Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung, Nr. 41, 10. Oktober 1914.

Bild:
<< vorherige Seite

10. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] Nach Kitcheners Reformplan sollen in Australien für das
laufende Jahr 100,000 "Kadetten" -- Leute im Alter von 12 bis
17 Jahren -- und 120,000 Milizen -- Leute von 18 Jahren und
mehr -- ausgehoben sein. Was bedeuten solche jeder ernsten mili-
tärischen Zucht entbehrenden Verbände gegen das Millionenheer
des Mikado und was vollends sollte dabei herauskommen, einen
Teil davon, wie es nach der Londoner Hetzpresse bereits geschehen
sein soll, als Hilfslegion gegen Deutschland nach Nordfrankreich zu
verschiffen?

Was Kanada anbelangt, so liegen die Verhältnisse grund-
sätzlich ganz ähnlich, so daß ein näheres Eingehen darauf erübrigt.
Der militärische Wert der kanadischen Milizen, von denen angeblich
25,000 Mann als "erste Lieferung" bereits über den Ozean ge-
bracht worden sein sollen, in einem europäischen Krieg ist jedenfalls
gering, und wenn auch das heutige Ministerium dem größerbritan-
nischen Bundesgedanken freundlicher gegenübersteht als sein Vor-
gänger, das Kabinett Laurier, so hat doch auch Borden noch kurz
vor der Kriegserklärung betont, "das Dominium habe nur dann
eine Pflicht, sich in Fragen der Erhaltung des Weltreichs an die
Seite des Mutterlandes zu stellen, wenn der kanadische Bürger
dieselben politischen Rechte wie der Engländer besitze" -- mit an-
deren Worten, wenn er in einem zu errichtenden Reichsparlament
Sitz und Stimme habe. Sicher ist soviel, daß ganz Westkanada weit
mehr auf seiten Deutschlands steht als daß es Lust hätte, für Albi-
ons Waffenruhm auf den europäischen Schlachtfeldern nutzlos zu
bluten.

Dieselbe Zwiespältigkeit in der Stellung zu der Londoner
Kriegspolitik tritt noch schärfer in Südafrika zutage. Wenn
Botha -- vielleicht auch mehr aus taktischen Gründen als
in aufrichtiger Begeisterung für die britische Sache -- in das Horn
eines Grey und Winston Churchill geblasen hat, so kann das schließ-
lich nicht wundernehmen. Denn seitdem der verdiente Heerführer
der Buren im Guerillakrieg gegen die Engländer nach Beendigung
der Vernichtungskämpfe durch die Verheiratung semer Schwester
mit einem englischen Adligen in enge Verbindung mit der Lon-
doner Aristokratie und Plutokratie trat und gegen bestimmte Ver-
sprechungen seines Wohlverhaltens die Ministerpräsidentschaft sich
zuschanzen ließ, haben er und eine gewisse Gefolgschaft, die den
Lockungen des Witwatersrand nicht zu widerstehen vermochte, sich
immer mehr, wie der politische Cant an der Themse sich auszu-
drücken pflegt, zu "Imperialisten", das heißt Halbblutbriten umge-
wandelt. Aber diese Gruppe kann keineswegs als Vertreterin des
echten Burentums gelten, das im Innern von Transvaal und
Oranje seiner Scholle und den Ueberlieferungen Krügers treu ge-
blieben ist, das nicht die scheußliche Art des britischen Ver-
nichtungskampfes gegen das holländische Afrikandertum vergessen
hat, dessen Führer Hertzog und de Wet sind und in dessen
Namen General Beyers unter Niederlegung seiner Befehlsgewalt
so aufrichtige Worte über das Verhältnis der holländischen Afrikan-
der zu Deutschland gesprochen hat. Man darf als sicher annehmen,
daß die eigentlichen Buren zu einem Angriffs krieg gegen
Deutsch-Südwest sich nicht werden breitschlagen lassen, daß die
britische Regierung vielmehr für solche Zwecke in der Hauptsache
auf Anwerbung des internationalen Gesindels, das sich am Rand
hrumtreibt, angewiesen bleiben wird.

Noch eigentümlicher, zwiespältiger erscheint das indische
Problem. Als vor drei Jahren im gesetzgebenden Rat des Kaiser-
reichs zum ersten Male die föderalistischen Reichsverteidigungs-
fragen verhandelt wurden, stellte die sogenannte Welby Commission
das Gesetz auf, das später grundsätzlich alle Kolonien mehr oder
weniger vollkommen übernahmen: "Die Nutzbarmachung der Lan-
deseinnahmen für Zwecke der Reichsverteidigung ist unbedingt ge-
bunden an das geographische Gebiet, wo wir unmittelbare und wesent-
liche Interessen zu schützen haben". Das ist zweifellos die Meinung
aller indischen Politiker, von deren Standpunkt aus es gewiß bei
den heutigen europäischen Kämpfen nicht um solche Landesinteressen
sich handeln kann. Das angloindische Heer umsaßt rund 215,000
Mann, wovon 75,000 britische, der Rest eingeborenc Truppen sind.
Auch nur den geringsten Teil dieser Verbände für ausländische
Kriegszwecke abzugeben, haben bisher noch alle britischen Staats-
männer und Heerführer, so namentlich Kitchener, der heutige Leiter
der gesamten militärischen Operationen Englands, für ausgeschlossen
erklärt. Jetzt soll auf einmal alles anders geworden sein! Wenn
zunächst, was feststeht, Hindutruppen nach Hilolopolis verbracht
wurden, so könnte man darin ein Verlegenheitsmittel Englands
sehen, die ägyptischen Verbände, denen es nicht traut. durch andere
[Spaltenumbruch] zu ersetzen. Aber darüber hinaus scheint der "furchtbare Faktor",
dessen Auftreten gegen Deutschland der britische Generalissimus an-
gekündigt hat, in der Entsendung von nord- und nordwestindischen
Gebirgs-Kerntruppen wie den Punjabis, Gurkhas, Sikhs, bestehen
zu sollen. Das sind gewiß die tüchtigsten, aber auch, sobald die
von Konstantinopel und Kairo aus ins Werk gesetzte allislamische
Propaganda wirkt, die unzuverlässigsten Verbände, und unter
diesen Umständen muß man annehmen, daß England tatsächlich in
seiner Desperadopolitik soweit gehen will, den Schutz seines Kaiser-
reichs im Notfall entsprechend den berüchtigten Vertragsbestimmun-
gen Tokio zu überlassen, was aller Wahrscheinlichkeit nichts an-
deres bedeutete, als, statt der ständig gefürchteten inneren Revolu-
tion, die Entfachung einer Umsturzbewegung von außenher unter
dem Zeichen der mongolischen Monroedoktrin "Asien den Asiaten!"
Im übrigen würden indische, an das europäische Klima nicht ge-
wöhnte Truppen in den Kämpfen auf nordfranzosischem Boden
natürlich nicht viel mehr als Kanonenfutter und Lazarettbemannung
bedeuten.

