Allgemeine Zeitung, Nr. 44, 31. Oktober 1914.
Professor Hofmiller schließt diesen Absatz mit den Worten: Kunst und Literatur Hodler und Dalrroze. Offene Antwort eines in Deutschland lebenden Schweizers an Seit Beginn des Krieges hat Deutschland eine solche Menge Wer weiß es! [Spaltenumbruch]Bei seinen Freunden, den Franzosen, hat er, dessen ganze Das Benehmen Hodlers Deutschland gegenüber ist böswillig Es kann nicht unbeantwortet bleiben, von seiten der in Deutsch- Nachträglich sucht Herr Hodler das Gehässige seines Benehmens
Profeſſor Hofmiller ſchließt dieſen Abſatz mit den Worten: Kunſt und Literatur Hodler und Dalrroze. Offene Antwort eines in Deutſchland lebenden Schweizers an Seit Beginn des Krieges hat Deutſchland eine ſolche Menge Wer weiß es! [Spaltenumbruch]Bei ſeinen Freunden, den Franzoſen, hat er, deſſen ganze Das Benehmen Hodlers Deutſchland gegenüber iſt böswillig Es kann nicht unbeantwortet bleiben, von ſeiten der in Deutſch- Nachträglich ſucht Herr Hodler das Gehäſſige ſeines Benehmens <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <cit> <quote><pb facs="#f0007" n="639"/><fw place="top" type="header">31. Oktober 1914. <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi></fw><lb/><cb/> Gefühle verletzten, unſeren Nationalſtolz reizten oder im Ausland<lb/> den geringſten unſerer Raſſebrüder mißhandelten.... Wenn<lb/> eine Nation über hundert Jahre lang ganz behaglich und ſicher<lb/> vor jeder Angriffsgefahr geweſen iſt, weil ſie mühelos in Handel,<lb/> Induſtrie, Reichtum und Seemacht obenanſtand, wirkt es ſelbſt<lb/> auf ein phlegmatiſches Volk erſchreckend, zu erfahren, daß es in<lb/> all dieſen Dingen raſch überholt wird, und noch dazu in wenigen<lb/> Jahren! ... Deutſchland iſt in weit größerem Maße, als wir uns<lb/> klarmachen, ein neuer Faktor in der Politik, ein neuer Konkurrent<lb/> im Handel, ein neuer Ritter auf der Turnierliſte.... Von allen<lb/> Nationen der Welt wird es England am ſchwerſten, neue Bekannt-<lb/> ſchaften zu machen und neue Freundſchaften zu ſchließen, und<lb/> keine Nation iſt darin auch nur annähernd ſo ungeſchickt wie die<lb/> engliſche.... Ein neuer Hahn auf dem Hühnerhof wird nie mit<lb/> großer Herzlichkeit aufgenommen. Er muß ſich ſeinen Platz und<lb/> ſeine Macht mit Schnabel und Sporen erkämpfen.... Man<lb/> kommt am beſten miteinander aus, wenn man ſeine Perſönlich-<lb/> keit, ſeine Vorurteile und Glaubensſätze intakt erhält. Auf andere<lb/> Weiſe geht es nicht.... Wir haben in Amerika ganze Klaſſen,<lb/> die England haſſen, und in England gibt es nicht wenige, die ihre<lb/> Verachtung für Amerika nicht ganz verhehlen können, aber wir<lb/> haben Frieden gehalten, und ſeit England zur Zeit unſeres ſpani-<lb/> ſchen Krieges den Mächten, die ſich einmiſchen wollten, zurief<lb/> „Hände weg!“, iſt eine bedeutende Zunahme freundſchaftlicher Ge-<lb/> ſinnung zu bemerken. Aber Schmeicheleien ſind ſo gut wie gar<lb/> nicht gewechſelt worden. Wir haben einen Botſchafter nach dem<lb/> andern nach England geſchickt, die alle womöglich noch amerikani-<lb/> ſcher als die Amerikaner waren.“</quote> </cit><lb/> <p>Profeſſor Hofmiller ſchließt dieſen Abſatz mit den Worten:<lb/><cit><quote>„Waren auch unſere deutſchen Botſchafter in Petersburg, Paris<lb/> und London alle womöglich noch deutſcher als die Deutſchen? Das<lb/> iſt die Frage, die man ſich unwillkürlich ſtellt.