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Allgemeine Zeitung, Nr. 43, 24. Oktober 1914.

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[Spaltenumbruch] Garde-Pionier-Bataillon, die Epauletten. Er nahm alsdann bei
der 3. Feldkompagnie des letzteren bezw. vom 17. September bis
2. Oktober 1870 vertretungsweise als Adjutant des Kommandeurs
der Ingenieure und Pioniere beim Generalkommando des Garde-
korps am Feldzuge gegen Frankreich, insbesondere an der Schlacht
bei Gravelotte, der Einschließung von Metz sowie an der Be-
lagerung von Paris teil und erwarb sich das Eiserne Kreuz 2. Kl.

Nach dem Kriege vom 1. Oktober 1872 ab zum Besuch der
Artillerie- und Ingenieurschule kommandiert und demnächst im
Juni 1874 dem hannoverschen Pionier-Bataillon Nr. 10 in Minden
überwiesen, wurde er am 26. September 1874 zum Ingenieur-
offizier ernannt, kam im November desselben Jahres zum Forti-
fikationsdienst in Köln und erhielt am 15. Juni 1875 das Patent
als Premierleutnant. Nachdem er alsdann 1876/79 die Kriegs-
akademie besucht und demnächst zum rheinischen Pionier-Bataillon
Nr. 8 in Koblenz übergetreten, wurde er vom Mai 1880 ab zum
Großen Generalstabe kommandiert bezw. am 18. April 1882, unter
Ueberweisung zu letzterem, als Hauptmann in den Generalstab der
Armee versetzt.

Am 24. September 1884 dem Generalstabe der 30. Division
in Metz überwiesen und am 14. Mai 1887 als Kompagniechef in
das 1. hannoversche Infanterie-Regiment Nr. 74 in Hannover
versetzt, kehrte am 19. September des folgenden Jahres in den
Großen Generalstab zurück, kam am 26. November 1892 zum
Generalstabe des IX. Armeekorps in Altona, rückte am 17. Oktober
1893 zum Oberstleutnant auf und wurde am 27. des folgenden
Monats, unter Versetzung zum Großen Generalstabe, zur Dienst-
leistung beim Kriegsministerium kommandiert. Demnächst am
14. Mai 1894 als Chef der Armeeabteilung des Allgemeinen Kriegs-
departements in das Kriegsministerium versetzt und am 22. März
1897 zum Oberst befördert, trat er am 8. Oktober 1898 als Kom-
mandeur an die Spitze des 5. rheinischen Infanterie-Regiments
Nr. 65 in Köln, wurde am 17. Oktober 1899, unter Versetzung in
den Generalstab der Armee, mit Wahrnehmung der Geschäfte eines
Oberquartiermeisters beauftragt und erhielt am 16. des folgenden
Monats den Rang eines Brigade-Kommandeurs und am 27. Januar
1900 das Patent als Generalmajor. Am 9. Juni 1900 wurde er
Mitglied der Studienkommission der Kriegsakademie, am 22. des
folgenden Monats Oberquartiermeister und am 18. April 1903,
unter gleichzeitiger Entbindung von der Stellung als Mitglied der
Studienkommission der Kriegsakademie, Generalleutnant und Kom-
mandeur der 6. Division in Brandenburg a. H.

Am 15. September desselben Jahres wurde er mit Wahr-
nehmung der Geschäfte des Chefs des Ingenieur- und Pionier-
korps und Generalinspekteurs der Festungen beauftragt; kurz dar-
auf erfolgte seine definitive Bestätigung in dieser Stellung. Am
11. September 1907 stieg er zum General der Infanterie auf; am
5. Januar 1911 trat er auf seinen Antrag in die Klasse der zur
Disposition stehenden Offiziere über. Bald darauf berief ihn der
Kaiser auf Lebensdauer in das preußische Herrenhaus.

Vor kurzem betraute ihn der Kaiser mit dem Oberbefehl über
die Belagerungsarmee von Antwerpen, eine Aufgabe die er in so
glänzender Weise löste, daß ihm der Orden Pour le merite ver-
liehen wurde.

