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Allgemeine Zeitung, Nr. 39, 8. Februar 1850.

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[Spaltenumbruch] doch unverhältnißmäßig geringe Ahndungen zur Folge haben; zudem
wird der Auditor, der nicht mit und unter den Soldaten lebt, nicht
leicht jene Personalkenntniß und, wenn wir so sagen dürfen, jene Fertig-
keit in der Beurtheilung derartiger Charaktere erwerben welche ein Of-
ficier, der sich viel mit seiner Mannschaft zu beschäftigen pflegt, gewöhn-
lich sich aneignet. Endlich wird kaum in Abrede gestellt werden können
daß es einzelne Fälle gibt welche von entscheidendem Einfluß auf die
Disciplin und den Geist einer Truppe sind, und die nur derjenige welcher
den Dienst und dessen Verhältnisse von allen Seiten kennt, vollkommen
richtig zu würdigen weiß, während ein anderer ihnen häufig nur eine
untergeordnete Bedeutung zuerkennen wird. Ueberdieß ist aus der bera-
thenden Stimme welche dem Auditor gesetzlich zukommt, in den meisten
Fällen die fast allein entscheidende geworden, indem der Auditor, auf
seine Kenntniß des Rechts und auf juridische Lehrsätze und Beweistheo-
rien sich stützend, in derlei Commissionen gewöhnlich seiner Ansicht die
Mehrheit der Stimmen zu verschaffen weiß. So ist es denn gekommen
daß das jetzige Militärstrafverfahren um einen großen Theil des nöthi-
gen Vertrauens und Ansehens gekommen ist, ja daß in der Armee nicht
selten eine Art von Vorurtheil gegen die Personen der Auditore sich ge-
bildet hat, das als solches gewiß unverdient ist. Hieraus ist auch zu er-
klären daß viele Commandanten, in Fällen wo die gerichtliche Unter-
suchung zu umgehen ist, vermöge ihrer disciplinären Strafgewalt per-
sönlich einschreiten, um so eine rasche Erledigung herbeizuführen, und
nicht Gefahr zu laufen daß ein Proceß nur spät oder vielleicht gar nicht
zu einem Ergebniß führt. Faßt man das Gesagte mit dem Umstand zu-
sammen daß bisher die Aufstellung von rechtsgelehrten Militärbeamten
hauptsächlich durch den gesonderten Gerichtsstand erforderlich war, so
möchte daraus hervorgehen daß nach Abschaffung desselben die Beibehal-
tung der Auditore für die Untersuchung derjenigen Vergehen welche dann
noch der Militärjurisdiction verbleiben würden, kaum mehr nothwendig
seyn möchte. Es wäre sodann Gelegenheit geboten das Geschäft der Vor-
untersuchung und gleichsam des öffentlichen Anklägers einem Officier zu
übertragen, wie diese Einrichtung unter dem Titel der Capitaines rap-
porteurs
seit langer Zeit in der französischen Armee, und wenigstens
theilweise auch in Preußen bereits seit dem 21 Januar 1812 besteht.
Zur Competenz dieses Militärgerichts würden somit alle im Dienst be-
gangenen Vergehen gehören, und wären als solcht nicht bloß die welche
im unmittelbaren Dienst verübt wurden, sondern auch alle jene zu be-
trachten welche in der Caserne, wie Diebstahl am ärarialischen oder am
Eigenthume eines Cameraden, Raufhändel u. s. w., oder auf dem Mar-
sche, im Lager, oder in Cantonnirungen begangen wurden. Zu diesem
Zweck wäre freilich eine wesentliche Erweiterung und Abänderung der
bayerischen sogenannten Kriegsartikel, sowie deren Abfassung in einer
Sprache nothwendig welche auch dem Ungebildeten vollkommen faßlich
wäre.*) Es wäre ferner zu überlegen ob nicht auch bei den sogenannten
Kriegscommissionen Beisitzer aus den unteren Chargen zuzulassen wären,
was natürlich nur Leuten von ausgezeichnetem Leumund als besonderes
Vorrecht zuerkannt werden dürfte, und was sicher einen gewissen Ehrgeiz
hervorrufen würde; endlich ob nicht das Schlußverfahren einer jeden
solchen Untersuchung öffentlich stattfinden, d. h. jedem Militär der Zu-
tritt erlaubt seyn sollte. Eine derartige Zusammensetzung des Gerichtes
wäre unter allen Verhältnissen, auch bei kleineren detachirten Abtheilun-
gen möglich, und somit eine rasche Erledigung jedes einzelnen Falles und
geeignete, rechtzeitige Bestrafung des Fehlenden zu erwarten, und es
würde durch ein solches Verfahren sicher der Gerechtigkeit und Wahrheit
am besten genügt, der Sinn für Recht und die Achtung vor dem Gesetz
erhöht, cameradschaftliche Gesinnungen geweckt und der Geist der Ehre
befördert werden.

