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Allgemeine Zeitung, Nr. 346, 14. Dezember 1890.

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Sonntag, Viertes Morgenblatt, Nr. 346 der Allgemeinen Zeitung. 14. December 1890.


[Spaltenumbruch]

Inhalts-Uebersicht.

Nilitärisches aus Rußland. -- Für den Weihnachts-
tisch.
(VI.) -- Militär-Literatur.


Militärisches aus Rußland.

* Ueber die Dislocationen an der Westgrenze Ruß-
lands
berichtet die Berliner "Post": "Gegenüber einem Deutschen
wurde jüngst in St. Petersburg die Versicherung ausgesprochen,
daß die "Aitia" zu der größeren Anzahl von Truppenbewegungen
nach Westen nicht sowohl vom Kriegs-, als vielmehr vom Ver-
kehrsministerium
(!) ausgehe, und zwar aus dem für den
Zustand vieler russischer Bahnlinien nicht eben schmeichelhaften
Grunde, weil sie im Mobilmachungsfalle den an sie herantretenden
Anforderungen nicht würden gerecht werden können. Für einige,
namentlich östliche Strecken, würde vor allem auch die ungenügende
Versorgung der Locomotiven mit Wasser sich als ein Betriebs-
hinderniß herausstellen. Daß solche Gesichtspunkte ins Gewicht
fallen, ist nicht zu bezweifeln, unverkennbar aber ist andrerseits,
daß die Ausführung dieser angeblich vom Ministerium der Ver-
kehrswege ausgebenden Veränderungen durchaus nach rein
strategischen Gesichtspunkten,
und zwar mehr gegen Oester-
reich gerichtet als gegen Deutschland, erfolgt. Niemand kann
sich wundern, daß die Heeresleitung solche Erwägungen an-
stellt, und ein großer Optimist würde selbst darin, daß unver-
hältnißmäßig viel Cavallerie an der deutsch-österreichischen Grenze
steht, kein beruhigendes Symptom erblicken wollen, weil sich eben
Reiterei auf den Schienenwegen schwieriger befördern läßt, als
Infanteriemassen. Dennoch kommt hier schon ein weiteres Mo-
ment in Frage. Es kostet Rußland nicht unbedeutende Geldopfer,
seine Cavallerie so weit nach Westen vorzuschieben; einmal wird
der Pferdeersatz fast ausschließlich im Osten, namentlich im Gou-
vernement Kasan, gedeckt, muß also weite Wege zurücklegen, ferner
sind aber auch die Unterhaltungskosten der Reiterei wegen der
höheren Futterpreise im Westen nennenswerth größer. Die wahre
Lage kennzeichnet sich schließlich aber auch dadurch, daß eben sehr viele
Verschiebungen stattfinden, welche allein dazu dienen, die Regi-
menter einzelner Divisionen näher zusammen zu legen, wobei die
Bahnen gar nicht in Betracht kommen. Von solchen Verlegungen
hat man sich selbst dann nicht abbalten lassen, wenn sie
den örtlichen Interessen stracks zuwiderliefen. So verloren,
trotz ihrer gesuchsweise eingereichten dringlichen Vorstellungen,
kleine Städte ihre Garnisonen, welche vielen Einwohnern
eine Quelle des Einkommens waren, während andere der-
maßen überfluthet wurden, daß die Truppen zu einer drückenden
Last wurden, ganz ungeachtet dessen, daß unter solchen Verhält-
nissen auch für viele Officiersfamilien kaum ein Unterkommen zu
finden war und Obersten sich mit Wohnungen begnügen mußten,
wie sie z. B. bei unsern noch in Bürgerquartieren untergebrachten
Truppentheilen kaum ein verheiratheter Wachtmeister für besonders
günstig ansehen würde. Dies liegt in der Natur der Dinge.
In Mlawa, einem jammeroollen polnischen Neste, 71/2 Kilometer
von der deutschen Grenze, welches 8562 Einwohner hat, stehen
4 Bataillone und 6 Escadrons, also zwei Regimentsstäbe, im
ganzen mindestens 120 Ossiciere und 3000 Mann; in dem meist
