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Allgemeine Zeitung, Nr. 40, 3. Oktober 1914.

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3. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] daß Deutschland Mobilmachungsmaßnahmen gegen Oesterreich-Un-
garn auch für sich selbst als höchst bedrohlich betrachten müsse, liefen
in den nächsten Tagen in raschem Tempo die Nachrichten über die
russische Mobilisierung ein. Am 29. Juli ordnete die russische Regie-
rung die Mobilisierung in Süd- und Südwestrußland an, die am
30. auf 23 Gouvernements ausgedehnt wurde. Jetzt fehlte, wenn
Rußland den Krieg herbeiführen wollte, nur noch ein Schritt, die
Gesamtmobilmachung des russischen Heeres. Diese wurde, während
die Bemühungen des Deutschen Kaisers um den Frieden bei ent-
gegenkommender Aufnahme in Wien fortdauerten, am 31. Juli vor-
mittags in Petersburg anbefohlen. Noch um 2 Uhr nachmittags am
gleichen Tage aber telegraphierte der Zar an den Kaiser, es handle
sich hierbei lediglich um durch Oesterreichs Mobilisierung nötig ge-
wordene "militärische Vorbereitungen", deren Einstellung aus tech-
nischen Gründen unmöglich sei; er gab gleichzeitig sein feierliches
Wort, daß er weit davon entfernt sei, den Krieg zu wünschen.

Bei so offenbarer Doppelzüngigkeit der russischen Politik wäre
ein weiterer Aufschub auf unserer Seite geradezu ein Verbrechen
gegen Deutschlands Sicherheit und vor dem deutschen Volk nicht
mehr zu verantworten gewesen. Daher erhielt am gleichen 31. Juli
der Kaiserliche Botschafter in St. Petersburg den Befehl, der russi-
schen Regierung zu eröffnen, daß Deutschland als Gegenmaßregel
gegen die allgemeine russische Mobilmachung vorläufig den Kriegs-
zustand in Deutschland verkündet habe, dem die Mobilisation folgen
müsse, wenn Rußland seine militärischen Maßnahmen nicht binnen
12 Stunden einstelle. Hierauf hat die russische Regierung überhaupt
keine Antwort gegeben, und es blieb der deutschen Regierung nichts
übrig, als der russischen nach Ablauf der gestellten Frist am 1. Aug.
erklären zu lassen, daß wir uns als im Kriegszustand mit ihr befind-
lich betrachteten. Schon am 1. August rückten russische Truppen auf
deutsches Gebtet vor, und Rußland begann damit den Krieg gegen uns.

Dies ist in lückenloser chronologischer Folge der Sachverhalt.
Es bleibt allen nachträglichen Ausarbeitungen englischer Diplomaten
zum Trotz bei dem, was der Reichskanzler bereits am 3. August in
seinem dem Reichstage vorgelegten Weißbuche ausgesprochen hat:
"Die russische Regierung hat durch ihre Mobilmachung die mühsame
Vermittlungsarbeit der europäischen Staatskanzleien kurz vor dem
Erfolge zerschlagen. Die Mobilisierungsmaßregeln in Verbindung
mit ihrer fortgesetzten Ableugnung zeigen klar, daß Rußland den
Krieg wollte". Und England auch. Eine einfache Erklärung aus
London nach St. Petersburg, daß panslawistische Bestrebungen
Rußlands gegen Oesterreich-Ungarn durch den Dreiverband nicht ge-
deckt seien, hätte genügt, um die russische Kriegslust zu dämpfen. Und
auch Frankreich würde sich beim Abrücken Englands von der Begünsti-
gung einer allslavischen Politik dem Bündnisfall haben entziehen können.

Schließlich erinnern wir an den von uns in Nr. 219 vom 12. ds.
Mts. veröffentlichten Bericht des Königlich Belgischen Geschäfts-
trägers in St. Petersburg, Herrn B. de l'Escaille, der unter dem
30. Juli dem belgischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten
meldet: "Unbestreitbar bleibt, daß Deutschland sich hier (St. Peters-
burg) ebenso sehr wie in Wien bemüht hat, irgendein Mittel zu fin-
den, um einen allgemeinen Konflikt zu vermeiden, daß es dabei aber
einerseits auf die feste Entschlossenheit des Wiener Kabinetts ge-
stoßen ist, keinen Schritt zurückzuweichen, und andrerseits auf das
Mißtrauen des Petersburger Kabinetts." Und weiterhin: Eng-
land gab anfänglich zu verstehen, daß es sich nicht in einen Konflikt
hineinziehen lassen wolle. Sir George Buchanan (der britische Bot-
schafter in Petersburg) sprach dies offen aus: "Heute aber ist man
in St. Petersburg fest davon überzeugt, ja man hat sogar die Zu-
sicherung, daß England Frankreich beistehen wird. Dieser Beistand
fällt ganz außerordentlich ins Gewicht und hat nicht wenig dazu bei-
getragen, der Kriegspartei Oberwasser zu verschaffen."



