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Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 22. August 1914.

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22. August 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] unserem Kontinent fallen wird; und auch für die Existenz unserer
Kolonien wird diese hoffentlich günstige Entscheidung einst maß-
gebend werden.

Inzwischen ist vom Gouverneur aus Kiautschau in Bestätigung
der Mitteilung des japanischen Ultimatums in Berlin folgendes
Telegramm eingelaufen: "Einstehe für Pflichterfüllung bis aufs
Aeußerste."

Der Nieuwe Rotter-
damsche Courant veröffentlicht als amtliche englische Mit-
teilung
folgendes: "Die englische und die japanische Regierung
sind über die notwendigen Maßregeln zum Schutz ihrer Interessen
im fernen Osten, sowie auch betreffs der Integrität des chinesischen
Reiches übereingekommen. Japans Tätigkeit solle sich nicht über
das chinesische Meer hinaus erstrecken, außer wenn der Schutz der
japanischen Schiffahrt dies erfordert, auch nicht auf die asiatischen
Gewässer westlich des chinesischen Meeres und zu Lande auf kein
anderes als das von Deutschland besetzte Gebiet in Ostasien."



Die Wohltätigkeitsaktionen.

Großartig sind bei uns und überall auf deutschen und öster-
reichischen Boden die Bestrebungen, den ins Feld gezogenen Krie-
gern, ihren Angehörigen zuhause und überall wo es nottut, zu
helfen. Leider sind da und dort auch schon die Schattenseiten zu
weitgetriebener Gutmütigkeit und Schwäche, namentlich die echt-
deutsche Schwäche für alles Ausländische bemerkbar geworden. In
Stuttgart scheinen sich unwürdige Szenen beim Empfange fran-
zösischer Kriegsgefangener von seiten gewisser Damen abgespielt zu
haben, da dort der Kommandant sich veranlaßt gesehen hat, mit
einem scharfen Erlaß vorzugehen. Uns selbst ist aus Berlin von
einem Freunde unserer Zeitung nachstehende temperamentvolle
Warnung mit der Bitte um Veröffentlichung zugekommen:

Wieder haben wir französische Gefangene in Deutschland. Damit
sich das beschämende Schauspiel von 1870 nicht wiederholt, daß sich
deutsche Frauen und Mädchen an die Fremden fortwerfen, ist not-
wendig, daß solche Weiber durch öffentliche Anklage und öffentliche
Bekanntgabe ihrer Namen entehrt werden. Besser wäre es freilich,
sie standrechtlich zu erschießen.

Der Augsburger Abendzeitung geht nachstehender ebenfalls
beachtenswerter Brief zu, den sie kürzlich ohne Kommentar ver-
öffentlicht hat:

10,000 wollene Decken erbittet das städtische Wehramt München
in einem Aufruf von der Einwohnerschaft. Sie sind in erster Linie
für die in den städtischen Massenquartieren untergebrachten Sol-
daten bestimmt; wenn diese fort sind, werden sie "vielleicht" für
Verwundete gebraucht. Zuletzt, so hofft das Wehramt, sollen sie
den Kriegsgefangenen dienen! Ganze 100,000 Mark hat die Stadt-
gemeinde München für den nunmehr erschöpften Bestand an Ein-
quartierungsgegenständen aufgewendet. Jetzt soll die private Wohl-
tätigkeit in die Bresche springen. Wie viel hat aber die Münchener
Stadtverwaltung alljährlich für Repräsentation und Gastereien
ausgegeben? Wäre es nicht weit nötiger gewesen, die erforderlichen
Summen für einen angemessenen Bestand an Einquartierungs-
gegenständen zur Verfügung zu stellen, als immer wieder auf
Kosten der Steuerzahler Verbrüderungsfeste zu feiern mit allen
möglichen Angehörigen der Nation, die zum Dank Deutschland jetzt
in hinterlistiger Weise überfällt?
Noch müssen unsere eigenen braven Soldaten in den Massen-
quartieren auf dem nur mit Stroh bedeckten Boden liegen, noch ist
weit und breit in bayerischen Landen kein Kriegsgefangener in
Sicht. Und schon sorgen sich unsere Stadtoberhäupter in ihrer un-
heilbaren Vorliebe für alles Fremde, daß ja keinem Herrn Kriegs-
gefangenen die weiche warme Decke mangle, während unsere
tapfere Feldarmee draußen im Kriege Nacht für Nacht in Wind
und Wetter die müden Glieder auf dem harten, kalten und feuch-
ten Erdboden bettet. Wozu diese übertriebene Gefühlsduselei
gegenüber unseren Feinden, Leuten, die zur Vernichtung Deutsch-
lands ins Feld gezogen sind, Angehörigen von Nationen, die schon
vor Ausbruch des Krieges unsere Landsleute unter Zerstörung
ihres Eigentums und barbarischen Mißhandlungen aus dem Lande
vertrieben haben, deren Bevölkerung heimtückisch aus dem Hinter-
halte auf unsere Soldaten schießt, die weder Verwundete noch
Aerzte schont und nicht einmal das internationale Friedenszeichen
des Roten Kreuzes achtet? "Damit die Welt sage: Die Deuschen
behandeln ihre Kriegsgefangenen besser, als deren Landsleute die
[Spaltenumbruch] unschuldigen Auslandsdeutschen bei Ausbruch des Krieges behan-
delt haben."
Die Sucht nach diesem Ruhm ist gänzlich zwecklos. Denn bei
der Verlogenheit der Auslandspresse erfährt ja die Welt außer-
halb der deutschsprechenden Länder kaum etwas von unserer so
unangebrachten Humanität. Und wenn sie es erführe, dann würde
sie nicht sagen: "Die Deutschen sind besser als die Belgier, Fran-
zosen, Russen und Engländer", sondern sie würde uns, nicht ohne
Berechtigung, mit einem ganz anderen Schmeichelwort belegen.



Deutschland im Kampfe mit seinen Feinden.

Deutschland im Kriege! Mit Oesterreich vereint im
Kampfe mit fünf Mächten! Noch klingt es uns fast wie ein
Traum, daß das Furchtbare, was ernste Patrioten heran-
nahen sahen, heute zur Tatsache geworden ist, daß wir mit-
ten in einem Kriege stehen, der zu den allergrößten gehört,
welche die Weltgeschichte gesehen hat.

Warum hat der Deutsche so viel Feinde und Neider,
er der doch wie kein anderes Volk friedlich und verträglich
ist? Warum zieht gerade unser Volk einen so glühenden
Haß des Auslandes auf sich, dasselbe deutsche Volk, das doch
zu allen Zeiten jedes Verdienst, jede Tüchtigkeit, jede Art
des Ruhmes bei anderen Völkern so neidlos anerkannt hat?
In keinem Lande gibt es so wenig einen politischen Chauvi-
nismus wie bei uns; keine Nation strebt so wenig nach dem
Besitze anderer Länder wie wir. Eine eroberungslustige
Militärpartei, wie in vielen anderen Staaten, hat es in
Preußen und Deutschland niemals gegeben. In keinem
Lande der Erde werden Fremde und Ausländer so freund-
lich aufgenommen wie bei uns.

