Allgemeine Zeitung, Nr. 36, 5. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
rung, wegen der Sprengung der Nationalversammlung, in Ausdrücken Wie weit man in dem alles Vertrauen vollends untergrabenden Gr. Hessen.Darmstadt, 1 Febr. Im gestrigen Regierungsblatt Hansestädte.Hamburg, 1 Febr. Der Nestor unseres Frei- H. Braunschweig.Braunschweig, 1 Febr. Der zweite Wahl- Preußen. Berlin, 30 Jan. Unsere Kammern werden Ruf be- [Spaltenumbruch]
rung, wegen der Sprengung der Nationalverſammlung, in Ausdrücken Wie weit man in dem alles Vertrauen vollends untergrabenden Gr. Heſſen.Darmſtadt, 1 Febr. Im geſtrigen Regierungsblatt Hanſeſtädte.Hamburg, 1 Febr. Der Neſtor unſeres Frei- H. Braunſchweig.Braunſchweig, 1 Febr. Der zweite Wahl- Preußen.∸ Berlin, 30 Jan. Unſere Kammern werden Ruf be- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0002" n="562"/><cb/> rung, wegen der Sprengung der Nationalverſammlung, in Ausdrücken<lb/> welche unbedingt als Injurien gelten mußten; die Maßregel war als<lb/> „ruchloſes Verbrechen“ bezeichnet. Bei denjenigen fünf Geſchwornen welche<lb/> hierin ein Nichtſchuldig ausſprachen, war offenbar die Rückſicht vorherr-<lb/> ſchend, eine leidenſchaftliche Sprache ſey wegen der damaligen Aufregung<lb/> jetzt nicht mehr zu beachten, weil ähnliche Schmähungen in den Volksver-<lb/> ſammlungen und in der Localpreſſe damals an der Tagesordnung waren;<lb/> einen Einzelnen dürfe man nicht aus der Maſſe hervorheben und gewiſſer-<lb/> maßen für andere büßen laſſen; darüber wurde das Weſen des Falls ſelbſt<lb/> außer Acht gelaſſen. Der Bertheidiger des Angeklagten, Schoder, hatte<lb/> in einer längern und mit vielem Geſchick durchgeführten Darlegung haupt-<lb/> ſächlich auf Berückſichtigung dieſer Auffaſſung hingewirkt; er war in der-<lb/> ſelben zu jenem Zweck auf 1848 zurückgegangen, um durch Beiſpiele die<lb/> Anſicht bei den Geſchwornen hervorzurufen daß man bei lebhafter Aufre-<lb/> gung einer heftigen Sprache ſpäter nicht Rechnung tragen dürfe. Die zweite<lb/> Freiſprechung war bei der Art begründet wie die Anklage geſtellt war.<lb/> Sie betraf eine Art politiſchen Glaubensbekenntniſſes in der Sprache des<lb/> Katechismus; wegen dieſer äußern Form war auf Verſpottung der Re-<lb/> ligion geklagt worden, die dem Inhalt des Artikels nicht entſprach. Letz-<lb/> terer enthielt dagegen eine Majeſtätsbeleidigung: da die Anklage darauf<lb/> nicht geſtellt war, konnten auch die Geſchwornen darüber nicht erkennen;<lb/> da aber die Entſcheidung von <hi rendition="#g">einer</hi> Stimme abhing, ſo konnte das Ver-<lb/> dict bei anderer Faſſung der Klage anders ausfallen. In den übrigen<lb/> Fällen, worin vorher von den Geſchwornen erkannt wurde, iſt die Ent-<lb/> ſcheidung auch nach dem Urtheil von Juriſten richtig ausgefallen; in einem<lb/> Fall wo Bedenken erhoben werden könnten, beruhte dieß höchſtens auf der<lb/> Stellung der Fragen, indem die Geſchwornen eine Anſicht gehabt zu ha-<lb/> ben ſcheinen auf welche bei der Vorlegung der Fragen nicht vorher Rück-<lb/> ficht genommen war.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <p>Wie weit man in dem alles Vertrauen vollends untergrabenden<lb/> Lügen- und Verdächtigungsſyſtem von einer gewiſſen Seite her zu<lb/> gehen entſchloſſen iſt, kommt immer unerfreulicher zu Tage. In Nr.