“</quote></cit></p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jCulturalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Kunſt und Literatur</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Hodler und Dalrroze.</hi> </hi> </head><lb/> <argument> <p>Offene Antwort eines in Deutſchland lebenden Schweizers an<lb/> Herrn <hi rendition="#b">Dr. Ferdinand Hodler</hi> in Bern und Herrn <hi rendition="#b">Jacques Dalcroze</hi><lb/><hi rendition="#c">in Genf.</hi></p> </argument><lb/> <p>Seit Beginn des Krieges hat Deutſchland eine ſolche Menge<lb/> von verleumderiſchen Vorwürfen, nicht bloß ſeitens offen kämpfen-<lb/> der Gegner zu tragen, daß es eigentlich auf ein paar Stimmen<lb/> mehr oder weniger in dem großen internationalen Lügenchorus,<lb/> der die ganze alte Welt und ein gut Teil der neuen unter Vortritt<lb/> Englands z. Zt. umſpannt, nicht ankäme. Die Träger der hier<lb/> in Betracht zu ziehenden Namen ſind indes von einer gewiſſen<lb/> Bedeutung dadurch, daß ſie es bisher nicht unter ihrer Würde<lb/> fanden, das Gebiet des deutſchen Kunſtlebens, der eine davon<lb/> vor allem den deutſchen Kunſtmarkt in ihrem perſönlich-ureigenſten<lb/> Intereſſe ausgiebig für ſich zu beackern. Herr Dr. Ferdinand<lb/> Hodler, der für die Jenenſer Univerſität das bekannte ausgezeich-<lb/> nete Wandbild — Gegenſtand der Darſtellung: Die Anteilnahme<lb/> der akademiſchen deutſchen Jugend an der Erhebung 1813 — ſchuf,<lb/> erntete für dieſe Arbeit ernſten Beifall. Bei deutſchen öffentlichen<lb/> Kunſtausſtellungen, wie bei Privatunternehmungen ſolcher Art<lb/> nahm er ſtets einen hervorragenden Platz ein. U. a. iſt er Jnhaber<lb/> der großen Goldenen Münchener Ausſtellungsmedaille, kurz, den<lb/> größeren Teil ſeiner Erfolge dankt er deutſchem Jntereſſe. Wo<lb/> Schweizer Künſtler anläßlich ſolcher Gelegenheiten geſchloſſen auf-<lb/> traten, wie es z. B. bei den Münchener Jnternationalen Aus-<lb/> ſtellungen der Fall iſt, da ſtand, in letzter Zeit wenigſtens, dieſe<lb/> Abteilung — ob zu ihrem Vor- oder Nachteil, das kommt hier<lb/> nicht in Betracht — vorwiegend unter Hodlerſchem Einfluſſe. Er<lb/> ſpielte die erſte Geige da, wie er es auch bei den Schweizeriſchen<lb/> Wander-Ausſtellungen, in der „Geſellſchaft Schweizeriſcher Maler<lb/> und Bildhauer“ tut. Ob der gefeierte Künſtler nun, nachdem er<lb/> ſich oſtentativ dem gegen Deutſchland tätigen Verleumder-Chor<lb/> angeſchloſſen hat, es unter ſeiner Würde finden wird, im Lande<lb/> der „Barbaren“ weiterhin öffentlich ſeine Werke zur Schau zu<lb/> ſtellen, horrende Preiſe dafür einzuſchieben?</p><lb/> <p>Wer weiß es!</p><lb/> <cb/> <p>Bei ſeinen Freunden, den Franzoſen, hat er, deſſen ganze<lb/> Anſchauung, offenbar durch erbliche Beanlagung bedingt, genau<lb/> ſo derb deutſch iſt, wie ſein Name, nicht annähernd, weder ideell<lb/> noch materiell denſelben Erfolg gehabt, wie auf der Seite, die er,<lb/> der vorzugsweiſe franzöſiſch Sprechende, jetzt in offener Gegnerſchaft<lb/> nicht angreift, nein, beſchimpft. Die in Deutſchland exiſtierenden<lb/> „Hodler-Gemeinden“ ſind freilich, das muß hier offen geſagt ſem,<lb/> ein Reſultat der unverbeſſerlichen Ueberſchätzung alles Auslän-<lb/> diſchen. Aehnliches hat man ja mit anderen Deutſchenhaſſern er-<lb/> lebt! Es ſei an Mäterlink erinnert, an Leoncavallo, an den Ber-<lb/> liner Ehrendoktor Rooſevelt, an General