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Allgemeine Zeitung, Nr. 42, 17. Oktober 1914.

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Allgemeine Zeitung 17. Oktober 1914.
[Spaltenumbruch] sturm unserer Infanterie und der Marinedivision sowie der Wirkung
unserer gewaltigen Artillerie schließlich nicht gewachsen fühlte, war
sie in voller Auflösung geflohen.

Unter der Besatzung befand sich auch eine unlängst eingetrof-
fene englische Marinebrigade. Sie sollte nach englischen
Zeitungsberichten das Rückgrat der Verteidigung sein. Der Grad
der Auflösung der englischen und belgischen Truppen wird durch die
Tatsache bezeichnet, daß die Uebergabeverhandlungen mit dem Bür-
germeister
geführt werden mußten, da keine militärische Behörde
aufzufinden war.

Die vollzogene Uebergabe wurde am 10. Oktober schon von dem
Chef des Stabes des bisherigen Gouvernements von Antwerpen
bestätigt. Die letzten noch nicht übergebenen Forts wurden von un-
seren Truppen besetzt.

Die Zahl der Gefangenen läßt sich noch nicht übersehen. Viele
belgische und englische Soldaten flohen nach Holland, wo sie inter-
niert wurden. Gewaltige Vorräte aller Art wurden erbeutet.

Die letzte belgische Festung, das "uneinnehmbare" Antwerpen
ist bezwungen. Die Angriffstruppen vollbrachten eine außerordent-
liche Leistung, die vom Kaiser damit gelohnt wurde, daß ihrem
Führer, General der Infanterie v. Beseler, der Orden "Pour le
merite
" verliehen wurde.

Vor der Einnahme erhielten die Belgier in Antwerpen einen
ersten Gruß durch Proklamationen des Belagerers der Festung
General v. Beseler, die einer unserer Flieger auf Antwerpen
herabgeworfen hatte. Diese Proklamation lautete nach der National-
zeitung:

"Belgische Soldaten! Euer Blut und Heil gebt Ihr keineswegs
für Euer geliebtes Vaterland her, sondern für die Interessen Ruß-
lands,
eines Landes, das nur danach strebt, seine enorme Macht
auszudehnen, vor allem aber für England, das in seiner niedrigen
Habgier diesen grausamen und noch nicht dagewesenen Krieg her-
aufbeschworen hat. Von Anbeginn des Krieges an haben Eure
Tageszeitungen, die im Solde von Frankreich und England stehen,
nicht aufgehört, Euch zu betrügen, und Euch über die Ursachen des
Krieges und den Ausgang der Gefechte zu täuschen, sie tun es auch
heute noch. Eure Armeebefehle beweisen es, wie man Euch be-
trügt.
Man sagt Euch, daß man Eure Kriegsgefangenen zwingt,
gegen Rußland mitzukämpfen, Euer gesunder Verstand muß Euch
aber sagen, daß dies unmöglich ist. Wenn der Tag gekommen sein
wird, da Eure gefangenen Kameraden zurückkehren, werden sie Euch
sagen, mit welchem Wohlwollen sie behandelt wurden, und Ihr
werdet dann vor Scham erröten, über die unerhörten Lügen. Jeder
Tag des weiteren Widerstandes bedeutet für Euch nicht wieder gut-
zumachende Leiden und Verluste, während Ihr nach der Uebergabe
von allen weiteren Leiden erlöst seid. Belgische Soldaten! Ihr habt
lange genug für die Interessen der russischen Großfürsten und der
Kapitalisten des perfiden Albion gekämpft. Eure Lage ist
hoffnungslos. Deutschland, das um seine Existenz kämpft, hat zwer
russische Armeen vernichtet. Es befindet sich kein russischer Soldat
mehr auf unserm Gebiete und in Frankreich besiegen unsere Trup-
pen den letzten Widerstand. Wenn Ihr zu Euren Frauen und Kin-
dern zurückkehren wollt, so beendet diesen nutzlosen
Kampf,
der nur zu Eurem Untergang führen kann. Dann werder
Ihr die Wohltaten eines glücklichen und vollständigen Friedens ge-
nießen!