von armen Handelsjuden bewohnten Städtchen Ostrolenka kommen
auf 4865 Einwohner 1976 Soldaten; in Dubno, wo eben-
falls die jüdische Bevölkerung die christliche an Zahl über-
trifft, kommt auf 7174 Einwohner eine Garnisonsstärke von
wenigstens 4345 Mann, worunter 150 Officiere. Die Zahl
der Soldaten aber ist in einigen Orten sogar stärker, als die der
Civilisten, so z. B. in Menschibuschin und Schmerinka im Gou-
vernement Podolien, wo auf etwa 1800 Einwohner je 1976
Mann eines Infanterieregiments kommen; in Nowo-Alexandrija,
25 Kilometer von der österreichischen Grenze, kommen 3798 Mann
und 154 Ossiciere auf wenig mehr als 2000 Einwohner, d. h.
also ungefähr 2 Soldaten auf 1 Einwohner. So interessant es
ist, diesen Thatsachen nachzugehen, so ist es doch in Betrachtung
der immer zunehmenden inneren Ausgestaltung der russischen Armee
an der Grenze noch durchaus nicht der wichtigste Punkt, auf wel-
chen das Augenmerk zu richten ist, obschon die Nähe des Ortes
der Handlung zu dieser Annahme leicht versühren könnte. Die Erfahrung
aber hat gelehrt, daß in den letzten Jahren Veränderungen in großem
Stile sehr überraschend kamen, freilich hatten sie ihren Entstehungsort in
einem der Beobachtung recht fern liegenden Gebiete, den
Bezirken des Kaukasus und östlich des Schwarzen
Meeres.
Bei der vorzüglichen Verbindung, die Kaukasien nun-
mehr mit Europa hat, dürfen die dort ins Werk gesetzten mili-
tärischen Neuerungen und Neuformationen durchaus nicht unbeachtet
bleiben. Die großen Veränderungen der letzten zwei Jahre haben
dort ihre Quelle gehabt. Im Jahre 1888 wurde aus dem
Kaukasus die 19. Infanteriedivision mit der einen Brigade nach
Uman, mit der anderen nach Tscherkas, also ins Gouvernement
Kijew, verlegt. Als dann im Frühjahr 1889 in Kleinrußland eine
zweite combinirte Kosakendivision mit dem Stabe in Charkow
formirt wurde, welche jetzt nächst der österreichischen Grenze mit
dem Stabe in Kamenez-Podolsk steht, lieferte das Gebiet nördlich
des Kankasus das Material, nämlich 2 donische Regimenter,
1 Kuban- und 1 Tersk-Kosakenregiment. Zum Ersatze für diesen
Abgang wurde alsbald aus dem zweiten Kosaken-Aufgebote
in Krimskaja (Bezirk Kuban) ein neues Regiment aufgestellt
und Tschernomor-Reiterregiment benannt. Im Herbste des-
selben Jahres wurden für die Entziebung der 4 Infanterie-
regimenter der 19. Division 14 kaukasische Reservebataillone auf-
gestellt mit der Bestimmung, daß diese im Kriegsfalle 14 Regi-
menter zu sormiren haben. Die im November 1889 herausgegebene
Dislocationstabelle der russischen Armee bezeichnet ferner ein
Delischan'sches Regiment in Tiflis und ein Ardahan'sches in
Alexandropol, im Gonvernement Eriwan, als "in der Formirung
begriffen". Im selben Monat wurde auch im Kaukasus die Zahl
der kaukasischen Refervebataillone von 6 auf 9 vermehrt. Aus
der 1889er Dislocationstabelle geht endlich hervor, daß die Stäbe
derselben in Grosni, Suchum und Schatojewskoje zu suchen sind.
Die Namen der Commandeure dieser Neuformationen sind noch,
bis auf einen, dort nicht zu finden. Immerhin also ist festzustellen,
daß allein in Kaukasien während des verflossenen Jahres 25
Bataillone aufgestellt worden sind, und es ist gewiß nicht außer
dem Bereiche der Wahrscheinlichkeit liegend, daß in früherer oder
späterer Zeit eine weitere Infanteriedioision der 19. auf ihrem
Zuge nach Westen folgen könnte.



Für den Weihnachtstisch.
VI. Episch-Lyrisches.