Botha uſw. Manchmal<lb/> trägt man ſelbſt ein gut Teil der Schuld an ſolchen Erfahrungen! An-<lb/> erkennung, in derart ausgiebiger, um nicht zu ſagen übertriebener<lb/> Weiſe geſpendet, zieht unverweigerlich ihre Folgen nach ſich. Der<lb/> deutſche Kunſtmarkt notierte für Hodler’ſche Werke ganz enorme<lb/> Preiſe. Sie wurden nicht allein gefordert, nein, auch bezahlt,<lb/> kurzum, Deutſchland war Hodlers ausgiebigſtes Erntefeld. Doch —<lb/> das fällt hier außer Betracht. Nicht um den Künſtler, nicht um<lb/> ſeine materiellen Erfolge im Lande der Barbaren handelt es ſich<lb/> heute, ſondern um eine Abwägung ſeines menſchlichen Wertes. Mag<lb/> das Licht, in dem er ſich ſeinen Geſinnungsgenoſſen zeigt, von dieſen<lb/> gerühmt werden! Anderen Menſchen, vorurteilsfreien Beobachtern<lb/> wahrer Tatſachen kann es kaum glänzend, anſtändig ganz gewiß<lb/> nicht erſcheinen.</p><lb/> <p>Das Benehmen Hodlers Deutſchland gegenüber iſt böswillig<lb/> oder — ſehr dumm. Das des anderen nicht minder.</p><lb/> <p>Es kann nicht unbeantwortet bleiben, von ſeiten der in Deutſch-<lb/> land lebenden Schweizer in erſter Linie nicht, ſoferne ſie den Mut<lb/> haben, Farbe zu bekennen. Zunächſt iſt dieſe Art des Vorgehens<lb/> geeignet, ſeine Landsleute in ein falſches Licht zu ſtellen. Die Neu-<lb/> tralität eines Staates — Herr Hodler fühlt ſich hinter der Neutrali-<lb/> tät der Schweiz ſicher — beſteht unter anderem darin, alles zu ver-<lb/> meiden, was die im Auslande niedergelaſſenen Bürger mit dem<lb/> Lande in Kolliſion bringen kann, wo ſie wohnen. Freilich iſt dies<lb/> der kulturell-verfeinerte Begriff des Neutral-Seins. Er ſetzt Empfin-<lb/> dung für den Begriff „Rückſicht“ voraus. Daß dieſe nicht allen<lb/> „Neutralen“ innewohnt, weiß man zur Genüge, Herrn Hodler, wie<lb/> manch anderem Welſch-Schweizer und phraſenhaften Deutſchen-<lb/> freſſer in erſter Linie nicht. Können nun die im Auslande, im<lb/> vorliegenden Falle die in Deutſchland lebenden, alle ſtaatlichen Ein-<lb/> richtungen genau wie Bürger genießenden Schweizer, eine ſolche<lb/> vollauf beabſichtigte Jn-Zweifelſtellung ihrer Geſinnung ſtillſchwei-<lb/> gend hinnehmen? <hi rendition="#aq">Quod non,</hi> Herr Hodler! Man wünſcht nicht,<lb/> von der zurzeit allerdings nicht ſehr großen, anſtändig denkenden<lb/> und handelnden Welt mit Jhnen in einen Topf geworfen zu werden,<lb/> ebenſowenig mit Jhren Geſinnungsgenoſſen. Nach alledem er-<lb/> ſchiene es nur ſelbſtverſtändlich, wenn keine deutſche Ausſtellung,<lb/> ſei ſie öffentlicher oder privater Natur, künftig Hodlerſchen Arbeiten<lb/> Platz, damit abermals großmütig die gleichen Chancen bieten würde<lb/> wie jenen, die Herr Hodler in etwas übertriebener Selbſteinſchätzung<lb/> als „Barbaren“ bezeichnet. Würden weiter danach Hodler’ſche Ar-<lb/> beiten, in richtiger Würdigung des Autors, ſchon an der Grenze<lb/> zurückgewieſen, ſo mag er ſich ſagen: „<hi rendition="#aq">Tu l’as voulu,</hi> George<lb/> Dandin.