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Allgemeine Zeitung, Nr. 38, 19. September 1914.

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19. September 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] seitdem ich im Feld bin, nur einen halben Tag Regen gehabt,
sonst immer das herrlichste wolkenlose Wetter. Es ist ein Staub
auf den Straßen, daß man manchmal kaum atmen kann. Für den
Krieg ist das ja sehr gut, weniger für den Artilleriekampf. Bei
Nancy haben die Franzosen alle ihre Geschütze aus der Festung
herausgebracht, damit wir nicht wissen sollen, von wo sie feuern.
Die Flieger versuchen aber natürlich, die Stellung zu finden.


Der Feind im Osten.

Der Kaiser hat anläßlich der Vernichtung der russischen
Narew-Armee, an den Generalobersten von Hindenburg am
1. September folgendes Telegramm gerichtet:

Ihr Telegramm vom heutligen Tage hat Mir eine unsag-
bare Freude bereitet. Eine Waffentat haben Sie vollbracht,
die nahezu einzig in der Geschichte dasteht, und Ihren Truppen
einen für alle Zeiten unvergänglichen Ruhm sichert und, so
Gott will, unser teures Vaterland für immer vom Feinde be-
freien wird. Als Zeichen meiner dankbaren Anerkennung ver-
leihe Ich Ihnen den Orden "Pour le merite" und ersuche Sie,
den braven, unvergleichlichen Truppen Ihrer Armee für ihre
herrlichen Taten Meinen kaiserlichen Dank auszusprechen. Ich
bin stolz auf Meine preußischen Regimenter.

Gez.: Wilhelm, I. R.


Ueber die Siege des Generaloberst von Hindenburg
liegen noch nachstehende Telegramme vor:

WTB. Berlin, 11. September. Das 22. russische Armee-
korps (Finnland) hat versucht über Lyck in den Kampf in Ost-
preußen einzugreifen, es ist bei Lyck zurückgeschlagen
worden.

WTB. Berlin, 13. September. Die Armee des General-
obersten von Hindenburg hat die russische Armee in
Ostpreußen nach mehrtägigem Kampfe vollständig geschlagen.
Der Rückzug der Russen ist zur Flucht geworden.
Generaloberst von Hindenburg hat in der Verfolgung bereits die
Grenze überschritten und meldete bisher über 10,000 unverwundete
Gefangene, sowie etwa 80 Geschütze; außerdem wurden Maschinen-
gewehre, Flugzeuge und Fahrzeuge aller Art erbeutet. Die Kriegs-
beute steigert sich fortgesetzt.

Am 15. September telegraphierte Generaloberst von Hinden-
burg an Seine Majestät den Kaiser:

"Die Wilnaer Armee, das 2., 3., 4. und 12. Armeekorps,
die 3. und 4. Reserve-Division und die 5. Kavallerie-Division
wurden durch die Schlacht an den masurischen Seen und die
sich anschließende Verfolgung vollständig geschlagen. Die
Grodnoer Reserve-Armee, das 22. Armeekorps, der Rest vom
6. Armeekorps und Teile des 3. sibirischen Armeekorps
haben in dem besonderen Gefecht bei Lyck schwer gelitten. Der
Feind hat starke Verluste an Toten und Verwundeten. Die
Zahl der Gefangenen steigert sich. Die Kriegsbeute ist außer-
ordentlich.

Bei einer Frontbreite der Armee von über 100 kilometer
waren ungeheure Marschleistungen von zum Teil 150 kilo-
meter in vier Tagen notwendig. Bei den auf dieser ganzen
Front und Tiefe sich abspielenden Kämpfen kann ich den vollen
Amfang noch nicht melden. Einige unserer Verbände sind scharf
ins Gefecht gekommen, die Verluste sind aber doch nur gering.
Die Armee war siegreich auf der ganzen Linie gegen einen hart-
näckig kämpfenden, aber schließlich fliehenden Feind. Die Armee
ist stolz darauf, daß ein kaiserlicher Prinz in ihren
Reihen mitgekämpft und geblutet hat."