Ie Unstreitig die bedeutendste Erscheinung im Gebiete der
Epik, welche, wie früher bemerkt (vergl. Abendblatt Nr. 233 der
Allgemeinen Zeitung vom 23. Aug.), einen auffälligen Zug nach
einem historischen Hintergrunde bekundet, bilden, "Die Pappen-
heimer"
von Julius Wolff (Berlin 1889. Grote. 343 S. 8°).
Der Dichter nennt sein Werk "ein Reiterlied", welches in 23 Aven-
tären die Schicksale, Wechselfälle und Liebe dreier Freunde schil-
[Spaltenumbruch] dert, die im Regiment des berühmten "Schrammhanns" die erste
Hälfte des 30 jährigen Krieges oder, genauer gefaßt, von Magde-
burg bis Lützen wacker durchkosten. Mit seiner bewunderungs-
würdigen Kunst, Charaktere zu skizziren, führt uns der Rattenfänger-
Sänger ein buntes Gewimmel von meist scharf gezeichneten Ge-
stalten vor, welche im raschesten Vorübertreiben unser Interesse er-
regen und fesseln. Da sind in erster Reihe der Held der ganzen
Dichtung, der ritterliche Helmuth Schenk v. Vargula mit seinen
beiden Waffenbrüdern, dann die beiden ungleichen, aber mit der-
selben Sorgfalt poetisch herausgemeißelten Frauengestalten Helene
und Editha; dazwischen eine Menge anderer Figuren, welche im steten
Wechsel auf dem Hintergrunde sich abheben und wieder verschwinden,
wie der Weibel Muckel Brändlin, der Prosoß und Numormeister,
der allzeit durstige Fahnenschmied Jakob Trümlein, der Proviant-
meister, die Schreiber Plattner und Weibel. Das schwirrt und
kugelt durcheinander im frischesten Treiben mit immer neuem Men-
schenmaterial, durch alle Situationen der Kriegsfurie: Sturm,
Lagerleben, Marsch, Ueberfall, Rebellion und Menterei, durch
Wahlstatt, Schlacht und Todesgrauen; da strahlt ein holdseliges
Frauenbild, welches uns edelsinnig durch das Ganze geleitet, da
schäkert die Courtisane und springt durch das Leben im tollsten Jubel
eines Rubens'schen Kirmestanzes. Dazwischen treten mit bekannten
Zügen die historischen Portraitbilder eines Tilly und Gustav
Adolf, des edlen Pappenheim und des Friedländers. Und dazu
handhabt unser Poet die Sprache mit bekannter Bravour, er reitet
seinen Pegasus in den zierlichsten Courbetten, wagt die kühnsten
Sätze und Sprünge, läßt ihn zeitweise aber auch im Bummeltone
traben und führt ihn bisweilen auch zur Ruhe und Fütterung in
einen prosaischen Stall. Dann gibt es lange Relationen, welche
in ungebundener Form den Genuß des Lesers kaum vermindern
würden, dafür aber anderen Partien voll wirklicher Poesie zur
Folie dienen, z. B.:

"Die Schenkelwunde heilte günstig
Und nahm den leichtesten Verlauf,
Doch an der Schulter flammte brünstig
Gesährlich die Entzündung auf." (S. 281.)

In solcher Laune macht es dem Autor Spaß, mehrsylbige
Worte zweisylbig zu gebrauchen ("Off'cier" S. 253 oder "Exc'llenz"
S. 258), oder unter die vierfüßigen Trochäen ein derartiges Un-
geheuer einzuschmuggeln:



"Kinder |, ob's wohl | nur glück | lich ab | läuft?!" (S. 62);
auch läßt er dem Lieutenant von seinen Soldaten den Antrag machen
"Er kann uns gefälligst den Buckel raufsteigen!" Das Kühnste
in der Neuheit des Neimes bietet wohl der Witz (S. 56):

"Auf Reiterehre schwör ich's dir
Als Pappenheim'scher Cürassier!" (S. 56.)