Exzellenz v. Beseler wird a l. s. des Garde-Pionier-Bataillons
geführt; er ist ein jüngerer Bruder des preußischen Justizministers
Dr. Max Beseler; seit 1885 ist er mit Klara, geb. Cornelius, ver-
heiratet und hat drei Töchter, Margot, Katharina und Asta.

Aus dem Tagebuch des Kommandanten von Lüttich.

Der Verteidiger der Festung Lüttich, Generalleutnant
Leman, hat denkwürdige Aufzeichnungen über die Beschießung
und Eroberung des Forts Loucin gemacht. Diese Aufzeichnungen
sind nicht nur werwoll für die Erkenntnis der Wirkung unserer
Artillerie, sondern auch von höchstem psychologischen Interesse, da
sie aus der Feder eines Mannes stammen, der mit einem Herois-
mus, den wir auch am Feind bewundern, bis zum bitteren Ende
in der Hölle des von unseren Granaten beworfenen Forts ausge-
halten hat.

Generalleutnant Leman gibt in der Einleitung zu seinem Be-
richt eine Beschreibung des Forts Loucin mit allen technischen Ein-
zelheiten, dazu farbige Zeichnungen, die die Beschreibung erläu-
tern. Der General berichtet, daß die Deutschen am 7. August die
[Spaltenumbruch] ganze Stadt in den Händen hatten, weil sie durch das Fehlen eines
gedeckten Platzes innerhalb des Fortgürtels auf dem rechten Maas-
ufer sämtliche Forts auf dieser Seite von innen her, d. h. von der
Kehlseite her, angreifen konnten. Von diesem Augenblick an
konnte die Beschießung der Forts auf dem linken Maasufer be-
ginnen. Das Fort Loucin liegt nordwestlich von Lüttich an der
großen Heerstraße nach Brüssel und ist ganz modern ausgebaut.
Die Beschießung begann nach dem Bericht Lemans am 11. August
mit 10- und 5-Zentimeter-Geschützen. Am 12. und 13. August
wirkten auch 21-Zentimeter-Geschütze mit, aber erst am 14. August
eröffnete die deutsche Artillerie das Feuer mit Geschützen, die zur
Vernichtung des Forts führten. General Leman hat während
der Beschießung vier Zeitabschnitte unterschieden.

Der erste begann am 14. um 41/2 Uhr nachmittags, nachdem
ein deutscher Offizier mit Winkerflaggen sich dem Fort auf 200
Meter genähert und so die Richtung für die deutsche Artillerie an-
gegeben hatte. Zwei Stunden dauerte ununterbrochen das Granat-
feuer, das mit großer Genauigkeit geleitet wurde. Nach einer halb-
stündigen Pause begann das Feuer der 21-Zentimeter-Geschütze.
Sie bewarfen von zehn zu zehn Minuten die ganze Nacht hindurch
das Fort mit Granaten, die einen außerordentlichen Material-
schaden verursachten. Die Eskarpe der Kehle war zerstört, die
Schutzmauer der linken Flankenbatterie zertrümmert. In die
Panzerungen der Fenster war Bresche gelegt, und nun machte sich
eine andere üble Wirkung geltend: alle Aufenthaltsorte der Es-
karpe waren von dem Rauch der Granaten erfüllt, die teils in der
Schutzmauer, teils im Graben platzten. Dieser giftige Rauch machte
den Aufenthalt in den bedeckten Räumen unmöglich und zwang
den General, die Besatzung auf dem Sammelplatz und in der Gale-
rie zusammenzudrängen. Aber auch dorthin drang der beläubende
Rauch und beeinträchtigte die Kampffähigkeit der Besatzung.

Der dritte Abschnitt der Beschießung begann am 15. morgens
um 51/2 Uhr. Das Feuer war äußerst heftig und hörte erst gegen
2 Uhr nachmittags auf. Die Schüsse waren sehr gut gezielt und
richteten entsetzliche Verwüstungen an. Die Wölbung des Kom-
mandeurstandes, wo sich der General mit seinen beiden Adjutanten
befand, erhielt furchtbare Stöße, so daß das Fort in seinen Grund-
festen erzitterte. Eine Granate, die nicht weit von dem Ventila-
tionsschacht des Kommandeurstandes platzte, warf tödlichen Rauch
und erstickenden Staub in den Raum. Jegliche Ventilation und
die elektrischen Lichtanlagen waren zerstört, so daß die Besatzung
sich mit Petroleumlampen behelfen mußte.