Einer der schlauesten, aber am wenigsten bekannten Schach-
züge, durch welche Grey seine Erdrosselungspolitik gegen Deutsch-
land zu eisernem Ring schloß, war das 1911 in Washington unter
Taft zustande gebrache geheime Abkommen, wonach die Union sich
gegen Zugeständnisse in der Hay-Pauceforte-Streitsache verpflich-
tete, nichts gegen Japan zu unternehmen, solange und soweit dieses
als Bundesgenosse Englands zu dessen Schutz sich betätige. Erst
dadurch hat London sich freien Arm geschaffen, heute in der orient-
talischen Machtsphäre ein Spiel zu eröffnen, das den einseitigen
Zwecken seines Vernichtungskampfes gegen Deuischland gemäß
sein mag, den wohlverstandenen Daseinsinteressen seiner Weltmacht
wie seiner Schutzgebiete freilich schnurstraks entgegenläuft. Es
scheint, daß die Kolonien gleichwohl, getäuscht und verwirrt durch
die mit Hochdruck arbeitende Ententen-Lügenpresse, bis zu gewissem
Grad in die Fallen des Foreign Office gehen. Es frägt sich nur,
wie lange das dauern, wie schnell der Tag des Erwachens aus der
Verblendung kommen wird. Schon gestehen London und Paris
selbst zu, daß ein verdächtiges Zittern durch alle morgenländischen
Reiche des Islam gehe: und jeder auch nur teilweise Ausbruch
dieses Vulkans müßte sofort dem ganzen orientalischen Problem
ein anderes Antlitz geben und den heutigen Plan der Mobilisierung
Größerbritanniens über den Haufen werfen.

Theater und Musik
Münchener Theater.

Vaterländische Abende. -- Wiedereröffnung des Hoftheaters. --
Kleist's Hermannsschlacht. -- Paul Heyse's Colberg. -- "Das Mädchen
vom Moorhof" im Schauspielhause.

Das Hoftheater hat im ganzen sechs vaterländische Abende ver-
anstaltet, jeden zu einem anderen wohltätigen Zweck. Alle waren
so gut besucht, daß man wohl annehmen darf, den verschiedenen
guten Zwecken seien ziemlich erhebliche Summen zugekommen.
Freilich waren auch die Preise ungewöhnlich niedrig angesetzt. Der
sechste und letzte der Abende hatte ein ziemlich gemischtes Programm
und setzte sich wieder aus musikalischen und rezitatorischen Darbie-
tungen zusammen. Das Orchester der Hofmusik war ausgeschaltet
und das Klavier trat als Begleitungsinstrument an dessen Stelle.
Das ist für den großen Raum unseres Hoftheaters nie sehr günstig,
beeinträchtigte aber für die vielen die gekommen waren, nicht den
Genuß. Der Hoftheatersingchor brachte Lieder für gemischten Chor
von Schumann und Franz Lachner und Frauenchöre von Franz
Wüllner zu Gehör. Besonderen Erfolg hatten natürlich die Soli-
sten: Frau Bosetti, die allein und mit ihren jüngeren Kolleginnen,
den Fräuleins Dahmen und Färber Stücke aus Mendelssohns Elias
sang, und die Herren Knote und Brodersen, die Lieder von Rubin-
stein, Hugo Wolf, Rich. Strauß und H. W. v. Waltershausen vor-
trugen. Das bekannte Schmiedelied aus dem Siegfried mußte Herr
Knote wiederholen. Aber gerade so ein oft gehörtes, auf die Orche-
sterbegleitung angewiesenes Stück wirkt eben an dieser Stelle mit
Klavier begleitet nicht sehr geschmackvoll. Es entsprach durchaus
dem Ernst unserer Tage, wenn die Kriegsdichtungen aus der Gegen-
wart, welche die Herren Dr. v. Jacobi und Lützenkirchen vor-
trugen, eigentlich stürmischeren Beifall fanden, als die Gesangs-

10. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] Nach Kitcheners Reformplan ſollen in Auſtralien für das
laufende Jahr 100,000 „Kadetten“ — Leute im Alter von 12 bis
17 Jahren — und 120,000 Milizen — Leute von 18 Jahren und
mehr — ausgehoben ſein. Was bedeuten ſolche jeder ernſten mili-
täriſchen Zucht entbehrenden Verbände gegen das Millionenheer
des Mikado und was vollends ſollte dabei herauskommen, einen
Teil davon, wie es nach der Londoner Hetzpreſſe bereits geſchehen
ſein ſoll, als Hilfslegion gegen Deutſchland nach Nordfrankreich zu
verſchiffen?

Was Kanada anbelangt, ſo liegen die Verhältniſſe grund-
ſätzlich ganz ähnlich, ſo daß ein näheres Eingehen darauf erübrigt.
Der militäriſche Wert der kanadiſchen Milizen, von denen angeblich
25,000 Mann als „erſte Lieferung“ bereits über den Ozean ge-
bracht worden ſein ſollen, in einem europäiſchen Krieg iſt jedenfalls
gering, und wenn auch das heutige Miniſterium dem größerbritan-
niſchen Bundesgedanken freundlicher gegenüberſteht als ſein Vor-
gänger, das Kabinett Laurier, ſo hat doch auch Borden noch kurz
vor der Kriegserklärung betont, „das Dominium habe nur dann
eine Pflicht, ſich in Fragen der Erhaltung des Weltreichs an die
Seite des Mutterlandes zu ſtellen, wenn der kanadiſche Bürger
dieſelben politiſchen Rechte wie der Engländer beſitze“ — mit an-
deren Worten, wenn er in einem zu errichtenden Reichsparlament
Sitz und Stimme habe. Sicher iſt ſoviel, daß ganz Weſtkanada weit
mehr auf ſeiten Deutſchlands ſteht als daß es Luſt hätte, für Albi-
ons Waffenruhm auf den europäiſchen Schlachtfeldern nutzlos zu
bluten.