Gemeint ist Prinz Joachim, der jüngste Sohn des Kaiser-
paares, der durch einen Schrapnellschuß am Oberschenkel ver-
wundet und inzwischen nach Berlin gebracht worden ist.

Ueberhaupt ist die Lage in Ostpreußen, wie amtlich gemeldet
wird, hervorragend gut. Die russische Armee flieht in voller Auf-
lösung. Bisher hat sie mindestens 150 Geschütze und 20,000 bis
30,000 unverwundete Gefangene verloren.



Schwieriger ist die Lage auf dem österreichisch-russi-
schen Kriegsschauplatz
in Galizien und speziell bei
Lemberg. Unterm 13. d. M. gab der Stellvertreter des Chefs
des österreichischen Generalstabs bekannt:

[Spaltenumbruch]

In der Schlacht bei Lemberg gelang es unseren um und
südlich der Grodeker Chaussee angesetzten Streitkräften, den Feind
nach fünftägigem harten Ringen zurückzudrängen, an 10,000 Ge-
fangene zu machen und zahlreiche Geschütze zu erbeuten.

Unser Erfolg konnte jedoch nicht voll ausgenützt werden, da
unser Nordflügel bei Rawaruska von großer Uebermacht bedroht
ist und überdies neue russische Kräfte sowohl gegen die Armee
Dankl als auch in den Raum zwischen dieser Armee und dem
Schlachtfelde von Lemberg vordrängen. Angesichts der sehr be-
deutenden Ueberlegenheit des Feindes war es geboten, unsere
schon seit drei Wochen fast ununterbrochen heldenmütig kämpfen-
den Armeen in einem guten Abschnitt zu versammeln und für
weitere Operationen bereit zu stellen.

Von Berlin aus werden über die Lage bei Lemberg
offiziell durch das Wolffsche Bureau detailliertere Nachrichten der
Kriegsberichterstatter zweier Berliner Blätter übernommen:

Der Kriegsberichterstatter des "Berliner Lokalanzeiger" meldet
aus dem öfterreichischen Hauptpressequartier:

Obwohl die Operationen auf dem galizischen Kriegsschauplatz
mit großen Verlusten auf beiden Seiten endeten, ist die Lage der
Oesterreicher doch für die Zukunft recht vielversprechend. Die
Heeresleitung wählte den rechten Augenblick, als sie nach dem Er-
folge von Grodek, die Verwirrung der Russen benutzend, auf eine
bestens vorbereitete und kaum einnehmbare Linie zurückging, wo
sich die Armee ruhig erholen und Verstärkungen erwarten kann,
um die Offensive mit neuen Kräften aufzunehmen.

Daß die österreichische Offensive abflaute, ist nicht zu ver-
wundern, wenn man hört, daß der Gegner 350,000 Mann mehr
Truppen im Schlachtenraum versammelt hatte. Die österreichischen
Truppen gingen mit unbändigem Mute vor, was wohl teilweise
die riesigen Verluste erklärt; aber vermochten sie den Feind heute
aus seiner Stellung zu werfen, so war er nächsten Morgen in
doppelter Zahl wieder da. Manches Regiment verlor alle Offiziere.
Als nun inzwischen die im Raume um Lemberg erscheinenden
Armeen Auffenberg und Dankl plötzlich von überraschend großen
russischen Heeresmassen, die sich keilartig zwischen jene schoben,
angegriffen wurden und zurückgehen mußten, blieb auch den
übrigen österreichischen Gruppen, die schon in überaus blutigen
und zähen Kämpfen fast 20 Kilometer an Terrain gewonnen hatten,
nichts anderes übrig, als sich der Rückwärtsbewegung anzu-
schließen und die schon erwähnten festen Stellungen einzunehmen.

Was uns mit allem aussöhnen muß, ist die Tatsache, daß es
um die russischen Truppen trotz ihrer riesigen Uebermacht weit
schlimmer steht, als um die österreichischen. Nach Aussagen Ge-
fangener leiden sie die größte Not. Besonders übel geht es ihren
Verwundeten, da die Sanität sehr schlecht vorbereitet worden ist.

