parlamentsleben voraussetzt. Die Gegner
des neuen Ministeriums sagen: daß es nicht über, sondern unter und außer
den Parteien stehe. Dieß ist ein Wortspiel, und es kommt nur darauf an daß die
neuen Minister den durch das Treiben der Parteien verdunkelten und in den
Hintergrund gedrängten österreichischen Staatsgedanken zur Geltung brin-
gen, um bald thatsächlich eine über die Parteien erhabene Stellung einzu-
nehmen. Vorläusig ist es kein ungünstiges Zeichen ihrer Gesinnung daß
sie mit keiner der vorhandenen, in ihrer Zersplitterung regierungsunfähi-
gen Parteien durch bindende Antecedentien verknüpft sind. Conservativ-
österreichisch im guten Sinn des Wortes, somit nicht reactionär, stellt sich
das Ministerium als ein vorwiegend fachmännisches dar, und wir gestehen
daß dasselbe, wenn es auf die Pflege seiner Ressorts seine volle Sorge
richten, gedeihliche Reformen in der Administration, der Justiz, der Finan-
zen und der Volkswirthschaft anbahnen wird, dem Staat wesentliche, ja
unschätzbare Dienste erweisen kann. Seit Jahren wird in Oesterreich nur
so zu sagen nebenher verwaltet, und fast gar nicht auf praktische Reformen
Bedacht genommen, während die staatsrechtliche, nationale und politische
Discussion jedes Ministerium nicht bloß aufzehrt, sondern geradezu auf-
reibt. Diesem Uebelstande muß endlich ein Ziel gesetzt werden. Mit dem
bloßen Kannegießern und Nadotiren wird der österreichische Staatswagen
nie von der Stelle gebracht werden; wir sind überzeugt daß, wenn einmal
in den verschiedenen Verwaltungszweigen tüchtig reformirend zugegriffen
wird, die Völker sich dafür dankbarer erweisen werden als wenn ihre Mini-
ster Zeit und Kraft bloß an die staatsrechtlichen und nationalen Probleme
verschwenden. Man regiere und administrire so prompt, so intelligent als
möglich, und steure namentlich dem Uebel der Corruption, wo immer das-
selbe auftaucht, und die Völker werden nicht bloß eine mäßige Verzögerung
der obgedachten Probleme leichter verschmerzen, sondern die Lösung selbst
wird natürlicher vor sich gehen und befriedigender wirken, wenn eine gün-
stige Stimmung so zu sagen vorarbeitet.

Gleichwohl dürfte die Verfassungsreform voraussichtlich schon näch-
stens in den Vordergrund der öffentlichen Discussion treten. Angedeutet
ist bereits daß das Ministerium eine Erweiterung des Wahlcensus und
directe Wahlen aus den betreffenden Gruppen anstrebt. Da es sich nach
dem ausgesprochenen Wunsche des Monarchen, den alle aufrichtigen Pa-
trioten theilen, mehr als je darum handelt unablässig dahin zu wirken daß
alle Völker und achtungswerthen Parteien Oesterreichs endlich unter dem
[Spaltenumbruch] Banner einer gemeinsamen Verfassung sich vereinigen, so kann die Verfas-
sungsreform nur das Product eines dießbezüglichen, möglichst allgemein sich
kundgebenden Strebens sein, welches plötzlich hervorzuzaubern nicht in der
Macht der Regierung liegt, so sehr es ihrem Beruf entspricht dasselbe in
die rechten Bahnen zu lenken, wenn es einmal spontan sich geltend macht.
Eins ist gewiß, daß dem separatistischen Föderalismus ebensowenig nach-
gegeben werden darf, als unschwer zu erkennen ist daß eine starre, jede
weise Reform ausschließende Verfassungsorthodoxie dem österreichischen
Staatsgedanken zuwiderläuft. Möglich, ersprießlich, und daher wünschens-
werth, erscheint in dieser Hinsicht nur ein Gleichgewicht der in freisinniger
Richtung gestärkten Centralgewalt, und der, soweit als supreme Jnteressen
es gestatten, ausgedehnten Autonomie der Länder und Municipien.



Die englische Thronrede.