Aus unseren Kolonien.

Aus Deutsch-Ostafrika sind zum erstenmal seit dem
Kriegsausbruch Privatnachrichten hier eingetroffen. Aus dem Ver-
merk auf den Briefen und Karten geht hervor, daß die Postsachen
die englische Zensur passiert haben. Die Engländer halten also die
deutsch-ostafrikanische Küste blockiert. Dar-es-Salaam wurde
als offene Stadt nicht verteidigt. Die englischen Kreuzer haben auf
die Funkenstation Schüsse abgegeben. Darauf wurde die weiße
Flagge über der Stadt gehißt und es sind dann weitere Angriffe
auf Dar-es-Salaam bis zum Abgang der Post, etwa 20. August,
nicht erfolgt. Der Turm der Funkenstation ist nach den vorliegen-
den Mitteilungen von den Deutschen selbst zerstört worden. Die
[Spaltenumbruch] weißen Frauen und Kinder befanden sich bis Abgang dieser Post
offenbar in Dar-es-Salaam. Ob infolge der ausgebrochenen Kämpfe
im Innern die Engländer tatsächlich, wie die britische Admiralität
meldet, später durch den Kreuzer "Pegasus" Dar-es-Salaam zer-
stören ließen, darüber liegen verbürgte Nachrichten von deutscher
Seite bis jetzt nicht vor. Dagegen wurde bestätigt, daß Taveta
von den Deutschen besetzt worden ist.

In Sansibar ist es nach einem hier vorliegenden Privat-
brief vom 27. August den Leitern der deutschen Firmen gestattet
worden, daselbst zu bleiben, doch stehen die Deutschen unter behörd-
licher Aufsicht. Eine gewisse geschäftliche Betätigung ist ihnen er-
laubt. Sie dürfen Geld einkassieren und das vorhandene Waren-
lager veräußern. Die deutschen Angestellten sind am 7. August nach
Tanga abgegangen.

In Mombassa sind alle Deutschen sofort nach Ausbruch des
Krieges festgenommen und bald darauf nach Nairobj übergeführt
worden. Irgendwelche amtlichen Nachrichten sind beim Reichs-
Kolonialamt nicht eingetroffen. Auf etwaige Anfragen kann daher
auch nur mitgeteilt werden, was in dieser Meldung enthalten ist.

In Lüderitzbucht hat am 28. Sept. ein sehr lebhaftes Ge-
fecht zwischen Engländern und Deutschen stattgefunden. Die Deut-
schen hatten fünf Tote und zwei Verwundete; die Engländer drei
Tote und vier Verwundete.

Das Reutersche Bureau meldet aus Pretoria unterm 24. Sept.:
Die Polizeistation Rietfontein wurde am 19. September von
einer deutschen Abteilung (etwa 200 Mann stark) genommen.



Aus London erfährt das Wolffsche Bureau:

Die Admiralität gibt bekannt, daß während der letzten Tage der
deutsche vielgenannte Kreuzer "Emden" im Indischen Ozean die
Dampfer "Tumerico", "Cinglud", "Riberia" und
"Toyle" weggenommen oder in den Grund gebohrt und
ein Kohlenschiff weggenommen habe. Die Bemannung der Schiffe
wurde auf dem Dampfer "Gyfedale", der ebenfalls genommen war
und freigelassen wurde, nach Colombo gebracht, wo sie heute früh
eintraf.