Und der Korrespondent des "Berliner Tageblattes" meldet aus
dem österreichisch-ungarischen Hauptquartier:

Bei Wiederaufnahme der nach neun Tagen abgebrochenen
ersten Lemberger Schlacht war die Situation so, daß die öster-
reichische Hauptarmee bei der Grodeker Chaussee und südlich davon
über die Linie der Seen der Wereßyca (Nebenfluß des Dnjestr)
hinaus in der Richtung auf das von ihr freiwillig geräumte Lem-
berg gegen die russische Hauptarmee vorgeht. Dabei waren die-
selben Kräfte wie bei der ersten Lemberger Schlacht engagiert. Die
Offensive wurde trotz der dort erlittenen hohen Verluste und
Strapazen mit größter Energie in fünftägigem hartnäckigem Ringen
bei Grodek aufgenommen. Es gelang den österreichisch-ungari-
schen Armeen die langsame Zurückdrängung des Gegners. Noch
am Freitag errang ein Teil des rechten österreichisch-ungarischen
Flügels, meist Ungarn, 25 Kilometer südlich von der Linie Lem-
berg--Grodek bei Dorfeld bedeutende Erfolge. Inzwischen hatte
sich aber die Situation auf dem Nordflügel zu unseren Ungunsten
verschoben. Ein Hauptteil der russischen Armee war in Ab-
änderung der ursprünglichen Anmarschlinie nördlich gegen die aus
dem Gebiete von Zamosc herangerückte Armee Auffenbergs vor-
gegangen, die sich nach anfänglichen Teilerfolgen bald durch den
weit stärkeren Gegner bedroht sah. Ebenso stieß die zweite, bisher
siegreich vorgedrungene österreichisch-ungarische Armee Dankls vor
Lublin auf immer stärker werdende neue russische Kräfte, deren
artilleristische Ueberlegenheit offensichtlich war. Deshalb mußte die
Armee Dankls zurück, um so mehr, als überschüssige Teilkräfte des
Gegners sie in den Raum Rawaruska--Jaroslau einzuschieben
suchten, um den Wiederanschluß der Armee Dankls an das übrige
österreichische Heer abzuschneiden. Unter diesen Umständen konnte
auch die österreichische Hauptarmee ihre Erfolge, die sich durch

19. September 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] ſeitdem ich im Feld bin, nur einen halben Tag Regen gehabt,
ſonſt immer das herrlichſte wolkenloſe Wetter. Es iſt ein Staub
auf den Straßen, daß man manchmal kaum atmen kann. Für den
Krieg iſt das ja ſehr gut, weniger für den Artilleriekampf. Bei
Nancy haben die Franzoſen alle ihre Geſchütze aus der Feſtung
herausgebracht, damit wir nicht wiſſen ſollen, von wo ſie feuern.
Die Flieger verſuchen aber natürlich, die Stellung zu finden.


Der Feind im Oſten.

Der Kaiſer hat anläßlich der Vernichtung der ruſſiſchen
Narew-Armee, an den Generaloberſten von Hindenburg am
1. September folgendes Telegramm gerichtet:

Ihr Telegramm vom heutligen Tage hat Mir eine unſag-
bare Freude bereitet. Eine Waffentat haben Sie vollbracht,
die nahezu einzig in der Geſchichte daſteht, und Ihren Truppen
einen für alle Zeiten unvergänglichen Ruhm ſichert und, ſo
Gott will, unſer teures Vaterland für immer vom Feinde be-
freien wird. Als Zeichen meiner dankbaren Anerkennung ver-
leihe Ich Ihnen den Orden „Pour le mérite“ und erſuche Sie,
den braven, unvergleichlichen Truppen Ihrer Armee für ihre
herrlichen Taten Meinen kaiſerlichen Dank auszuſprechen. Ich
bin ſtolz auf Meine preußiſchen Regimenter.

Gez.: Wilhelm, I. R.


Ueber die Siege des Generaloberſt von Hindenburg
liegen noch nachſtehende Telegramme vor:

WTB. Berlin, 11. September. Das 22. ruſſiſche Armee-
korps (Finnland) hat verſucht über Lyck in den Kampf in Oſt-
preußen einzugreifen, es iſt bei Lyck zurückgeſchlagen
worden.