“ Würde der Künſtler ſelbſt endlich gegebenen Falles,<lb/> deutſcherſeits als „läſtiger Ausländer“ behandelt, ſo erhebt auch da-<lb/> gegen gewiß kein Vernünftiger Einſpruch. Ebenſo erſcheint es<lb/> ſelbſtverſtändlich, wenn alle deutſchen Künſtler-Korporationen, in<lb/> deren Liſten der Name Hodler vorkommt, dieſen Namen ein für<lb/> allemal durchſtreichen. Bei der Münchener und der Berliner Sezeſ-<lb/> ſion iſt es bereits geſchehen; beim „Deutſchen Künſtlerbund“ von<lb/> Franz von Stuck beantragt. Entſtehen dadurch auf künftigen Aus-<lb/> ſtellungen auch vielleicht einige Lücken, — das wird zu ertragen<lb/> ſein, um ſo mehr, als manche der bisher alljährlich bei Münch-<lb/> neriſchen, bei deutſchen Ausſtellungen überhaupt erſt bekannt ge-<lb/> wordene Ausländer fehlen werden. Unter Umſtänden muß man<lb/> ſich die Begrüßung berühmter Gäſte verſagen können. Deswegen<lb/> braucht einem nicht ſofort der Atem auszugehen. Vielleicht begeg-<lb/> net man dieſem Großen wieder einmal in der umgetauften Form<lb/> als „Audelaire“. Uns ſoll’s recht ſein. Den Markt — auf dieſen<lb/> kam es dem Herrn, der ein äußerſt geriſſener Geſchäftsmann ſein<lb/> ſoll, ſehr an — mag er ſich anderswo ſuchen. Engländer wie<lb/> Ruſſen ſchätzen es gewiß hoch ein, daß Herr Hodler als neuer Ver-<lb/> bündeter zu ihnen ſtößt.</p><lb/> <p>Nachträglich ſucht Herr Hodler das Gehäſſige ſeines Benehmens<lb/> von ſich abzuwälzen. Nach deutſchen Begriffen gibt man weder<lb/> Namen noch Unterſchrift für eine zweifelhaft feſtgeſtellte Sache.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [639/0007]
31. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
Gefühle verletzten, unſeren Nationalſtolz reizten oder im Ausland
den geringſten unſerer Raſſebrüder mißhandelten.... Wenn
eine Nation über hundert Jahre lang ganz behaglich und ſicher
vor jeder Angriffsgefahr geweſen iſt, weil ſie mühelos in Handel,
Induſtrie, Reichtum und Seemacht obenanſtand, wirkt es ſelbſt
auf ein phlegmatiſches Volk erſchreckend, zu erfahren, daß es in
all dieſen Dingen raſch überholt wird, und noch dazu in wenigen
Jahren! ... Deutſchland iſt in weit größerem Maße, als wir uns
klarmachen, ein neuer Faktor in der Politik, ein neuer Konkurrent
im Handel, ein neuer Ritter auf der Turnierliſte.... Von allen
Nationen der Welt wird es England am ſchwerſten, neue Bekannt-
ſchaften zu machen und neue Freundſchaften zu ſchließen, und
keine Nation iſt darin auch nur annähernd ſo ungeſchickt wie die
engliſche.... Ein neuer Hahn auf dem Hühnerhof wird nie mit
großer Herzlichkeit aufgenommen. Er muß ſich ſeinen Platz und
ſeine Macht mit Schnabel und Sporen erkämpfen.... Man
kommt am beſten miteinander aus, wenn man ſeine Perſönlich-
keit, ſeine Vorurteile und Glaubensſätze intakt erhält. Auf andere
Weiſe geht es nicht.... Wir haben in Amerika ganze Klaſſen,
die England haſſen, und in England gibt es nicht wenige, die ihre
Verachtung für Amerika nicht ganz verhehlen können, aber wir
haben Frieden gehalten, und ſeit England zur Zeit unſeres ſpani-
ſchen Krieges den Mächten, die ſich einmiſchen wollten, zurief
„Hände weg!“, iſt eine bedeutende Zunahme freundſchaftlicher Ge-
ſinnung zu bemerken. Aber Schmeicheleien ſind ſo gut wie gar
nicht gewechſelt worden. Wir haben einen Botſchafter nach dem
andern nach England geſchickt, die alle womöglich noch amerikani-
ſcher als die Amerikaner waren.“
Profeſſor Hofmiller ſchließt dieſen Abſatz mit den Worten:
„Waren auch unſere deutſchen Botſchafter in Petersburg, Paris
und London alle womöglich noch deutſcher als die Deutſchen? Das
iſt die Frage, die man ſich unwillkürlich ſtellt.“
Kunſt und Literatur
Hodler und Dalrroze.
Offene Antwort eines in Deutſchland lebenden Schweizers an
Herrn Dr. Ferdinand Hodler in Bern und Herrn Jacques Dalcroze
in Genf.