Der Burenkommandant Jooste hat sich bekanntlich
bei Ausbruch des Krieges als deutscher Kriegsfreiwilliger gemeldet
und leistet jetzt als deutscher Marinesoldat Dienst. Jooste schreibt
der "Braunschw. Landeszeitung":

Anläßlich mancher Notiz, die in diesen Tagen durch die Presse
ging mit Bezug auf das Verhalten der Buren in diesem Weltkriege,
fühle ich mich veranlaßt, dem deutschen Volke gegenüber folgendes
zu erklären: Wie zur Zeit des Burenkrieges das deutsche Volk anders
dachte als seine Regierung, so geht es jetzt in meiner Heimat, und
man darf dem Burenvolk nicht die Schuld an diesen Vorgängen zu-
schreiben. Ich würde unpolitisch handeln und unsere Sache schädi-
gen, wenn ich sozusagen die Katze aus dem Sack ließe. Jedenfalls
kann ich aber versichern, daß der gemeine Feind der Südafrikaner
nicht der Deutsche ist, sondern der Brite. Die 4000 Gräber der ge-
fallenen Buren mahnen uns an unsere Pflicht, und das Blut der
26,000 in den englischen Konzentrationslagern elend umgekommenen
Frauen und Kindern schreit nach Rache.

Was die Worte Bothas anlangt, so darf nur so viel Ge-
wicht darauf gelegt werden, wie die Diplomatie in kritischen Zeiten
verdient; es muß vielmehr die Tat des Generals Beyers, die
Niederlegung seines Oberkommandos, ins Auge gefaßt werden. Daß
Streitkräfte aus Kapland in Deutsch-Südwest eingebrochen sind, be-
dauere ich aufs tiefste, ich kann aber den vielen Freunden, die mich
in diesen Tagen um Auskunft baten, nur antworten: Bin ich meines
Bruders Hüter? Mir ist diese traurige und schmachvolle Tatsache
ein neuer Beweis dafür, was die englischen Lügenfertig
bringen,
denn dem Bur ist offenbar feierlich versichert worden,
daß die ihm abgünstig gesinnte deutsche Regierung -- jeder Bur
weiß, daß Krüger seinerzeit von Köln zurückreisen mußte -- jetzt
das Uniongebiet annektieren wolle und dergleichen mehr. In diesem
festen Glauben, in dieser Befürchtung war es strategisch berechtigt,
in Deutsch-Südwest einzufallen, mehr zur Selbstverteidigung, als
um England in seinem Kampf gegen Deutschland zu unterstützen.
Mag das Burenvolk noch so viel Fehler haben, aber undankbar
sind wir nicht,
und wir werden nie und nimmer vergessen, wie
viel Tränen getrocknet, wie viel Not gelindert und wie viel Menschen-
leben gerettet worden sind durch die uns aus dem ganzen deutschen
Lande bewiesene Hilfe.

3. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] daß Deutſchland Mobilmachungsmaßnahmen gegen Oeſterreich-Un-
garn auch für ſich ſelbſt als höchſt bedrohlich betrachten müſſe, liefen
in den nächſten Tagen in raſchem Tempo die Nachrichten über die
ruſſiſche Mobiliſierung ein. Am 29. Juli ordnete die ruſſiſche Regie-
rung die Mobiliſierung in Süd- und Südweſtrußland an, die am
30. auf 23 Gouvernements ausgedehnt wurde. Jetzt fehlte, wenn
Rußland den Krieg herbeiführen wollte, nur noch ein Schritt, die
Geſamtmobilmachung des ruſſiſchen Heeres. Dieſe wurde, während
die Bemühungen des Deutſchen Kaiſers um den Frieden bei ent-
gegenkommender Aufnahme in Wien fortdauerten, am 31. Juli vor-
mittags in Petersburg anbefohlen. Noch um 2 Uhr nachmittags am
gleichen Tage aber telegraphierte der Zar an den Kaiſer, es handle
ſich hierbei lediglich um durch Oeſterreichs Mobiliſierung nötig ge-
wordene „militäriſche Vorbereitungen“, deren Einſtellung aus tech-
niſchen Gründen unmöglich ſei; er gab gleichzeitig ſein feierliches
Wort, daß er weit davon entfernt ſei, den Krieg zu wünſchen.