Und warum trotzdem dieser furchtbare Haß fast ganz
Europas gegen uns? Man kann diese Frage mit einem
Worte beantworten: Weil im deutschen Wesen, wo immer
es sich offenbaren mag, eine welterobernde und weltbewe-
gende Kraft liegt, die in den Künsten des Krieges wie des
Friedens das Werk aller anderen Völker überstrahlt und
überwindet. Seit die Deutschen im sechzehnten Jahrhundert
mit ihrer Kirchenreformation einem neuen Zeitalter der
Weltgeschichte die Bahn brachen, hat auch die Welt es er-
leben müssen, daß, auf welches Gebiet sich auch der deutsche
Geist warf, er immer zuletzt alle anderen Nationen siegreich
überstrahlte. Wie verblaßte einst der Ruhm der englischen
und französischen Philosophie vor der weltgeschichtlichen
Größe jener großen deutschen Philosophen, die unserem
Vaterlande in der höchsten aller Wissenschaften die Führung
in der Welt errangen! Wie weit überstrahlten die herrlichen
Schöpfungen unserer großen Dichter alles, was die zeit-
genössische Kunst Englands und Frankreichs bieten konnte!
Als endlich die preußischen Hohenzollern Deutschland wieder
wehrhaft gemacht hatten, wie verblaßte da der kriegerische
Ruhm des Auslandes vor den Heldentaten Friedrichs des
Großen, vor den Siegen der Befreiungskriege, vor den
Namen von Metz, Sedan und Paris! Und wenn das Aus-
land gar zu lange gewohnt war, in uns ein Volk von philo-
sophischen Träumern zu sehen, das nur um die Palme wissen-
schaftlichen und künstlerischen Ruhmes ringt, so haben unsere
englischen und französischen Nachbarn staunend es in unseren
Tagen sehen müssen, wie sie von den Deutschen auch auf den
Gebieten überflügelt wurden, auf denen sie sich für uner-
reichbar hielten. Nicht bloß für die Wissenschaften und
Künste, nicht bloß für die tiefen innerlichen Probleme der
Philosophie und Theologie hat der deutsche Geist sich als
bahnbrechend erwiesen: nein auch dort, wo England alle
Völker sonst aus dem Felde schlug, auf allen Gebieten der
Technik, des industriellen Lebens, der Seefahrt und des Han-
dels hat der Tiefsinn, die Genialität und Schöpferkraft des
deutschen Wesens sich nicht minder glänzend bewährt.

Seit der Deutsche von der einseitigen Pflege der Künste
und Wissenschaften sich wieder dem Staate und seinen reali-
stischen Aufgaben zugewendet hat, seit das große organisa-
torische Talent, das in der Anlage des Deutschen liegt, auch
hier zur Geltung gekommen ist, seit wir ein Staatswesen ge-
schaffen haben im deutschen Reiche, mit dessen innerer Ver-

22. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] unſerem Kontinent fallen wird; und auch für die Exiſtenz unſerer
Kolonien wird dieſe hoffentlich günſtige Entſcheidung einſt maß-
gebend werden.

Inzwiſchen iſt vom Gouverneur aus Kiautſchau in Beſtätigung
der Mitteilung des japaniſchen Ultimatums in Berlin folgendes
Telegramm eingelaufen: „Einſtehe für Pflichterfüllung bis aufs
Aeußerſte.“

Der Nieuwe Rotter-
damſche Courant veröffentlicht als amtliche engliſche Mit-
teilung
folgendes: „Die engliſche und die japaniſche Regierung
ſind über die notwendigen Maßregeln zum Schutz ihrer Intereſſen
im fernen Oſten, ſowie auch betreffs der Integrität des chineſiſchen
Reiches übereingekommen. Japans Tätigkeit ſolle ſich nicht über
das chineſiſche Meer hinaus erſtrecken, außer wenn der Schutz der
japaniſchen Schiffahrt dies erfordert, auch nicht auf die aſiatiſchen
Gewäſſer weſtlich des chineſiſchen Meeres und zu Lande auf kein
anderes als das von Deutſchland beſetzte Gebiet in Oſtaſien.“



Die Wohltätigkeitsaktionen.