Später hat General v. Beseler folgende Proklamation erlassen
an die

Einwohner von Antwerpen:
Das deutsche Heer betritt eure Stadt als Sieger. Keinem eurer
Mitbürger wird ein Leid geschehen und euer Eigentum wird ge-
schont werden, wenn ihr euch jeder Feindseligkeit enthaltet. Jede
Widersetzlichkeit dagegen wird nach dem Kriegsrecht bestraft und
kann die Zerstörung eurer schönen Stadt zur Folge haben.

Ueber den Fall von Antwerpen gibt das Wolffsche Bureau
unter dem 16. ds. noch zwei Telegramme aus, von denen das eine
eine englische, das andere eine holländische Meldung reproduziert.
Nach dem ersteren melden die Times: Mannschaften der Marine-
brigade sind nach achttägiger Abwesenheit gestern von Antwerpen in
Dover angekommen. Sie erzählten, sie seien acht Tage in der Hölle
[Spaltenumbruch] gewesen. Sie seien einmal zwischen belgisches und deutsches Feuer
geraten und mußten den Belgiern telephonieren, das Feuer einzu-
stellen. Trotzdem einige Leute erst sechs Wochen im Dienst waren,
zeigten sie in den Schützengräben unter dem Granatfeuer große
Kaltblütigkeit. Nach dem Abmarsch von Antwerpen marschierten
sie 40 Meilen bis Brügge und wurden dort von der Eisenbahn
weiterbefördert. Die Anzahl der belgischen Flüchtlinge in Englano
wird auf 40,000 geschätzt; im Laufe der beiden letzten Tage kamen
allein 5000 an.

Der "Telegraaf" meldet aus London: Der Flottenkorrespon-
dent der "Times" schreibt: Der Fall Antwerpens läßt natürlich ge-
wisse maritime Fragen auftauchen, aber wir brauchen uns nicht un-
nötige Sorgen zu machen. Die maritime Lage wird nicht im ge-
ringsten geändert. Antwerpen kann nicht die Operationsbasis gegen
England werden, solange Deutschland die Rechte neutraler Staaten
achtet.

Der Gebäude- und Materialschaden in Antwerpen
ist gering. Die Schleusen- und Fährenanlagen sind vom Feind un-
brauchbar gemacht worden. Im Hafen befinden sich 4 englische,
2 belgische, 1 französischer, 1 dänischer, 32 deutsche und 2 österreichi-
sche Dampfer und 2 deutsche Segelschiffe. Soweit die deutschen
Schiffe bis jetzt untersucht worden sind, scheinen die Schiffe unbrauch-
bar gemacht worden zu sein.

Die "Times" beschäftigen sich in einem Leitartikel mit einem
eventuellen Zeppelin-Angriff auf England. Das Blatt
sagt: Falls Luftschiffe kommen, so wird dies ohne die geringste Wir-
kung auf den Ausgang des Krieges sein. Wir wissen recht gut, wie
wir die Zeppeline empfangen sollen. Das Blatt meint, Belgien
bleibe der Hauptplatz der zukünftigen Operationen.

Eine Meldung aus Rotterdam vom 9. Oktober, daß 32 deut-
sche Handelsdampfer und 20 Rheinschiffe auf Betreiben der Eng-
länder in die Luft gesprengt worden seien, scheint sich zum Glück nicht
in ganzer Ausdehnung zu bewahrheiten. Es scheint, daß die Schiffe
nur unbrauchbar gemacht worden seien. Das soll jedoch schon in
der vorvorigen Woche geschehen sein. Die Ursache dieser Handlun-
gen wird wohl darin liegen, daß man Vorkehrungen traf, um diese
Schiffe den Deutschen nicht in die Hände fallen zu lassen, falls sie in
die Festung einrücken sollten.