Seit Beginn des Krieges hat Deutſchland eine ſolche Menge
von verleumderiſchen Vorwürfen, nicht bloß ſeitens offen kämpfen-
der Gegner zu tragen, daß es eigentlich auf ein paar Stimmen
mehr oder weniger in dem großen internationalen Lügenchorus,
der die ganze alte Welt und ein gut Teil der neuen unter Vortritt
Englands z. Zt. umſpannt, nicht ankäme. Die Träger der hier
in Betracht zu ziehenden Namen ſind indes von einer gewiſſen
Bedeutung dadurch, daß ſie es bisher nicht unter ihrer Würde
fanden, das Gebiet des deutſchen Kunſtlebens, der eine davon
vor allem den deutſchen Kunſtmarkt in ihrem perſönlich-ureigenſten
Intereſſe ausgiebig für ſich zu beackern. Herr Dr. Ferdinand
Hodler, der für die Jenenſer Univerſität das bekannte ausgezeich-
nete Wandbild — Gegenſtand der Darſtellung: Die Anteilnahme
der akademiſchen deutſchen Jugend an der Erhebung 1813 — ſchuf,
erntete für dieſe Arbeit ernſten Beifall. Bei deutſchen öffentlichen
Kunſtausſtellungen, wie bei Privatunternehmungen ſolcher Art
nahm er ſtets einen hervorragenden Platz ein. U. a. iſt er Jnhaber
der großen Goldenen Münchener Ausſtellungsmedaille, kurz, den
größeren Teil ſeiner Erfolge dankt er deutſchem Jntereſſe. Wo
Schweizer Künſtler anläßlich ſolcher Gelegenheiten geſchloſſen auf-
traten, wie es z. B. bei den Münchener Jnternationalen Aus-
ſtellungen der Fall iſt, da ſtand, in letzter Zeit wenigſtens, dieſe
Abteilung — ob zu ihrem Vor- oder Nachteil, das kommt hier
nicht in Betracht — vorwiegend unter Hodlerſchem Einfluſſe. Er
ſpielte die erſte Geige da, wie er es auch bei den Schweizeriſchen
Wander-Ausſtellungen, in der „Geſellſchaft Schweizeriſcher Maler
und Bildhauer“ tut. Ob der gefeierte Künſtler nun, nachdem er
ſich oſtentativ dem gegen Deutſchland tätigen Verleumder-Chor
angeſchloſſen hat, es unter ſeiner Würde finden wird, im Lande
der „Barbaren“ weiterhin öffentlich ſeine Werke zur Schau zu
ſtellen, horrende Preiſe dafür einzuſchieben?
Wer weiß es!
Bei ſeinen Freunden, den Franzoſen, hat er, deſſen ganze
Anſchauung, offenbar durch erbliche Beanlagung bedingt, genau
ſo derb deutſch iſt, wie ſein Name, nicht annähernd, weder ideell
noch materiell denſelben Erfolg gehabt, wie auf der Seite, die er,
der vorzugsweiſe franzöſiſch Sprechende, jetzt in offener Gegnerſchaft
nicht angreift, nein, beſchimpft. Die in Deutſchland exiſtierenden
„Hodler-Gemeinden“ ſind freilich, das muß hier offen geſagt ſem,
ein Reſultat der unverbeſſerlichen Ueberſchätzung alles Auslän-
diſchen. Aehnliches hat man ja mit anderen Deutſchenhaſſern er-
lebt! Es ſei an Mäterlink erinnert, an Leoncavallo, an den Ber-
liner Ehrendoktor Rooſevelt, an General Botha uſw. Manchmal
trägt man ſelbſt ein gut Teil der Schuld an ſolchen Erfahrungen! An-
erkennung, in derart ausgiebiger, um nicht zu ſagen übertriebener
Weiſe geſpendet, zieht unverweigerlich ihre Folgen nach ſich. Der
deutſche Kunſtmarkt notierte für Hodler’ſche Werke ganz enorme
Preiſe. Sie wurden nicht allein gefordert, nein, auch bezahlt,
kurzum, Deutſchland war Hodlers ausgiebigſtes Erntefeld. Doch —
das fällt hier außer Betracht. Nicht um den Künſtler, nicht um
ſeine materiellen Erfolge im Lande der Barbaren handelt es ſich
heute, ſondern um eine Abwägung ſeines menſchlichen Wertes. Mag
das Licht, in dem er ſich ſeinen Geſinnungsgenoſſen zeigt, von dieſen
gerühmt werden! Anderen Menſchen, vorurteilsfreien Beobachtern
wahrer Tatſachen kann es kaum glänzend, anſtändig ganz gewiß
nicht erſcheinen.