Großartig ſind bei uns und überall auf deutſchen und öſter-
reichiſchen Boden die Beſtrebungen, den ins Feld gezogenen Krie-
gern, ihren Angehörigen zuhauſe und überall wo es nottut, zu
helfen. Leider ſind da und dort auch ſchon die Schattenſeiten zu
weitgetriebener Gutmütigkeit und Schwäche, namentlich die echt-
deutſche Schwäche für alles Ausländiſche bemerkbar geworden. In
Stuttgart ſcheinen ſich unwürdige Szenen beim Empfange fran-
zöſiſcher Kriegsgefangener von ſeiten gewiſſer Damen abgeſpielt zu
haben, da dort der Kommandant ſich veranlaßt geſehen hat, mit
einem ſcharfen Erlaß vorzugehen. Uns ſelbſt iſt aus Berlin von
einem Freunde unſerer Zeitung nachſtehende temperamentvolle
Warnung mit der Bitte um Veröffentlichung zugekommen:

Wieder haben wir franzöſiſche Gefangene in Deutſchland. Damit
ſich das beſchämende Schauſpiel von 1870 nicht wiederholt, daß ſich
deutſche Frauen und Mädchen an die Fremden fortwerfen, iſt not-
wendig, daß ſolche Weiber durch öffentliche Anklage und öffentliche
Bekanntgabe ihrer Namen entehrt werden. Beſſer wäre es freilich,
ſie ſtandrechtlich zu erſchießen.

Der Augsburger Abendzeitung geht nachſtehender ebenfalls
beachtenswerter Brief zu, den ſie kürzlich ohne Kommentar ver-
öffentlicht hat:

10,000 wollene Decken erbittet das ſtädtiſche Wehramt München
in einem Aufruf von der Einwohnerſchaft. Sie ſind in erſter Linie
für die in den ſtädtiſchen Maſſenquartieren untergebrachten Sol-
daten beſtimmt; wenn dieſe fort ſind, werden ſie „vielleicht“ für
Verwundete gebraucht. Zuletzt, ſo hofft das Wehramt, ſollen ſie
den Kriegsgefangenen dienen! Ganze 100,000 Mark hat die Stadt-
gemeinde München für den nunmehr erſchöpften Beſtand an Ein-
quartierungsgegenſtänden aufgewendet. Jetzt ſoll die private Wohl-
tätigkeit in die Breſche ſpringen. Wie viel hat aber die Münchener
Stadtverwaltung alljährlich für Repräſentation und Gaſtereien
ausgegeben? Wäre es nicht weit nötiger geweſen, die erforderlichen
Summen für einen angemeſſenen Beſtand an Einquartierungs-
gegenſtänden zur Verfügung zu ſtellen, als immer wieder auf
Koſten der Steuerzahler Verbrüderungsfeſte zu feiern mit allen
möglichen Angehörigen der Nation, die zum Dank Deutſchland jetzt
in hinterliſtiger Weiſe überfällt?
Noch müſſen unſere eigenen braven Soldaten in den Maſſen-
quartieren auf dem nur mit Stroh bedeckten Boden liegen, noch iſt
weit und breit in bayeriſchen Landen kein Kriegsgefangener in
Sicht. Und ſchon ſorgen ſich unſere Stadtoberhäupter in ihrer un-
heilbaren Vorliebe für alles Fremde, daß ja keinem Herrn Kriegs-
gefangenen die weiche warme Decke mangle, während unſere
tapfere Feldarmee draußen im Kriege Nacht für Nacht in Wind
und Wetter die müden Glieder auf dem harten, kalten und feuch-
ten Erdboden bettet. Wozu dieſe übertriebene Gefühlsduſelei
gegenüber unſeren Feinden, Leuten, die zur Vernichtung Deutſch-
lands ins Feld gezogen ſind, Angehörigen von Nationen, die ſchon
vor Ausbruch des Krieges unſere Landsleute unter Zerſtörung
ihres Eigentums und barbariſchen Mißhandlungen aus dem Lande
vertrieben haben, deren Bevölkerung heimtückiſch aus dem Hinter-
halte auf unſere Soldaten ſchießt, die weder Verwundete noch
Aerzte ſchont und nicht einmal das internationale Friedenszeichen
des Roten Kreuzes achtet? „Damit die Welt ſage: Die Deuſchen
behandeln ihre Kriegsgefangenen beſſer, als deren Landsleute die
[Spaltenumbruch] unſchuldigen Auslandsdeutſchen bei Ausbruch des Krieges behan-
delt haben.“
Die Sucht nach dieſem Ruhm iſt gänzlich zwecklos. Denn bei
der Verlogenheit der Auslandspreſſe erfährt ja die Welt außer-
halb der deutſchſprechenden Länder kaum etwas von unſerer ſo
unangebrachten Humanität. Und wenn ſie es erführe, dann würde
ſie nicht ſagen: „Die Deutſchen ſind beſſer als die Belgier, Fran-
zoſen, Ruſſen und Engländer“, ſondern ſie würde uns, nicht ohne
Berechtigung, mit einem ganz anderen Schmeichelwort belegen.