Wir haben uns deßhalb aufrichtig gesreut zu hören daß der Abg.
Freiherr v. Lerchenfeld an die Kammer einen Antrag gebracht hat der,
dem Vernehmen nach, eine Reform der Militärjustiz nach obigen Grund-
sätzen beabsichtigt, und wir glauben nicht zu irren, wenn wir behaupten
daß derselbe bei einem großen Theil des Heeres den freudigsten Anklang
finden wird.

Durch die wirkliche Einführung eines solchen neuen Strafverfah-
rens würde, wir sind davon aufs innigste überzeugt, die Disciplin im
Heere wesentlich gefördert und in demselben jene Achtung vor dem Gesetz
und jene ächte Kriegerehre Wurzel fassen welche geeignet sind dasselbe
sowohl gegen äußere als innere Feinde zur festen Schutzwehr des Staates
zu machen.



Wien.

Das Neuigkeitsbureau will wissen daß an den
kaiserlichen Gesandten in Athen die Weisung ergangen sey sich in den
brittisch-griechischen Händeln in vollkommnem Einklang mit dem russischen
Gesandten zu verhalten. Der "vollkommne Einklang" wird allem Ver-
muthen nach in der diplomatischen Instruction nur als "möglicher Ein-
klang" aufgeführt seyn. Endlich ist auch heute die Verfassung für Böhmen
publicirt worden. Prag ist die Hauptstadt. Der Landtag wird aus 220
Deputirten, nämlich 70 der Höchstbesteuerten, 71 der "Städte und In-
dustrialorte" und 79 der übrigen Gemeinden bestehen. Die städtischen
Abgeordneten vertheilen sich so daß Prag in fünf Wahlbezirken zehn
nach einem Steuercensus von 15 fl., die Städte Pilsen, Budweis, Eger,
Reichenberg und Kuttenberg je zwei nach einem Census von 10 fl., die
übrigen Städte, von denen höchstens nur zwei einen Wahlbezirk bilden,
nach einem Census von 5 fl. wählen. Der Nationalitätsparagraph fehlt
auch in dieser Verfassung nicht, sonst ist sie in den Grundzügen ganz die-
selbe wie die der andern Kronländer. Ueber die Sprache welche auf dem
Landtage gesprochen werden soll, bestimmt die Landesverfassung nichts,
also wird nach der Gleichberechtigung böhmisch und deutsch gesprochen
werden können. Anfangs wird die böhmische Sprache von den Tschechen
gewissenhaft gebraucht werden, später aber wo ihr grammatischer Eifer
nach und nach verkühlen wird, stehen ähnliche Dinge zu erwarten wie
in den Turiner Kammern, wo auch nur höchst selten die Savoyarden
sich der französischen Sprache bedienten. Wir haben heute wahre
Frühlingsluft und wohlthuenden Sonnenschein, am Morgen war das
Wasser bedeutend gefallen, gegen 11 Uhr stieg es aber wieder und macht
alle dem Wasser nahe gelegenen Straßen in der innern und der Leopold-
stadt zu Canälen. Auch Ihr Correspondent muß sich entschließen über
Holzbrücken aus dem Hause zu gehen. Diese Brücken sind natürlich bei
unserm vollen Verkehr mit Menschen überdeckt, und dabei so schmal daß
man sie nur mit Beresina-Gefahr betritt. An ergötzlichen Scenen fehlt
es dabei nicht, wie Sie sich leicht denken können. Bis jetzt hört man
noch nichts von größeren Verheerungen welche die Thaufluth ange-
richtet.