Bei ſo offenbarer Doppelzüngigkeit der ruſſiſchen Politik wäre
ein weiterer Aufſchub auf unſerer Seite geradezu ein Verbrechen
gegen Deutſchlands Sicherheit und vor dem deutſchen Volk nicht
mehr zu verantworten geweſen. Daher erhielt am gleichen 31. Juli
der Kaiſerliche Botſchafter in St. Petersburg den Befehl, der ruſſi-
ſchen Regierung zu eröffnen, daß Deutſchland als Gegenmaßregel
gegen die allgemeine ruſſiſche Mobilmachung vorläufig den Kriegs-
zuſtand in Deutſchland verkündet habe, dem die Mobiliſation folgen
müſſe, wenn Rußland ſeine militäriſchen Maßnahmen nicht binnen
12 Stunden einſtelle. Hierauf hat die ruſſiſche Regierung überhaupt
keine Antwort gegeben, und es blieb der deutſchen Regierung nichts
übrig, als der ruſſiſchen nach Ablauf der geſtellten Friſt am 1. Aug.
erklären zu laſſen, daß wir uns als im Kriegszuſtand mit ihr befind-
lich betrachteten. Schon am 1. Auguſt rückten ruſſiſche Truppen auf
deutſches Gebtet vor, und Rußland begann damit den Krieg gegen uns.

Dies iſt in lückenloſer chronologiſcher Folge der Sachverhalt.
Es bleibt allen nachträglichen Ausarbeitungen engliſcher Diplomaten
zum Trotz bei dem, was der Reichskanzler bereits am 3. Auguſt in
ſeinem dem Reichstage vorgelegten Weißbuche ausgeſprochen hat:
„Die ruſſiſche Regierung hat durch ihre Mobilmachung die mühſame
Vermittlungsarbeit der europäiſchen Staatskanzleien kurz vor dem
Erfolge zerſchlagen. Die Mobiliſierungsmaßregeln in Verbindung
mit ihrer fortgeſetzten Ableugnung zeigen klar, daß Rußland den
Krieg wollte“. Und England auch. Eine einfache Erklärung aus
London nach St. Petersburg, daß panſlawiſtiſche Beſtrebungen
Rußlands gegen Oeſterreich-Ungarn durch den Dreiverband nicht ge-
deckt ſeien, hätte genügt, um die ruſſiſche Kriegsluſt zu dämpfen. Und
auch Frankreich würde ſich beim Abrücken Englands von der Begünſti-
gung einer allſlaviſchen Politik dem Bündnisfall haben entziehen können.

Schließlich erinnern wir an den von uns in Nr. 219 vom 12. ds.
Mts. veröffentlichten Bericht des Königlich Belgiſchen Geſchäfts-
trägers in St. Petersburg, Herrn B. de l’Escaille, der unter dem
30. Juli dem belgiſchen Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten
meldet: „Unbeſtreitbar bleibt, daß Deutſchland ſich hier (St. Peters-
burg) ebenſo ſehr wie in Wien bemüht hat, irgendein Mittel zu fin-
den, um einen allgemeinen Konflikt zu vermeiden, daß es dabei aber
einerſeits auf die feſte Entſchloſſenheit des Wiener Kabinetts ge-
ſtoßen iſt, keinen Schritt zurückzuweichen, und andrerſeits auf das
Mißtrauen des Petersburger Kabinetts.“ Und weiterhin: Eng-
land gab anfänglich zu verſtehen, daß es ſich nicht in einen Konflikt
hineinziehen laſſen wolle. Sir George Buchanan (der britiſche Bot-
ſchafter in Petersburg) ſprach dies offen aus: „Heute aber iſt man
in St. Petersburg feſt davon überzeugt, ja man hat ſogar die Zu-
ſicherung, daß England Frankreich beiſtehen wird. Dieſer Beiſtand
fällt ganz außerordentlich ins Gewicht und hat nicht wenig dazu bei-
getragen, der Kriegspartei Oberwaſſer zu verſchaffen.“



Aus unſeren Kolonien.

Aus Deutſch-Oſtafrika ſind zum erſtenmal ſeit dem
Kriegsausbruch Privatnachrichten hier eingetroffen. Aus dem Ver-
merk auf den Briefen und Karten geht hervor, daß die Poſtſachen
die engliſche Zenſur paſſiert haben. Die Engländer halten alſo die
deutſch-oſtafrikaniſche Küſte blockiert. Dar-es-Salaam wurde
als offene Stadt nicht verteidigt. Die engliſchen Kreuzer haben auf
die Funkenſtation Schüſſe abgegeben. Darauf wurde die weiße
Flagge über der Stadt gehißt und es ſind dann weitere Angriffe
auf Dar-es-Salaam bis zum Abgang der Poſt, etwa 20. Auguſt,
nicht erfolgt. Der Turm der Funkenſtation iſt nach den vorliegen-
den Mitteilungen von den Deutſchen ſelbſt zerſtört worden. Die
[Spaltenumbruch] weißen Frauen und Kinder befanden ſich bis Abgang dieſer Poſt
offenbar in Dar-es-Salaam. Ob infolge der ausgebrochenen Kämpfe
im Innern die Engländer tatſächlich, wie die britiſche Admiralität
meldet, ſpäter durch den Kreuzer „Pegaſus“ Dar-es-Salaam zer-
ſtören ließen, darüber liegen verbürgte Nachrichten von deutſcher
Seite bis jetzt nicht vor. Dagegen wurde beſtätigt, daß Taveta
von den Deutſchen beſetzt worden iſt.