Deutſchland im Kampfe mit ſeinen Feinden.

Deutſchland im Kriege! Mit Oeſterreich vereint im
Kampfe mit fünf Mächten! Noch klingt es uns faſt wie ein
Traum, daß das Furchtbare, was ernſte Patrioten heran-
nahen ſahen, heute zur Tatſache geworden iſt, daß wir mit-
ten in einem Kriege ſtehen, der zu den allergrößten gehört,
welche die Weltgeſchichte geſehen hat.

Warum hat der Deutſche ſo viel Feinde und Neider,
er der doch wie kein anderes Volk friedlich und verträglich
iſt? Warum zieht gerade unſer Volk einen ſo glühenden
Haß des Auslandes auf ſich, dasſelbe deutſche Volk, das doch
zu allen Zeiten jedes Verdienſt, jede Tüchtigkeit, jede Art
des Ruhmes bei anderen Völkern ſo neidlos anerkannt hat?
In keinem Lande gibt es ſo wenig einen politiſchen Chauvi-
nismus wie bei uns; keine Nation ſtrebt ſo wenig nach dem
Beſitze anderer Länder wie wir. Eine eroberungsluſtige
Militärpartei, wie in vielen anderen Staaten, hat es in
Preußen und Deutſchland niemals gegeben. In keinem
Lande der Erde werden Fremde und Ausländer ſo freund-
lich aufgenommen wie bei uns.

Und warum trotzdem dieſer furchtbare Haß faſt ganz
Europas gegen uns? Man kann dieſe Frage mit einem
Worte beantworten: Weil im deutſchen Weſen, wo immer
es ſich offenbaren mag, eine welterobernde und weltbewe-
gende Kraft liegt, die in den Künſten des Krieges wie des
Friedens das Werk aller anderen Völker überſtrahlt und
überwindet. Seit die Deutſchen im ſechzehnten Jahrhundert
mit ihrer Kirchenreformation einem neuen Zeitalter der
Weltgeſchichte die Bahn brachen, hat auch die Welt es er-
leben müſſen, daß, auf welches Gebiet ſich auch der deutſche
Geiſt warf, er immer zuletzt alle anderen Nationen ſiegreich
überſtrahlte. Wie verblaßte einſt der Ruhm der engliſchen
und franzöſiſchen Philoſophie vor der weltgeſchichtlichen
Größe jener großen deutſchen Philoſophen, die unſerem
Vaterlande in der höchſten aller Wiſſenſchaften die Führung
in der Welt errangen! Wie weit überſtrahlten die herrlichen
Schöpfungen unſerer großen Dichter alles, was die zeit-
genöſſiſche Kunſt Englands und Frankreichs bieten konnte!
Als endlich die preußiſchen Hohenzollern Deutſchland wieder
wehrhaft gemacht hatten, wie verblaßte da der kriegeriſche
Ruhm des Auslandes vor den Heldentaten Friedrichs des
Großen, vor den Siegen der Befreiungskriege, vor den
Namen von Metz, Sedan und Paris! Und wenn das Aus-
land gar zu lange gewohnt war, in uns ein Volk von philo-
ſophiſchen Träumern zu ſehen, das nur um die Palme wiſſen-
ſchaftlichen und künſtleriſchen Ruhmes ringt, ſo haben unſere
engliſchen und franzöſiſchen Nachbarn ſtaunend es in unſeren
Tagen ſehen müſſen, wie ſie von den Deutſchen auch auf den
Gebieten überflügelt wurden, auf denen ſie ſich für uner-
reichbar hielten. Nicht bloß für die Wiſſenſchaften und
Künſte, nicht bloß für die tiefen innerlichen Probleme der
Philoſophie und Theologie hat der deutſche Geiſt ſich als
bahnbrechend erwieſen: nein auch dort, wo England alle
Völker ſonſt aus dem Felde ſchlug, auf allen Gebieten der
Technik, des induſtriellen Lebens, der Seefahrt und des Han-
dels hat der Tiefſinn, die Genialität und Schöpferkraft des
deutſchen Weſens ſich nicht minder glänzend bewährt.