Se. Majestät muß seit drei Tagen in Folge einer
Erkältung das Bett hüten, doch ist kein Grund zu ernster Besorgniß vor-
handen.*) Wie Ihr Blatt schon gemeldet, wird die deutsche Wechselordnung
nächstens publicirt werden und am 1 Mai l. J. in Kraft treten. Auf
Ungarn, Croatien und Slavonien wird dieses Gesetz nicht aus-
gedehnt werden,
vielmehr bleibt es daselbst bei dem bestehenden Rechte
mit einigen Abänderungen. Man sieht daraus wie sorgfältig man in unserm
Cabinet die eigenthümlichen Verhältnisse der einzelnen Gebietstheile zu
würdigen weiß, und daß man von einer blinden Centralisation, worüber
die ultranationalen Vlätter schreien, weit entfernt ist. Das Wasser ist
bedeutend gefallen, und wir können wieder im Trockenen verkehren; der
eine Pfeiler der Eisenbahnbrücke ist indessen der Art beschädigt daß man
den Wagenzug nicht mehr passiren läßt, sondern die Passagiere zu Fuß
gehen müssen. Dagegen haben die kleinen Gebirgsströme so ungebärdig
gewirthschaftet daß viele Straßen unfahrbar geworden sind.



[irrelevantes Material]

*) Bei dieser Gelegenheit mag jedoch nicht unerwähnt bleiben daß die baye-
rische Armee in ihren Dienstesvorschriften ein im Ganzen wirklich ausge-
zeichnetes Werk besitzt. Wenn auch manche Theile derselben nach den An-
forderungen der Gegenwart einer Umarbeitung bedürfen, so ist doch der
Geist der das Ganze durchweht, ein so durchweg humaner und so darauf
berechnet einen ächt männlichen Sinn und den Geist wahrer Soldatenehre
und unverbrüchlicher Eidestreue in der Armee zu nähren, daß man nur
wünschen kann daß dieselben bei einer Umarbeitung hauptsächlich zu Grunde
gelegt, ja vielleicht ein bedeutender Theil derselben unverändert beibehalten
werden möchte. D. Eins.
*) Nach andern Briefen befindet sich Se. Majestät schon wieder in der Bes-
serung.