Das Parlament wurde heute Mittags von der Köni-
gin in Person eröffnet. Folgendes ist der Wortlaut der Thronrede:

"Mylords
und Meine Herren! In einem Zeitraume von so hoher Wichtigkeit für die
künftigen Schicksale Europa's wie der gegenwärtige hege Jch ganz besonders
den Wunsch Sie zu Rathe zu ziehen. Der Krieg der im Monat Juli zwischen
Deutschland und Frankreich ausbrach, hat bis in die letzten Tage mit un-
unterbrochener und beispielloser Heftigkeit gewüthet, und seine Verheerun-
gen müssen sich in wenigen Tagen wieder erneuern, wofern nicht Mäßi-
gung und Vorbedacht über alle Hindernisse den Sieg davontragen, und die
Rathschläge beider Parteien beherrschen, deren Wohlfahrt so schwer betrof-
fen ist. Zur Zeit als Sie auseinander giengen, versprach Jch dem Gegen-
stande der neutralen Pflichten Meine stete Aufmerksamkeit zu widmen, und
Meine besten Bemühungen anzuwenden um die Erweiterung des Krieges
zu verhindern, sowie bei passender Gelegenheit zur Wiederherstellung eines
baldigen und ehrenhaften Friedens beizutragen. Jn Uebereinstimmung
mit der ersteren Erklärung habe Jch die Rechte der Neutralität gewahrt
und streng ihre Pflichten erfüllt. Der Bereich des Krieges hat sich nicht
über die ursprünglich verwickelten Mächte hinaus ausgedehnt. Jch habe
die Herzlichkeit Meiner Beziehungen mit jedem von beiden Kriegführenden
gepflegt, und Mich alles dessen enthalten was als eine willkürliche und
ungerechtfertigte Einmischung zwischen die Parteien hätte ausgelegt wer-
den können, da keine von beiden Seiten Bereitwilligkeit zeigte Vorschläge
zur Einigung zu machen welche Aussicht auf Annahme bei dem Gegner
gehabt hätten. Jch war bei mehr als einer Gelegenheit im Stande dazu
beizutragen daß die Vertreter der streitenden Länder mit einander in ver-
traulichen Verkehr gebracht wurden; bis jedoch die Hungersnoth die Ueber-
gabe von Paris erzwang, wurde kein weiteres Ergebniß erzielt. Der
Waffenstillstand, welcher gegenwärtig benutzt wird um eine Versammlung
in Frankreich einzuberufen, hat in der unausgesetzten Häufung von
menschlichen Leiden auf beiden Seiten eine Pause zu Wege gebracht,
und hat der Hoffnung auf eine vollständige Ausgleichung aufs neue
Nahrung gegeben. Jch bete daß diese Waffenruhe in einen Frieden
auslaufen möge der für die beiden großen und tapfern Nationen
verträglich sein wird mit Sicherheit und Ehre, und dadurch Aussicht
auf die Billigung Europa's und gegründete Hoffnung auf längere Dauer
gewährt. Es hat Mir Sorge (concern) gemacht daß Jch Mich nicht in der
Lage befand Meinen Botschafter in förmlicher Weise bei der National-
vertheidigungsregierung, die seit der Septemberrevolution in Frankreich
bestand, zu beglaubigen, indessen ist weder die Harmonie noch die Wirksam-
keit der Correspondenz der beiden Staaten im geringsten dadurch beein-
trächtigt worden. Der König von Preußen hat den Titel als Kaiser von
Deutschland auf Veranlassung der obersten Behörden der Nation ange-
nommen. Jch habe ihm Meine Glückwünsche zu einem Ereigniß darge-
bracht welches Zeugniß ablegt von der innern Festigkeit und der Unab-
hängigkeit Deutschlands, und welches, wie Jch hoffe, das seinige mit bei-
tragen wird zu der Stetigkeit des europäischen Systems. Jch habe Mich
bemüht im Einvernehmen mit anderen europäischen Mächten die Unver-
letzlichkeit von Verträgen aufrechtzuerhalten und etwaige Mißverständnisse
über die bindende Kraft ihrer Bestimmungen zu heben. Es wurde von
den Mächten welche bei dem Vertrage von 1856 betheiligt waren, verein-
bart daß eine Conferenz in London zusammentreten sollte. Diese Conferenz
ist nun seit einiger Zeit mit ihren Arbeiten beschäftigt, und Jch rechne zu-
versichtlich darauf daß das Ergebniß ihrer Berathungen die Aufrechterhal-
tung der Grundsätze des Staatsrechts sowohl als der allgemeinen Politik
des Vertrags sein wird, und daß gleichzeitig in der Revision einzelner
Bestimmungen des letzteren in billiger und versöhnlicher Weise ein herz-
liches Zusammenwirken unter den Mächten bezüglich der Levante an den
Tag treten wird. Jch bedaure sehr daß Meine ernsten Bemühungen nicht
im Stande waren die Gegenwart eines französischen Vertreters bei der
Conferenz zu erreichen, da Frankreich einer von den Haupttheilhabern bei
dem Vertrage von 1856 war und stets als ein unentbehrliches Hauptmit-
glied des großen Gemeinwesens von Europa angesehen werden muß.