Gegen 2 Uhr trat eine Feuerpause ein, die der General dazu
benutzte, einen Erkundungsgang durch das Fort zu machen. Er
fand die Kehle des Forts völlig in Trümmer gelegt.

Ueber den vierten Abschnitt der Beschießung, der mit dem Fall
des Forts Loucin endete, hören wir am besten, was der General
Leman selbst berichtet:

"Es war 2 Uhr, als die Beschießung von neuem mit einer Hef-
tigkeit begann, von der man sich keine Vorstellung machen kann.
Es kam uns so vor, als ob die deutschen Batterien Salven abgäben.
Wir erfuhren später, daß sie da mit 42-Zentimeter-Mörsern ge-
schossen hatten, die Granaten von 1000 Kilogramm gegen uns
schleuderten, von einer bisher noch nie dagewesenen Explosionskraft.
Wir hörten, wenn sie ankamen; wir hörten das Sausen der
Luft, das sich allmählich zum Heulen eines wütenden Orkans stei-
gerte und in einem furchtbaren Donnerschlag seinen Abschluß fand.
Ungeheure Wolken von Staub und Rauch wälzten sich über den
erzitternden Boden.
In einem gewissen Augenblick dieser schrecklichen Beschießung
wollte ich in den Kommandeurstand zurückgehen, um zu sehen, was
dort vor sich ging. Aber kaum hatte ich einige Schritte in der
Galerie getan, als ein mächtiger Luftstoß, der den Korridor entlang
fegte, mich umwarf, so daß ich aufs Gesicht schlug. Ich erhob mich
und wollte meinen Weg fortsetzen, wurde aber festgebannt durch
eine wahre Flut von Stickluft, die alles einhüllte. Es war eine
Mischung von dem Gas des explodierenden Pulvers und dem
Rauch einer Feuersbrunst, die in den Mannschaftsräumen ausge-
brochen war, wo sich Betten und Möbel befanden. So wurden
wir also wieder dahin zurückgetrieben, woher wir kamen, aber die
Luft war jetzt nicht mehr zu atmen. Wir wären fast erstickt darin,
als Hauptmann Collard (der Adjutant des Generals) auf den Ge-
danken kam, den oberen Teil der Panzerung des Fensters wegzu-
nehmen; indem so der Raum oberhalb des Gitterwerks frei gemacht
wurde, kam ein wenig Luft herein.

Seite 624. Allgemeine Zeitung 24. Oktober 1914.


[Spaltenumbruch] Garde-Pionier-Bataillon, die Epauletten. Er nahm alsdann bei
der 3. Feldkompagnie des letzteren bezw. vom 17. September bis
2. Oktober 1870 vertretungsweiſe als Adjutant des Kommandeurs
der Ingenieure und Pioniere beim Generalkommando des Garde-
korps am Feldzuge gegen Frankreich, insbeſondere an der Schlacht
bei Gravelotte, der Einſchließung von Metz ſowie an der Be-
lagerung von Paris teil und erwarb ſich das Eiſerne Kreuz 2. Kl.

Nach dem Kriege vom 1. Oktober 1872 ab zum Beſuch der
Artillerie- und Ingenieurſchule kommandiert und demnächſt im
Juni 1874 dem hannoverſchen Pionier-Bataillon Nr. 10 in Minden
überwieſen, wurde er am 26. September 1874 zum Ingenieur-
offizier ernannt, kam im November desſelben Jahres zum Forti-
fikationsdienſt in Köln und erhielt am 15. Juni 1875 das Patent
als Premierleutnant. Nachdem er alsdann 1876/79 die Kriegs-
akademie beſucht und demnächſt zum rheiniſchen Pionier-Bataillon
Nr. 8 in Koblenz übergetreten, wurde er vom Mai 1880 ab zum
Großen Generalſtabe kommandiert bezw. am 18. April 1882, unter
Ueberweiſung zu letzterem, als Hauptmann in den Generalſtab der
Armee verſetzt.