[Spaltenumbruch] doch unverhältnißmäßig geringe Ahndungen zur Folge haben; zudem
wird der Auditor, der nicht mit und unter den Soldaten lebt, nicht
leicht jene Perſonalkenntniß und, wenn wir ſo ſagen dürfen, jene Fertig-
keit in der Beurtheilung derartiger Charaktere erwerben welche ein Of-
ficier, der ſich viel mit ſeiner Mannſchaft zu beſchäftigen pflegt, gewöhn-
lich ſich aneignet. Endlich wird kaum in Abrede geſtellt werden können
daß es einzelne Fälle gibt welche von entſcheidendem Einfluß auf die
Disciplin und den Geiſt einer Truppe ſind, und die nur derjenige welcher
den Dienſt und deſſen Verhältniſſe von allen Seiten kennt, vollkommen
richtig zu würdigen weiß, während ein anderer ihnen häufig nur eine
untergeordnete Bedeutung zuerkennen wird. Ueberdieß iſt aus der bera-
thenden Stimme welche dem Auditor geſetzlich zukommt, in den meiſten
Fällen die faſt allein entſcheidende geworden, indem der Auditor, auf
ſeine Kenntniß des Rechts und auf juridiſche Lehrſätze und Beweistheo-
rien ſich ſtützend, in derlei Commiſſionen gewöhnlich ſeiner Anſicht die
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daß das jetzige Militärſtrafverfahren um einen großen Theil des nöthi-
gen Vertrauens und Anſehens gekommen iſt, ja daß in der Armee nicht
ſelten eine Art von Vorurtheil gegen die Perſonen der Auditore ſich ge-
bildet hat, das als ſolches gewiß unverdient iſt. Hieraus iſt auch zu er-
klären daß viele Commandanten, in Fällen wo die gerichtliche Unter-
ſuchung zu umgehen iſt, vermöge ihrer disciplinären Strafgewalt per-
ſönlich einſchreiten, um ſo eine raſche Erledigung herbeizuführen, und
nicht Gefahr zu laufen daß ein Proceß nur ſpät oder vielleicht gar nicht
zu einem Ergebniß führt. Faßt man das Geſagte mit dem Umſtand zu-
ſammen daß bisher die Aufſtellung von rechtsgelehrten Militärbeamten
hauptſächlich durch den geſonderten Gerichtsſtand erforderlich war, ſo
möchte daraus hervorgehen daß nach Abſchaffung desſelben die Beibehal-
tung der Auditore für die Unterſuchung derjenigen Vergehen welche dann
noch der Militärjurisdiction verbleiben würden, kaum mehr nothwendig
ſeyn möchte. Es wäre ſodann Gelegenheit geboten das Geſchäft der Vor-
unterſuchung und gleichſam des öffentlichen Anklägers einem Officier zu
übertragen, wie dieſe Einrichtung unter dem Titel der Capitaines rap-
porteurs
ſeit langer Zeit in der franzöſiſchen Armee, und wenigſtens
theilweiſe auch in Preußen bereits ſeit dem 21 Januar 1812 beſteht.
Zur Competenz dieſes Militärgerichts würden ſomit alle im Dienſt be-
gangenen Vergehen gehören, und wären als ſolcht nicht bloß die welche
im unmittelbaren Dienſt verübt wurden, ſondern auch alle jene zu be-
trachten welche in der Caſerne, wie Diebſtahl am ärarialiſchen oder am
Eigenthume eines Cameraden, Raufhändel u. ſ. w., oder auf dem Mar-
ſche, im Lager, oder in Cantonnirungen begangen wurden. Zu dieſem
Zweck wäre freilich eine weſentliche Erweiterung und Abänderung der
bayeriſchen ſogenannten Kriegsartikel, ſowie deren Abfaſſung in einer
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wäre.*) Es wäre ferner zu überlegen ob nicht auch bei den ſogenannten
Kriegscommiſſionen Beiſitzer aus den unteren Chargen zuzulaſſen wären,
was natürlich nur Leuten von ausgezeichnetem Leumund als beſonderes
Vorrecht zuerkannt werden dürfte, und was ſicher einen gewiſſen Ehrgeiz
hervorrufen würde; endlich ob nicht das Schlußverfahren einer jeden
ſolchen Unterſuchung öffentlich ſtattfinden, d. h. jedem Militär der Zu-
tritt erlaubt ſeyn ſollte. Eine derartige Zuſammenſetzung des Gerichtes
wäre unter allen Verhältniſſen, auch bei kleineren detachirten Abtheilun-
gen möglich, und ſomit eine raſche Erledigung jedes einzelnen Falles und
geeignete, rechtzeitige Beſtrafung des Fehlenden zu erwarten, und es
würde durch ein ſolches Verfahren ſicher der Gerechtigkeit und Wahrheit
am beſten genügt, der Sinn für Recht und die Achtung vor dem Geſetz
erhöht, cameradſchaftliche Geſinnungen geweckt und der Geiſt der Ehre
befördert werden.

Wir haben uns deßhalb aufrichtig geſreut zu hören daß der Abg.
Freiherr v. Lerchenfeld an die Kammer einen Antrag gebracht hat der,
dem Vernehmen nach, eine Reform der Militärjuſtiz nach obigen Grund-
ſätzen beabſichtigt, und wir glauben nicht zu irren, wenn wir behaupten
daß derſelbe bei einem großen Theil des Heeres den freudigſten Anklang
finden wird.

Durch die wirkliche Einführung eines ſolchen neuen Strafverfah-
rens würde, wir ſind davon aufs innigſte überzeugt, die Disciplin im
Heere weſentlich gefördert und in demſelben jene Achtung vor dem Geſetz
und jene ächte Kriegerehre Wurzel faſſen welche geeignet ſind dasſelbe
ſowohl gegen äußere als innere Feinde zur feſten Schutzwehr des Staates
zu machen.