Unterm 14. ds. wird aus dem Großen Hauptquartier über den
Rückzug der Besatzung von Antwerpen gemeldet:

Von Gent aus befindet sich der Feind, darunter ein Teil der
Besatzung von Antwerpen in eiligem Rückzug nach Westen zur Küste.
Unsere Truppen folgen. Lille ist von uns besetzt. 4500 Gefangene
sind dort gemacht worden. Die Stadt war durch ihre Behör-
den den deutschen Truppen gegenüber als offen erklärt worden.
Trotzdem schob der Gegner bei einem Umfassungsversuch von Dün-
kirchen her Kräfte dorthin vor mit dem Auftrag, sich bis zum Ein-
treffen der Umfassungsarmee zu halten. Da diese natürlich nicht
eintraf, war die einfache Folge, daß die zwecklos verteidigte Stadt
bei der Einnahme durch unsere Truppen Schädigungen erlitt.

Der deutsche Gouverneur in Antwerpen hat in deutscher und
in holländischer Sprache nachstehendes Plakat anschlagen lassen:

"Vorstehende Erklärung ist mit meinem vollständigen Einver-
ständnis erlassen. Im Falle, daß feindliche Akte irgendwelcher Art
vorkommen sollten, kann natürlich keine Garantie dafür übernom-
men werden, daß alsdann mit den Schuldigen nicht auch die Unschul-
digen leiden. Der Termin von 5 Tagen für die Rückkehr gewisser
Klassen der Bevölkerung ist auf 12 Tage verlängert worden. Ferner
wird eine Erklärung des Gouverneurs mitgeteilt, daß befohlen sei,
keine Dörfer anzubrennen und daß den bürgerlichen Behörden anbe-
fohlen sei, die Bürgerwachen aus sorgfältig ausgewählten Männern
zu bilden, um dem unerwünschten Verhalten aufrührerischer Personen
zu wehren, so daß die Bürger selbst die Garantien schaffen, daß keine
Schwierigkeiten eintreten. In Antwerpen tut die gewöhnliche Polizei
mit der üblichen Waffe Dienst wie bisher. Belgische Soldaten, auch
solche in Zivilkleidung, sollen nach ihrer Rückkehr als Kriegsgefan-
gene behandelt werden. Von den Antwerpener Flüchtlingen mitge-
brachte Pferde, Automobile und Viehbestände sollen bei schneller
Rückkehr frei die Zollschranken passieren; jeder dürfte sein mitge-
nommenes Eigentum ungehindert nach dem Wohnplatz zurückbrin-
gen. Die Regelung des Bahnverkehrs soll durch die holländische
Regierung geschehen. Vorstehende Mitteilung erfolgte mit Zustim-
mung der holländischen Regierung."

Allgemeine Zeitung 17. Oktober 1914.
[Spaltenumbruch] ſturm unſerer Infanterie und der Marinediviſion ſowie der Wirkung
unſerer gewaltigen Artillerie ſchließlich nicht gewachſen fühlte, war
ſie in voller Auflöſung geflohen.

Unter der Beſatzung befand ſich auch eine unlängſt eingetrof-
fene engliſche Marinebrigade. Sie ſollte nach engliſchen
Zeitungsberichten das Rückgrat der Verteidigung ſein. Der Grad
der Auflöſung der engliſchen und belgiſchen Truppen wird durch die
Tatſache bezeichnet, daß die Uebergabeverhandlungen mit dem Bür-
germeiſter
geführt werden mußten, da keine militäriſche Behörde
aufzufinden war.

Die vollzogene Uebergabe wurde am 10. Oktober ſchon von dem
Chef des Stabes des bisherigen Gouvernements von Antwerpen
beſtätigt. Die letzten noch nicht übergebenen Forts wurden von un-
ſeren Truppen beſetzt.

Die Zahl der Gefangenen läßt ſich noch nicht überſehen. Viele
belgiſche und engliſche Soldaten flohen nach Holland, wo ſie inter-
niert wurden. Gewaltige Vorräte aller Art wurden erbeutet.

Die letzte belgiſche Feſtung, das „uneinnehmbare“ Antwerpen
iſt bezwungen. Die Angriffstruppen vollbrachten eine außerordent-
liche Leiſtung, die vom Kaiſer damit gelohnt wurde, daß ihrem
Führer, General der Infanterie v. Beſeler, der Orden „Pour le
mérite
“ verliehen wurde.