Zu verschiedenen Zeiten sind verschiedene Fragen von Wichtigkeit aufgetre-
ten, welche noch unerledigt sind und wesentlich die Beziehungen zwischen den
Vereinigten Staaten und den Gebieten wie der Bevölkerung von Brittisch-
Nordamerika betreffen. Eine davon besonders, welche die Fischereien an-
geht, erfordert eine baldige Erledigung, damit nicht möglicherweise die Un-
klugheit von Jndividuen das nachbarliche Einvernehmen, dessen Pflege und

[Spaltenumbruch] reichiſche Richtmaß verloren. Dieſe beiden Fractionen gebärden ſich als
ob die Auflöſung Oefterreichs nur eine Zeitfrage wäre.

Man kann nicht läugnen daß das Miniſterium Potozki ein ſehr
freundliches Andenken in den Herzen aller aufrichtigen öfterreichiſchen
Patrioten hinterlaſſen wird. Es war verſöhnend und liberal zugleich;
leider wurde ſeine Verſöhnlichkeit als Schwäche ausgelegt und der Genuß
der verfaſſungsrechtlichen Freiheit, die es ſorgſam aufrecht hielt, oft zu
ſtaatsfeindlichen Zwecken mißbraucht. Unter ſolchen Umſtänden bleibt ein
Miniſterium ſtreng-öſterreichiſcher, conſervirender Natur unbedingt ange-
zeigt. Jſt das neue Miniſterium Hohenwart im Stande dem von unver-
ſöhnlichen Parteien eingeleiteten Zerſetzungsproceſſe mit Kraft Einhalt zu
thun, und mit ſtaatsmänniſcher Weisheit die durch wühleriſche Einflüſſe
aufgeregten Volksgeiſter Oeſterreichs in patriotiſche Bahnen zurückzulenken,
ſo wird es den Dank aller aufrichtigen Vaterlandsfreunde verdienen. Jſt
Selbſterhaltung das höchſte Recht und die erſte Pflicht eines jeden Staates,
ſo kann es ſich um ein Markten und Feilſchen, um Nebenſächliches und bloße
Opportunitätsrückſichten nicht handeln. Jedenfalls glauben wir daß auch
das neue Miniſterium ſeiner Aufgabe gerecht werden kann, ohne an die
Freiheiten Oeſterreichs zu rühren; im Gegentheil ſind wir überzeugt daß
dieſe jetzt theilweiſe mißachteten, theilweiſe mißbrauchten Freiheiten bei
zurückgekehrter Beſinnung der äußerſten Parteien das geeignetſte vereini-
gende Band für alle gutgeſinnten Oeſterreicher bilden werden. Wir haben
über das Miniſterium und deſſen Beruf vorläufig mehr eine abſtracte als
eine poſitive Meinung; denn wir müſſen es erſt thätig im Geſchäfte ſehen um
beurtheilen zu können ob ſein Actionsplan den Bedürfniſſen der Lage
vollkommen entſpricht, und ob, ſelbſt wenn dieſem Plan die vollendetſte
Correctheit zugeſprochen werden müßte, in ſeinem Schooße die nöthigen
ſtaatsmänniſchen Kräfte vorhanden ſind, um ihn nicht bloß mit unbeug-
ſamer, ſondern auch mit glücklicher Hand durchzuführen.

Allein wir ſehen keine Urſache dieſem Cabinet von vornherein unſer
Vertrauen zu verſagen. Der maßgebende Gedanke ein Miniſterium über
die Parteien zu ſtellen, iſt unbedingt richtig, denn bei dem Umſtande daß
die Mehrheit des Abgeordnetenhauſes des Reichsraths im gegenwärtigen
Augenblick nichts repräſentirt als eine einzige, überdieß in ihren Elemen-
ten und Zielpunkten nur unvollkommen einige Partei, während zahlreiche
andere nicht minder gewichtige Parteien theils auf der Schwelle der Reichs-
rathspforten, theils ſogar außerhalb derſelben ſtehen, war die Bildung
eines parlamentariſchen Miniſteriums nicht möglich, weil ein ſolches eben
ein geordnetes, feſtes, reiches Parlamentsleben vorausſetzt. Die Gegner
des neuen Miniſteriums ſagen: daß es nicht über, ſondern unter und außer
den Parteien ſtehe. Dieß iſt ein Wortſpiel, und es kommt nur darauf an daß die