Seit der Deutſche von der einſeitigen Pflege der Künſte
und Wiſſenſchaften ſich wieder dem Staate und ſeinen reali-
ſtiſchen Aufgaben zugewendet hat, ſeit das große organiſa-
toriſche Talent, das in der Anlage des Deutſchen liegt, auch
hier zur Geltung gekommen iſt, ſeit wir ein Staatsweſen ge-
ſchaffen haben im deutſchen Reiche, mit deſſen innerer Ver-

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[521/0007] 22. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung unſerem Kontinent fallen wird; und auch für die Exiſtenz unſerer Kolonien wird dieſe hoffentlich günſtige Entſcheidung einſt maß- gebend werden. Inzwiſchen iſt vom Gouverneur aus Kiautſchau in Beſtätigung der Mitteilung des japaniſchen Ultimatums in Berlin folgendes Telegramm eingelaufen: „Einſtehe für Pflichterfüllung bis aufs Aeußerſte.“ WTB. Rotterdam, 20. Auguſt. Der Nieuwe Rotter- damſche Courant veröffentlicht als amtliche engliſche Mit- teilung folgendes: „Die engliſche und die japaniſche Regierung ſind über die notwendigen Maßregeln zum Schutz ihrer Intereſſen im fernen Oſten, ſowie auch betreffs der Integrität des chineſiſchen Reiches übereingekommen. Japans Tätigkeit ſolle ſich nicht über das chineſiſche Meer hinaus erſtrecken, außer wenn der Schutz der japaniſchen Schiffahrt dies erfordert, auch nicht auf die aſiatiſchen Gewäſſer weſtlich des chineſiſchen Meeres und zu Lande auf kein anderes als das von Deutſchland beſetzte Gebiet in Oſtaſien.“ Die Wohltätigkeitsaktionen. Großartig ſind bei uns und überall auf deutſchen und öſter- reichiſchen Boden die Beſtrebungen, den ins Feld gezogenen Krie- gern, ihren Angehörigen zuhauſe und überall wo es nottut, zu helfen. Leider ſind da und dort auch ſchon die Schattenſeiten zu weitgetriebener Gutmütigkeit und Schwäche, namentlich die echt- deutſche Schwäche für alles Ausländiſche bemerkbar geworden. In Stuttgart ſcheinen ſich unwürdige Szenen beim Empfange fran- zöſiſcher Kriegsgefangener von ſeiten gewiſſer Damen abgeſpielt zu haben, da dort der Kommandant ſich veranlaßt geſehen hat, mit einem ſcharfen Erlaß vorzugehen. Uns ſelbſt iſt aus Berlin von einem Freunde unſerer Zeitung nachſtehende temperamentvolle Warnung mit der Bitte um Veröffentlichung zugekommen: Wieder haben wir franzöſiſche Gefangene in Deutſchland. Damit ſich das beſchämende Schauſpiel von 1870 nicht wiederholt, daß ſich deutſche Frauen und Mädchen an die Fremden fortwerfen, iſt not- wendig, daß ſolche Weiber durch öffentliche Anklage und öffentliche Bekanntgabe ihrer Namen entehrt werden. Beſſer wäre es freilich, ſie ſtandrechtlich zu erſchießen. Der Augsburger Abendzeitung geht nachſtehender ebenfalls beachtenswerter Brief zu, den ſie kürzlich ohne Kommentar ver- öffentlicht hat: 10,000 wollene Decken erbittet das ſtädtiſche Wehramt München in einem Aufruf von der Einwohnerſchaft. Sie ſind in erſter Linie für die in den ſtädtiſchen Maſſenquartieren untergebrachten Sol- daten beſtimmt; wenn dieſe fort ſind, werden ſie „vielleicht“ für Verwundete gebraucht. Zuletzt, ſo hofft das Wehramt, ſollen ſie den Kriegsgefangenen