Vor der Einnahme erhielten die Belgier in Antwerpen einen
erſten Gruß durch Proklamationen des Belagerers der Feſtung
General v. Beſeler, die einer unſerer Flieger auf Antwerpen
herabgeworfen hatte. Dieſe Proklamation lautete nach der National-
zeitung:

„Belgiſche Soldaten! Euer Blut und Heil gebt Ihr keineswegs
für Euer geliebtes Vaterland her, ſondern für die Intereſſen Ruß-
lands,
eines Landes, das nur danach ſtrebt, ſeine enorme Macht
auszudehnen, vor allem aber für England, das in ſeiner niedrigen
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aufbeſchworen hat. Von Anbeginn des Krieges an haben Eure
Tageszeitungen, die im Solde von Frankreich und England ſtehen,
nicht aufgehört, Euch zu betrügen, und Euch über die Urſachen des
Krieges und den Ausgang der Gefechte zu täuſchen, ſie tun es auch
heute noch. Eure Armeebefehle beweiſen es, wie man Euch be-
trügt.
Man ſagt Euch, daß man Eure Kriegsgefangenen zwingt,
gegen Rußland mitzukämpfen, Euer geſunder Verſtand muß Euch
aber ſagen, daß dies unmöglich iſt. Wenn der Tag gekommen ſein
wird, da Eure gefangenen Kameraden zurückkehren, werden ſie Euch
ſagen, mit welchem Wohlwollen ſie behandelt wurden, und Ihr
werdet dann vor Scham erröten, über die unerhörten Lügen. Jeder
Tag des weiteren Widerſtandes bedeutet für Euch nicht wieder gut-
zumachende Leiden und Verluſte, während Ihr nach der Uebergabe
von allen weiteren Leiden erlöſt ſeid. Belgiſche Soldaten! Ihr habt
lange genug für die Intereſſen der ruſſiſchen Großfürſten und der
Kapitaliſten des perfiden Albion gekämpft. Eure Lage iſt
hoffnungslos. Deutſchland, das um ſeine Exiſtenz kämpft, hat zwer
ruſſiſche Armeen vernichtet. Es befindet ſich kein ruſſiſcher Soldat
mehr auf unſerm Gebiete und in Frankreich beſiegen unſere Trup-
pen den letzten Widerſtand. Wenn Ihr zu Euren Frauen und Kin-
dern zurückkehren wollt, ſo beendet dieſen nutzloſen
Kampf,
der nur zu Eurem Untergang führen kann. Dann werder
Ihr die Wohltaten eines glücklichen und vollſtändigen Friedens ge-
nießen!

Später hat General v. Beſeler folgende Proklamation erlaſſen
an die

Einwohner von Antwerpen:
Das deutſche Heer betritt eure Stadt als Sieger. Keinem eurer
Mitbürger wird ein Leid geſchehen und euer Eigentum wird ge-
ſchont werden, wenn ihr euch jeder Feindſeligkeit enthaltet. Jede
Widerſetzlichkeit dagegen wird nach dem Kriegsrecht beſtraft und
kann die Zerſtörung eurer ſchönen Stadt zur Folge haben.

Ueber den Fall von Antwerpen gibt das Wolffſche Bureau
unter dem 16. ds. noch zwei Telegramme aus, von denen das eine
eine engliſche, das andere eine holländiſche Meldung reproduziert.
Nach dem erſteren melden die Times: Mannſchaften der Marine-
brigade ſind nach achttägiger Abweſenheit geſtern von Antwerpen in
Dover angekommen. Sie erzählten, ſie ſeien acht Tage in der Hölle
[Spaltenumbruch] geweſen. Sie ſeien einmal zwiſchen belgiſches und deutſches Feuer
geraten und mußten den Belgiern telephonieren, das Feuer einzu-
ſtellen. Trotzdem einige Leute erſt ſechs Wochen im Dienſt waren,
zeigten ſie in den Schützengräben unter dem Granatfeuer große
Kaltblütigkeit. Nach dem Abmarſch von Antwerpen marſchierten
ſie 40 Meilen bis Brügge und wurden dort von der Eiſenbahn
weiterbefördert. Die Anzahl der belgiſchen Flüchtlinge in Englano
wird auf 40,000 geſchätzt; im Laufe der beiden letzten Tage kamen
allein 5000 an.