neuen Miniſter den durch das Treiben der Parteien verdunkelten und in den
Hintergrund gedrängten öſterreichiſchen Staatsgedanken zur Geltung brin-
gen, um bald thatſächlich eine über die Parteien erhabene Stellung einzu-
nehmen. Vorläuſig iſt es kein ungünſtiges Zeichen ihrer Geſinnung daß
ſie mit keiner der vorhandenen, in ihrer Zerſplitterung regierungsunfähi-
gen Parteien durch bindende Antecedentien verknüpft ſind. Conſervativ-
öſterreichiſch im guten Sinn des Wortes, ſomit nicht reactionär, ſtellt ſich
das Miniſterium als ein vorwiegend fachmänniſches dar, und wir geſtehen
daß dasſelbe, wenn es auf die Pflege ſeiner Reſſorts ſeine volle Sorge
richten, gedeihliche Reformen in der Adminiſtration, der Juſtiz, der Finan-
zen und der Volkswirthſchaft anbahnen wird, dem Staat weſentliche, ja
unſchätzbare Dienſte erweiſen kann. Seit Jahren wird in Oeſterreich nur
ſo zu ſagen nebenher verwaltet, und faſt gar nicht auf praktiſche Reformen
Bedacht genommen, während die ſtaatsrechtliche, nationale und politiſche
Discuſſion jedes Miniſterium nicht bloß aufzehrt, ſondern geradezu auf-
reibt. Dieſem Uebelſtande muß endlich ein Ziel geſetzt werden. Mit dem
bloßen Kannegießern und Nadotiren wird der öſterreichiſche Staatswagen
nie von der Stelle gebracht werden; wir ſind überzeugt daß, wenn einmal
in den verſchiedenen Verwaltungszweigen tüchtig reformirend zugegriffen
wird, die Völker ſich dafür dankbarer erweiſen werden als wenn ihre Mini-
ſter Zeit und Kraft bloß an die ſtaatsrechtlichen und nationalen Probleme
verſchwenden. Man regiere und adminiſtrire ſo prompt, ſo intelligent als
möglich, und ſteure namentlich dem Uebel der Corruption, wo immer das-
ſelbe auftaucht, und die Völker werden nicht bloß eine mäßige Verzögerung
der obgedachten Probleme leichter verſchmerzen, ſondern die Löſung ſelbſt
wird natürlicher vor ſich gehen und befriedigender wirken, wenn eine gün-
ſtige Stimmung ſo zu ſagen vorarbeitet.

Gleichwohl dürfte die Verfaſſungsreform vorausſichtlich ſchon näch-
ſtens in den Vordergrund der öffentlichen Discuſſion treten. Angedeutet
iſt bereits daß das Miniſterium eine Erweiterung des Wahlcenſus und
directe Wahlen aus den betreffenden Gruppen anſtrebt. Da es ſich nach
dem ausgeſprochenen Wunſche des Monarchen, den alle aufrichtigen Pa-
trioten theilen, mehr als je darum handelt unabläſſig dahin zu wirken daß
alle Völker und achtungswerthen Parteien Oeſterreichs endlich unter dem
[Spaltenumbruch] Banner einer gemeinſamen Verfaſſung ſich vereinigen, ſo kann die Verfaſ-
ſungsreform nur das Product eines dießbezüglichen, möglichſt allgemein ſich
kundgebenden Strebens ſein, welches plötzlich hervorzuzaubern nicht in der
Macht der Regierung liegt, ſo ſehr es ihrem Beruf entſpricht dasſelbe in
die rechten Bahnen zu lenken, wenn es einmal ſpontan ſich geltend macht.
Eins iſt gewiß, daß dem ſeparatiſtiſchen Föderalismus ebenſowenig nach-
gegeben werden darf, als unſchwer zu erkennen iſt daß eine ſtarre, jede
weiſe Reform ausſchließende Verfaſſungsorthodoxie dem öſterreichiſchen
Staatsgedanken zuwiderläuft. Möglich, erſprießlich, und daher wünſchens-
werth, erſcheint in dieſer Hinſicht nur ein Gleichgewicht der in freiſinniger
Richtung geſtärkten Centralgewalt, und der, ſoweit als ſupreme Jntereſſen
es geſtatten, ausgedehnten Autonomie der Länder und Municipien.



Die engliſche Thronrede.