<lb/> 18 und 23 der Ulmer Kronik war eines Gerüchts erwähnt nach wel-<lb/> chem die vorigen Miniſter Duvernoy und Goppelt ſeiner Zeit im Miniſter-<lb/> rath für Einſetzung einer proviſoriſchen Regierung geſtimmt haben ſollten.<lb/> Hiegegen bringt die heutige Kronik folgende, von den beiden Angegriffe-<lb/> nen unterzeichnete Reclamation vom 28 Jan.: „Da dieſe Behauptung,<lb/> wenn je auf etwas, auf die Aeußerung eines Mitglieds des früheren Mi-<lb/> niſteriums ſich ſtützen müßte, welche unſerer feſten Ueberzeugung nach<lb/> nicht ſtattgefunden haben kann, und da über den angedeuteten Plan über-<lb/> haupt gar nie vom Geſammtminiſterium Berathung gepflogen wurde, ſo<lb/> müſſen wir den Urheber dieſes Gerüchts für einen böswilligen Verleum-<lb/> der halten, und erſuchen jeden Ehrenmann dem dasſelbe zu Ohren gekom-<lb/> men iſt, uns zur Entdeckung der Quelle behülflich zu ſeyn.“ Hiezu macht<lb/> ſofort die Redaction der Ulmer Kronik folgende Anmerkung: „Indem die<lb/> Redaction der Ulmer Kronik keinen Anſtand nimmt den HH. Einſendern<lb/> zur Widerlegung des über ihr Benehmen in der fraglichen Sache beſtehen-<lb/> den Gerüchts ihre Spalten zu öffnen, glaubt ſie (ohne alle Animoſität,<lb/> durch welche ſich obige Erklärung auszeichnet) bemerken zu müſſen daß<lb/> dieſe Herren zur Erreichung ihres Zweckes|, |ſich in den Augen des Publi-<lb/> cums zu reinigen, der Unterſchrift aller Mitglieder des vorigen Cabinets<lb/> bedurft hätten, was indeſſen immerhin noch möglich iſt und was man einſt-<lb/> weilen abwarten muß.“ (<hi rendition="#g">Württ. Ztg</hi>.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head><hi rendition="#g">Gr. Heſſen</hi>.</head> <dateline><hi rendition="#b">Darmſtadt,</hi> 1 Febr.</dateline> <p>Im geſtrigen Regierungsblatt<lb/> iſt die Verordnung vom 24 Jan. erſchienen, die Wahl der Abgeordne-<lb/> ten im Großherzogthum zum Volkshaus der nächſten Reichsverſammlung<lb/> betreffend. Nachdem erwähnt iſt daß die erſte Kammer ihre Zuſtimmung<lb/> zu dem von der Regierung vorgelegten Wahlgeſetz mit einigen dabei vor-<lb/> getragenen Wünſchen erklärt hat, daß aber in der zweiten Kammer der<lb/> Gegenſtand Zögerungen erfuhr welche es nicht zu einer Berathung vor<lb/> Auflöſung der Ständeverſammlung kommen ließen, heißt es dann weiter:<lb/> „Unter den hiernach eingetretenen dringenden Umſtänden, in Betracht daß<lb/> es nicht in der Möglichkeit gegeben iſt innerhalb zuläſſiger Friſt den Ent-<lb/> wurf des Wahlgeſetzes zu weiterer ſtändiſcher Berathung und Beſchluß-<lb/> nahme zu bringen, haben Wir Uns bewogen gefunden in Gemäßheit der<lb/> in jenem Bündniß (vom 26 Mai 1849) feſtgeſtellten Grundbeſtimmungen<lb/> über die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshauſe für das Großherzog-<lb/> thum zur Ausführung dieſer Wahlen zu verordnen, wie folgt.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head><hi rendition="#g">Hanſeſtädte</hi>.</head> <dateline><hi rendition="#b">Hamburg,</hi> 1 Febr.