Dieſelbe Zwieſpältigkeit in der Stellung zu der Londoner
Kriegspolitik tritt noch ſchärfer in Südafrika zutage. Wenn
Botha — vielleicht auch mehr aus taktiſchen Gründen als
in aufrichtiger Begeiſterung für die britiſche Sache — in das Horn
eines Grey und Winſton Churchill geblaſen hat, ſo kann das ſchließ-
lich nicht wundernehmen. Denn ſeitdem der verdiente Heerführer
der Buren im Guerillakrieg gegen die Engländer nach Beendigung
der Vernichtungskämpfe durch die Verheiratung ſemer Schweſter
mit einem engliſchen Adligen in enge Verbindung mit der Lon-
doner Ariſtokratie und Plutokratie trat und gegen beſtimmte Ver-
ſprechungen ſeines Wohlverhaltens die Miniſterpräſidentſchaft ſich
zuſchanzen ließ, haben er und eine gewiſſe Gefolgſchaft, die den
Lockungen des Witwatersrand nicht zu widerſtehen vermochte, ſich
immer mehr, wie der politiſche Cant an der Themſe ſich auszu-
drücken pflegt, zu „Imperialiſten“, das heißt Halbblutbriten umge-
wandelt. Aber dieſe Gruppe kann keineswegs als Vertreterin des
echten Burentums gelten, das im Innern von Transvaal und
Oranje ſeiner Scholle und den Ueberlieferungen Krügers treu ge-
blieben iſt, das nicht die ſcheußliche Art des britiſchen Ver-
nichtungskampfes gegen das holländiſche Afrikandertum vergeſſen
hat, deſſen Führer Hertzog und de Wet ſind und in deſſen
Namen General Beyers unter Niederlegung ſeiner Befehlsgewalt
ſo aufrichtige Worte über das Verhältnis der holländiſchen Afrikan-
der zu Deutſchland geſprochen hat. Man darf als ſicher annehmen,
daß die eigentlichen Buren zu einem Angriffs krieg gegen
Deutſch-Südweſt ſich nicht werden breitſchlagen laſſen, daß die
britiſche Regierung vielmehr für ſolche Zwecke in der Hauptſache
auf Anwerbung des internationalen Geſindels, das ſich am Rand
hrumtreibt, angewieſen bleiben wird.

Noch eigentümlicher, zwieſpältiger erſcheint das indiſche
Problem. Als vor drei Jahren im geſetzgebenden Rat des Kaiſer-
reichs zum erſten Male die föderaliſtiſchen Reichsverteidigungs-
fragen verhandelt wurden, ſtellte die ſogenannte Welby Commiſſion
das Geſetz auf, das ſpäter grundſätzlich alle Kolonien mehr oder
weniger vollkommen übernahmen: „Die Nutzbarmachung der Lan-
deseinnahmen für Zwecke der Reichsverteidigung iſt unbedingt ge-
bunden an das geographiſche Gebiet, wo wir unmittelbare und weſent-
liche Intereſſen zu ſchützen haben“. Das iſt zweifellos die Meinung
aller indiſchen Politiker, von deren Standpunkt aus es gewiß bei
den heutigen europäiſchen Kämpfen nicht um ſolche Landesintereſſen
ſich handeln kann. Das angloindiſche Heer umſaßt rund 215,000
Mann, wovon 75,000 britiſche, der Reſt eingeborenc Truppen ſind.
Auch nur den geringſten Teil dieſer Verbände für ausländiſche
Kriegszwecke abzugeben, haben bisher noch alle britiſchen Staats-
männer und Heerführer, ſo namentlich Kitchener, der heutige Leiter
der geſamten militäriſchen Operationen Englands, für ausgeſchloſſen
erklärt. Jetzt ſoll auf einmal alles anders geworden ſein! Wenn
zunächſt, was feſtſteht, Hindutruppen nach Hilolopolis verbracht
wurden, ſo könnte man darin ein Verlegenheitsmittel Englands
ſehen, die ägyptiſchen Verbände, denen es nicht traut. durch andere
[Spaltenumbruch] zu erſetzen. Aber darüber hinaus ſcheint der „furchtbare Faktor“,
deſſen Auftreten gegen Deutſchland der britiſche Generaliſſimus an-
gekündigt hat, in der Entſendung von nord- und nordweſtindiſchen
Gebirgs-Kerntruppen wie den Punjabis, Gurkhas, Sikhs, beſtehen
zu ſollen. Das ſind gewiß die tüchtigſten, aber auch, ſobald die
von Konſtantinopel und Kairo aus ins Werk geſetzte allislamiſche
Propaganda wirkt, die unzuverläſſigſten Verbände, und unter
dieſen Umſtänden muß man annehmen, daß England tatſächlich in
ſeiner Deſperadopolitik ſoweit gehen will, den Schutz ſeines Kaiſer-
reichs im Notfall entſprechend den berüchtigten Vertragsbeſtimmun-
gen Tokio zu überlaſſen, was aller Wahrſcheinlichkeit nichts an-
deres bedeutete, als, ſtatt der ſtändig gefürchteten inneren Revolu-
tion, die Entfachung einer Umſturzbewegung von außenher unter
dem Zeichen der mongoliſchen Monroedoktrin „Aſien den Aſiaten!“
Im übrigen würden indiſche, an das europäiſche Klima nicht ge-
wöhnte Truppen in den Kämpfen auf nordfranzoſiſchem Boden
natürlich nicht viel mehr als Kanonenfutter und Lazarettbemannung
bedeuten.

Einer der ſchlaueſten, aber am wenigſten bekannten Schach-
züge, durch welche Grey ſeine Erdroſſelungspolitik gegen Deutſch-
land zu eiſernem Ring ſchloß, war das 1911 in Waſhington unter
Taft zuſtande gebrache geheime Abkommen, wonach die Union ſich
gegen Zugeſtändniſſe in der Hay-Pauceforte-Streitſache verpflich-
tete, nichts gegen Japan zu unternehmen, ſolange und ſoweit dieſes
als Bundesgenoſſe Englands zu deſſen Schutz ſich betätige. Erſt
dadurch hat London ſich freien Arm geſchaffen, heute in der orient-
taliſchen Machtſphäre ein Spiel zu eröffnen, das den einſeitigen
Zwecken ſeines Vernichtungskampfes gegen Deuiſchland gemäß
ſein mag, den wohlverſtandenen Daſeinsintereſſen ſeiner Weltmacht
wie ſeiner Schutzgebiete freilich ſchnurſtraks entgegenläuft. Es
ſcheint, daß die Kolonien gleichwohl, getäuſcht und verwirrt durch
die mit Hochdruck arbeitende Ententen-Lügenpreſſe, bis zu gewiſſem
Grad in die Fallen des Foreign Office gehen. Es frägt ſich nur,
wie lange das dauern, wie ſchnell der Tag des Erwachens aus der
Verblendung kommen wird. Schon geſtehen London und Paris
ſelbſt zu, daß ein verdächtiges Zittern durch alle morgenländiſchen
Reiche des Islam gehe: und jeder auch nur teilweiſe Ausbruch
dieſes Vulkans müßte ſofort dem ganzen orientaliſchen Problem
ein anderes Antlitz geben und den heutigen Plan der Mobiliſierung
Größerbritanniens über den Haufen werfen.