Das Parlament wurde heute Mittags von der Köni-
gin in Perſon eröffnet. Folgendes iſt der Wortlaut der Thronrede:

„Mylords
und Meine Herren! In einem Zeitraume von ſo hoher Wichtigkeit für die
künftigen Schickſale Europa’s wie der gegenwärtige hege Jch ganz beſonders
den Wunſch Sie zu Rathe zu ziehen. Der Krieg der im Monat Juli zwiſchen
Deutſchland und Frankreich ausbrach, hat bis in die letzten Tage mit un-
unterbrochener und beiſpielloſer Heftigkeit gewüthet, und ſeine Verheerun-
gen müſſen ſich in wenigen Tagen wieder erneuern, wofern nicht Mäßi-
gung und Vorbedacht über alle Hinderniſſe den Sieg davontragen, und die
Rathſchläge beider Parteien beherrſchen, deren Wohlfahrt ſo ſchwer betrof-
fen iſt. Zur Zeit als Sie auseinander giengen, verſprach Jch dem Gegen-
ſtande der neutralen Pflichten Meine ſtete Aufmerkſamkeit zu widmen, und
Meine beſten Bemühungen anzuwenden um die Erweiterung des Krieges
zu verhindern, ſowie bei paſſender Gelegenheit zur Wiederherſtellung eines
baldigen und ehrenhaften Friedens beizutragen. Jn Uebereinſtimmung
mit der erſteren Erklärung habe Jch die Rechte der Neutralität gewahrt
und ſtreng ihre Pflichten erfüllt. Der Bereich des Krieges hat ſich nicht
über die urſprünglich verwickelten Mächte hinaus ausgedehnt. Jch habe
die Herzlichkeit Meiner Beziehungen mit jedem von beiden Kriegführenden
gepflegt, und Mich alles deſſen enthalten was als eine willkürliche und
ungerechtfertigte Einmiſchung zwiſchen die Parteien hätte ausgelegt wer-
den können, da keine von beiden Seiten Bereitwilligkeit zeigte Vorſchläge
zur Einigung zu machen welche Ausſicht auf Annahme bei dem Gegner
gehabt hätten. Jch war bei mehr als einer Gelegenheit im Stande dazu
beizutragen daß die Vertreter der ſtreitenden Länder mit einander in ver-
traulichen Verkehr gebracht wurden; bis jedoch die Hungersnoth die Ueber-
gabe von Paris erzwang, wurde kein weiteres Ergebniß erzielt. Der
Waffenſtillſtand, welcher gegenwärtig benutzt wird um eine Verſammlung
in Frankreich einzuberufen, hat in der unausgeſetzten Häufung von
menſchlichen Leiden auf beiden Seiten eine Pauſe zu Wege gebracht,
und hat der Hoffnung auf eine vollſtändige Ausgleichung aufs neue
Nahrung gegeben. Jch bete daß dieſe Waffenruhe in einen Frieden
auslaufen möge der für die beiden großen und tapfern Nationen
verträglich ſein wird mit Sicherheit und Ehre, und dadurch Ausſicht
auf die Billigung Europa’s und gegründete Hoffnung auf längere Dauer
gewährt. Es hat Mir Sorge (concern) gemacht daß Jch Mich nicht in der
Lage befand Meinen Botſchafter in förmlicher Weiſe bei der National-
vertheidigungsregierung, die ſeit der Septemberrevolution in Frankreich
beſtand, zu beglaubigen, indeſſen iſt weder die Harmonie noch die Wirkſam-
keit der Correſpondenz der beiden Staaten im geringſten dadurch beein-
trächtigt worden. Der König von Preußen hat den Titel als Kaiſer von
Deutſchland auf Veranlaſſung der oberſten Behörden der Nation ange-
nommen. Jch habe ihm Meine Glückwünſche zu einem Ereigniß darge-
bracht welches Zeugniß ablegt von der innern Feſtigkeit und der Unab-
hängigkeit Deutſchlands, und welches, wie Jch hoffe, das ſeinige mit bei-
tragen wird zu der Stetigkeit des europäiſchen Syſtems. Jch habe Mich
bemüht im Einvernehmen mit anderen europäiſchen Mächten die Unver-
letzlichkeit von Verträgen aufrechtzuerhalten und etwaige Mißverſtändniſſe
über die bindende Kraft ihrer Beſtimmungen zu heben. Es wurde von
den Mächten welche bei dem Vertrage von 1856 betheiligt waren, verein-
bart daß eine Conferenz in London zuſammentreten ſollte. Dieſe Conferenz
iſt nun ſeit einiger Zeit mit ihren Arbeiten beſchäftigt, und Jch rechne zu-
verſichtlich darauf daß das Ergebniß ihrer Berathungen die Aufrechterhal-
tung der Grundſätze des Staatsrechts ſowohl als der allgemeinen Politik
des Vertrags ſein wird, und daß gleichzeitig in der Reviſion einzelner
Beſtimmungen des letzteren in billiger und verſöhnlicher Weiſe ein herz-
liches Zuſammenwirken unter den Mächten bezüglich der Levante an den
Tag treten wird. Jch bedaure ſehr daß Meine ernſten Bemühungen nicht
im Stande waren die Gegenwart eines franzöſiſchen Vertreters bei der
Conferenz zu erreichen, da Frankreich einer von den Haupttheilhabern bei
dem Vertrage von 1856 war und ſtets als ein unentbehrliches Hauptmit-
glied des großen Gemeinweſens von Europa angeſehen werden muß.