</dateline> <p>Der Neſtor unſeres Frei-<lb/> ſtaats, Bürgermeiſter Johann Heinrich Bartels, iſt gegen 7 Uhr in einem<lb/> Alter von beinahe 90 Jahren aus dieſem Leben geſchieden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head>H. <hi rendition="#g">Braunſchweig</hi>.</head> <dateline><hi rendition="#b">Braunſchweig,</hi> 1 Febr.</dateline> <p>Der zweite Wahl-<lb/> bezirk hat den Geheimenrath Langerfeldt; der dritte den Finanzdirector<lb/> v. 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Es hieß, der König werde die Verfaſſung<lb/> nicht beſchwören, nachdem ſeine Hauptforderung durch das Arnim’ſche<lb/> Amendement ſo gut als illuſoriſch gemacht war. War dieß Wille ge-<lb/> worden, ſo konnte man auch annehmen daß die erſte Kammer die Be-<lb/> ſchlüſſe der zweiten nicht in Bauſch und Bogen annehmen würde. Man<lb/> konnte hier ſchon auf Oeffnung einer Hinterthür gefaßt ſeyn die, wenig-<lb/> ſtens in Bezug auß die Fideicommiſſe, zu einer Octroyirung führte, welche<lb/> in dieſem Fall kaum etwas auffälliges gehabt hätte. Es ward anders.<lb/> Die Miniſter ſind feſter geworden. Walter trat, in der Morgenſitzung,<lb/> merkwürdigerweiſe als Wortredner des proteſtantiſchen Königthums, wie<lb/> es in Preußen ſich ausgebildet, auf. Das Königthum, ſagte er, iſt in<lb/> Preußen eine ſo mit dem Volksleben verwachſene Individualität daß die<lb/> Verfaſſung nur dann ins letztere aufgehen kann, wenn das erſtere mit<lb/> vollem Bewußtſeyn und Uebereinſtimmung die Hand dazu bietet! Wer<lb/> beſtreitet es ihm! Vorſichtig bemerkte er aber, die preußiſche Krone ſey<lb/> nicht ſo göttlichen Urſprungs daß|ſie vor dem 5 Dec. unfehlbar geweſen wäre.<lb/> Doch ſtehe ſie auch nicht ſo tief unter dieſem, um ihre beſte Ueberzeugung<lb/> jetzt einer falſchen Conſequenz opfern zu müſſen. v. Ammon erklärte ſich<lb/> geleitet von der feſten Ueberzeugung daß die Regierung nicht länger ab-<lb/> hängig ſeyn ſolle von einem, wenn auch wohlwollenden, doch nur ein-<lb/> zelnen Willen. Dieſe Ueberzeugung habe ihn nach Berlin geführt. Durch<lb/> die Gründung einer Pairie, die ohne Boden im Volke, ſchließe man keine<lb/> Revolution, ſo decke man ſie nur zu. Man habe mit Nichtbeeidung ge-<lb/> droht. Das ſey das Werk der Partei die Mißtrauen geſät zwiſchen König<lb/> und Volk, und dafür Fluch und Thränen ernten werde, der Partei die<lb/> Chriſtum im Mund, aber Stolz und Argliſt im Herzen führe! Bravos<lb/> und Ziſchen waren heftig. Baumſtark wies den Vorwurf von ſich daß<lb/> ſeine Partei auf den Beifall der Umſturzmänner rechne. Er ſey ihnen<lb/> gleichgültig, aber er erinnerte daran, wer damals in die Breſche trat,<lb/> um dem Königthum Zeit zur Kräftigung zu verſchaffen, in der Zeit wo<lb/> alles dem Menſchen Heilige in Gefahr war? Die damals ſechs Monate<lb/> iſolirt daſtanden, hätten den Vorwurf nicht zu ſcheuen. Mit Verläugnung<lb/> ihrer Anſichten hätten ſie der Octroyirung beigeſtimmt, bis dann, beim<lb/> warmen Frühlingsſchein, die Creaturen erwacht und die Amphibien wie-<lb/> der vorgekrochen ſeyen. Die Regierung habe nicht mehr auf den Rath<lb/> ihrer Freunde gehört. Die Propoſitionen werden die Umſturzpartei nicht<lb/> bändigen; im Fortſchreiten der Verfaſſung würde ſich vielleicht der poli-<lb/> tiſche Boden für eine Pairie