dienen! Ganze 100,000 Mark hat die Stadt- gemeinde München für den nunmehr erſchöpften Beſtand an Ein- quartierungsgegenſtänden aufgewendet. Jetzt ſoll die private Wohl- tätigkeit in die Breſche ſpringen. Wie viel hat aber die Münchener Stadtverwaltung alljährlich für Repräſentation und Gaſtereien ausgegeben? Wäre es nicht weit nötiger geweſen, die erforderlichen Summen für einen angemeſſenen Beſtand an Einquartierungs- gegenſtänden zur Verfügung zu ſtellen, als immer wieder auf Koſten der Steuerzahler Verbrüderungsfeſte zu feiern mit allen möglichen Angehörigen der Nation, die zum Dank Deutſchland jetzt in hinterliſtiger Weiſe überfällt? Noch müſſen unſere eigenen braven Soldaten in den Maſſen- quartieren auf dem nur mit Stroh bedeckten Boden liegen, noch iſt weit und breit in bayeriſchen Landen kein Kriegsgefangener in Sicht. Und ſchon ſorgen ſich unſere Stadtoberhäupter in ihrer un- heilbaren Vorliebe für alles Fremde, daß ja keinem Herrn Kriegs- gefangenen die weiche warme Decke mangle, während unſere tapfere Feldarmee draußen im Kriege Nacht für Nacht in Wind und Wetter die müden Glieder auf dem harten, kalten und feuch- ten Erdboden bettet. Wozu dieſe übertriebene Gefühlsduſelei gegenüber unſeren Feinden, Leuten, die zur Vernichtung Deutſch- lands ins Feld gezogen ſind, Angehörigen von Nationen, die ſchon vor Ausbruch des Krieges unſere Landsleute unter Zerſtörung ihres Eigentums und barbariſchen Mißhandlungen aus dem Lande vertrieben haben, deren Bevölkerung heimtückiſch aus dem Hinter- halte auf unſere Soldaten ſchießt, die weder Verwundete noch Aerzte ſchont und nicht einmal das internationale Friedenszeichen des Roten Kreuzes achtet? „Damit die Welt ſage: Die Deuſchen behandeln ihre Kriegsgefangenen beſſer, als deren Landsleute die unſchuldigen Auslandsdeutſchen bei Ausbruch des Krieges behan- delt haben.“ Die Sucht nach dieſem Ruhm iſt gänzlich zwecklos. Denn bei der Verlogenheit der Auslandspreſſe erfährt ja die Welt außer- halb der deutſchſprechenden Länder kaum etwas von unſerer ſo unangebrachten Humanität. Und wenn ſie es erführe, dann würde ſie nicht ſagen: „Die Deutſchen ſind beſſer als die Belgier, Fran- zoſen, Ruſſen und Engländer“, ſondern ſie würde uns, nicht ohne Berechtigung, mit einem ganz anderen Schmeichelwort belegen. Ein guter Deutſcher, Bayer und Münchener. Deutſchland im Kampfe mit ſeinen Feinden. Deutſchland im Kriege! Mit Oeſterreich vereint im Kampfe mit fünf Mächten! Noch klingt es uns faſt wie ein Traum, daß das Furchtbare, was ernſte Patrioten heran- nahen ſahen, heute zur Tatſache geworden iſt, daß wir mit- ten in einem Kriege ſtehen, der zu den allergrößten gehört, welche die Weltgeſchichte geſehen hat. Warum hat der Deutſche ſo viel Feinde und Neider, er der doch wie kein anderes Volk friedlich und verträglich iſt? Warum zieht gerade unſer Volk einen ſo glühenden Haß des Auslandes auf ſich, dasſelbe deutſche Volk, das doch zu allen Zeiten jedes Verdienſt, jede Tüchtigkeit, jede Art des Ruhmes bei anderen Völkern ſo neidlos anerkannt hat? In keinem Lande gibt es