Wien.

Das Neuigkeitsbureau will wiſſen daß an den
kaiſerlichen Geſandten in Athen die Weiſung ergangen ſey ſich in den
brittiſch-griechiſchen Händeln in vollkommnem Einklang mit dem ruſſiſchen
Geſandten zu verhalten. Der „vollkommne Einklang“ wird allem Ver-
muthen nach in der diplomatiſchen Inſtruction nur als „möglicher Ein-
klang“ aufgeführt ſeyn. Endlich iſt auch heute die Verfaſſung für Böhmen
publicirt worden. Prag iſt die Hauptſtadt. Der Landtag wird aus 220
Deputirten, nämlich 70 der Höchſtbeſteuerten, 71 der „Städte und In-
duſtrialorte“ und 79 der übrigen Gemeinden beſtehen. Die ſtädtiſchen
Abgeordneten vertheilen ſich ſo daß Prag in fünf Wahlbezirken zehn
nach einem Steuercenſus von 15 fl., die Städte Pilſen, Budweis, Eger,
Reichenberg und Kuttenberg je zwei nach einem Cenſus von 10 fl., die
übrigen Städte, von denen höchſtens nur zwei einen Wahlbezirk bilden,
nach einem Cenſus von 5 fl. wählen. Der Nationalitätsparagraph fehlt
auch in dieſer Verfaſſung nicht, ſonſt iſt ſie in den Grundzügen ganz die-
ſelbe wie die der andern Kronländer. Ueber die Sprache welche auf dem
Landtage geſprochen werden ſoll, beſtimmt die Landesverfaſſung nichts,
alſo wird nach der Gleichberechtigung böhmiſch und deutſch geſprochen
werden können. Anfangs wird die böhmiſche Sprache von den Tſchechen
gewiſſenhaft gebraucht werden, ſpäter aber wo ihr grammatiſcher Eifer
nach und nach verkühlen wird, ſtehen ähnliche Dinge zu erwarten wie
in den Turiner Kammern, wo auch nur höchſt ſelten die Savoyarden
ſich der franzöſiſchen Sprache bedienten. Wir haben heute wahre
Frühlingsluft und wohlthuenden Sonnenſchein, am Morgen war das
Waſſer bedeutend gefallen, gegen 11 Uhr ſtieg es aber wieder und macht
alle dem Waſſer nahe gelegenen Straßen in der innern und der Leopold-
ſtadt zu Canälen. Auch Ihr Correſpondent muß ſich entſchließen über
Holzbrücken aus dem Hauſe zu gehen. Dieſe Brücken ſind natürlich bei
unſerm vollen Verkehr mit Menſchen überdeckt, und dabei ſo ſchmal daß
man ſie nur mit Bereſina-Gefahr betritt. An ergötzlichen Scenen fehlt
es dabei nicht, wie Sie ſich leicht denken können. Bis jetzt hört man
noch nichts von größeren Verheerungen welche die Thaufluth ange-
richtet.

Se. Majeſtät muß ſeit drei Tagen in Folge einer
Erkältung das Bett hüten, doch iſt kein Grund zu ernſter Beſorgniß vor-
handen.*) Wie Ihr Blatt ſchon gemeldet, wird die deutſche Wechſelordnung
nächſtens publicirt werden und am 1 Mai l. J. in Kraft treten. Auf
Ungarn, Croatien und Slavonien wird dieſes Geſetz nicht aus-
gedehnt werden,
vielmehr bleibt es daſelbſt bei dem beſtehenden Rechte
mit einigen Abänderungen. Man ſieht daraus wie ſorgfältig man in unſerm
Cabinet die eigenthümlichen Verhältniſſe der einzelnen Gebietstheile zu
würdigen weiß, und daß man von einer blinden Centraliſation, worüber
die ultranationalen Vlätter ſchreien, weit entfernt iſt. Das Waſſer iſt
bedeutend gefallen, und wir können wieder im Trockenen verkehren; der
eine Pfeiler der Eiſenbahnbrücke iſt indeſſen der Art beſchädigt daß man
den Wagenzug nicht mehr paſſiren läßt, ſondern die Paſſagiere zu Fuß
gehen müſſen. Dagegen haben die kleinen Gebirgsſtröme ſo ungebärdig
gewirthſchaftet daß viele Straßen unfahrbar geworden ſind.