Theater und Muſik
Münchener Theater.

Vaterländiſche Abende. — Wiedereröffnung des Hoftheaters. —
Kleiſt’s Hermannsſchlacht. — Paul Heyſe’s Colberg. — „Das Mädchen
vom Moorhof“ im Schauſpielhauſe.

Das Hoftheater hat im ganzen ſechs vaterländiſche Abende ver-
anſtaltet, jeden zu einem anderen wohltätigen Zweck. Alle waren
ſo gut beſucht, daß man wohl annehmen darf, den verſchiedenen
guten Zwecken ſeien ziemlich erhebliche Summen zugekommen.
Freilich waren auch die Preiſe ungewöhnlich niedrig angeſetzt. Der
ſechſte und letzte der Abende hatte ein ziemlich gemiſchtes Programm
und ſetzte ſich wieder aus muſikaliſchen und rezitatoriſchen Darbie-
tungen zuſammen. Das Orcheſter der Hofmuſik war ausgeſchaltet
und das Klavier trat als Begleitungsinſtrument an deſſen Stelle.
Das iſt für den großen Raum unſeres Hoftheaters nie ſehr günſtig,
beeinträchtigte aber für die vielen die gekommen waren, nicht den
Genuß. Der Hoftheaterſingchor brachte Lieder für gemiſchten Chor
von Schumann und Franz Lachner und Frauenchöre von Franz
Wüllner zu Gehör. Beſonderen Erfolg hatten natürlich die Soli-
ſten: Frau Boſetti, die allein und mit ihren jüngeren Kolleginnen,
den Fräuleins Dahmen und Färber Stücke aus Mendelsſohns Elias
ſang, und die Herren Knote und Broderſen, die Lieder von Rubin-
ſtein, Hugo Wolf, Rich. Strauß und H. W. v. Waltershauſen vor-
trugen. Das bekannte Schmiedelied aus dem Siegfried mußte Herr
Knote wiederholen. Aber gerade ſo ein oft gehörtes, auf die Orche-
ſterbegleitung angewieſenes Stück wirkt eben an dieſer Stelle mit
Klavier begleitet nicht ſehr geſchmackvoll. Es entſprach durchaus
dem Ernſt unſerer Tage, wenn die Kriegsdichtungen aus der Gegen-
wart, welche die Herren Dr. v. Jacobi und Lützenkirchen vor-
trugen, eigentlich ſtürmiſcheren Beifall fanden, als die Geſangs-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <div n="2">
          <div type="jArticle" n="3">
            <div type="jComment" n="3">
              <p><pb facs="#f0007" n="603"/><fw place="top" type="header">10. Oktober 1914. <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi></fw><lb/><cb/>
Nach Kitcheners Reformplan &#x017F;ollen in Au&#x017F;tralien für das<lb/>
laufende Jahr 100,000 &#x201E;Kadetten&#x201C; &#x2014; Leute im Alter von 12 bis<lb/>
17 Jahren &#x2014; und 120,000 Milizen &#x2014; Leute von 18 Jahren und<lb/>
mehr &#x2014; ausgehoben &#x017F;ein. Was bedeuten &#x017F;olche jeder ern&#x017F;ten mili-<lb/>
täri&#x017F;chen Zucht entbehrenden Verbände gegen das Millionenheer<lb/>
des Mikado und was vollends &#x017F;ollte dabei herauskommen, einen<lb/>
Teil davon, wie es nach der Londoner Hetzpre&#x017F;&#x017F;e bereits ge&#x017F;chehen<lb/>
&#x017F;ein &#x017F;oll, als Hilfslegion gegen Deut&#x017F;chland nach Nordfrankreich zu<lb/>
ver&#x017F;chiffen?</p><lb/>
              <p>Was <hi rendition="#g">Kanada</hi> anbelangt, &#x017F;o liegen die Verhältni&#x017F;&#x017F;e grund-<lb/>
&#x017F;ätzlich ganz ähnlich, &#x017F;o daß ein näheres Eingehen darauf erübrigt.<lb/>
Der militäri&#x017F;che Wert der kanadi&#x017F;chen Milizen, von denen angeblich<lb/>
25,000 Mann als &#x201E;er&#x017F;te Lieferung&#x201C; bereits über den Ozean ge-<lb/>
bracht worden &#x017F;ein &#x017F;ollen, in einem europäi&#x017F;chen Krieg i&#x017F;t jedenfalls<lb/>
gering, und wenn auch das heutige Mini&#x017F;terium dem größerbritan-<lb/>
ni&#x017F;chen Bundesgedanken freundlicher gegenüber&#x017F;teht als &#x017F;ein Vor-<lb/>
gänger, das Kabinett Laurier, &#x017F;o hat doch auch Borden noch kurz<lb/>
vor der Kriegserklärung betont, &#x201E;das Dominium habe nur dann<lb/>
eine Pflicht, &#x017F;ich in Fragen der Erhaltung des Weltreichs an die<lb/>
Seite des Mutterlandes zu &#x017F;tellen, wenn der kanadi&#x017F;che Bürger<lb/>
die&#x017F;elben politi&#x017F;chen Rechte wie der Engländer be&#x017F;itze&#x201C; &#x2014; mit an-<lb/>
deren Worten, wenn er in einem zu errichtenden Reichsparlament<lb/>
Sitz und Stimme habe. Sicher i&#x017F;t &#x017F;oviel, daß ganz We&#x017F;tkanada weit<lb/>
mehr auf &#x017F;eiten Deut&#x017F;chlands &#x017F;teht als daß es Lu&#x017F;t hätte, für Albi-<lb/>
ons Waffenruhm auf den europäi&#x017F;chen Schlachtfeldern nutzlos zu<lb/>
bluten.</p><lb/>
              <p>Die&#x017F;elbe Zwie&#x017F;pältigkeit in der Stellung zu der Londoner<lb/>
Kriegspolitik tritt noch &#x017F;chärfer in <hi rendition="#g">Südafrika</hi> zutage. Wenn<lb/>
Botha &#x2014; vielleicht auch mehr aus takti&#x017F;chen Gründen als<lb/>
in aufrichtiger Begei&#x017F;terung für die briti&#x017F;che Sache &#x2014; in das Horn<lb/>
eines Grey und Win&#x017F;ton Churchill gebla&#x017F;en hat, &#x017F;o kann das &#x017F;chließ-<lb/>
lich nicht wundernehmen. Denn &#x017F;eitdem der verdiente Heerführer<lb/>
der Buren im Guerillakrieg gegen die Engländer nach Beendigung<lb/>
der Vernichtungskämpfe durch die Verheiratung &#x017F;emer Schwe&#x017F;ter<lb/>