Am 24. September 1884 dem Generalſtabe der 30. Diviſion
in Metz überwieſen und am 14. Mai 1887 als Kompagniechef in
das 1. hannoverſche Infanterie-Regiment Nr. 74 in Hannover
verſetzt, kehrte am 19. September des folgenden Jahres in den
Großen Generalſtab zurück, kam am 26. November 1892 zum
Generalſtabe des IX. Armeekorps in Altona, rückte am 17. Oktober
1893 zum Oberſtleutnant auf und wurde am 27. des folgenden
Monats, unter Verſetzung zum Großen Generalſtabe, zur Dienſt-
leiſtung beim Kriegsminiſterium kommandiert. Demnächſt am
14. Mai 1894 als Chef der Armeeabteilung des Allgemeinen Kriegs-
departements in das Kriegsminiſterium verſetzt und am 22. März
1897 zum Oberſt befördert, trat er am 8. Oktober 1898 als Kom-
mandeur an die Spitze des 5. rheiniſchen Infanterie-Regiments
Nr. 65 in Köln, wurde am 17. Oktober 1899, unter Verſetzung in
den Generalſtab der Armee, mit Wahrnehmung der Geſchäfte eines
Oberquartiermeiſters beauftragt und erhielt am 16. des folgenden
Monats den Rang eines Brigade-Kommandeurs und am 27. Januar
1900 das Patent als Generalmajor. Am 9. Juni 1900 wurde er
Mitglied der Studienkommiſſion der Kriegsakademie, am 22. des
folgenden Monats Oberquartiermeiſter und am 18. April 1903,
unter gleichzeitiger Entbindung von der Stellung als Mitglied der
Studienkommiſſion der Kriegsakademie, Generalleutnant und Kom-
mandeur der 6. Diviſion in Brandenburg a. H.

Am 15. September desſelben Jahres wurde er mit Wahr-
nehmung der Geſchäfte des Chefs des Ingenieur- und Pionier-
korps und Generalinſpekteurs der Feſtungen beauftragt; kurz dar-
auf erfolgte ſeine definitive Beſtätigung in dieſer Stellung. Am
11. September 1907 ſtieg er zum General der Infanterie auf; am
5. Januar 1911 trat er auf ſeinen Antrag in die Klaſſe der zur
Dispoſition ſtehenden Offiziere über. Bald darauf berief ihn der
Kaiſer auf Lebensdauer in das preußiſche Herrenhaus.

Vor kurzem betraute ihn der Kaiſer mit dem Oberbefehl über
die Belagerungsarmee von Antwerpen, eine Aufgabe die er in ſo
glänzender Weiſe löſte, daß ihm der Orden Pour le mérite ver-
liehen wurde.

Exzellenz v. Beſeler wird à l. s. des Garde-Pionier-Bataillons
geführt; er iſt ein jüngerer Bruder des preußiſchen Juſtizminiſters
Dr. Max Beſeler; ſeit 1885 iſt er mit Klara, geb. Cornelius, ver-
heiratet und hat drei Töchter, Margot, Katharina und Aſta.

Aus dem Tagebuch des Kommandanten von Lüttich.

Der Verteidiger der Feſtung Lüttich, Generalleutnant
Leman, hat denkwürdige Aufzeichnungen über die Beſchießung
und Eroberung des Forts Loucin gemacht. Dieſe Aufzeichnungen
ſind nicht nur werwoll für die Erkenntnis der Wirkung unſerer
Artillerie, ſondern auch von höchſtem pſychologiſchen Intereſſe, da
ſie aus der Feder eines Mannes ſtammen, der mit einem Herois-
mus, den wir auch am Feind bewundern, bis zum bitteren Ende
in der Hölle des von unſeren Granaten beworfenen Forts ausge-
halten hat.