[irrelevantes Material]

*) Bei dieſer Gelegenheit mag jedoch nicht unerwähnt bleiben daß die baye-
riſche Armee in ihren Dienſtesvorſchriften ein im Ganzen wirklich ausge-
zeichnetes Werk beſitzt. Wenn auch manche Theile derſelben nach den An-
forderungen der Gegenwart einer Umarbeitung bedürfen, ſo iſt doch der
Geiſt der das Ganze durchweht, ein ſo durchweg humaner und ſo darauf
berechnet einen ächt männlichen Sinn und den Geiſt wahrer Soldatenehre
und unverbrüchlicher Eidestreue in der Armee zu nähren, daß man nur
wünſchen kann daß dieſelben bei einer Umarbeitung hauptſächlich zu Grunde
gelegt, ja vielleicht ein bedeutender Theil derſelben unverändert beibehalten
werden möchte. D. Einſ.
*) Nach andern Briefen befindet ſich Se. Majeſtät ſchon wieder in der Beſ-
ſerung.
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[621/0013] doch unverhältnißmäßig geringe Ahndungen zur Folge haben; zudem wird der Auditor, der nicht mit und unter den Soldaten lebt, nicht leicht jene Perſonalkenntniß und, wenn wir ſo ſagen dürfen, jene Fertig- keit in der Beurtheilung derartiger Charaktere erwerben welche ein Of- ficier, der ſich viel mit ſeiner Mannſchaft zu beſchäftigen pflegt, gewöhn- lich ſich aneignet. Endlich wird kaum in Abrede geſtellt werden können daß es einzelne Fälle gibt welche von entſcheidendem Einfluß auf die Disciplin und den Geiſt einer Truppe ſind, und die nur derjenige welcher den Dienſt und deſſen Verhältniſſe von allen Seiten kennt, vollkommen richtig zu würdigen weiß, während ein anderer ihnen häufig nur eine untergeordnete Bedeutung zuerkennen wird. Ueberdieß iſt aus der bera- thenden Stimme welche dem Auditor geſetzlich zukommt, in den meiſten Fällen die faſt allein entſcheidende geworden, indem der Auditor, auf ſeine Kenntniß des Rechts und auf juridiſche Lehrſätze und Beweistheo- rien ſich ſtützend, in derlei Commiſſionen gewöhnlich ſeiner Anſicht die Mehrheit der Stimmen zu verſchaffen weiß. So iſt es denn gekommen daß das jetzige Militärſtrafverfahren um einen großen Theil des nöthi- gen Vertrauens und Anſehens gekommen iſt, ja daß in der Armee nicht ſelten eine Art von Vorurtheil gegen die Perſonen der Auditore ſich ge- bildet hat, das als ſolches gewiß unverdient iſt. Hieraus iſt auch zu er- klären daß viele Commandanten, in Fällen wo die gerichtliche Unter- ſuchung zu umgehen iſt, vermöge ihrer disciplinären Strafgewalt per- ſönlich einſchreiten, um ſo eine raſche Erledigung herbeizuführen, und nicht Gefahr zu laufen daß ein Proceß nur ſpät oder vielleicht gar nicht zu einem Ergebniß führt. Faßt man das Geſagte mit dem Umſtand zu- ſammen daß bisher die Aufſtellung von rechtsgelehrten Militärbeamten hauptſächlich durch den geſonderten Gerichtsſtand erforderlich war, ſo möchte daraus hervorgehen daß nach Abſchaffung desſelben die Beibehal- tung der Auditore für die Unterſuchung derjenigen Vergehen welche dann noch der Militärjurisdiction verbleiben würden, kaum mehr nothwendig ſeyn möchte. Es wäre ſodann Gelegenheit geboten das Geſchäft der Vor- unterſuchung und gleichſam des öffentlichen Anklägers einem Officier zu übertragen, wie dieſe Einrichtung unter dem Titel der Capitaines rap- porteurs ſeit langer Zeit in der franzöſiſchen Armee, und wenigſtens theilweiſe auch