In Sanſibar iſt es nach einem hier vorliegenden Privat-
brief vom 27. Auguſt den Leitern der deutſchen Firmen geſtattet
worden, daſelbſt zu bleiben, doch ſtehen die Deutſchen unter behörd-
licher Aufſicht. Eine gewiſſe geſchäftliche Betätigung iſt ihnen er-
laubt. Sie dürfen Geld einkaſſieren und das vorhandene Waren-
lager veräußern. Die deutſchen Angeſtellten ſind am 7. Auguſt nach
Tanga abgegangen.

In Mombaſſa ſind alle Deutſchen ſofort nach Ausbruch des
Krieges feſtgenommen und bald darauf nach Nairobj übergeführt
worden. Irgendwelche amtlichen Nachrichten ſind beim Reichs-
Kolonialamt nicht eingetroffen. Auf etwaige Anfragen kann daher
auch nur mitgeteilt werden, was in dieſer Meldung enthalten iſt.

In Lüderitzbucht hat am 28. Sept. ein ſehr lebhaftes Ge-
fecht zwiſchen Engländern und Deutſchen ſtattgefunden. Die Deut-
ſchen hatten fünf Tote und zwei Verwundete; die Engländer drei
Tote und vier Verwundete.

Das Reuterſche Bureau meldet aus Pretoria unterm 24. Sept.:
Die Polizeiſtation Rietfontein wurde am 19. September von
einer deutſchen Abteilung (etwa 200 Mann ſtark) genommen.



Aus London erfährt das Wolffſche Bureau:

Die Admiralität gibt bekannt, daß während der letzten Tage der
deutſche vielgenannte Kreuzer „Emden“ im Indiſchen Ozean die
Dampfer „Tumerico“, „Cinglud“, „Riberia“ und
„Toyle“ weggenommen oder in den Grund gebohrt und
ein Kohlenſchiff weggenommen habe. Die Bemannung der Schiffe
wurde auf dem Dampfer „Gyfedale“, der ebenfalls genommen war
und freigelaſſen wurde, nach Colombo gebracht, wo ſie heute früh
eintraf.



Der Burenkommandant Jooſte hat ſich bekanntlich
bei Ausbruch des Krieges als deutſcher Kriegsfreiwilliger gemeldet
und leiſtet jetzt als deutſcher Marineſoldat Dienſt. Jooſte ſchreibt
der „Braunſchw. Landeszeitung“:

Anläßlich mancher Notiz, die in dieſen Tagen durch die Preſſe
ging mit Bezug auf das Verhalten der Buren in dieſem Weltkriege,
fühle ich mich veranlaßt, dem deutſchen Volke gegenüber folgendes
zu erklären: Wie zur Zeit des Burenkrieges das deutſche Volk anders
dachte als ſeine Regierung, ſo geht es jetzt in meiner Heimat, und
man darf dem Burenvolk nicht die Schuld an dieſen Vorgängen zu-
ſchreiben. Ich würde unpolitiſch handeln und unſere Sache ſchädi-
gen, wenn ich ſozuſagen die Katze aus dem Sack ließe. Jedenfalls
kann ich aber verſichern, daß der gemeine Feind der Südafrikaner
nicht der Deutſche iſt, ſondern der Brite. Die 4000 Gräber der ge-
fallenen Buren mahnen uns an unſere Pflicht, und das Blut der
26,000 in den engliſchen Konzentrationslagern elend umgekommenen
Frauen und Kindern ſchreit nach Rache.