Generalleutnant Leman gibt in der Einleitung zu ſeinem Be-
richt eine Beſchreibung des Forts Loucin mit allen techniſchen Ein-
zelheiten, dazu farbige Zeichnungen, die die Beſchreibung erläu-
tern. Der General berichtet, daß die Deutſchen am 7. Auguſt die
[Spaltenumbruch] ganze Stadt in den Händen hatten, weil ſie durch das Fehlen eines
gedeckten Platzes innerhalb des Fortgürtels auf dem rechten Maas-
ufer ſämtliche Forts auf dieſer Seite von innen her, d. h. von der
Kehlſeite her, angreifen konnten. Von dieſem Augenblick an
konnte die Beſchießung der Forts auf dem linken Maasufer be-
ginnen. Das Fort Loucin liegt nordweſtlich von Lüttich an der
großen Heerſtraße nach Brüſſel und iſt ganz modern ausgebaut.
Die Beſchießung begann nach dem Bericht Lemans am 11. Auguſt
mit 10- und 5-Zentimeter-Geſchützen. Am 12. und 13. Auguſt
wirkten auch 21-Zentimeter-Geſchütze mit, aber erſt am 14. Auguſt
eröffnete die deutſche Artillerie das Feuer mit Geſchützen, die zur
Vernichtung des Forts führten. General Leman hat während
der Beſchießung vier Zeitabſchnitte unterſchieden.

Der erſte begann am 14. um 4½ Uhr nachmittags, nachdem
ein deutſcher Offizier mit Winkerflaggen ſich dem Fort auf 200
Meter genähert und ſo die Richtung für die deutſche Artillerie an-
gegeben hatte. Zwei Stunden dauerte ununterbrochen das Granat-
feuer, das mit großer Genauigkeit geleitet wurde. Nach einer halb-
ſtündigen Pauſe begann das Feuer der 21-Zentimeter-Geſchütze.
Sie bewarfen von zehn zu zehn Minuten die ganze Nacht hindurch
das Fort mit Granaten, die einen außerordentlichen Material-
ſchaden verurſachten. Die Eskarpe der Kehle war zerſtört, die
Schutzmauer der linken Flankenbatterie zertrümmert. In die
Panzerungen der Fenſter war Breſche gelegt, und nun machte ſich
eine andere üble Wirkung geltend: alle Aufenthaltsorte der Es-
karpe waren von dem Rauch der Granaten erfüllt, die teils in der
Schutzmauer, teils im Graben platzten. Dieſer giftige Rauch machte
den Aufenthalt in den bedeckten Räumen unmöglich und zwang
den General, die Beſatzung auf dem Sammelplatz und in der Gale-
rie zuſammenzudrängen. Aber auch dorthin drang der beläubende
Rauch und beeinträchtigte die Kampffähigkeit der Beſatzung.

Der dritte Abſchnitt der Beſchießung begann am 15. morgens
um 5½ Uhr. Das Feuer war äußerſt heftig und hörte erſt gegen
2 Uhr nachmittags auf. Die Schüſſe waren ſehr gut gezielt und
richteten entſetzliche Verwüſtungen an. Die Wölbung des Kom-
mandeurſtandes, wo ſich der General mit ſeinen beiden Adjutanten
befand, erhielt furchtbare Stöße, ſo daß das Fort in ſeinen Grund-
feſten erzitterte. Eine Granate, die nicht weit von dem Ventila-
tionsſchacht des Kommandeurſtandes platzte, warf tödlichen Rauch
und erſtickenden Staub in den Raum. Jegliche Ventilation und
die elektriſchen Lichtanlagen waren zerſtört, ſo daß die Beſatzung
ſich mit Petroleumlampen behelfen mußte.

Gegen 2 Uhr trat eine Feuerpauſe ein, die der General dazu
benutzte, einen Erkundungsgang durch das Fort zu machen. Er
fand die Kehle des Forts völlig in Trümmer gelegt.

Ueber den vierten Abſchnitt der Beſchießung, der mit dem Fall
des Forts Loucin endete, hören wir am beſten, was der General
Leman ſelbſt berichtet:

„Es war 2 Uhr, als die Beſchießung von neuem mit einer Hef-
tigkeit begann, von der man ſich keine Vorſtellung machen kann.
Es kam uns ſo vor, als ob die deutſchen Batterien Salven abgäben.
Wir erfuhren ſpäter, daß ſie da mit 42-Zentimeter-Mörſern ge-
ſchoſſen hatten, die Granaten von 1000 Kilogramm gegen uns
ſchleuderten, von einer bisher noch nie dageweſenen Exploſionskraft.
Wir hörten, wenn ſie ankamen; wir hörten das Sauſen der
Luft, das ſich allmählich zum Heulen eines wütenden Orkans ſtei-
gerte und in einem furchtbaren Donnerſchlag ſeinen Abſchluß fand.
Ungeheure Wolken von Staub und Rauch wälzten ſich über den
erzitternden Boden.
In einem gewiſſen Augenblick dieſer ſchrecklichen Beſchießung
wollte ich in den Kommandeurſtand zurückgehen, um zu ſehen, was
dort vor ſich ging. Aber kaum hatte ich einige Schritte in der
Galerie getan, als ein mächtiger Luftſtoß, der den Korridor entlang
fegte, mich umwarf, ſo daß ich aufs Geſicht ſchlug. Ich erhob mich
und wollte meinen Weg fortſetzen, wurde aber feſtgebannt durch
eine wahre Flut von Stickluft, die alles einhüllte. Es war eine
Miſchung von dem Gas des explodierenden Pulvers und dem
Rauch einer Feuersbrunſt, die in den Mannſchaftsräumen ausge-
brochen war, wo ſich Betten und Möbel befanden. So wurden
wir alſo wieder dahin zurückgetrieben, woher wir kamen, aber die
Luft war jetzt nicht mehr zu atmen. Wir wären faſt erſtickt darin,
als Hauptmann Collard (der Adjutant des Generals) auf den Ge-
danken kam, den oberen Teil der Panzerung des Fenſters wegzu-
nehmen; indem ſo der Raum oberhalb des Gitterwerks frei gemacht
wurde, kam ein wenig Luft herein.