WTB. Berlin, 13. September. Die Armee des General-
oberſten von Hindenburg hat die ruſſiſche Armee in
Oſtpreußen nach mehrtägigem Kampfe vollſtändig geſchlagen.
Der Rückzug der Ruſſen iſt zur Flucht geworden.
Generaloberſt von Hindenburg hat in der Verfolgung bereits die
Grenze überſchritten und meldete bisher über 10,000 unverwundete
Gefangene, ſowie etwa 80 Geſchütze; außerdem wurden Maſchinen-
gewehre, Flugzeuge und Fahrzeuge aller Art erbeutet. Die Kriegs-
beute ſteigert ſich fortgeſetzt.

Am 15. September telegraphierte Generaloberſt von Hinden-
burg an Seine Majeſtät den Kaiſer:

„Die Wilnaer Armee, das 2., 3., 4. und 12. Armeekorps,
die 3. und 4. Reſerve-Diviſion und die 5. Kavallerie-Diviſion
wurden durch die Schlacht an den maſuriſchen Seen und die
ſich anſchließende Verfolgung vollſtändig geſchlagen. Die
Grodnoer Reſerve-Armee, das 22. Armeekorps, der Reſt vom
6. Armeekorps und Teile des 3. ſibiriſchen Armeekorps
haben in dem beſonderen Gefecht bei Lyck ſchwer gelitten. Der
Feind hat ſtarke Verluſte an Toten und Verwundeten. Die
Zahl der Gefangenen ſteigert ſich. Die Kriegsbeute iſt außer-
ordentlich.

Bei einer Frontbreite der Armee von über 100 kilometer
waren ungeheure Marſchleiſtungen von zum Teil 150 kilo-
meter in vier Tagen notwendig. Bei den auf dieſer ganzen
Front und Tiefe ſich abſpielenden Kämpfen kann ich den vollen
Amfang noch nicht melden. Einige unſerer Verbände ſind ſcharf
ins Gefecht gekommen, die Verluſte ſind aber doch nur gering.
Die Armee war ſiegreich auf der ganzen Linie gegen einen hart-
näckig kämpfenden, aber ſchließlich fliehenden Feind. Die Armee
iſt ſtolz darauf, daß ein kaiſerlicher Prinz in ihren
Reihen mitgekämpft und geblutet hat.“

Gemeint iſt Prinz Joachim, der jüngſte Sohn des Kaiſer-
paares, der durch einen Schrapnellſchuß am Oberſchenkel ver-
wundet und inzwiſchen nach Berlin gebracht worden iſt.

Ueberhaupt iſt die Lage in Oſtpreußen, wie amtlich gemeldet
wird, hervorragend gut. Die ruſſiſche Armee flieht in voller Auf-
löſung. Bisher hat ſie mindeſtens 150 Geſchütze und 20,000 bis
30,000 unverwundete Gefangene verloren.



Schwieriger iſt die Lage auf dem öſterreichiſch-ruſſi-
ſchen Kriegsſchauplatz
in Galizien und ſpeziell bei
Lemberg. Unterm 13. d. M. gab der Stellvertreter des Chefs
des öſterreichiſchen Generalſtabs bekannt:

[Spaltenumbruch]

In der Schlacht bei Lemberg gelang es unſeren um und
ſüdlich der Grodeker Chauſſee angeſetzten Streitkräften, den Feind
nach fünftägigem harten Ringen zurückzudrängen, an 10,000 Ge-
fangene zu machen und zahlreiche Geſchütze zu erbeuten.

Unſer Erfolg konnte jedoch nicht voll ausgenützt werden, da
unſer Nordflügel bei Rawaruska von großer Uebermacht bedroht
iſt und überdies neue ruſſiſche Kräfte ſowohl gegen die Armee
Dankl als auch in den Raum zwiſchen dieſer Armee und dem
Schlachtfelde von Lemberg vordrängen. Angeſichts der ſehr be-
deutenden Ueberlegenheit des Feindes war es geboten, unſere
ſchon ſeit drei Wochen faſt ununterbrochen heldenmütig kämpfen-
den Armeen in einem guten Abſchnitt zu verſammeln und für
weitere Operationen bereit zu ſtellen.