Zu verſchiedenen Zeiten ſind verſchiedene Fragen von Wichtigkeit aufgetre-
ten, welche noch unerledigt ſind und weſentlich die Beziehungen zwiſchen den
Vereinigten Staaten und den Gebieten wie der Bevölkerung von Brittiſch-
Nordamerika betreffen. Eine davon beſonders, welche die Fiſchereien an-
geht, erfordert eine baldige Erledigung, damit nicht möglicherweiſe die Un-
klugheit von Jndividuen das nachbarliche Einvernehmen, deſſen Pflege und
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[743/0003] reichiſche Richtmaß verloren. Dieſe beiden Fractionen gebärden ſich als ob die Auflöſung Oefterreichs nur eine Zeitfrage wäre. Man kann nicht läugnen daß das Miniſterium Potozki ein ſehr freundliches Andenken in den Herzen aller aufrichtigen öfterreichiſchen Patrioten hinterlaſſen wird. Es war verſöhnend und liberal zugleich; leider wurde ſeine Verſöhnlichkeit als Schwäche ausgelegt und der Genuß der verfaſſungsrechtlichen Freiheit, die es ſorgſam aufrecht hielt, oft zu ſtaatsfeindlichen Zwecken mißbraucht. Unter ſolchen Umſtänden bleibt ein Miniſterium ſtreng-öſterreichiſcher, conſervirender Natur unbedingt ange- zeigt. Jſt das neue Miniſterium Hohenwart im Stande dem von unver- ſöhnlichen Parteien eingeleiteten Zerſetzungsproceſſe mit Kraft Einhalt zu thun, und mit ſtaatsmänniſcher Weisheit die durch wühleriſche Einflüſſe aufgeregten Volksgeiſter Oeſterreichs in patriotiſche Bahnen zurückzulenken, ſo wird es den Dank aller aufrichtigen Vaterlandsfreunde verdienen. Jſt Selbſterhaltung das höchſte Recht und die erſte Pflicht eines jeden Staates, ſo kann es ſich um ein Markten und Feilſchen, um Nebenſächliches und bloße Opportunitätsrückſichten nicht handeln. Jedenfalls glauben wir daß auch das neue Miniſterium ſeiner Aufgabe gerecht werden kann, ohne an die Freiheiten Oeſterreichs zu rühren; im Gegentheil ſind wir überzeugt daß dieſe jetzt theilweiſe mißachteten, theilweiſe mißbrauchten Freiheiten bei zurückgekehrter Beſinnung der äußerſten Parteien das geeignetſte vereini- gende Band für alle gutgeſinnten Oeſterreicher bilden werden. Wir haben über das Miniſterium und deſſen Beruf vorläufig mehr eine abſtracte als eine poſitive Meinung; denn wir müſſen es erſt thätig im Geſchäfte ſehen um beurtheilen zu können ob ſein Actionsplan den Bedürfniſſen der Lage vollkommen entſpricht, und ob, ſelbſt wenn dieſem Plan die vollendetſte Correctheit zugeſprochen werden müßte, in ſeinem Schooße die nöthigen ſtaatsmänniſchen Kräfte vorhanden ſind, um ihn nicht bloß mit unbeug- ſamer, ſondern auch mit glücklicher Hand durchzuführen. Allein wir ſehen keine Urſache dieſem Cabinet von vornherein unſer Vertrauen zu verſagen. Der maßgebende Gedanke ein Miniſterium über die Parteien zu ſtellen, iſt unbedingt richtig, denn bei dem Umſtande daß die Mehrheit des Abgeordnetenhauſes des Reichsraths im gegenwärtigen Augenblick nichts repräſentirt als eine einzige, überdieß in ihren Elemen- ten und Zielpunkten nur unvollkommen einige Partei, während zahlreiche andere nicht minder gewichtige Parteien theils auf der Schwelle der Reichs- rathspforten, theils ſogar außerhalb derſelben ſtehen, war die Bildung eines parlamentariſchen Miniſteriums nicht möglich, weil ein ſolches eben ein geordnetes, feſtes, reiches Parlamentsleben vorausſetzt. Die Gegner des neuen Miniſteriums ſagen: daß es nicht über, ſondern unter und außer den Parteien ſtehe. Dieß iſt ein Wortſpiel, und es kommt nur darauf an daß die neuen Miniſter den durch das Treiben der Parteien verdunkelten und in den Hintergrund gedrängten öſterreichiſchen Staatsgedanken zur Geltung brin- gen, um bald thatſächlich eine über die Parteien erhabene Stellung einzu- nehmen. Vorläuſig iſt es kein ungünſtiges Zeichen ihrer Geſinnung daß ſie mit keiner der vorhandenen, in ihrer Zerſplitterung regierungsunfähi- gen Parteien durch bindende Antecedentien verknüpft ſind. Conſervativ- öſterreichiſch im guten Sinn des Wortes, ſomit