in Preußen bereits ſeit dem 21 Januar 1812 beſteht. Zur Competenz dieſes Militärgerichts würden ſomit alle im Dienſt be- gangenen Vergehen gehören, und wären als ſolcht nicht bloß die welche im unmittelbaren Dienſt verübt wurden, ſondern auch alle jene zu be- trachten welche in der Caſerne, wie Diebſtahl am ärarialiſchen oder am Eigenthume eines Cameraden, Raufhändel u. ſ. w., oder auf dem Mar- ſche, im Lager, oder in Cantonnirungen begangen wurden. Zu dieſem Zweck wäre freilich eine weſentliche Erweiterung und Abänderung der bayeriſchen ſogenannten Kriegsartikel, ſowie deren Abfaſſung in einer Sprache nothwendig welche auch dem Ungebildeten vollkommen faßlich wäre. *) Es wäre ferner zu überlegen ob nicht auch bei den ſogenannten Kriegscommiſſionen Beiſitzer aus den unteren Chargen zuzulaſſen wären, was natürlich nur Leuten von ausgezeichnetem Leumund als beſonderes Vorrecht zuerkannt werden dürfte, und was ſicher einen gewiſſen Ehrgeiz hervorrufen würde; endlich ob nicht das Schlußverfahren einer jeden ſolchen Unterſuchung öffentlich ſtattfinden, d. h. jedem Militär der Zu- tritt erlaubt ſeyn ſollte. Eine derartige Zuſammenſetzung des Gerichtes wäre unter allen Verhältniſſen, auch bei kleineren detachirten Abtheilun- gen möglich, und ſomit eine raſche Erledigung jedes einzelnen Falles und geeignete, rechtzeitige Beſtrafung des Fehlenden zu erwarten, und es würde durch ein ſolches Verfahren ſicher der Gerechtigkeit und Wahrheit am beſten genügt, der Sinn für Recht und die Achtung vor dem Geſetz erhöht, cameradſchaftliche Geſinnungen geweckt und der Geiſt der Ehre befördert werden. Wir haben uns deßhalb aufrichtig geſreut zu hören daß der Abg. Freiherr v. Lerchenfeld an die Kammer einen Antrag gebracht hat der, dem Vernehmen nach, eine Reform der Militärjuſtiz nach obigen Grund- ſätzen beabſichtigt, und wir glauben nicht zu irren, wenn wir behaupten daß derſelbe bei einem großen Theil des Heeres den freudigſten Anklang finden wird. Durch die wirkliche Einführung eines ſolchen neuen Strafverfah- rens würde, wir ſind davon aufs innigſte überzeugt, die Disciplin im Heere weſentlich gefördert und in demſelben jene Achtung vor dem Geſetz und jene ächte Kriegerehre Wurzel faſſen welche geeignet ſind dasſelbe ſowohl gegen äußere als innere Feinde zur feſten Schutzwehr des Staates zu machen. Wien.ss Wien, 3 Febr. Das Neuigkeitsbureau will wiſſen daß an den kaiſerlichen Geſandten in Athen die Weiſung ergangen ſey ſich in den brittiſch-griechiſchen Händeln in vollkommnem Einklang mit dem ruſſiſchen Geſandten zu verhalten. Der „vollkommne Einklang“ wird allem Ver- muthen nach in der diplomatiſchen Inſtruction nur als „möglicher Ein- klang“ aufgeführt ſeyn. Endlich iſt auch heute die Verfaſſung für Böhmen publicirt worden. Prag iſt die Hauptſtadt. Der Landtag wird aus 220 Deputirten, nämlich 70 der Höchſtbeſteuerten, 71 der „Städte und In- duſtrialorte“ und 79 der übrigen Gemeinden beſtehen. Die ſtädtiſchen Abgeordneten vertheilen ſich ſo daß Prag in fünf Wahlbezirken zehn nach einem Steuercenſus von 15 fl., die Städte Pilſen, Budweis, Eger, Reichenberg und Kuttenberg je zwei nach einem Cenſus von 10 fl., die übrigen Städte, von denen höchſtens nur zwei einen Wahlbezirk bilden, nach einem Cenſus von 5 