Von Berlin aus werden über die Lage bei Lemberg
offiziell durch das Wolffſche Bureau detailliertere Nachrichten der
Kriegsberichterſtatter zweier Berliner Blätter übernommen:

Der Kriegsberichterſtatter des „Berliner Lokalanzeiger“ meldet
aus dem öfterreichiſchen Hauptpreſſequartier:

Obwohl die Operationen auf dem galiziſchen Kriegsſchauplatz
mit großen Verluſten auf beiden Seiten endeten, iſt die Lage der
Oeſterreicher doch für die Zukunft recht vielverſprechend. Die
Heeresleitung wählte den rechten Augenblick, als ſie nach dem Er-
folge von Grodek, die Verwirrung der Ruſſen benutzend, auf eine
beſtens vorbereitete und kaum einnehmbare Linie zurückging, wo
ſich die Armee ruhig erholen und Verſtärkungen erwarten kann,
um die Offenſive mit neuen Kräften aufzunehmen.

Daß die öſterreichiſche Offenſive abflaute, iſt nicht zu ver-
wundern, wenn man hört, daß der Gegner 350,000 Mann mehr
Truppen im Schlachtenraum verſammelt hatte. Die öſterreichiſchen
Truppen gingen mit unbändigem Mute vor, was wohl teilweiſe
die rieſigen Verluſte erklärt; aber vermochten ſie den Feind heute
aus ſeiner Stellung zu werfen, ſo war er nächſten Morgen in
doppelter Zahl wieder da. Manches Regiment verlor alle Offiziere.
Als nun inzwiſchen die im Raume um Lemberg erſcheinenden
Armeen Auffenberg und Dankl plötzlich von überraſchend großen
ruſſiſchen Heeresmaſſen, die ſich keilartig zwiſchen jene ſchoben,
angegriffen wurden und zurückgehen mußten, blieb auch den
übrigen öſterreichiſchen Gruppen, die ſchon in überaus blutigen
und zähen Kämpfen faſt 20 Kilometer an Terrain gewonnen hatten,
nichts anderes übrig, als ſich der Rückwärtsbewegung anzu-
ſchließen und die ſchon erwähnten feſten Stellungen einzunehmen.

Was uns mit allem ausſöhnen muß, iſt die Tatſache, daß es
um die ruſſiſchen Truppen trotz ihrer rieſigen Uebermacht weit
ſchlimmer ſteht, als um die öſterreichiſchen. Nach Ausſagen Ge-
fangener leiden ſie die größte Not. Beſonders übel geht es ihren
Verwundeten, da die Sanität ſehr ſchlecht vorbereitet worden iſt.

Und der Korreſpondent des „Berliner Tageblattes“ meldet aus
dem öſterreichiſch-ungariſchen Hauptquartier:

Bei Wiederaufnahme der nach neun Tagen abgebrochenen
erſten Lemberger Schlacht war die Situation ſo, daß die öſter-
reichiſche Hauptarmee bei der Grodeker Chauſſee und ſüdlich davon
über die Linie der Seen der Wereſzyca (Nebenfluß des Dnjeſtr)
hinaus in der Richtung auf das von ihr freiwillig geräumte Lem-
berg gegen die ruſſiſche Hauptarmee vorgeht. Dabei waren die-
ſelben Kräfte wie bei der erſten Lemberger Schlacht engagiert. Die
Offenſive wurde trotz der dort erlittenen hohen Verluſte und
Strapazen mit größter Energie in fünftägigem hartnäckigem Ringen
bei Grodek aufgenommen. Es gelang den öſterreichiſch-ungari-
ſchen Armeen die langſame Zurückdrängung des Gegners. Noch
am Freitag errang ein Teil des rechten öſterreichiſch-ungariſchen
Flügels, meiſt Ungarn, 25 Kilometer ſüdlich von der Linie Lem-
berg—Grodek bei Dorfeld bedeutende Erfolge. Inzwiſchen hatte
ſich aber die Situation auf dem Nordflügel zu unſeren Ungunſten
verſchoben. Ein Hauptteil der ruſſiſchen Armee war in Ab-
änderung der urſprünglichen Anmarſchlinie nördlich gegen die aus
dem Gebiete von Zamosc herangerückte Armee Auffenbergs vor-
gegangen, die ſich nach anfänglichen Teilerfolgen bald durch den
weit ſtärkeren Gegner bedroht ſah. Ebenſo ſtieß die zweite, bisher
ſiegreich vorgedrungene öſterreichiſch-ungariſche Armee Dankls vor
Lublin auf immer ſtärker werdende neue ruſſiſche Kräfte, deren
artilleriſtiſche Ueberlegenheit offenſichtlich war. Deshalb mußte die
Armee Dankls zurück, um ſo mehr, als überſchüſſige Teilkräfte des
Gegners ſie in den Raum Rawaruska—Jaroslau einzuſchieben
ſuchten, um den Wiederanſchluß der Armee Dankls an das übrige
öſterreichiſche Heer abzuſchneiden. Unter dieſen Umſtänden konnte
auch die öſterreichiſche Hauptarmee ihre Erfolge, die ſich durch