geſtaltet haben; die, welche man octroyire,<lb/> habe ihn nicht, ſie binde dem König nur eine Ruthe auf, ihn hindernd in<lb/> der Ausübung ſeiner Machtvollkommenheit. Miniſter Manteuffel er-<lb/> wiederte, das Miniſterium habe mit dem Amphibiengeſchlecht, das im Sumpf<lb/> vegetire, nichts zu thun, aber die Botſchaft müſſe es vertreten. v. Gerlach<lb/> knüpfte ſeine Rede an die Walter’ſche Vindication der Macht des König-<lb/> thums an: das ſtarke auf altes Recht baſirte Königthum ſey Preußens<lb/> einziges Fundament, wenn auch alle Verfaſſungen fehlten, zum ſoliden<lb/> Ausbau des künftigen Staats. Frankreich fehle dieſes Königthum, aber<lb/> es ſey Großmacht geblieben; Preußen würde ganz aufhören. Das ſey<lb/> der Grund der ungeheuren Popularität des Königthums. Dann folgte<lb/> die Gerlach’ſche Charakteriſtrung eines conſtitutionellen Königs, der<lb/> „glaubenslos, alſo charakterlos, willenslos, glücklich balancire zwiſchen<lb/> den heute ſchwarzen, morgen weißen Majoritäten.“ Die Botſchaft ſey<lb/> die Rückkehr zur Wahrheit, ſie ſage ſich „entſchieden los von der Charte<lb/> des 5 Dec.“ (ein lebhaftes Hört! Hört! unterbrach hier den aufrichtigen<lb/> Redner), ſie werde auch nicht ohne Rückwirkung bleiben auf das Werk<lb/> des 26 Mai (Hört!), aber — die Amendements welche die zweite Kammer<lb/> mit den Miniſtern angenommen, verſchlimmerten die Botſchaft dermaßen<lb/> daß er jetzt gegen dieſelbe votiren müſſe. Die Aufhebung der Fidei-<lb/> commiſſe ſey noch das geringſte, obgleich „viele Standesherren deßhalb<lb/> bereits an Auswanderung denken.“ (!) Man ſchaffe, aber man traue<lb/> ſeinem Geſchöpfe nicht, und man tödte die Mutter, welche das Geſchöpf<lb/> im Schooße trägt. Man mache das ganze Inſtitut lächerlich! (Ein un-<lb/> geheures Bravo!) Die fundamentalſten Lebensfragen behalte man ſich<lb/> vor, und vollendet ſey damit der unauslöſchliche Stempel von Nullität<lb/> unſerer conſtitutionellen Zuſtände. Verhängnißvoll genug ſey das Amen-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [562/0002]
rung, wegen der Sprengung der Nationalverſammlung, in Ausdrücken
welche unbedingt als Injurien gelten mußten; die Maßregel war als
„ruchloſes Verbrechen“ bezeichnet. Bei denjenigen fünf Geſchwornen welche
hierin ein Nichtſchuldig ausſprachen, war offenbar die Rückſicht vorherr-
ſchend, eine leidenſchaftliche Sprache ſey wegen der damaligen Aufregung
jetzt nicht mehr zu beachten, weil ähnliche Schmähungen in den Volksver-
ſammlungen und in der Localpreſſe damals an der Tagesordnung waren;
einen Einzelnen dürfe man nicht aus der Maſſe hervorheben und gewiſſer-
maßen für andere büßen laſſen; darüber wurde das Weſen des Falls ſelbſt
außer Acht gelaſſen. Der Bertheidiger des Angeklagten, Schoder, hatte
in einer längern und mit vielem Geſchick durchgeführten Darlegung haupt-
ſächlich auf Berückſichtigung dieſer Auffaſſung hingewirkt; er war in der-
ſelben zu jenem Zweck auf 1848 zurückgegangen, um durch Beiſpiele die
Anſicht bei den Geſchwornen hervorzurufen daß man bei lebhafter Aufre-
gung einer heftigen Sprache ſpäter nicht Rechnung tragen dürfe. Die zweite
Freiſprechung war bei der Art begründet wie die Anklage geſtellt war.