Der „Telegraaf“ meldet aus London: Der Flottenkorreſpon-
dent der „Times“ ſchreibt: Der Fall Antwerpens läßt natürlich ge-
wiſſe maritime Fragen auftauchen, aber wir brauchen uns nicht un-
nötige Sorgen zu machen. Die maritime Lage wird nicht im ge-
ringſten geändert. Antwerpen kann nicht die Operationsbaſis gegen
England werden, ſolange Deutſchland die Rechte neutraler Staaten
achtet.

Der Gebäude- und Materialſchaden in Antwerpen
iſt gering. Die Schleuſen- und Fährenanlagen ſind vom Feind un-
brauchbar gemacht worden. Im Hafen befinden ſich 4 engliſche,
2 belgiſche, 1 franzöſiſcher, 1 däniſcher, 32 deutſche und 2 öſterreichi-
ſche Dampfer und 2 deutſche Segelſchiffe. Soweit die deutſchen
Schiffe bis jetzt unterſucht worden ſind, ſcheinen die Schiffe unbrauch-
bar gemacht worden zu ſein.

Die „Times“ beſchäftigen ſich in einem Leitartikel mit einem
eventuellen Zeppelin-Angriff auf England. Das Blatt
ſagt: Falls Luftſchiffe kommen, ſo wird dies ohne die geringſte Wir-
kung auf den Ausgang des Krieges ſein. Wir wiſſen recht gut, wie
wir die Zeppeline empfangen ſollen. Das Blatt meint, Belgien
bleibe der Hauptplatz der zukünftigen Operationen.

Eine Meldung aus Rotterdam vom 9. Oktober, daß 32 deut-
ſche Handelsdampfer und 20 Rheinſchiffe auf Betreiben der Eng-
länder in die Luft geſprengt worden ſeien, ſcheint ſich zum Glück nicht
in ganzer Ausdehnung zu bewahrheiten. Es ſcheint, daß die Schiffe
nur unbrauchbar gemacht worden ſeien. Das ſoll jedoch ſchon in
der vorvorigen Woche geſchehen ſein. Die Urſache dieſer Handlun-
gen wird wohl darin liegen, daß man Vorkehrungen traf, um dieſe
Schiffe den Deutſchen nicht in die Hände fallen zu laſſen, falls ſie in
die Feſtung einrücken ſollten.

Unterm 14. ds. wird aus dem Großen Hauptquartier über den
Rückzug der Beſatzung von Antwerpen gemeldet:

Von Gent aus befindet ſich der Feind, darunter ein Teil der
Beſatzung von Antwerpen in eiligem Rückzug nach Weſten zur Küſte.
Unſere Truppen folgen. Lille iſt von uns beſetzt. 4500 Gefangene
ſind dort gemacht worden. Die Stadt war durch ihre Behör-
den den deutſchen Truppen gegenüber als offen erklärt worden.
Trotzdem ſchob der Gegner bei einem Umfaſſungsverſuch von Dün-
kirchen her Kräfte dorthin vor mit dem Auftrag, ſich bis zum Ein-
treffen der Umfaſſungsarmee zu halten. Da dieſe natürlich nicht
eintraf, war die einfache Folge, daß die zwecklos verteidigte Stadt
bei der Einnahme durch unſere Truppen Schädigungen erlitt.

Der deutſche Gouverneur in Antwerpen hat in deutſcher und
in holländiſcher Sprache nachſtehendes Plakat anſchlagen laſſen:

„Vorſtehende Erklärung iſt mit meinem vollſtändigen Einver-
ſtändnis erlaſſen. Im Falle, daß feindliche Akte irgendwelcher Art
vorkommen ſollten, kann natürlich keine Garantie dafür übernom-
men werden, daß alsdann mit den Schuldigen nicht auch die Unſchul-
digen leiden. Der Termin von 5 Tagen für die Rückkehr gewiſſer
Klaſſen der Bevölkerung iſt auf 12 Tage verlängert worden. Ferner
wird eine Erklärung des Gouverneurs mitgeteilt, daß befohlen ſei,
keine Dörfer anzubrennen und daß den bürgerlichen Behörden anbe-
fohlen ſei, die Bürgerwachen aus ſorgfältig ausgewählten Männern
zu bilden, um dem unerwünſchten Verhalten aufrühreriſcher Perſonen
zu wehren, ſo daß die Bürger ſelbſt die Garantien ſchaffen, daß keine
Schwierigkeiten eintreten. In Antwerpen tut die gewöhnliche Polizei
mit der üblichen Waffe Dienſt wie bisher. Belgiſche Soldaten, auch
ſolche in Zivilkleidung, ſollen nach ihrer Rückkehr als Kriegsgefan-
gene behandelt werden. Von den Antwerpener Flüchtlingen mitge-
brachte Pferde, Automobile und Viehbeſtände ſollen bei ſchneller
Rückkehr frei die Zollſchranken paſſieren; jeder dürfte ſein mitge-
nommenes Eigentum ungehindert nach dem Wohnplatz zurückbrin-
gen. Die Regelung des Bahnverkehrs ſoll durch die holländiſche
Regierung geſchehen. Vorſtehende Mitteilung erfolgte mit Zuſtim-
mung der holländiſchen Regierung.“