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[565/0003] 19. September 1914. Allgemeine Zeitung ſeitdem ich im Feld bin, nur einen halben Tag Regen gehabt, ſonſt immer das herrlichſte wolkenloſe Wetter. Es iſt ein Staub auf den Straßen, daß man manchmal kaum atmen kann. Für den Krieg iſt das ja ſehr gut, weniger für den Artilleriekampf. Bei Nancy haben die Franzoſen alle ihre Geſchütze aus der Feſtung herausgebracht, damit wir nicht wiſſen ſollen, von wo ſie feuern. Die Flieger verſuchen aber natürlich, die Stellung zu finden. Der Feind im Oſten. Der Kaiſer hat anläßlich der Vernichtung der ruſſiſchen Narew-Armee, an den Generaloberſten von Hindenburg am 1. September folgendes Telegramm gerichtet: Ihr Telegramm vom heutligen Tage hat Mir eine unſag- bare Freude bereitet. Eine Waffentat haben Sie vollbracht, die nahezu einzig in der Geſchichte daſteht, und Ihren Truppen einen für alle Zeiten unvergänglichen Ruhm ſichert und, ſo Gott will, unſer teures Vaterland für immer vom Feinde be- freien wird. Als Zeichen meiner dankbaren Anerkennung ver- leihe Ich Ihnen den Orden „Pour le mérite“ und erſuche Sie, den braven, unvergleichlichen Truppen Ihrer Armee für ihre herrlichen Taten Meinen kaiſerlichen Dank auszuſprechen. Ich bin ſtolz auf Meine preußiſchen Regimenter. Gez.: Wilhelm, I. R. Ueber die Siege des Generaloberſt von Hindenburg liegen noch nachſtehende Telegramme vor: WTB. Berlin, 11. September. Das 22. ruſſiſche Armee- korps (Finnland) hat verſucht über Lyck in den Kampf in Oſt- preußen einzugreifen, es iſt bei Lyck zurückgeſchlagen worden. WTB. Berlin, 13. September. Die Armee des General- oberſten von Hindenburg hat die ruſſiſche Armee in Oſtpreußen nach mehrtägigem Kampfe vollſtändig geſchlagen. Der Rückzug der Ruſſen iſt zur Flucht geworden. Generaloberſt von Hindenburg hat in der Verfolgung bereits die Grenze überſchritten und meldete bisher über 10,000 unverwundete Gefangene, ſowie etwa 80 Geſchütze; außerdem wurden Maſchinen- gewehre, Flugzeuge und Fahrzeuge aller Art erbeutet. Die Kriegs- beute ſteigert ſich fortgeſetzt. Am 15. September telegraphierte Generaloberſt von Hinden- burg an Seine Majeſtät den Kaiſer: „Die Wilnaer Armee, das 2., 3., 4. und 12. Armeekorps, die 3. und 4. Reſerve-Diviſion und die 5. Kavallerie-Diviſion wurden durch die Schlacht an den maſuriſchen Seen und die ſich anſchließende Verfolgung vollſtändig geſchlagen. Die Grodnoer Reſerve-Armee, das 22. Armeekorps, der Reſt vom 6. Armeekorps und Teile des 3. ſibiriſchen Armeekorps haben in dem beſonderen Gefecht bei Lyck ſchwer gelitten. Der Feind hat ſtarke Verluſte an Toten und Verwundeten. Die Zahl der Gefangenen ſteigert ſich. Die Kriegsbeute iſt außer- ordentlich. Bei einer Frontbreite der Armee von über 100 kilometer waren ungeheure Marſchleiſtungen von zum Teil 150 kilo- meter in vier Tagen notwendig. Bei den auf dieſer ganzen Front und Tiefe ſich abſpielenden Kämpfen kann ich den vollen Amfang noch nicht melden. Einige unſerer Verbände ſind ſcharf ins Gefecht gekommen, die Verluſte ſind aber doch nur gering. Die Armee war ſiegreich auf der ganzen Linie gegen einen hart- näckig kämpfenden, aber ſchließlich fliehenden Feind. Die Armee iſt ſtolz darauf, daß ein kaiſerlicher Prinz in ihren Reihen mitgekämpft und geblutet hat.“ Gemeint iſt Prinz Joachim, der jüngſte Sohn des Kaiſer- paares, der durch einen Schrapnellſchuß am Oberſchenkel ver- wundet und inzwiſchen nach Berlin gebracht worden iſt. Ueberhaupt iſt die Lage in Oſtpreußen, wie amtlich gemeldet wird, hervorragend gut. Die ruſſiſche Armee flieht in voller Auf- löſung. Bisher hat ſie mindeſtens 150 Geſchütze und 20,000 bis 30,000 unverwundete Gefangene verloren. Schwieriger iſt die Lage auf dem öſterreichiſch-ruſſi- ſchen Kriegsſchauplatz in Galizien und ſpeziell bei Lemberg. Unterm 13. d. M. gab der Stellvertreter des Chefs des öſterreichiſchen Generalſtabs bekannt: In der Schlacht bei Lemberg gelang es unſeren um und ſüdlich der Grodeker Chauſſee angeſetzten Streitkräften, den Feind nach fünftägigem harten Ringen zurückzudrängen, an 10,000 Ge- fangene zu machen und zahlreiche Geſchütze zu erbeuten. Unſer Erfolg konnte jedoch nicht voll ausgenützt werden, da unſer Nordflügel bei Rawaruska von großer Uebermacht bedroht iſt und überdies neue ruſſiſche Kräfte ſowohl gegen die Armee Dankl als auch in den Raum zwiſchen dieſer Armee