Sie betraf eine Art politiſchen Glaubensbekenntniſſes in der Sprache des
Katechismus; wegen dieſer äußern Form war auf Verſpottung der Re-
ligion geklagt worden, die dem Inhalt des Artikels nicht entſprach. Letz-
terer enthielt dagegen eine Majeſtätsbeleidigung: da die Anklage darauf
nicht geſtellt war, konnten auch die Geſchwornen darüber nicht erkennen;
da aber die Entſcheidung von einer Stimme abhing, ſo konnte das Ver-
dict bei anderer Faſſung der Klage anders ausfallen. In den übrigen
Fällen, worin vorher von den Geſchwornen erkannt wurde, iſt die Ent-
ſcheidung auch nach dem Urtheil von Juriſten richtig ausgefallen; in einem
Fall wo Bedenken erhoben werden könnten, beruhte dieß höchſtens auf der
Stellung der Fragen, indem die Geſchwornen eine Anſicht gehabt zu ha-
ben ſcheinen auf welche bei der Vorlegung der Fragen nicht vorher Rück-
ficht genommen war.
Wie weit man in dem alles Vertrauen vollends untergrabenden
Lügen- und Verdächtigungsſyſtem von einer gewiſſen Seite her zu
gehen entſchloſſen iſt, kommt immer unerfreulicher zu Tage. In Nr.
18 und 23 der Ulmer Kronik war eines Gerüchts erwähnt nach wel-
chem die vorigen Miniſter Duvernoy und Goppelt ſeiner Zeit im Miniſter-
rath für Einſetzung einer proviſoriſchen Regierung geſtimmt haben ſollten.
Hiegegen bringt die heutige Kronik folgende, von den beiden Angegriffe-
nen unterzeichnete Reclamation vom 28 Jan.: „Da dieſe Behauptung,
wenn je auf etwas, auf die Aeußerung eines Mitglieds des früheren Mi-
niſteriums ſich ſtützen müßte, welche unſerer feſten Ueberzeugung nach
nicht ſtattgefunden haben kann, und da über den angedeuteten Plan über-
haupt gar nie vom Geſammtminiſterium Berathung gepflogen wurde, ſo
müſſen wir den Urheber dieſes Gerüchts für einen böswilligen Verleum-
der halten, und erſuchen jeden Ehrenmann dem dasſelbe zu Ohren gekom-
men iſt, uns zur Entdeckung der Quelle behülflich zu ſeyn.“ Hiezu macht
ſofort die Redaction der Ulmer Kronik folgende Anmerkung: „Indem die
Redaction der Ulmer Kronik keinen Anſtand nimmt den HH. Einſendern
zur Widerlegung des über ihr Benehmen in der fraglichen Sache beſtehen-
den Gerüchts ihre Spalten zu öffnen, glaubt ſie (ohne alle Animoſität,
durch welche ſich obige Erklärung auszeichnet) bemerken zu müſſen daß
dieſe Herren zur Erreichung ihres Zweckes|, |ſich in den Augen des Publi-
cums zu reinigen, der Unterſchrift aller Mitglieder des vorigen Cabinets
bedurft hätten, was indeſſen immerhin noch möglich iſt und was man einſt-
weilen abwarten muß.“ (Württ. Ztg.)