Das Benehmen Hodlers Deutſchland gegenüber iſt böswillig
oder — ſehr dumm. Das des anderen nicht minder.
Es kann nicht unbeantwortet bleiben, von ſeiten der in Deutſch-
land lebenden Schweizer in erſter Linie nicht, ſoferne ſie den Mut
haben, Farbe zu bekennen. Zunächſt iſt dieſe Art des Vorgehens
geeignet, ſeine Landsleute in ein falſches Licht zu ſtellen. Die Neu-
tralität eines Staates — Herr Hodler fühlt ſich hinter der Neutrali-
tät der Schweiz ſicher — beſteht unter anderem darin, alles zu ver-
meiden, was die im Auslande niedergelaſſenen Bürger mit dem
Lande in Kolliſion bringen kann, wo ſie wohnen. Freilich iſt dies
der kulturell-verfeinerte Begriff des Neutral-Seins. Er ſetzt Empfin-
dung für den Begriff „Rückſicht“ voraus. Daß dieſe nicht allen
„Neutralen“ innewohnt, weiß man zur Genüge, Herrn Hodler, wie
manch anderem Welſch-Schweizer und phraſenhaften Deutſchen-
freſſer in erſter Linie nicht. Können nun die im Auslande, im
vorliegenden Falle die in Deutſchland lebenden, alle ſtaatlichen Ein-
richtungen genau wie Bürger genießenden Schweizer, eine ſolche
vollauf beabſichtigte Jn-Zweifelſtellung ihrer Geſinnung ſtillſchwei-
gend hinnehmen? Quod non, Herr Hodler! Man wünſcht nicht,
von der zurzeit allerdings nicht ſehr großen, anſtändig denkenden
und handelnden Welt mit Jhnen in einen Topf geworfen zu werden,
ebenſowenig mit Jhren Geſinnungsgenoſſen. Nach alledem er-
ſchiene es nur ſelbſtverſtändlich, wenn keine deutſche Ausſtellung,
ſei ſie öffentlicher oder privater Natur, künftig Hodlerſchen Arbeiten
Platz, damit abermals großmütig die gleichen Chancen bieten würde
wie jenen, die Herr Hodler in etwas übertriebener Selbſteinſchätzung
als „Barbaren“ bezeichnet. Würden weiter danach Hodler’ſche Ar-
beiten, in richtiger Würdigung des Autors, ſchon an der Grenze
zurückgewieſen, ſo mag er ſich ſagen: „Tu l’as voulu, George
Dandin.“ Würde der Künſtler ſelbſt endlich gegebenen Falles,
deutſcherſeits als „läſtiger Ausländer“ behandelt, ſo erhebt auch da-
gegen gewiß kein Vernünftiger Einſpruch. Ebenſo erſcheint es
ſelbſtverſtändlich, wenn alle deutſchen Künſtler-Korporationen, in
deren Liſten der Name Hodler vorkommt, dieſen Namen ein für
allemal durchſtreichen. Bei der Münchener und der Berliner Sezeſ-
ſion iſt es bereits geſchehen; beim „Deutſchen Künſtlerbund“ von
Franz von Stuck beantragt. Entſtehen dadurch auf künftigen Aus-
ſtellungen auch vielleicht einige Lücken, — das wird zu ertragen
ſein, um ſo mehr, als manche der bisher alljährlich bei Münch-
neriſchen, bei deutſchen Ausſtellungen überhaupt erſt bekannt ge-
wordene Ausländer fehlen werden. Unter Umſtänden muß man
ſich die Begrüßung berühmter Gäſte verſagen können. Deswegen
braucht einem nicht ſofort der Atem auszugehen. Vielleicht begeg-
net man dieſem Großen wieder einmal in der umgetauften Form
als „Audelaire“. Uns ſoll’s recht ſein. Den Markt — auf dieſen
kam es dem Herrn, der ein äußerſt geriſſener Geſchäftsmann ſein
ſoll, ſehr an — mag er ſich anderswo ſuchen. Engländer wie
Ruſſen ſchätzen es gewiß hoch ein, daß Herr Hodler als neuer Ver-
bündeter zu ihnen ſtößt.
Nachträglich ſucht Herr Hodler das Gehäſſige ſeines Benehmens
von ſich abzuwälzen. Nach deutſchen Begriffen gibt man weder
Namen noch Unterſchrift für eine zweifelhaft feſtgeſtellte Sache.
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(2023-04-27T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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