nicht reactionär, ſtellt ſich das Miniſterium als ein vorwiegend fachmänniſches dar, und wir geſtehen daß dasſelbe, wenn es auf die Pflege ſeiner Reſſorts ſeine volle Sorge richten, gedeihliche Reformen in der Adminiſtration, der Juſtiz, der Finan- zen und der Volkswirthſchaft anbahnen wird, dem Staat weſentliche, ja unſchätzbare Dienſte erweiſen kann. Seit Jahren wird in Oeſterreich nur ſo zu ſagen nebenher verwaltet, und faſt gar nicht auf praktiſche Reformen Bedacht genommen, während die ſtaatsrechtliche, nationale und politiſche Discuſſion jedes Miniſterium nicht bloß aufzehrt, ſondern geradezu auf- reibt. Dieſem Uebelſtande muß endlich ein Ziel geſetzt werden. Mit dem bloßen Kannegießern und Nadotiren wird der öſterreichiſche Staatswagen nie von der Stelle gebracht werden; wir ſind überzeugt daß, wenn einmal in den verſchiedenen Verwaltungszweigen tüchtig reformirend zugegriffen wird, die Völker ſich dafür dankbarer erweiſen werden als wenn ihre Mini- ſter Zeit und Kraft bloß an die ſtaatsrechtlichen und nationalen Probleme verſchwenden. Man regiere und adminiſtrire ſo prompt, ſo intelligent als möglich, und ſteure namentlich dem Uebel der Corruption, wo immer das- ſelbe auftaucht, und die Völker werden nicht bloß eine mäßige Verzögerung der obgedachten Probleme leichter verſchmerzen, ſondern die Löſung ſelbſt wird natürlicher vor ſich gehen und befriedigender wirken, wenn eine gün- ſtige Stimmung ſo zu ſagen vorarbeitet. Gleichwohl dürfte die Verfaſſungsreform vorausſichtlich ſchon näch- ſtens in den Vordergrund der öffentlichen Discuſſion treten. Angedeutet iſt bereits daß das Miniſterium eine Erweiterung des Wahlcenſus und directe Wahlen aus den betreffenden Gruppen anſtrebt. Da es ſich nach dem ausgeſprochenen Wunſche des Monarchen, den alle aufrichtigen Pa- trioten theilen, mehr als je darum handelt unabläſſig dahin zu wirken daß alle Völker und achtungswerthen Parteien Oeſterreichs endlich unter dem Banner einer gemeinſamen Verfaſſung ſich vereinigen, ſo kann die Verfaſ- ſungsreform nur das Product eines dießbezüglichen, möglichſt allgemein ſich kundgebenden Strebens ſein, welches plötzlich hervorzuzaubern nicht in der Macht der Regierung liegt, ſo ſehr es ihrem Beruf entſpricht dasſelbe in die rechten Bahnen zu lenken, wenn es einmal ſpontan ſich geltend macht. Eins iſt gewiß, daß dem ſeparatiſtiſchen Föderalismus ebenſowenig nach- gegeben werden darf, als unſchwer zu erkennen iſt daß eine ſtarre, jede weiſe Reform ausſchließende Verfaſſungsorthodoxie dem öſterreichiſchen Staatsgedanken zuwiderläuft. Möglich, erſprießlich, und daher wünſchens- werth, erſcheint in dieſer Hinſicht nur ein Gleichgewicht der in freiſinniger Richtung geſtärkten Centralgewalt, und der, ſoweit als ſupreme Jntereſſen es geſtatten, ausgedehnten Autonomie der Länder und Municipien. Die engliſche Thronrede. London, 9 Febr. Das Parlament wurde heute Mittags von der Köni- gin in Perſon eröffnet. Folgendes iſt der Wortlaut der Thronrede: „Mylords und Meine Herren! In einem Zeitraume von ſo hoher Wichtigkeit für die künftigen Schickſale Europa’s wie der gegenwärtige hege Jch ganz beſonders den Wunſch Sie zu Rathe zu ziehen. Der Krieg der im Monat Juli zwiſchen Deutſchland und Frankreich ausbrach, hat bis in die letzten Tage mit un- unterbrochener und beiſpielloſer Heftigkeit gewüthet, und ſeine Verheerun- gen müſſen ſich in wenigen Tagen wieder erneuern, wofern nicht Mäßi- gung und Vorbedacht über alle Hinderniſſe den Sieg davontragen, und die Rathſchläge beider Parteien beherrſchen, deren Wohlfahrt ſo ſchwer betrof- fen iſt. Zur Zeit als Sie auseinander giengen, verſprach Jch dem Gegen- ſtande der neutralen Pflichten Meine ſtete Aufmerkſamkeit zu widmen, und Meine beſten Bemühungen anzuwenden um die Erweiterung des Krieges zu verhindern, ſowie bei paſſender Gelegenheit zur Wiederherſtellung eines baldigen und ehrenhaften Friedens beizutragen. Jn Uebereinſtimmung