Was die Worte Bothas anlangt, ſo darf nur ſo viel Ge-
wicht darauf gelegt werden, wie die Diplomatie in kritiſchen Zeiten
verdient; es muß vielmehr die Tat des Generals Beyers, die
Niederlegung ſeines Oberkommandos, ins Auge gefaßt werden. Daß
Streitkräfte aus Kapland in Deutſch-Südweſt eingebrochen ſind, be-
dauere ich aufs tiefſte, ich kann aber den vielen Freunden, die mich
in dieſen Tagen um Auskunft baten, nur antworten: Bin ich meines
Bruders Hüter? Mir iſt dieſe traurige und ſchmachvolle Tatſache
ein neuer Beweis dafür, was die engliſchen Lügenfertig
bringen,
denn dem Bur iſt offenbar feierlich verſichert worden,
daß die ihm abgünſtig geſinnte deutſche Regierung — jeder Bur
weiß, daß Krüger ſeinerzeit von Köln zurückreiſen mußte — jetzt
das Uniongebiet annektieren wolle und dergleichen mehr. In dieſem
feſten Glauben, in dieſer Befürchtung war es ſtrategiſch berechtigt,
in Deutſch-Südweſt einzufallen, mehr zur Selbſtverteidigung, als
um England in ſeinem Kampf gegen Deutſchland zu unterſtützen.
Mag das Burenvolk noch ſo viel Fehler haben, aber undankbar
ſind wir nicht,
und wir werden nie und nimmer vergeſſen, wie
viel Tränen getrocknet, wie viel Not gelindert und wie viel Menſchen-
leben gerettet worden ſind durch die uns aus dem ganzen deutſchen
Lande bewieſene Hilfe.