mit einem engli&#x017F;chen Adligen in enge Verbindung mit der Lon-<lb/>
doner Ari&#x017F;tokratie und Plutokratie trat und gegen be&#x017F;timmte Ver-<lb/>
&#x017F;prechungen &#x017F;eines Wohlverhaltens die Mini&#x017F;terprä&#x017F;ident&#x017F;chaft &#x017F;ich<lb/>
zu&#x017F;chanzen ließ, haben er und eine gewi&#x017F;&#x017F;e Gefolg&#x017F;chaft, die den<lb/>
Lockungen des Witwatersrand nicht zu wider&#x017F;tehen vermochte, &#x017F;ich<lb/>
immer mehr, wie der politi&#x017F;che Cant an der Them&#x017F;e &#x017F;ich auszu-<lb/>
drücken pflegt, zu &#x201E;Imperiali&#x017F;ten&#x201C;, das heißt Halbblutbriten umge-<lb/>
wandelt. Aber die&#x017F;e Gruppe kann keineswegs als Vertreterin des<lb/>
echten Burentums gelten, das im Innern von Transvaal und<lb/>
Oranje &#x017F;einer Scholle und den Ueberlieferungen Krügers treu ge-<lb/>
blieben i&#x017F;t, das nicht die &#x017F;cheußliche Art des briti&#x017F;chen Ver-<lb/>
nichtungskampfes gegen das holländi&#x017F;che Afrikandertum verge&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hat, de&#x017F;&#x017F;en Führer Hertzog und de Wet &#x017F;ind und in de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Namen General Beyers unter Niederlegung &#x017F;einer Befehlsgewalt<lb/>
&#x017F;o aufrichtige Worte über das Verhältnis der holländi&#x017F;chen Afrikan-<lb/>
der zu Deut&#x017F;chland ge&#x017F;prochen hat. Man darf als &#x017F;icher annehmen,<lb/>
daß die eigentlichen Buren zu einem <hi rendition="#g">Angriffs</hi> krieg gegen<lb/>
Deut&#x017F;ch-Südwe&#x017F;t &#x017F;ich nicht werden breit&#x017F;chlagen la&#x017F;&#x017F;en, daß die<lb/>
briti&#x017F;che Regierung vielmehr für &#x017F;olche Zwecke in der Haupt&#x017F;ache<lb/>
auf Anwerbung des internationalen Ge&#x017F;indels, das &#x017F;ich am Rand<lb/>
hrumtreibt, angewie&#x017F;en bleiben wird.</p><lb/>
              <p>Noch eigentümlicher, zwie&#x017F;pältiger er&#x017F;cheint das <hi rendition="#g">indi&#x017F;che</hi><lb/>
Problem. Als vor drei Jahren im ge&#x017F;etzgebenden Rat des Kai&#x017F;er-<lb/>
reichs zum er&#x017F;ten Male die föderali&#x017F;ti&#x017F;chen Reichsverteidigungs-<lb/>
fragen verhandelt wurden, &#x017F;tellte die &#x017F;ogenannte Welby Commi&#x017F;&#x017F;ion<lb/>
das Ge&#x017F;etz auf, das &#x017F;päter grund&#x017F;ätzlich alle Kolonien mehr oder<lb/>
weniger vollkommen übernahmen: &#x201E;Die Nutzbarmachung der Lan-<lb/>
deseinnahmen für Zwecke der Reichsverteidigung i&#x017F;t unbedingt ge-<lb/>
bunden an das geographi&#x017F;che Gebiet, wo wir unmittelbare und we&#x017F;ent-<lb/>
liche Intere&#x017F;&#x017F;en zu &#x017F;chützen haben&#x201C;. Das i&#x017F;t zweifellos die Meinung<lb/>
aller indi&#x017F;chen Politiker, von deren Standpunkt aus es gewiß bei<lb/>
den heutigen europäi&#x017F;chen Kämpfen nicht um &#x017F;olche Landesintere&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ich handeln kann. Das angloindi&#x017F;che Heer um&#x017F;aßt rund 215,000<lb/>
Mann, wovon 75,000 briti&#x017F;che, der Re&#x017F;t eingeborenc Truppen &#x017F;ind.<lb/>
Auch nur den gering&#x017F;ten Teil die&#x017F;er Verbände für ausländi&#x017F;che<lb/>
Kriegszwecke abzugeben, haben bisher noch alle briti&#x017F;chen Staats-<lb/>
männer und Heerführer, &#x017F;o namentlich Kitchener, der heutige Leiter<lb/>
der ge&#x017F;amten militäri&#x017F;chen Operationen Englands, für ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
erklärt. Jetzt &#x017F;oll auf einmal alles anders geworden &#x017F;ein! Wenn<lb/>
zunäch&#x017F;t, was fe&#x017F;t&#x017F;teht, Hindutruppen nach Hilolopolis verbracht<lb/>
wurden, &#x017F;o könnte man darin ein Verlegenheitsmittel Englands<lb/>
&#x017F;ehen, die ägypti&#x017F;chen Verbände, denen es nicht traut. durch andere<lb/><cb/>
zu er&#x017F;etzen. Aber darüber hinaus &#x017F;cheint der &#x201E;furchtbare Faktor&#x201C;,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Auftreten gegen Deut&#x017F;chland der briti&#x017F;che Generali&#x017F;&#x017F;imus an-<lb/>
gekündigt hat, in der Ent&#x017F;endung von nord- und nordwe&#x017F;tindi&#x017F;chen<lb/>
Gebirgs-Kerntruppen wie den Punjabis, Gurkhas, Sikhs, be&#x017F;tehen<lb/>
zu &#x017F;ollen. Das &#x017F;ind gewiß die tüchtig&#x017F;ten, aber auch, &#x017F;obald die<lb/>
von Kon&#x017F;tantinopel und Kairo aus ins Werk ge&#x017F;etzte allislami&#x017F;che<lb/>
Propaganda wirkt, die unzuverlä&#x017F;&#x017F;ig&#x017F;ten Verbände, und unter<lb/>
die&#x017F;en Um&#x017F;tänden muß man annehmen, daß England tat&#x017F;ächlich in<lb/>
&#x017F;einer De&#x017F;peradopolitik &#x017F;oweit gehen will, den Schutz &#x017F;eines Kai&#x017F;er-<lb/>
reichs im Notfall ent&#x017F;prechend den berüchtigten Vertragsbe&#x017F;timmun-<lb/>
gen Tokio zu überla&#x017F;&#x017F;en, was aller Wahr&#x017F;cheinlichkeit nichts an-<lb/>
deres bedeutete, als, &#x017F;tatt der &#x017F;tändig gefürchteten inneren Revolu-<lb/>