mit der erſteren Erklärung habe Jch die Rechte der Neutralität gewahrt und ſtreng ihre Pflichten erfüllt. Der Bereich des Krieges hat ſich nicht über die urſprünglich verwickelten Mächte hinaus ausgedehnt. Jch habe die Herzlichkeit Meiner Beziehungen mit jedem von beiden Kriegführenden gepflegt, und Mich alles deſſen enthalten was als eine willkürliche und ungerechtfertigte Einmiſchung zwiſchen die Parteien hätte ausgelegt wer- den können, da keine von beiden Seiten Bereitwilligkeit zeigte Vorſchläge zur Einigung zu machen welche Ausſicht auf Annahme bei dem Gegner gehabt hätten. Jch war bei mehr als einer Gelegenheit im Stande dazu beizutragen daß die Vertreter der ſtreitenden Länder mit einander in ver- traulichen Verkehr gebracht wurden; bis jedoch die Hungersnoth die Ueber- gabe von Paris erzwang, wurde kein weiteres Ergebniß erzielt. Der Waffenſtillſtand, welcher gegenwärtig benutzt wird um eine Verſammlung in Frankreich einzuberufen, hat in der unausgeſetzten Häufung von menſchlichen Leiden auf beiden Seiten eine Pauſe zu Wege gebracht, und hat der Hoffnung auf eine vollſtändige Ausgleichung aufs neue Nahrung gegeben. Jch bete daß dieſe Waffenruhe in einen Frieden auslaufen möge der für die beiden großen und tapfern Nationen verträglich ſein wird mit Sicherheit und Ehre, und dadurch Ausſicht auf die Billigung Europa’s und gegründete Hoffnung auf längere Dauer gewährt. Es hat Mir Sorge (concern) gemacht daß Jch Mich nicht in der Lage befand Meinen Botſchafter in förmlicher Weiſe bei der National- vertheidigungsregierung, die ſeit der Septemberrevolution in Frankreich beſtand, zu beglaubigen, indeſſen iſt weder die Harmonie noch die Wirkſam- keit der Correſpondenz der beiden Staaten im geringſten dadurch beein- trächtigt worden. Der König von Preußen hat den Titel als Kaiſer von Deutſchland auf Veranlaſſung der oberſten Behörden der Nation ange- nommen. Jch habe ihm Meine Glückwünſche zu einem Ereigniß darge- bracht welches Zeugniß ablegt von der innern Feſtigkeit und der Unab- hängigkeit Deutſchlands, und welches, wie Jch hoffe, das ſeinige mit bei- tragen wird zu der Stetigkeit des europäiſchen Syſtems. Jch habe Mich bemüht im Einvernehmen mit anderen europäiſchen Mächten die Unver- letzlichkeit von Verträgen aufrechtzuerhalten und etwaige Mißverſtändniſſe über die bindende Kraft ihrer Beſtimmungen zu heben. Es wurde von den Mächten welche bei dem Vertrage von 1856 betheiligt waren, verein- bart daß eine Conferenz in London zuſammentreten ſollte. Dieſe Conferenz iſt nun ſeit einiger Zeit mit ihren Arbeiten beſchäftigt, und Jch rechne zu- verſichtlich darauf daß das Ergebniß ihrer Berathungen die Aufrechterhal- tung der Grundſätze des Staatsrechts ſowohl als der allgemeinen Politik des Vertrags ſein wird, und daß gleichzeitig in der Reviſion einzelner Beſtimmungen des letzteren in billiger und verſöhnlicher Weiſe ein herz- liches Zuſammenwirken unter den Mächten bezüglich der Levante an den Tag treten wird. Jch bedaure ſehr daß Meine ernſten Bemühungen nicht im Stande waren die Gegenwart eines franzöſiſchen Vertreters bei der Conferenz zu erreichen, da Frankreich einer von den Haupttheilhabern bei dem Vertrage von 1856 war und ſtets als ein unentbehrliches Hauptmit- glied des großen Gemeinweſens von Europa angeſehen werden muß. Zu verſchiedenen Zeiten ſind verſchiedene Fragen von Wichtigkeit aufgetre- ten, welche noch unerledigt ſind und weſentlich die Beziehungen zwiſchen den Vereinigten Staaten und den Gebieten wie der Bevölkerung von Brittiſch- Nordamerika betreffen. Eine davon beſonders, welche die Fiſchereien an- geht, erfordert eine baldige Erledigung, damit nicht möglicherweiſe die Un- klugheit von Jndividuen das nachbarliche Einvernehmen, deſſen Pflege und

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 45, 14. Februar 1871, S. 743. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine45_1871/3>, abgerufen am 16.07.2024.