Dergleichen leicht entbehrliche Nebensächelchen verschwinden
freilich über der Schönheit des Ganzen oder der hinreißenden
Schilderung der Schlacht bei Lützen; auch das Cantabile des Volks-
liedertons ist meist prächtig getroffen (S. 288):

"Kein schön'rer Tod auf freiem Feld,
Als Reitertod zu sterben,
Vom Roß herab als Herr und Held
Um's ew'ge Leben werben.
Bleibt auch die Kugel lange noch,
Einmal geflogen kommt sie doch
Und wirft dich über Seiten.
Schnell sagt der Tod dir guten Tag,
Dann ist es aus auf einen Schlag
Mit Lieb' und Lust und Reiten."

Eine inhaltlich sehr anziehende Künstlergeschichte hat Georg
Bormann
unter dem Titel "Hans Volkmar" (Berlin, 1890,
bei Kurt Brachvogel, S. 364) gedichtet. Hans Volkmar ist ein
junger Künstler, welcher Nürnberg und seine Geliebte Maria ver-
läßt, weil ihr Vater seinen Schwiegersohn nur im Dienste der
Bauhütte sehen möchte, Hans Volkmar aber weiter und höher
hinaus will. Dieses hohe Ziel zu erreichen und einen berühmten
Namen zu erringen, wandert Volkmar gegen Italien, begegnet in-
dessen unterwegs einem Landsknechtzug, wobei sich der junge Mann,
welcher das Amt eines Baumeisters unter seiner Würde hielt, als
Kriegsknecht anwerben läßt; er zieht gegen die Türken, zeichnet sich
vor Ofen aus, wird Lieutenant und erhält für seine Wunden die
goldene Kette. Kaum genesen, wandert er mitten im winterlich-
sten Schneesturm über die Berge nach Venedig, wo der deutsche
Hans in einer Soiree bei Tizian sein Herz an eine herzlose Mar-
chesa Foscari verliert, bis er endlich ihrem Banne entflieht und
über Florenz nach Rom eilt, als Gehülfe des Topolino mit
Michel Angelo bekannt wird und den durch einen Sturz beschädig-
ten Meister pflegt, welcher ihm dafür seinen vollendeten "Moses"
zuerst zeigt und sehr tiefsinnig, aber viel zu wortreich mit langer
Rede wie ein deutscher Professor erklärt. Indessen ist die
von Maria's Vater gestellte Zeit unausgenützt abgelaufen,
Hans kehrt nach Nürnberg zurück und gewinnt durch ein von
ihm gemeißeltes Bildniß endlich die Zusage des zäben Alten, wel-
cher unterdessen die Festungsmauern der Stadt Nürnberg aus-
gebaut und vollendet hat und durch ein eigenes Volksfest dafür
fetirt wird. Seltsamerweise hat der Dichter viele prachtvolle alte
Volkslieder, welche ihm gerade in die Situation paßten, eingewoben
und dadurch seinen eigenen Erzeugnissen einen empfindlichen
Schaden zugefügt, da ihrer prägnanten Einfachheit gegenüber seine
breite, oft unklare Redefülle nur noch schwerfälliger empfunden
wird. Das Buch hat eine Menge schöner Stellen, insbesondere
Expectorationen über das Wesen der Kunst, aber das Meiste ist zu
umständlich und in dilettantischer Form gesagt. Daß S. 72 ein-
mal "gejauchzst" wird, ist wohl nur Druckfehler. Wie er-
müdend wirkt die fünfundzwanzig Seiten lange Einleitung mit
ihrem holperigen Jambengang; dann erwärmt der Fortgang
wieder, um alsbald in metrisch abgehackte Form überzugehen. Und
derselbe Proceß wiederholt sich immer wieder. Schade, daß das
Ganze nicht gleich als Roman oder Novelle in Prosa abgefaßt
wurde. Es gibt wunderliche Träume, wo man zu sliegen wähnt
und, obwohl furchtbar abgemattet, doch nicht von der Stelle
kommt. So geht es dem Leser dieses Buches, welches indessen,
wenn es der Dichter über sich gewinnen kann, bei der nächsten
Auflage das kritische Messer mit fester Hand an sein Werk zu
legen, einer freudigen Aufnahme sicher entgegensehen darf.