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[606/0002] Allgemeine Zeitung 17. Oktober 1914. ſturm unſerer Infanterie und der Marinediviſion ſowie der Wirkung unſerer gewaltigen Artillerie ſchließlich nicht gewachſen fühlte, war ſie in voller Auflöſung geflohen. Unter der Beſatzung befand ſich auch eine unlängſt eingetrof- fene engliſche Marinebrigade. Sie ſollte nach engliſchen Zeitungsberichten das Rückgrat der Verteidigung ſein. Der Grad der Auflöſung der engliſchen und belgiſchen Truppen wird durch die Tatſache bezeichnet, daß die Uebergabeverhandlungen mit dem Bür- germeiſter geführt werden mußten, da keine militäriſche Behörde aufzufinden war. Die vollzogene Uebergabe wurde am 10. Oktober ſchon von dem Chef des Stabes des bisherigen Gouvernements von Antwerpen beſtätigt. Die letzten noch nicht übergebenen Forts wurden von un- ſeren Truppen beſetzt. Die Zahl der Gefangenen läßt ſich noch nicht überſehen. Viele belgiſche und engliſche Soldaten flohen nach Holland, wo ſie inter- niert wurden. Gewaltige Vorräte aller Art wurden erbeutet. Die letzte belgiſche Feſtung, das „uneinnehmbare“ Antwerpen iſt bezwungen. Die Angriffstruppen vollbrachten eine außerordent- liche Leiſtung, die vom Kaiſer damit gelohnt wurde, daß ihrem Führer, General der Infanterie v. Beſeler, der Orden „Pour le mérite“ verliehen wurde. Vor der Einnahme erhielten die Belgier in Antwerpen einen erſten Gruß durch Proklamationen des Belagerers der Feſtung General v. Beſeler, die einer unſerer Flieger auf Antwerpen herabgeworfen hatte. Dieſe Proklamation lautete nach der National- zeitung: „Belgiſche Soldaten! Euer Blut und Heil gebt Ihr keineswegs für Euer geliebtes Vaterland her, ſondern für die Intereſſen Ruß- lands, eines Landes, das nur danach ſtrebt, ſeine enorme Macht auszudehnen, vor allem aber für England, das in ſeiner niedrigen Habgier dieſen grauſamen und noch nicht dageweſenen Krieg her- aufbeſchworen hat. Von Anbeginn des Krieges an haben Eure Tageszeitungen, die im Solde von Frankreich und England ſtehen, nicht aufgehört, Euch zu betrügen, und Euch über die Urſachen des Krieges und den Ausgang der Gefechte zu täuſchen, ſie tun es auch heute noch. Eure Armeebefehle beweiſen es, wie man Euch be- trügt. Man ſagt Euch, daß man Eure Kriegsgefangenen zwingt, gegen Rußland mitzukämpfen, Euer geſunder Verſtand muß Euch aber ſagen, daß dies unmöglich iſt. Wenn der Tag gekommen ſein wird, da Eure gefangenen Kameraden zurückkehren, werden ſie Euch ſagen, mit welchem Wohlwollen ſie behandelt wurden, und Ihr werdet dann vor Scham erröten, über die unerhörten Lügen. Jeder Tag des weiteren Widerſtandes bedeutet für Euch nicht wieder gut- zumachende Leiden und Verluſte, während Ihr nach der Uebergabe von allen weiteren Leiden erlöſt ſeid. Belgiſche Soldaten! Ihr habt lange genug für die Intereſſen der ruſſiſchen Großfürſten und der Kapitaliſten des perfiden Albion gekämpft. Eure Lage iſt hoffnungslos. Deutſchland, das um ſeine Exiſtenz kämpft, hat zwer ruſſiſche Armeen vernichtet. Es befindet ſich kein ruſſiſcher Soldat mehr auf unſerm Gebiete und in Frankreich beſiegen unſere Trup- pen den letzten Widerſtand. Wenn Ihr zu Euren Frauen und Kin- dern zurückkehren wollt, ſo beendet dieſen nutzloſen Kampf, der nur zu Eurem Untergang führen kann. Dann werder Ihr die Wohltaten eines glücklichen und vollſtändigen Friedens ge- nießen! v. Beſeler, Oberkommandant der Belagerungsarmee.“ Später hat General v. Beſeler folgende Proklamation erlaſſen an die Einwohner von Antwerpen: Das deutſche Heer betritt eure Stadt als Sieger. Keinem eurer Mitbürger wird ein Leid geſchehen und euer Eigentum wird ge- ſchont werden, wenn ihr euch jeder Feindſeligkeit enthaltet. Jede Widerſetzlichkeit dagegen wird nach dem Kriegsrecht beſtraft und kann die Zerſtörung eurer ſchönen Stadt zur Folge haben. Ueber den Fall von Antwerpen gibt das Wolffſche Bureau unter dem 16. ds. noch zwei Telegramme aus, von denen das eine eine engliſche, das andere eine holländiſche Meldung reproduziert. Nach dem erſteren melden die Times: Mannſchaften der Marine- brigade ſind nach achttägiger Abweſenheit geſtern von Antwerpen in Dover angekommen. Sie erzählten, ſie ſeien acht Tage in der Hölle geweſen. Sie ſeien einmal zwiſchen belgiſches und deutſches Feuer geraten und mußten den Belgiern telephonieren, das Feuer einzu- ſtellen. Trotzdem einige Leute erſt ſechs Wochen im Dienſt waren, zeigten