Gr. Heſſen.Darmſtadt, 1 Febr. Im geſtrigen Regierungsblatt
iſt die Verordnung vom 24 Jan. erſchienen, die Wahl der Abgeordne-
ten im Großherzogthum zum Volkshaus der nächſten Reichsverſammlung
betreffend. Nachdem erwähnt iſt daß die erſte Kammer ihre Zuſtimmung
zu dem von der Regierung vorgelegten Wahlgeſetz mit einigen dabei vor-
getragenen Wünſchen erklärt hat, daß aber in der zweiten Kammer der
Gegenſtand Zögerungen erfuhr welche es nicht zu einer Berathung vor
Auflöſung der Ständeverſammlung kommen ließen, heißt es dann weiter:
„Unter den hiernach eingetretenen dringenden Umſtänden, in Betracht daß
es nicht in der Möglichkeit gegeben iſt innerhalb zuläſſiger Friſt den Ent-
wurf des Wahlgeſetzes zu weiterer ſtändiſcher Berathung und Beſchluß-
nahme zu bringen, haben Wir Uns bewogen gefunden in Gemäßheit der
in jenem Bündniß (vom 26 Mai 1849) feſtgeſtellten Grundbeſtimmungen
über die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshauſe für das Großherzog-
thum zur Ausführung dieſer Wahlen zu verordnen, wie folgt.“
Hanſeſtädte.Hamburg, 1 Febr. Der Neſtor unſeres Frei-
ſtaats, Bürgermeiſter Johann Heinrich Bartels, iſt gegen 7 Uhr in einem
Alter von beinahe 90 Jahren aus dieſem Leben geſchieden.
H. Braunſchweig.Braunſchweig, 1 Febr. Der zweite Wahl-
bezirk hat den Geheimenrath Langerfeldt; der dritte den Finanzdirector
v. Thielau nach Erfurt gewählt.
Preußen.∸ Berlin, 30 Jan. Unſere Kammern werden Ruf be-
kommen durch ihre Nachtſitzungen. Ihr Licht am Tage leuchtete nicht hell
genug. Der denkwürdigen der zweiten vom Sonnabend (26) zum Sonn-
tag folgte geſtern die Nachtſitzung der erſten, welche erſt heute Morgen
um 2 Uhr ſchloß, und die Annahme der ſämmtlichen Beſchlüſſe jener in
Bauſch und Bogen über die Königsbotſchaft zur Folge hatte. Schon die
vorangängige Tagesſitzung war merkwürdig. Noch in keiner haben ſich
die Parteiführer mit ſo unumwundener Freimüthigkeit ausgeſprochen,
was eine gewiſſe plaſtiſche Heiterkeit hervorbrachte, obſchon im Grund
der Herzen nicht viel heiteres war. Selbſt das endliche Reſultat war
noch keineswegs vorauszuſehen und widerſprach den Gerüchten welche
geſtern den Tag über umliefen. Es hieß, der König werde die Verfaſſung
nicht beſchwören, nachdem ſeine Hauptforderung durch das Arnim’ſche
Amendement ſo gut als illuſoriſch gemacht war. War dieß Wille ge-
worden, ſo konnte man auch annehmen daß die erſte Kammer die Be-
ſchlüſſe der zweiten nicht in Bauſch und Bogen annehmen würde. Man
konnte hier ſchon auf Oeffnung einer Hinterthür gefaßt ſeyn die, wenig-
ſtens in Bezug auß die Fideicommiſſe, zu einer Octroyirung führte, welche
in dieſem Fall kaum etwas auffälliges gehabt hätte. Es ward anders.
Die Miniſter ſind feſter geworden. Walter trat, in der Morgenſitzung,
merkwürdigerweiſe als Wortredner des proteſtantiſchen Königthums, wie
es in Preußen ſich ausgebildet, auf. Das Königthum, ſagte er, iſt in
Preußen eine ſo mit dem Volksleben verwachſene Individualität daß die
Verfaſſung nur dann ins letztere aufgehen kann, wenn das erſtere mit
vollem Bewußtſeyn und Uebereinſtimmung die Hand dazu bietet! Wer
beſtreitet es ihm! Vorſichtig bemerkte er aber, die preußiſche Krone ſey
nicht ſo göttlichen Urſprungs daß|ſie vor dem 5 Dec. unfehlbar geweſen wäre.