fl. wählen. Der Nationalitätsparagraph fehlt auch in dieſer Verfaſſung nicht, ſonſt iſt ſie in den Grundzügen ganz die- ſelbe wie die der andern Kronländer. Ueber die Sprache welche auf dem Landtage geſprochen werden ſoll, beſtimmt die Landesverfaſſung nichts, alſo wird nach der Gleichberechtigung böhmiſch und deutſch geſprochen werden können. Anfangs wird die böhmiſche Sprache von den Tſchechen gewiſſenhaft gebraucht werden, ſpäter aber wo ihr grammatiſcher Eifer nach und nach verkühlen wird, ſtehen ähnliche Dinge zu erwarten wie in den Turiner Kammern, wo auch nur höchſt ſelten die Savoyarden ſich der franzöſiſchen Sprache bedienten. Wir haben heute wahre Frühlingsluft und wohlthuenden Sonnenſchein, am Morgen war das Waſſer bedeutend gefallen, gegen 11 Uhr ſtieg es aber wieder und macht alle dem Waſſer nahe gelegenen Straßen in der innern und der Leopold- ſtadt zu Canälen. Auch Ihr Correſpondent muß ſich entſchließen über Holzbrücken aus dem Hauſe zu gehen. Dieſe Brücken ſind natürlich bei unſerm vollen Verkehr mit Menſchen überdeckt, und dabei ſo ſchmal daß man ſie nur mit Bereſina-Gefahr betritt. An ergötzlichen Scenen fehlt es dabei nicht, wie Sie ſich leicht denken können. Bis jetzt hört man noch nichts von größeren Verheerungen welche die Thaufluth ange- richtet. * Wien, 4 Febr. Se. Majeſtät muß ſeit drei Tagen in Folge einer Erkältung das Bett hüten, doch iſt kein Grund zu ernſter Beſorgniß vor- handen. *) Wie Ihr Blatt ſchon gemeldet, wird die deutſche Wechſelordnung nächſtens publicirt werden und am 1 Mai l. J. in Kraft treten. Auf Ungarn, Croatien und Slavonien wird dieſes Geſetz nicht aus- gedehnt werden, vielmehr bleibt es daſelbſt bei dem beſtehenden Rechte mit einigen Abänderungen. Man ſieht daraus wie ſorgfältig man in unſerm Cabinet die eigenthümlichen Verhältniſſe der einzelnen Gebietstheile zu würdigen weiß, und daß man von einer blinden Centraliſation, worüber die ultranationalen Vlätter ſchreien, weit entfernt iſt. Das Waſſer iſt bedeutend gefallen, und wir können wieder im Trockenen verkehren; der eine Pfeiler der Eiſenbahnbrücke iſt indeſſen der Art beſchädigt daß man den Wagenzug nicht mehr paſſiren läßt, ſondern die Paſſagiere zu Fuß gehen müſſen. Dagegen haben die kleinen Gebirgsſtröme ſo ungebärdig gewirthſchaftet daß viele Straßen unfahrbar geworden ſind. _ *) Bei dieſer Gelegenheit mag jedoch nicht unerwähnt bleiben daß die baye- riſche Armee in ihren Dienſtesvorſchriften ein im Ganzen wirklich ausge- zeichnetes Werk beſitzt. Wenn auch manche Theile derſelben nach den An- forderungen der Gegenwart einer Umarbeitung bedürfen, ſo iſt doch der Geiſt der das Ganze durchweht, ein ſo durchweg humaner und ſo darauf berechnet einen ächt männlichen Sinn und den Geiſt wahrer Soldatenehre und unverbrüchlicher Eidestreue in der Armee zu nähren, daß man nur wünſchen kann daß dieſelben bei einer Umarbeitung hauptſächlich zu Grunde gelegt, ja vielleicht ein bedeutender Theil derſelben unverändert beibehalten werden möchte. D. Einſ. *) Nach andern Briefen befindet ſich Se. Majeſtät ſchon wieder in der Beſ- ſerung.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 39, 8. Februar 1850, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine39_1850/13>, abgerufen am 05.12.2024.