tion, die Entfachung einer Um&#x017F;turzbewegung von außenher unter<lb/>
dem Zeichen der mongoli&#x017F;chen Monroedoktrin &#x201E;A&#x017F;ien den A&#x017F;iaten!&#x201C;<lb/>
Im übrigen würden indi&#x017F;che, an das europäi&#x017F;che Klima nicht ge-<lb/>
wöhnte Truppen in den Kämpfen auf nordfranzo&#x017F;i&#x017F;chem Boden<lb/>
natürlich nicht viel mehr als Kanonenfutter und Lazarettbemannung<lb/>
bedeuten.</p><lb/>
              <p>Einer der &#x017F;chlaue&#x017F;ten, aber am wenig&#x017F;ten bekannten Schach-<lb/>
züge, durch welche Grey &#x017F;eine Erdro&#x017F;&#x017F;elungspolitik gegen Deut&#x017F;ch-<lb/>
land zu ei&#x017F;ernem Ring &#x017F;chloß, war das 1911 in Wa&#x017F;hington unter<lb/>
Taft zu&#x017F;tande gebrache geheime Abkommen, wonach die Union &#x017F;ich<lb/>
gegen Zuge&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;e in der Hay-Pauceforte-Streit&#x017F;ache verpflich-<lb/>
tete, nichts gegen Japan zu unternehmen, &#x017F;olange und &#x017F;oweit die&#x017F;es<lb/>
als Bundesgeno&#x017F;&#x017F;e Englands zu de&#x017F;&#x017F;en Schutz &#x017F;ich betätige. Er&#x017F;t<lb/>
dadurch hat London &#x017F;ich freien Arm ge&#x017F;chaffen, heute in der orient-<lb/>
tali&#x017F;chen Macht&#x017F;phäre ein Spiel zu eröffnen, das den ein&#x017F;eitigen<lb/>
Zwecken &#x017F;eines Vernichtungskampfes gegen Deui&#x017F;chland gemäß<lb/>
&#x017F;ein mag, den wohlver&#x017F;tandenen Da&#x017F;einsintere&#x017F;&#x017F;en &#x017F;einer Weltmacht<lb/>
wie &#x017F;einer Schutzgebiete freilich &#x017F;chnur&#x017F;traks entgegenläuft. Es<lb/>
&#x017F;cheint, daß die Kolonien gleichwohl, getäu&#x017F;cht und verwirrt durch<lb/>
die mit Hochdruck arbeitende Ententen-Lügenpre&#x017F;&#x017F;e, bis zu gewi&#x017F;&#x017F;em<lb/>
Grad in die Fallen des Foreign Office gehen. Es frägt &#x017F;ich nur,<lb/>
wie lange das dauern, wie &#x017F;chnell der Tag des Erwachens aus der<lb/>
Verblendung kommen wird. Schon ge&#x017F;tehen London und Paris<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu, daß ein verdächtiges Zittern durch alle morgenländi&#x017F;chen<lb/>
Reiche des Islam gehe: und jeder auch nur teilwei&#x017F;e Ausbruch<lb/>
die&#x017F;es Vulkans müßte &#x017F;ofort dem ganzen orientali&#x017F;chen Problem<lb/>
ein anderes Antlitz geben und den heutigen Plan der Mobili&#x017F;ierung<lb/>
Größerbritanniens über den Haufen werfen.</p><lb/>
              <byline> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#g">Dr. Frhr. v. Mackay.</hi> </hi> </byline>
            </div>
          </div>
        </div><lb/>
        <div type="jCulturalNews" n="1">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Theater und Mu&#x017F;ik</hi> </hi> </head><lb/>
          <div type="jComment" n="2">
            <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Münchener Theater.</hi> </hi> </head><lb/>
            <argument>
              <p> <hi rendition="#g">Vaterländi&#x017F;che Abende. &#x2014; Wiedereröffnung des Hoftheaters. &#x2014;<lb/>
Klei&#x017F;t&#x2019;s Hermanns&#x017F;chlacht. &#x2014; Paul Hey&#x017F;e&#x2019;s Colberg. &#x2014; &#x201E;Das Mädchen<lb/>
vom Moorhof&#x201C; im Schau&#x017F;pielhau&#x017F;e.</hi> </p>
            </argument><lb/>
            <p>Das Hoftheater hat im ganzen &#x017F;echs vaterländi&#x017F;che Abende ver-<lb/>
an&#x017F;taltet, jeden zu einem anderen wohltätigen Zweck. Alle waren<lb/>
&#x017F;o gut be&#x017F;ucht, daß man wohl annehmen darf, den ver&#x017F;chiedenen<lb/>
guten Zwecken &#x017F;eien ziemlich erhebliche Summen zugekommen.<lb/>
Freilich waren auch die Prei&#x017F;e ungewöhnlich niedrig ange&#x017F;etzt. Der<lb/>
&#x017F;ech&#x017F;te und letzte der Abende hatte ein ziemlich gemi&#x017F;chtes Programm<lb/>
und &#x017F;etzte &#x017F;ich wieder aus mu&#x017F;ikali&#x017F;chen und rezitatori&#x017F;chen Darbie-<lb/>
tungen zu&#x017F;ammen. Das Orche&#x017F;ter der Hofmu&#x017F;ik war ausge&#x017F;chaltet<lb/>
und das Klavier trat als Begleitungsin&#x017F;trument an de&#x017F;&#x017F;en Stelle.<lb/>
Das i&#x017F;t für den großen Raum un&#x017F;eres Hoftheaters nie &#x017F;ehr gün&#x017F;tig,<lb/>
beeinträchtigte aber für die vielen die gekommen waren, nicht den<lb/>
Genuß. Der Hoftheater&#x017F;ingchor brachte Lieder für gemi&#x017F;chten Chor<lb/>
von Schumann und Franz Lachner und Frauenchöre von Franz<lb/>
Wüllner zu Gehör. Be&#x017F;onderen Erfolg hatten natürlich die Soli-<lb/>
&#x017F;ten: Frau Bo&#x017F;etti, die allein und mit ihren jüngeren Kolleginnen,<lb/>
den Fräuleins Dahmen und Färber Stücke aus Mendels&#x017F;ohns Elias<lb/>
&#x017F;ang, und die Herren Knote und Broder&#x017F;en, die Lieder von Rubin-<lb/>
&#x017F;tein, Hugo Wolf, Rich. Strauß und H. W. v. Waltershau&#x017F;en vor-<lb/>
trugen. Das bekannte Schmiedelied aus dem Siegfried mußte Herr<lb/>
Knote wiederholen. Aber gerade &#x017F;o ein oft gehörtes, auf die Orche-<lb/>
&#x017F;terbegleitung angewie&#x017F;enes Stück wirkt eben an die&#x017F;er Stelle mit<lb/>