Doch ſtehe ſie auch nicht ſo tief unter dieſem, um ihre beſte Ueberzeugung
jetzt einer falſchen Conſequenz opfern zu müſſen. v. Ammon erklärte ſich
geleitet von der feſten Ueberzeugung daß die Regierung nicht länger ab-
hängig ſeyn ſolle von einem, wenn auch wohlwollenden, doch nur ein-
zelnen Willen. Dieſe Ueberzeugung habe ihn nach Berlin geführt. Durch
die Gründung einer Pairie, die ohne Boden im Volke, ſchließe man keine
Revolution, ſo decke man ſie nur zu. Man habe mit Nichtbeeidung ge-
droht. Das ſey das Werk der Partei die Mißtrauen geſät zwiſchen König
und Volk, und dafür Fluch und Thränen ernten werde, der Partei die
Chriſtum im Mund, aber Stolz und Argliſt im Herzen führe! Bravos
und Ziſchen waren heftig. Baumſtark wies den Vorwurf von ſich daß
ſeine Partei auf den Beifall der Umſturzmänner rechne. Er ſey ihnen
gleichgültig, aber er erinnerte daran, wer damals in die Breſche trat,
um dem Königthum Zeit zur Kräftigung zu verſchaffen, in der Zeit wo
alles dem Menſchen Heilige in Gefahr war? Die damals ſechs Monate
iſolirt daſtanden, hätten den Vorwurf nicht zu ſcheuen. Mit Verläugnung
ihrer Anſichten hätten ſie der Octroyirung beigeſtimmt, bis dann, beim
warmen Frühlingsſchein, die Creaturen erwacht und die Amphibien wie-
der vorgekrochen ſeyen. Die Regierung habe nicht mehr auf den Rath
ihrer Freunde gehört. Die Propoſitionen werden die Umſturzpartei nicht
bändigen; im Fortſchreiten der Verfaſſung würde ſich vielleicht der poli-
tiſche Boden für eine Pairie geſtaltet haben; die, welche man octroyire,
habe ihn nicht, ſie binde dem König nur eine Ruthe auf, ihn hindernd in
der Ausübung ſeiner Machtvollkommenheit. Miniſter Manteuffel er-
wiederte, das Miniſterium habe mit dem Amphibiengeſchlecht, das im Sumpf
vegetire, nichts zu thun, aber die Botſchaft müſſe es vertreten. v. Gerlach
knüpfte ſeine Rede an die Walter’ſche Vindication der Macht des König-
thums an: das ſtarke auf altes Recht baſirte Königthum ſey Preußens
einziges Fundament, wenn auch alle Verfaſſungen fehlten, zum ſoliden
Ausbau des künftigen Staats. Frankreich fehle dieſes Königthum, aber
es ſey Großmacht geblieben; Preußen würde ganz aufhören. Das ſey
der Grund der ungeheuren Popularität des Königthums. Dann folgte
die Gerlach’ſche Charakteriſtrung eines conſtitutionellen Königs, der
„glaubenslos, alſo charakterlos, willenslos, glücklich balancire zwiſchen
den heute ſchwarzen, morgen weißen Majoritäten.“ Die Botſchaft ſey
die Rückkehr zur Wahrheit, ſie ſage ſich „entſchieden los von der Charte
des 5 Dec.“ (ein lebhaftes Hört! Hört! unterbrach hier den aufrichtigen
Redner), ſie werde auch nicht ohne Rückwirkung bleiben auf das Werk
des 26 Mai (Hört!), aber — die Amendements welche die zweite Kammer
mit den Miniſtern angenommen, verſchlimmerten die Botſchaft dermaßen
daß er jetzt gegen dieſelbe votiren müſſe. Die Aufhebung der Fidei-
commiſſe ſey noch das geringſte, obgleich „viele Standesherren deßhalb
bereits an Auswanderung denken.“ (!) Man ſchaffe, aber man traue
ſeinem Geſchöpfe nicht, und man tödte die Mutter, welche das Geſchöpf
im Schooße trägt. Man mache das ganze Inſtitut lächerlich! (Ein un-
geheures Bravo!) Die fundamentalſten Lebensfragen behalte man ſich
vor, und vollendet ſey damit der unauslöſchliche Stempel von Nullität
unſerer conſtitutionellen Zuſtände. Verhängnißvoll genug ſey das Amen-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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