ſie in den Schützengräben unter dem Granatfeuer große Kaltblütigkeit. Nach dem Abmarſch von Antwerpen marſchierten ſie 40 Meilen bis Brügge und wurden dort von der Eiſenbahn weiterbefördert. Die Anzahl der belgiſchen Flüchtlinge in Englano wird auf 40,000 geſchätzt; im Laufe der beiden letzten Tage kamen allein 5000 an. Der „Telegraaf“ meldet aus London: Der Flottenkorreſpon- dent der „Times“ ſchreibt: Der Fall Antwerpens läßt natürlich ge- wiſſe maritime Fragen auftauchen, aber wir brauchen uns nicht un- nötige Sorgen zu machen. Die maritime Lage wird nicht im ge- ringſten geändert. Antwerpen kann nicht die Operationsbaſis gegen England werden, ſolange Deutſchland die Rechte neutraler Staaten achtet. Der Gebäude- und Materialſchaden in Antwerpen iſt gering. Die Schleuſen- und Fährenanlagen ſind vom Feind un- brauchbar gemacht worden. Im Hafen befinden ſich 4 engliſche, 2 belgiſche, 1 franzöſiſcher, 1 däniſcher, 32 deutſche und 2 öſterreichi- ſche Dampfer und 2 deutſche Segelſchiffe. Soweit die deutſchen Schiffe bis jetzt unterſucht worden ſind, ſcheinen die Schiffe unbrauch- bar gemacht worden zu ſein. Die „Times“ beſchäftigen ſich in einem Leitartikel mit einem eventuellen Zeppelin-Angriff auf England. Das Blatt ſagt: Falls Luftſchiffe kommen, ſo wird dies ohne die geringſte Wir- kung auf den Ausgang des Krieges ſein. Wir wiſſen recht gut, wie wir die Zeppeline empfangen ſollen. Das Blatt meint, Belgien bleibe der Hauptplatz der zukünftigen Operationen. Eine Meldung aus Rotterdam vom 9. Oktober, daß 32 deut- ſche Handelsdampfer und 20 Rheinſchiffe auf Betreiben der Eng- länder in die Luft geſprengt worden ſeien, ſcheint ſich zum Glück nicht in ganzer Ausdehnung zu bewahrheiten. Es ſcheint, daß die Schiffe nur unbrauchbar gemacht worden ſeien. Das ſoll jedoch ſchon in der vorvorigen Woche geſchehen ſein. Die Urſache dieſer Handlun- gen wird wohl darin liegen, daß man Vorkehrungen traf, um dieſe Schiffe den Deutſchen nicht in die Hände fallen zu laſſen, falls ſie in die Feſtung einrücken ſollten. Unterm 14. ds. wird aus dem Großen Hauptquartier über den Rückzug der Beſatzung von Antwerpen gemeldet: Von Gent aus befindet ſich der Feind, darunter ein Teil der Beſatzung von Antwerpen in eiligem Rückzug nach Weſten zur Küſte. Unſere Truppen folgen. Lille iſt von uns beſetzt. 4500 Gefangene ſind dort gemacht worden. Die Stadt war durch ihre Behör- den den deutſchen Truppen gegenüber als offen erklärt worden. Trotzdem ſchob der Gegner bei einem Umfaſſungsverſuch von Dün- kirchen her Kräfte dorthin vor mit dem Auftrag, ſich bis zum Ein- treffen der Umfaſſungsarmee zu halten. Da dieſe natürlich nicht eintraf, war die einfache Folge, daß die zwecklos verteidigte Stadt bei der Einnahme durch unſere Truppen Schädigungen erlitt. Der deutſche Gouverneur in Antwerpen hat in deutſcher und in holländiſcher Sprache nachſtehendes Plakat anſchlagen laſſen: „Vorſtehende Erklärung iſt mit meinem vollſtändigen Einver- ſtändnis erlaſſen. Im Falle, daß feindliche Akte irgendwelcher Art vorkommen ſollten, kann natürlich keine Garantie dafür übernom- men werden, daß alsdann mit den Schuldigen nicht auch die Unſchul- digen leiden. Der Termin von 5 Tagen für die Rückkehr gewiſſer Klaſſen der Bevölkerung iſt auf 12 Tage verlängert worden. Ferner wird eine Erklärung des Gouverneurs mitgeteilt, daß befohlen ſei, keine Dörfer anzubrennen und daß den bürgerlichen Behörden anbe- fohlen ſei, die Bürgerwachen aus ſorgfältig ausgewählten Männern zu bilden, um dem unerwünſchten Verhalten aufrühreriſcher Perſonen zu wehren, ſo daß die Bürger ſelbſt die Garantien ſchaffen, daß keine Schwierigkeiten eintreten. In Antwerpen tut die gewöhnliche Polizei mit der üblichen Waffe Dienſt wie bisher. Belgiſche Soldaten, auch ſolche in Zivilkleidung, ſollen nach ihrer Rückkehr als Kriegsgefan- gene behandelt werden. Von den Antwerpener Flüchtlingen mitge- brachte Pferde, Automobile und Viehbeſtände ſollen bei ſchneller Rückkehr frei die Zollſchranken paſſieren; jeder dürfte ſein mitge- nommenes Eigentum ungehindert nach dem Wohnplatz zurückbrin- gen. Die Regelung des Bahnverkehrs ſoll durch die holländiſche Regierung geſchehen. Vorſtehende Mitteilung erfolgte mit Zuſtim- mung der holländiſchen Regierung.“

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 42, 17. Oktober 1914, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine42_1914/2>, abgerufen am 10.06.2024.