Klavier begleitet nicht &#x017F;ehr ge&#x017F;chmackvoll. Es ent&#x017F;prach durchaus<lb/>
dem Ern&#x017F;t un&#x017F;erer Tage, wenn die Kriegsdichtungen aus der Gegen-<lb/>
wart, welche die Herren Dr. v. Jacobi und Lützenkirchen vor-<lb/>
trugen, eigentlich &#x017F;türmi&#x017F;cheren Beifall fanden, als die Ge&#x017F;angs-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[603/0007] 10. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung Nach Kitcheners Reformplan ſollen in Auſtralien für das laufende Jahr 100,000 „Kadetten“ — Leute im Alter von 12 bis 17 Jahren — und 120,000 Milizen — Leute von 18 Jahren und mehr — ausgehoben ſein. Was bedeuten ſolche jeder ernſten mili- täriſchen Zucht entbehrenden Verbände gegen das Millionenheer des Mikado und was vollends ſollte dabei herauskommen, einen Teil davon, wie es nach der Londoner Hetzpreſſe bereits geſchehen ſein ſoll, als Hilfslegion gegen Deutſchland nach Nordfrankreich zu verſchiffen? Was Kanada anbelangt, ſo liegen die Verhältniſſe grund- ſätzlich ganz ähnlich, ſo daß ein näheres Eingehen darauf erübrigt. Der militäriſche Wert der kanadiſchen Milizen, von denen angeblich 25,000 Mann als „erſte Lieferung“ bereits über den Ozean ge- bracht worden ſein ſollen, in einem europäiſchen Krieg iſt jedenfalls gering, und wenn auch das heutige Miniſterium dem größerbritan- niſchen Bundesgedanken freundlicher gegenüberſteht als ſein Vor- gänger, das Kabinett Laurier, ſo hat doch auch Borden noch kurz vor der Kriegserklärung betont, „das Dominium habe nur dann eine Pflicht, ſich in Fragen der Erhaltung des Weltreichs an die Seite des Mutterlandes zu ſtellen, wenn der kanadiſche Bürger dieſelben politiſchen Rechte wie der Engländer beſitze“ — mit an- deren Worten, wenn er in einem zu errichtenden Reichsparlament Sitz und Stimme habe. Sicher iſt ſoviel, daß ganz Weſtkanada weit mehr auf ſeiten Deutſchlands ſteht als daß es Luſt hätte, für Albi- ons Waffenruhm auf den europäiſchen Schlachtfeldern nutzlos zu bluten. Dieſelbe Zwieſpältigkeit in der Stellung zu der Londoner Kriegspolitik tritt noch ſchärfer in Südafrika zutage. Wenn Botha — vielleicht auch mehr aus taktiſchen Gründen als in aufrichtiger Begeiſterung für die britiſche Sache — in das Horn eines Grey und Winſton Churchill geblaſen hat, ſo kann das ſchließ- lich nicht wundernehmen. Denn ſeitdem der verdiente Heerführer der Buren im Guerillakrieg gegen die Engländer nach Beendigung der Vernichtungskämpfe durch die Verheiratung ſemer Schweſter mit einem engliſchen Adligen in enge Verbindung mit der Lon- doner Ariſtokratie und Plutokratie trat und gegen beſtimmte Ver- ſprechungen ſeines Wohlverhaltens die Miniſterpräſidentſchaft ſich zuſchanzen ließ, haben er und eine gewiſſe Gefolgſchaft, die den Lockungen des Witwatersrand nicht zu widerſtehen vermochte, ſich immer mehr, wie der politiſche Cant an der Themſe ſich auszu- drücken pflegt, zu „Imperialiſten“, das heißt Halbblutbriten umge- wandelt. Aber dieſe Gruppe kann keineswegs als Vertreterin des echten Burentums gelten, das im Innern von Transvaal und Oranje ſeiner Scholle und den Ueberlieferungen Krügers treu ge- blieben iſt, das nicht die ſcheußliche Art des britiſchen Ver- nichtungskampfes gegen das holländiſche Afrikandertum vergeſſen hat, deſſen Führer Hertzog und de Wet ſind und in deſſen Namen General Beyers unter Niederlegung ſeiner Befehlsgewalt ſo aufrichtige Worte über das Verhältnis der holländiſchen Afrikan- der zu Deutſchland geſprochen hat. Man darf als ſicher annehmen, daß die eigentlichen Buren zu einem Angriffs krieg gegen Deutſch-Südweſt ſich nicht werden breitſchlagen laſſen, daß die britiſche Regierung vielmehr für ſolche Zwecke in der Hauptſache auf Anwerbung des internationalen Geſindels, das ſich am Rand hrumtreibt, angewieſen bleiben wird. Noch eigentümlicher, zwieſpältiger erſcheint das indiſche Problem. Als vor drei Jahren im geſetzgebenden Rat des Kaiſer- reichs zum erſten Male die föderaliſtiſchen Reichsverteidigungs- fragen verhandelt wurden, ſtellte die ſogenannte Welby Commiſſion das Geſetz auf, das ſpäter grundſätzlich alle Kolonien mehr oder weniger vollkommen übernahmen: „Die Nutzbarmachung der Lan- deseinnahmen für Zwecke der Reichsverteidigung iſt unbedingt ge- bunden an das geographiſche Gebiet, wo wir unmittelbare und weſent- liche Intereſſen zu ſchützen haben“. Das iſt zweifellos die Meinung aller indiſchen Politiker, von deren Standpunkt aus es gewiß bei den heutigen europäiſchen Kämpfen nicht um ſolche Landesintereſſen ſich handeln kann. Das angloindiſche Heer umſaßt rund 215,000 Mann, wovon 75,000 britiſche, der Reſt eingeborenc Truppen ſind. Auch nur den geringſten Teil dieſer Verbände für ausländiſche Kriegszwecke abzugeben, haben bisher noch alle britiſchen Staats- männer und Heerführer, ſo namentlich Kitchener, der heutige Leiter der geſamten militäriſchen Operationen Englands, für ausgeſchloſſen