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[589/0005] 3. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung daß Deutſchland Mobilmachungsmaßnahmen gegen Oeſterreich-Un- garn auch für ſich ſelbſt als höchſt bedrohlich betrachten müſſe, liefen in den nächſten Tagen in raſchem Tempo die Nachrichten über die ruſſiſche Mobiliſierung ein. Am 29. Juli ordnete die ruſſiſche Regie- rung die Mobiliſierung in Süd- und Südweſtrußland an, die am 30. auf 23 Gouvernements ausgedehnt wurde. Jetzt fehlte, wenn Rußland den Krieg herbeiführen wollte, nur noch ein Schritt, die Geſamtmobilmachung des ruſſiſchen Heeres. Dieſe wurde, während die Bemühungen des Deutſchen Kaiſers um den Frieden bei ent- gegenkommender Aufnahme in Wien fortdauerten, am 31. Juli vor- mittags in Petersburg anbefohlen. Noch um 2 Uhr nachmittags am gleichen Tage aber telegraphierte der Zar an den Kaiſer, es handle ſich hierbei lediglich um durch Oeſterreichs Mobiliſierung nötig ge- wordene „militäriſche Vorbereitungen“, deren Einſtellung aus tech- niſchen Gründen unmöglich ſei; er gab gleichzeitig ſein feierliches Wort, daß er weit davon entfernt ſei, den Krieg zu wünſchen. Bei ſo offenbarer Doppelzüngigkeit der ruſſiſchen Politik wäre ein weiterer Aufſchub auf unſerer Seite geradezu ein Verbrechen gegen Deutſchlands Sicherheit und vor dem deutſchen Volk nicht mehr zu verantworten geweſen. Daher erhielt am gleichen 31. Juli der Kaiſerliche Botſchafter in St. Petersburg den Befehl, der ruſſi- ſchen Regierung zu eröffnen, daß Deutſchland als Gegenmaßregel gegen die allgemeine ruſſiſche Mobilmachung vorläufig den Kriegs- zuſtand in Deutſchland verkündet habe, dem die Mobiliſation folgen müſſe, wenn Rußland ſeine militäriſchen Maßnahmen nicht binnen 12 Stunden einſtelle. Hierauf hat die ruſſiſche Regierung überhaupt keine Antwort gegeben, und es blieb der deutſchen Regierung nichts übrig, als der ruſſiſchen nach Ablauf der geſtellten Friſt am 1. Aug. erklären zu laſſen, daß wir uns als im Kriegszuſtand mit ihr befind- lich betrachteten. Schon am 1. Auguſt rückten ruſſiſche Truppen auf deutſches Gebtet vor, und Rußland begann damit den Krieg gegen uns. Dies iſt in lückenloſer chronologiſcher Folge der Sachverhalt. Es bleibt allen nachträglichen Ausarbeitungen engliſcher Diplomaten zum Trotz bei dem, was der Reichskanzler bereits am 3. Auguſt in ſeinem dem Reichstage vorgelegten Weißbuche ausgeſprochen hat: „Die ruſſiſche Regierung hat durch ihre Mobilmachung die mühſame Vermittlungsarbeit der europäiſchen Staatskanzleien kurz vor dem Erfolge zerſchlagen. Die Mobiliſierungsmaßregeln in Verbindung mit ihrer fortgeſetzten Ableugnung zeigen klar, daß Rußland den Krieg wollte“. Und England auch. Eine einfache Erklärung aus London nach St. Petersburg, daß panſlawiſtiſche Beſtrebungen Rußlands gegen Oeſterreich-Ungarn durch den Dreiverband nicht ge- deckt ſeien, hätte genügt, um die ruſſiſche Kriegsluſt zu dämpfen. Und auch Frankreich würde ſich beim Abrücken Englands von der Begünſti- gung einer allſlaviſchen Politik dem Bündnisfall haben entziehen können. Schließlich erinnern wir an den von uns in Nr. 219 vom 12. ds. Mts. veröffentlichten Bericht des Königlich Belgiſchen Geſchäfts- trägers in St. Petersburg, Herrn B. de l’Escaille, der unter dem 30. Juli dem belgiſchen Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten meldet: „Unbeſtreitbar bleibt, daß Deutſchland ſich hier (St. Peters- burg) ebenſo ſehr wie in Wien bemüht hat, irgendein Mittel zu fin- den, um einen allgemeinen Konflikt zu vermeiden, daß es dabei aber einerſeits auf die feſte Entſchloſſenheit des Wiener Kabinetts ge- ſtoßen iſt, keinen Schritt zurückzuweichen, und andrerſeits auf das Mißtrauen des Petersburger Kabinetts.“ Und weiterhin: Eng- land gab anfänglich zu verſtehen, daß es ſich nicht in einen Konflikt hineinziehen laſſen wolle. Sir George Buchanan (der britiſche Bot- ſchafter in Petersburg) ſprach dies offen aus: „Heute aber iſt man in St. Petersburg feſt davon überzeugt, ja man hat ſogar die Zu- ſicherung, daß England Frankreich beiſtehen wird. Dieſer Beiſtand fällt ganz außerordentlich ins Gewicht und hat nicht wenig dazu bei- getragen, der Kriegspartei Oberwaſſer zu verſchaffen.