und dem Schlachtfelde von Lemberg vordrängen. Angeſichts der ſehr be- deutenden Ueberlegenheit des Feindes war es geboten, unſere ſchon ſeit drei Wochen faſt ununterbrochen heldenmütig kämpfen- den Armeen in einem guten Abſchnitt zu verſammeln und für weitere Operationen bereit zu ſtellen. Von Berlin aus werden über die Lage bei Lemberg offiziell durch das Wolffſche Bureau detailliertere Nachrichten der Kriegsberichterſtatter zweier Berliner Blätter übernommen: Der Kriegsberichterſtatter des „Berliner Lokalanzeiger“ meldet aus dem öfterreichiſchen Hauptpreſſequartier: Obwohl die Operationen auf dem galiziſchen Kriegsſchauplatz mit großen Verluſten auf beiden Seiten endeten, iſt die Lage der Oeſterreicher doch für die Zukunft recht vielverſprechend. Die Heeresleitung wählte den rechten Augenblick, als ſie nach dem Er- folge von Grodek, die Verwirrung der Ruſſen benutzend, auf eine beſtens vorbereitete und kaum einnehmbare Linie zurückging, wo ſich die Armee ruhig erholen und Verſtärkungen erwarten kann, um die Offenſive mit neuen Kräften aufzunehmen. Daß die öſterreichiſche Offenſive abflaute, iſt nicht zu ver- wundern, wenn man hört, daß der Gegner 350,000 Mann mehr Truppen im Schlachtenraum verſammelt hatte. Die öſterreichiſchen Truppen gingen mit unbändigem Mute vor, was wohl teilweiſe die rieſigen Verluſte erklärt; aber vermochten ſie den Feind heute aus ſeiner Stellung zu werfen, ſo war er nächſten Morgen in doppelter Zahl wieder da. Manches Regiment verlor alle Offiziere. Als nun inzwiſchen die im Raume um Lemberg erſcheinenden Armeen Auffenberg und Dankl plötzlich von überraſchend großen ruſſiſchen Heeresmaſſen, die ſich keilartig zwiſchen jene ſchoben, angegriffen wurden und zurückgehen mußten, blieb auch den übrigen öſterreichiſchen Gruppen, die ſchon in überaus blutigen und zähen Kämpfen faſt 20 Kilometer an Terrain gewonnen hatten, nichts anderes übrig, als ſich der Rückwärtsbewegung anzu- ſchließen und die ſchon erwähnten feſten Stellungen einzunehmen. Was uns mit allem ausſöhnen muß, iſt die Tatſache, daß es um die ruſſiſchen Truppen trotz ihrer rieſigen Uebermacht weit ſchlimmer ſteht, als um die öſterreichiſchen. Nach Ausſagen Ge- fangener leiden ſie die größte Not. Beſonders übel geht es ihren Verwundeten, da die Sanität ſehr ſchlecht vorbereitet worden iſt. Und der Korreſpondent des „Berliner Tageblattes“ meldet aus dem öſterreichiſch-ungariſchen Hauptquartier: Bei Wiederaufnahme der nach neun Tagen abgebrochenen erſten Lemberger Schlacht war die Situation ſo, daß die öſter- reichiſche Hauptarmee bei der Grodeker Chauſſee und ſüdlich davon über die Linie der Seen der Wereſzyca (Nebenfluß des Dnjeſtr) hinaus in der Richtung auf das von ihr freiwillig geräumte Lem- berg gegen die ruſſiſche Hauptarmee vorgeht. Dabei waren die- ſelben Kräfte wie bei der erſten Lemberger Schlacht engagiert. Die Offenſive wurde trotz der dort erlittenen hohen Verluſte und Strapazen mit größter Energie in fünftägigem hartnäckigem Ringen bei Grodek aufgenommen. Es gelang den öſterreichiſch-ungari- ſchen Armeen die langſame Zurückdrängung des Gegners. Noch am Freitag errang ein Teil des rechten öſterreichiſch-ungariſchen Flügels, meiſt Ungarn, 25 Kilometer ſüdlich von der Linie Lem- berg—Grodek bei Dorfeld bedeutende Erfolge. Inzwiſchen hatte ſich aber die Situation auf dem Nordflügel zu unſeren Ungunſten verſchoben. Ein Hauptteil der ruſſiſchen Armee war in Ab- änderung der urſprünglichen Anmarſchlinie nördlich gegen die aus dem Gebiete von Zamosc herangerückte Armee Auffenbergs vor- gegangen, die ſich nach anfänglichen Teilerfolgen bald durch den weit ſtärkeren Gegner bedroht ſah. Ebenſo ſtieß die zweite, bisher ſiegreich vorgedrungene öſterreichiſch-ungariſche Armee Dankls vor Lublin auf immer ſtärker werdende neue ruſſiſche Kräfte, deren artilleriſtiſche Ueberlegenheit offenſichtlich war. Deshalb mußte die Armee Dankls zurück, um ſo mehr, als überſchüſſige Teilkräfte des Gegners ſie in den Raum Rawaruska—Jaroslau einzuſchieben ſuchten, um den Wiederanſchluß der Armee Dankls an das übrige öſterreichiſche Heer abzuſchneiden. Unter dieſen Umſtänden konnte auch die öſterreichiſche Hauptarmee ihre Erfolge, die ſich durch

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 38, 19. September 1914, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine38_1914/3>, abgerufen am 23.11.2024.