Eduard Mörike's "Gedichte" liegen nun in neunter
Auflage vor (Stuttgart, 1890, bei Göschen, XXXII, 408 S. kl. 8°),
zugleich als erster Band einer Gesammtausgabe. Eine warm em-
pfundene Skizze seines Lebens und kurze Würdigung seiner Schrif-
ten bilden die Einleitung; angehängt sind einige Kleinigkeiten aus
dem Nachlaß. Mörike war und bleibt ein echter Dichter, bei wel-
chem Alles in gleich harmonischem Zusammenklange stebt:
Charakter, Geist und kunstvollendete Formgebung. Dabei spielt
auch eine feine, den Schwaben überhaupt eigene, überaus harm-
lose Heiterkeit mit, welche -- man denke z. B. nur an die fröh-
liche "Idylle vom Bodensee" (S. 325--398) -- mit rosiger
Schalkhaftigkeit Alles übergoldet. Kein Mißton trübt die echt
rhythmische Grundstimmung seiner Poesie, welche mit Vorliebe ge-
rade aus dem Bereiche der Musik ihre Stoffe wählt. Eine Muster-
[Spaltenumbruch] leistung dieser Art ist die in flüssigster Prosa geschriebene kleine
Novelle "Mozart auf der Reise nach Prag", welche, lange
Zeit schon vergriffen, von derselben Verlagshandlung in gleich
zierlicher und handsamer (dritter) Auflage ausgegeben wird
(Stuttgart, 1890, Göschen. 105 S. 12°). Es gibt in der gan-
zen Literatur kein zweites damit vergleichbares Buch, das den
Componisten des "Don Juan" als Menschen und Tondichter so
leicht verständlich vorführt und den ganzen Mann und Künstler
nebst der Frau Constanze in wahrhaftester Weise abspiegelt, den
Maestro für uns gewinnt und mit warmer Liebe für dessen Sein
und Schaffen erfüllt. Dabei spielt sich die ganze Geschichte mit
den kleinen, ineinander geflochtenen Erzählungen so ungesucht und
heiter ab, wie echte Mozart'sche Musik. Auch das fein-
humoristische, im echtesten Volkston gehaltene Märchen vom
"Stuttgarter Hutzelmännlein" erscheint in neuer Separat-
auflage. Das wäre ein Stoff für einen Illustrator! wie denn
auch, dem Vernehmen nach, unser gemüthvoller Ferdinand Roth-
bart längst schon mit Bildern zu den Aventüren des "Seppe" und
"Pechschwitzer" beschäftigt ist, nachdem kein Geringerer als Moriz
v. Schwind die reizende "Historie von der schönen Lan" in sieben
Compositionen in Scene gesetzt hat. Als weitere Bestandtheile
sind dem zweiten Bande der "Gefammelten Schristen" die kleinen
Erzählungen ("Der Schatz", "Der Bauer und sein Sohn", "Die
Hand der Jezerte" und "Lucie Gelmeroth"), welche bisher in Al-
manachen ungerecht vergessen und zerstreut lagen, einverleibt,
während der dritte und vierte Band den Roman "Maler
Nolten"
in Mörike's letzter Ueberarbeitung wieder ans Licht bringt.



r. Hans von Dornen, des Kronprinzen Kadett.
Von C. Tanera. Eine Erzählung aus dem deutsch-französischen
Kriege 1870/71. Verlag von Velhagen und Klasing in Bielefeld
und Leipzig. "Mein Büchlein hat ein ehrliches Gesicht und wird
auch ohne Militärpaß und Ueberweisungsmaterial, d. h. ohne
eigentliches Vorwort seinen Weg finden." So schrieb Tanera in
seinem kurzen Vorwort, als er im Jahre 1887 mit seinen "Ernsten
und beiteren Erinnerungen aus dem Feldzuge 1870/71", in denen
er sich als Meister der Darstellung persönlicher Erlebnisse er-
wiesen hat, vor die Oeffentlichkeit trat. Der Verfasser hatte Recht,
denn nicht leicht ist ein Schriftsteller in verhältnißmäßig kurzer
Zeit so volksthümlich geworden, wie er. Tanera versteht es aber
auch, anschaulich, warm und erwärmend zu schreiben. In vor-
liegendem Buche "Hans von Dornen, des Kronprinzen Kadett"
versucht sich der Versasser auf einem neuen Gebiete. Er hat hier
in der Erzählung der Erlebnisse eines wackeren süddeutschen Be-
amtensohnes eine interessante Form für die Darstellung der voll-
ständigen Geschichte des deutsch-französischen Krieges gefunden, wie
sie hinreißender und packender für die Jugend nicht leicht gedacht
werden kann, zumal auch die Art, in welcher dem Kronprinzen
Friedrich Wilbelm darin ein Denkmal gesetzt ist, tief zum Herzen
spricht. 16 Tonbilder von Georg Koch und eine Karte des Kriegs-
schauplatzes zieren das prachtvoll gebundene Buch, welches wir als
einen Schmuck der diesjährigen Weihnachts-Jugendliteratur begrüßen
dürfen. Dank dafür dem Verfasser im Namen unsrer lieben Jugend.