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[624/0008] Seite 624. Allgemeine Zeitung 24. Oktober 1914. Garde-Pionier-Bataillon, die Epauletten. Er nahm alsdann bei der 3. Feldkompagnie des letzteren bezw. vom 17. September bis 2. Oktober 1870 vertretungsweiſe als Adjutant des Kommandeurs der Ingenieure und Pioniere beim Generalkommando des Garde- korps am Feldzuge gegen Frankreich, insbeſondere an der Schlacht bei Gravelotte, der Einſchließung von Metz ſowie an der Be- lagerung von Paris teil und erwarb ſich das Eiſerne Kreuz 2. Kl. Nach dem Kriege vom 1. Oktober 1872 ab zum Beſuch der Artillerie- und Ingenieurſchule kommandiert und demnächſt im Juni 1874 dem hannoverſchen Pionier-Bataillon Nr. 10 in Minden überwieſen, wurde er am 26. September 1874 zum Ingenieur- offizier ernannt, kam im November desſelben Jahres zum Forti- fikationsdienſt in Köln und erhielt am 15. Juni 1875 das Patent als Premierleutnant. Nachdem er alsdann 1876/79 die Kriegs- akademie beſucht und demnächſt zum rheiniſchen Pionier-Bataillon Nr. 8 in Koblenz übergetreten, wurde er vom Mai 1880 ab zum Großen Generalſtabe kommandiert bezw. am 18. April 1882, unter Ueberweiſung zu letzterem, als Hauptmann in den Generalſtab der Armee verſetzt. Am 24. September 1884 dem Generalſtabe der 30. Diviſion in Metz überwieſen und am 14. Mai 1887 als Kompagniechef in das 1. hannoverſche Infanterie-Regiment Nr. 74 in Hannover verſetzt, kehrte am 19. September des folgenden Jahres in den Großen Generalſtab zurück, kam am 26. November 1892 zum Generalſtabe des IX. Armeekorps in Altona, rückte am 17. Oktober 1893 zum Oberſtleutnant auf und wurde am 27. des folgenden Monats, unter Verſetzung zum Großen Generalſtabe, zur Dienſt- leiſtung beim Kriegsminiſterium kommandiert. Demnächſt am 14. Mai 1894 als Chef der Armeeabteilung des Allgemeinen Kriegs- departements in das Kriegsminiſterium verſetzt und am 22. März 1897 zum Oberſt befördert, trat er am 8. Oktober 1898 als Kom- mandeur an die Spitze des 5. rheiniſchen Infanterie-Regiments Nr. 65 in Köln, wurde am 17. Oktober 1899, unter Verſetzung in den Generalſtab der Armee, mit Wahrnehmung der Geſchäfte eines Oberquartiermeiſters beauftragt und erhielt am 16. des folgenden Monats den Rang eines Brigade-Kommandeurs und am 27. Januar 1900 das Patent als Generalmajor. Am 9. Juni 1900 wurde er Mitglied der Studienkommiſſion der Kriegsakademie, am 22. des folgenden Monats Oberquartiermeiſter und am 18. April 1903, unter gleichzeitiger Entbindung von der Stellung als Mitglied der Studienkommiſſion der Kriegsakademie, Generalleutnant und Kom- mandeur der 6. Diviſion in Brandenburg a. H. Am 15. September desſelben Jahres wurde er mit Wahr- nehmung der Geſchäfte des Chefs des Ingenieur- und Pionier- korps und Generalinſpekteurs der Feſtungen beauftragt; kurz dar- auf erfolgte ſeine definitive Beſtätigung in dieſer Stellung. Am 11. September 1907 ſtieg er zum General der Infanterie auf; am 5. Januar 1911 trat er auf ſeinen Antrag in die Klaſſe der zur Dispoſition ſtehenden Offiziere über. Bald darauf berief ihn der Kaiſer auf Lebensdauer in das preußiſche Herrenhaus. Vor kurzem betraute ihn der Kaiſer mit dem Oberbefehl über die Belagerungsarmee von Antwerpen, eine Aufgabe die er in ſo glänzender Weiſe löſte, daß ihm der Orden Pour le mérite ver- liehen wurde. Exzellenz v. Beſeler wird à l. s. des Garde-Pionier-Bataillons geführt; er iſt ein jüngerer Bruder des preußiſchen Juſtizminiſters Dr. Max Beſeler; ſeit 1885 iſt er mit Klara, geb. Cornelius, ver- heiratet und hat drei Töchter, Margot, Katharina und Aſta. Aus dem Tagebuch des Kommandanten von Lüttich. Der Verteidiger der Feſtung Lüttich, Generalleutnant Leman, hat denkwürdige Aufzeichnungen über die Beſchießung und Eroberung des Forts Loucin gemacht. Dieſe Aufzeichnungen ſind nicht nur werwoll für die Erkenntnis der Wirkung unſerer Artillerie, ſondern auch von höchſtem pſychologiſchen Intereſſe, da ſie aus der Feder eines Mannes ſtammen, der mit einem Herois- mus, den wir auch am Feind bewundern, bis zum bitteren Ende in der Hölle des von unſeren Granaten beworfenen Forts ausge- halten hat. Generalleutnant Leman gibt in der Einleitung zu ſeinem Be- richt eine Beſchreibung des Forts Loucin mit allen techniſchen Ein- zelheiten, dazu farbige Zeichnungen, die die Beſchreibung erläu- tern. Der General berichtet, daß die Deutſchen am 7. Auguſt die ganze Stadt in den Händen hatten, weil ſie durch das Fehlen eines gedeckten Platzes innerhalb des Fortgürtels auf dem rechten Maas- ufer ſämtliche Forts auf dieſer Seite