“ Aus unſeren Kolonien. Aus Deutſch-Oſtafrika ſind zum erſtenmal ſeit dem Kriegsausbruch Privatnachrichten hier eingetroffen. Aus dem Ver- merk auf den Briefen und Karten geht hervor, daß die Poſtſachen die engliſche Zenſur paſſiert haben. Die Engländer halten alſo die deutſch-oſtafrikaniſche Küſte blockiert. Dar-es-Salaam wurde als offene Stadt nicht verteidigt. Die engliſchen Kreuzer haben auf die Funkenſtation Schüſſe abgegeben. Darauf wurde die weiße Flagge über der Stadt gehißt und es ſind dann weitere Angriffe auf Dar-es-Salaam bis zum Abgang der Poſt, etwa 20. Auguſt, nicht erfolgt. Der Turm der Funkenſtation iſt nach den vorliegen- den Mitteilungen von den Deutſchen ſelbſt zerſtört worden. Die weißen Frauen und Kinder befanden ſich bis Abgang dieſer Poſt offenbar in Dar-es-Salaam. Ob infolge der ausgebrochenen Kämpfe im Innern die Engländer tatſächlich, wie die britiſche Admiralität meldet, ſpäter durch den Kreuzer „Pegaſus“ Dar-es-Salaam zer- ſtören ließen, darüber liegen verbürgte Nachrichten von deutſcher Seite bis jetzt nicht vor. Dagegen wurde beſtätigt, daß Taveta von den Deutſchen beſetzt worden iſt. In Sanſibar iſt es nach einem hier vorliegenden Privat- brief vom 27. Auguſt den Leitern der deutſchen Firmen geſtattet worden, daſelbſt zu bleiben, doch ſtehen die Deutſchen unter behörd- licher Aufſicht. Eine gewiſſe geſchäftliche Betätigung iſt ihnen er- laubt. Sie dürfen Geld einkaſſieren und das vorhandene Waren- lager veräußern. Die deutſchen Angeſtellten ſind am 7. Auguſt nach Tanga abgegangen. In Mombaſſa ſind alle Deutſchen ſofort nach Ausbruch des Krieges feſtgenommen und bald darauf nach Nairobj übergeführt worden. Irgendwelche amtlichen Nachrichten ſind beim Reichs- Kolonialamt nicht eingetroffen. Auf etwaige Anfragen kann daher auch nur mitgeteilt werden, was in dieſer Meldung enthalten iſt. In Lüderitzbucht hat am 28. Sept. ein ſehr lebhaftes Ge- fecht zwiſchen Engländern und Deutſchen ſtattgefunden. Die Deut- ſchen hatten fünf Tote und zwei Verwundete; die Engländer drei Tote und vier Verwundete. Das Reuterſche Bureau meldet aus Pretoria unterm 24. Sept.: Die Polizeiſtation Rietfontein wurde am 19. September von einer deutſchen Abteilung (etwa 200 Mann ſtark) genommen. Aus London erfährt das Wolffſche Bureau: Die Admiralität gibt bekannt, daß während der letzten Tage der deutſche vielgenannte Kreuzer „Emden“ im Indiſchen Ozean die Dampfer „Tumerico“, „Cinglud“, „Riberia“ und „Toyle“ weggenommen oder in den Grund gebohrt und ein Kohlenſchiff weggenommen habe. Die Bemannung der Schiffe wurde auf dem Dampfer „Gyfedale“, der ebenfalls genommen war und freigelaſſen wurde, nach Colombo gebracht, wo ſie heute früh eintraf. Der Burenkommandant Jooſte hat ſich bekanntlich bei Ausbruch des Krieges als deutſcher Kriegsfreiwilliger gemeldet und leiſtet jetzt als deutſcher Marineſoldat Dienſt. Jooſte ſchreibt der „Braunſchw. Landeszeitung“: Anläßlich mancher Notiz, die in dieſen Tagen durch die Preſſe ging mit Bezug auf das Verhalten der Buren in dieſem Weltkriege, fühle ich mich veranlaßt, dem deutſchen Volke gegenüber folgendes zu erklären: Wie zur Zeit des Burenkrieges das deutſche Volk anders dachte als ſeine Regierung, ſo geht es jetzt in meiner Heimat, und man darf dem Burenvolk nicht die Schuld an dieſen Vorgängen zu- ſchreiben. Ich würde unpolitiſch handeln und unſere Sache ſchädi- gen, wenn ich ſozuſagen die Katze aus dem Sack ließe. Jedenfalls kann ich aber verſichern, daß der gemeine Feind der Südafrikaner nicht der Deutſche iſt, ſondern der Brite. Die 4000 Gräber der ge- fallenen Buren mahnen uns an unſere Pflicht, und das Blut der 26,000 in den engliſchen Konzentrationslagern elend umgekommenen Frauen und Kindern ſchreit nach Rache. Was die Worte Bothas anlangt, ſo darf nur ſo viel Ge- wicht darauf gelegt werden, wie die Diplomatie in kritiſchen Zeiten verdient; es muß vielmehr die Tat des Generals Beyers, die Niederlegung ſeines Oberkommandos, ins Auge gefaßt werden. Daß Streitkräfte aus Kapland in Deutſch-Südweſt eingebrochen ſind, be- dauere ich aufs tiefſte, ich kann aber den vielen Freunden, die mich in dieſen Tagen um Auskunft baten, nur antworten: Bin ich meines Bruders Hüter? Mir iſt dieſe traurige und ſchmachvolle Tatſache ein neuer Beweis dafür, was die engliſchen Lügenfertig bringen, denn dem Bur iſt offenbar feierlich verſichert worden, daß die ihm abgünſtig geſinnte deutſche Regierung — jeder Bur weiß, daß Krüger ſeinerzeit von Köln zurückreiſen mußte — jetzt das Uniongebiet annektieren wolle und dergleichen mehr. In dieſem feſten Glauben, in dieſer Befürchtung war es ſtrategiſch berechtigt, in Deutſch-Südweſt einzufallen, mehr zur Selbſtverteidigung, als um England in ſeinem Kampf gegen Deutſchland zu unterſtützen. Mag das Burenvolk noch ſo viel Fehler haben, aber undankbar ſind wir nicht, und wir werden nie und nimmer vergeſſen, wie viel Tränen getrocknet, wie viel Not gelindert und wie viel Menſchen- leben gerettet worden ſind durch die uns aus dem ganzen deutſchen Lande bewieſene Hilfe.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 40, 3. Oktober 1914, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine40_1914/5>, abgerufen am 23.11.2024.