r. Des deutschen Knaben Turn-, Spiel- und Sport-
buch.
Praktische Anleitung zu nützlichen Körperübungen außer-
halb der Schule: Turnen, Exerciren, Fechten, Schießen, Bewegungs-
spielen, Baden, Schwimmen und Springen, Rudern und Segeln,
Schlittschuhlaufen und Eissegeln, Radfahren. Der männlichen
Jugend zur Lust und Freude, zur Pflege und Ausbildung des
Körpers. Von E. Barth, Schuldirector, und L. Schützer, Turn-
lehrer. Mit vielen erläuternden Abbildungen. Bielefeld und Leipzig.
Verlag von Velhagen und Klasing. 1891. "Im Kleinen fange
an und lerne: Beharrlichkeit führt dich zum Ziel." Die Wider-
standsfähigkeit der Jugend durch vermehrte Ausbildung des Körpers
zu stärken, muß das Bestreben der heutigen Erziehung sein, denn
"ein gesunder Geist kann nur in einem gesunden, leistungsfähigen
Körper" wohnen. Es ist daher nothwendig, die Knaben von
frühester Jugend an alle Arten von körperlichen Uebungen erlernen
zu lassen, um dadurch ihre Muskeln zu stählen und ihren Muth
zu erhöhen, dann werden sie sich von selbst auch ein Selbstbewußt-
sein, Geistesgegenwart und eine gewisse Selbstbeherrschung aneignen.
In diesem Sinne ist vorliegendes Turn-, Spiel- und Sportbuch
geschrieben, das bei richtiger Anwendung unsre Jugend sicherlich
anregen und nicht nur Nutzen, sondern auch helle Freude stiften wird.



Militär-Literatur.

r. Handbuch für die Officiere des Beurlaubten-
standes der Infanterie.
Unter Redaction des Oberstlieute-
nants z. D. Transfeldt. Berlin. Mittler und Sohn. In Mappe
6 M. In vorliegendem Handbuch ist alles für den Dienst des
Officiers der Infanterie des Beurlaubtenstandes Wissenswerthe in
übersichtlicher Form dargestellt. Das Werk, in Taschenformat ge-
druckt, zerfällt in folgende Theile: Innerer Dienst (Allgemeine
Dienstverhältnisse. -- Innerer Dienst der Compagnie -- Disci-
plin, Gerichtsdienst, Ehrengerichte. -- Verwaltung.) Aeußerer
Dienst (Dienstunterricht. -- Turnen und Bajonettiren. -- Exer-
ciren. -- Waffen, Munition, Schießen. -- Gefechtslehre. -- Feld-
dienst. -- Garnisondienst.) Mobilmachung. Alle diese Abschnitte
sind in ein handliches Futteral vereinigt und können nach Bedarf
einzeln aus demselben genommen werden. Das gesammte Hand-
buch wird dem Infanterie-Ossicier des Beurlaubtenstandes stets ein
guter Behelf sein. Die Herausgabe eines ähnlichen Buches für
die Officiere der anderen Wassen wäre erwünscht.