von innen her, d. h. von der Kehlſeite her, angreifen konnten. Von dieſem Augenblick an konnte die Beſchießung der Forts auf dem linken Maasufer be- ginnen. Das Fort Loucin liegt nordweſtlich von Lüttich an der großen Heerſtraße nach Brüſſel und iſt ganz modern ausgebaut. Die Beſchießung begann nach dem Bericht Lemans am 11. Auguſt mit 10- und 5-Zentimeter-Geſchützen. Am 12. und 13. Auguſt wirkten auch 21-Zentimeter-Geſchütze mit, aber erſt am 14. Auguſt eröffnete die deutſche Artillerie das Feuer mit Geſchützen, die zur Vernichtung des Forts führten. General Leman hat während der Beſchießung vier Zeitabſchnitte unterſchieden. Der erſte begann am 14. um 4½ Uhr nachmittags, nachdem ein deutſcher Offizier mit Winkerflaggen ſich dem Fort auf 200 Meter genähert und ſo die Richtung für die deutſche Artillerie an- gegeben hatte. Zwei Stunden dauerte ununterbrochen das Granat- feuer, das mit großer Genauigkeit geleitet wurde. Nach einer halb- ſtündigen Pauſe begann das Feuer der 21-Zentimeter-Geſchütze. Sie bewarfen von zehn zu zehn Minuten die ganze Nacht hindurch das Fort mit Granaten, die einen außerordentlichen Material- ſchaden verurſachten. Die Eskarpe der Kehle war zerſtört, die Schutzmauer der linken Flankenbatterie zertrümmert. In die Panzerungen der Fenſter war Breſche gelegt, und nun machte ſich eine andere üble Wirkung geltend: alle Aufenthaltsorte der Es- karpe waren von dem Rauch der Granaten erfüllt, die teils in der Schutzmauer, teils im Graben platzten. Dieſer giftige Rauch machte den Aufenthalt in den bedeckten Räumen unmöglich und zwang den General, die Beſatzung auf dem Sammelplatz und in der Gale- rie zuſammenzudrängen. Aber auch dorthin drang der beläubende Rauch und beeinträchtigte die Kampffähigkeit der Beſatzung. Der dritte Abſchnitt der Beſchießung begann am 15. morgens um 5½ Uhr. Das Feuer war äußerſt heftig und hörte erſt gegen 2 Uhr nachmittags auf. Die Schüſſe waren ſehr gut gezielt und richteten entſetzliche Verwüſtungen an. Die Wölbung des Kom- mandeurſtandes, wo ſich der General mit ſeinen beiden Adjutanten befand, erhielt furchtbare Stöße, ſo daß das Fort in ſeinen Grund- feſten erzitterte. Eine Granate, die nicht weit von dem Ventila- tionsſchacht des Kommandeurſtandes platzte, warf tödlichen Rauch und erſtickenden Staub in den Raum. Jegliche Ventilation und die elektriſchen Lichtanlagen waren zerſtört, ſo daß die Beſatzung ſich mit Petroleumlampen behelfen mußte. Gegen 2 Uhr trat eine Feuerpauſe ein, die der General dazu benutzte, einen Erkundungsgang durch das Fort zu machen. Er fand die Kehle des Forts völlig in Trümmer gelegt. Ueber den vierten Abſchnitt der Beſchießung, der mit dem Fall des Forts Loucin endete, hören wir am beſten, was der General Leman ſelbſt berichtet: „Es war 2 Uhr, als die Beſchießung von neuem mit einer Hef- tigkeit begann, von der man ſich keine Vorſtellung machen kann. Es kam uns ſo vor, als ob die deutſchen Batterien Salven abgäben. Wir erfuhren ſpäter, daß ſie da mit 42-Zentimeter-Mörſern ge- ſchoſſen hatten, die Granaten von 1000 Kilogramm gegen uns ſchleuderten, von einer bisher noch nie dageweſenen Exploſionskraft. Wir hörten, wenn ſie ankamen; wir hörten das Sauſen der Luft, das ſich allmählich zum Heulen eines wütenden Orkans ſtei- gerte und in einem furchtbaren Donnerſchlag ſeinen Abſchluß fand. Ungeheure Wolken von Staub und Rauch wälzten ſich über den erzitternden Boden. In einem gewiſſen Augenblick dieſer ſchrecklichen Beſchießung wollte ich in den Kommandeurſtand zurückgehen, um zu ſehen, was dort vor ſich ging. Aber kaum hatte ich einige Schritte in der Galerie getan, als ein mächtiger Luftſtoß, der den Korridor entlang fegte, mich umwarf, ſo daß ich aufs Geſicht ſchlug. Ich erhob mich und wollte meinen Weg fortſetzen, wurde aber feſtgebannt durch eine wahre Flut von Stickluft, die alles einhüllte. Es war eine Miſchung von dem Gas des explodierenden Pulvers und dem Rauch einer Feuersbrunſt, die in den Mannſchaftsräumen ausge- brochen war, wo ſich Betten und Möbel befanden. So wurden wir alſo wieder dahin zurückgetrieben, woher wir kamen, aber die Luft war jetzt nicht mehr zu atmen. Wir wären faſt erſtickt darin, als Hauptmann Collard (der Adjutant des Generals) auf den Ge- danken kam, den oberen Teil der Panzerung des Fenſters wegzu- nehmen; indem ſo der Raum oberhalb des Gitterwerks frei gemacht wurde, kam ein wenig Luft herein.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 43, 24. Oktober 1914, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine43_1914/8>, abgerufen am 17.06.2024.