ſo wenig einen politiſchen Chauvi- nismus wie bei uns; keine Nation ſtrebt ſo wenig nach dem Beſitze anderer Länder wie wir. Eine eroberungsluſtige Militärpartei, wie in vielen anderen Staaten, hat es in Preußen und Deutſchland niemals gegeben. In keinem Lande der Erde werden Fremde und Ausländer ſo freund- lich aufgenommen wie bei uns. Und warum trotzdem dieſer furchtbare Haß faſt ganz Europas gegen uns? Man kann dieſe Frage mit einem Worte beantworten: Weil im deutſchen Weſen, wo immer es ſich offenbaren mag, eine welterobernde und weltbewe- gende Kraft liegt, die in den Künſten des Krieges wie des Friedens das Werk aller anderen Völker überſtrahlt und überwindet. Seit die Deutſchen im ſechzehnten Jahrhundert mit ihrer Kirchenreformation einem neuen Zeitalter der Weltgeſchichte die Bahn brachen, hat auch die Welt es er- leben müſſen, daß, auf welches Gebiet ſich auch der deutſche Geiſt warf, er immer zuletzt alle anderen Nationen ſiegreich überſtrahlte. Wie verblaßte einſt der Ruhm der engliſchen und franzöſiſchen Philoſophie vor der weltgeſchichtlichen Größe jener großen deutſchen Philoſophen, die unſerem Vaterlande in der höchſten aller Wiſſenſchaften die Führung in der Welt errangen! Wie weit überſtrahlten die herrlichen Schöpfungen unſerer großen Dichter alles, was die zeit- genöſſiſche Kunſt Englands und Frankreichs bieten konnte! Als endlich die preußiſchen Hohenzollern Deutſchland wieder wehrhaft gemacht hatten, wie verblaßte da der kriegeriſche Ruhm des Auslandes vor den Heldentaten Friedrichs des Großen, vor den Siegen der Befreiungskriege, vor den Namen von Metz, Sedan und Paris! Und wenn das Aus- land gar zu lange gewohnt war, in uns ein Volk von philo- ſophiſchen Träumern zu ſehen, das nur um die Palme wiſſen- ſchaftlichen und künſtleriſchen Ruhmes ringt, ſo haben unſere engliſchen und franzöſiſchen Nachbarn ſtaunend es in unſeren Tagen ſehen müſſen, wie ſie von den Deutſchen auch auf den Gebieten überflügelt wurden, auf denen ſie ſich für uner- reichbar hielten. Nicht bloß für die Wiſſenſchaften und Künſte, nicht bloß für die tiefen innerlichen Probleme der Philoſophie und Theologie hat der deutſche Geiſt ſich als bahnbrechend erwieſen: nein auch dort, wo England alle Völker ſonſt aus dem Felde ſchlug, auf allen Gebieten der Technik, des induſtriellen Lebens, der Seefahrt und des Han- dels hat der Tiefſinn, die Genialität und Schöpferkraft des deutſchen Weſens ſich nicht minder glänzend bewährt. Seit der Deutſche von der einſeitigen Pflege der Künſte und Wiſſenſchaften ſich wieder dem Staate und ſeinen reali- ſtiſchen Aufgaben zugewendet hat, ſeit das große organiſa- toriſche Talent, das in der Anlage des Deutſchen liegt, auch hier zur Geltung gekommen iſt, ſeit wir ein Staatsweſen ge- ſchaffen haben im deutſchen Reiche, mit deſſen innerer Ver-

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Christopher Georgi, Susanne Haaf, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 22. August 1914, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine34_1914/7>, abgerufen am 24.11.2024.