erklärt. Jetzt ſoll auf einmal alles anders geworden ſein! Wenn zunächſt, was feſtſteht, Hindutruppen nach Hilolopolis verbracht wurden, ſo könnte man darin ein Verlegenheitsmittel Englands ſehen, die ägyptiſchen Verbände, denen es nicht traut. durch andere zu erſetzen. Aber darüber hinaus ſcheint der „furchtbare Faktor“, deſſen Auftreten gegen Deutſchland der britiſche Generaliſſimus an- gekündigt hat, in der Entſendung von nord- und nordweſtindiſchen Gebirgs-Kerntruppen wie den Punjabis, Gurkhas, Sikhs, beſtehen zu ſollen. Das ſind gewiß die tüchtigſten, aber auch, ſobald die von Konſtantinopel und Kairo aus ins Werk geſetzte allislamiſche Propaganda wirkt, die unzuverläſſigſten Verbände, und unter dieſen Umſtänden muß man annehmen, daß England tatſächlich in ſeiner Deſperadopolitik ſoweit gehen will, den Schutz ſeines Kaiſer- reichs im Notfall entſprechend den berüchtigten Vertragsbeſtimmun- gen Tokio zu überlaſſen, was aller Wahrſcheinlichkeit nichts an- deres bedeutete, als, ſtatt der ſtändig gefürchteten inneren Revolu- tion, die Entfachung einer Umſturzbewegung von außenher unter dem Zeichen der mongoliſchen Monroedoktrin „Aſien den Aſiaten!“ Im übrigen würden indiſche, an das europäiſche Klima nicht ge- wöhnte Truppen in den Kämpfen auf nordfranzoſiſchem Boden natürlich nicht viel mehr als Kanonenfutter und Lazarettbemannung bedeuten. Einer der ſchlaueſten, aber am wenigſten bekannten Schach- züge, durch welche Grey ſeine Erdroſſelungspolitik gegen Deutſch- land zu eiſernem Ring ſchloß, war das 1911 in Waſhington unter Taft zuſtande gebrache geheime Abkommen, wonach die Union ſich gegen Zugeſtändniſſe in der Hay-Pauceforte-Streitſache verpflich- tete, nichts gegen Japan zu unternehmen, ſolange und ſoweit dieſes als Bundesgenoſſe Englands zu deſſen Schutz ſich betätige. Erſt dadurch hat London ſich freien Arm geſchaffen, heute in der orient- taliſchen Machtſphäre ein Spiel zu eröffnen, das den einſeitigen Zwecken ſeines Vernichtungskampfes gegen Deuiſchland gemäß ſein mag, den wohlverſtandenen Daſeinsintereſſen ſeiner Weltmacht wie ſeiner Schutzgebiete freilich ſchnurſtraks entgegenläuft. Es ſcheint, daß die Kolonien gleichwohl, getäuſcht und verwirrt durch die mit Hochdruck arbeitende Ententen-Lügenpreſſe, bis zu gewiſſem Grad in die Fallen des Foreign Office gehen. Es frägt ſich nur, wie lange das dauern, wie ſchnell der Tag des Erwachens aus der Verblendung kommen wird. Schon geſtehen London und Paris ſelbſt zu, daß ein verdächtiges Zittern durch alle morgenländiſchen Reiche des Islam gehe: und jeder auch nur teilweiſe Ausbruch dieſes Vulkans müßte ſofort dem ganzen orientaliſchen Problem ein anderes Antlitz geben und den heutigen Plan der Mobiliſierung Größerbritanniens über den Haufen werfen. Dr. Frhr. v. Mackay. Theater und Muſik Münchener Theater. Vaterländiſche Abende. — Wiedereröffnung des Hoftheaters. — Kleiſt’s Hermannsſchlacht. — Paul Heyſe’s Colberg. — „Das Mädchen vom Moorhof“ im Schauſpielhauſe. Das Hoftheater hat im ganzen ſechs vaterländiſche Abende ver- anſtaltet, jeden zu einem anderen wohltätigen Zweck. Alle waren ſo gut beſucht, daß man wohl annehmen darf, den verſchiedenen guten Zwecken ſeien ziemlich erhebliche Summen zugekommen. Freilich waren auch die Preiſe ungewöhnlich niedrig angeſetzt. Der ſechſte und letzte der Abende hatte ein ziemlich gemiſchtes Programm und ſetzte ſich wieder aus muſikaliſchen und rezitatoriſchen Darbie- tungen zuſammen. Das Orcheſter der Hofmuſik war ausgeſchaltet und das Klavier trat als Begleitungsinſtrument an deſſen Stelle. Das iſt für den großen Raum unſeres Hoftheaters nie ſehr günſtig, beeinträchtigte aber für die vielen die gekommen waren, nicht den Genuß. Der Hoftheaterſingchor brachte Lieder für gemiſchten Chor von Schumann und Franz Lachner und Frauenchöre von Franz Wüllner zu Gehör. Beſonderen Erfolg hatten natürlich die Soli- ſten: Frau Boſetti, die allein und mit ihren jüngeren Kolleginnen, den Fräuleins Dahmen und Färber Stücke aus Mendelsſohns Elias ſang, und die Herren Knote und Broderſen, die Lieder von Rubin- ſtein, Hugo Wolf, Rich. Strauß und H. W. v. Waltershauſen vor- trugen. Das bekannte Schmiedelied aus dem Siegfried mußte Herr Knote wiederholen. Aber gerade ſo ein oft gehörtes, auf die Orche- ſterbegleitung angewieſenes Stück wirkt eben an dieſer Stelle mit Klavier begleitet nicht ſehr geſchmackvoll. Es entſprach durchaus dem Ernſt unſerer Tage, wenn die Kriegsdichtungen aus der Gegen- wart, welche die Herren Dr. v. Jacobi und Lützenkirchen vor- trugen, eigentlich ſtürmiſcheren Beifall fanden, als die Geſangs-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-27T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine41_1914
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine41_1914/7
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 41, 10. Oktober 1914, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine41_1914/7>, abgerufen am 23.11.2024.