r. Dienstvorschriften für Officiersadspiranten,
Reserve- und Landwehrofficiere.
Nach den neuesten
Verordnungen zusammengestellt von Oberstlieutenant z. D. und
Bezirkscommandeur Friedrich v. Oelhafen. Kitzingen 1890.
Bedacht. Vorliegendes Büchlein enthält alle Vorschriften, welche
der Einjährig-Freiwillige in seiner zukünftigen Laufbahn als
Officiersadspirant, Reserve- und Landwehrofficier wissen muß, außer-
dem wird es jedermann, der sich über die militärischen Verhältnisse
der Officiere des Beurlaubtenstandes informiren möchte, den
richtigen Aufschluß geben. Das Schristchen, welchem eine Dis-
locationskarte der k. bayerischen Truppen -- vom 1. April 1891
an -- beigegeben ist, verdient Beachtung.

r. Der deutsche Infanterist im Dienst-Unterricht.
Bearbeitet in Gliederungen. Ein Lehrbuch für das deutsche Heer.
Herausgegeben von Max Menzel, Premierlieutenant im 3. Posen'-
schen Infanterie-Regiment Nr. 58. Zweite verbesserte, vermehrte,
mit vielen Holzschnitten und farbigen Abbildungen versehene Auf-
lage. Berlin 1890. Mittler und Sohn. Wir erwähnen hier
ein Werk, das, in der Armee verbreitet, seine Anerkennung und
Würdigung durch den schnellen Absatz der ersten Auflage thatsäch-
lich schon gefunden hat. Menzels Buch ist aber auch ein vortreff-
licher Leitfaden, der namentlich den jungen Officieren und Fähn-
richen in Folge der praktischen Gliederung des Lehrstoffes bei Er-
theilung des theoretischen Unterrichts ein höchst werthvolles Hülfs-
mittel sein wird. Zahlreiche Holzschnitte und farbige Abbildungen
dienen dem Inhalt zur Erläuterung. Fremdwörter sind nach
Möglichkeit vermieden, was ebenfalls Lob verdient.

Sonntag, Viertes Morgenblatt, Nr. 346 der Allgemeinen Zeitung. 14. December 1890.


[Spaltenumbruch]

Inhalts-Ueberſicht.

Nilitäriſches aus Rußland. — Für den Weihnachts-
tiſch.
(VI.)Militär-Literatur.


Militäriſches aus Rußland.

* Ueber die Dislocationen an der Weſtgrenze Ruß-
lands
berichtet die Berliner „Poſt“: „Gegenüber einem Deutſchen
wurde jüngſt in St. Petersburg die Verſicherung ausgeſprochen,
daß die „Aitia“ zu der größeren Anzahl von Truppenbewegungen
nach Weſten nicht ſowohl vom Kriegs-, als vielmehr vom Ver-
kehrsminiſterium
(!) ausgehe, und zwar aus dem für den
Zuſtand vieler ruſſiſcher Bahnlinien nicht eben ſchmeichelhaften
Grunde, weil ſie im Mobilmachungsfalle den an ſie herantretenden
Anforderungen nicht würden gerecht werden können. Für einige,
namentlich öſtliche Strecken, würde vor allem auch die ungenügende
Verſorgung der Locomotiven mit Waſſer ſich als ein Betriebs-
hinderniß herausſtellen. Daß ſolche Geſichtspunkte ins Gewicht
fallen, iſt nicht zu bezweifeln, unverkennbar aber iſt andrerſeits,
daß die Ausführung dieſer angeblich vom Miniſterium der Ver-
kehrswege ausgebenden Veränderungen durchaus nach rein
ſtrategiſchen Geſichtspunkten,
und zwar mehr gegen Oeſter-
reich gerichtet als gegen Deutſchland, erfolgt. Niemand kann
ſich wundern, daß die Heeresleitung ſolche Erwägungen an-
ſtellt, und ein großer Optimiſt würde ſelbſt darin, daß unver-
hältnißmäßig viel Cavallerie an der deutſch-öſterreichiſchen Grenze
ſteht, kein beruhigendes Symptom erblicken wollen, weil ſich eben
Reiterei auf den Schienenwegen ſchwieriger befördern läßt, als
Infanteriemaſſen. Dennoch kommt hier ſchon ein weiteres Mo-
ment in Frage. Es koſtet Rußland nicht unbedeutende Geldopfer,
ſeine Cavallerie ſo weit nach Weſten vorzuſchieben; einmal wird
der Pferdeerſatz faſt ausſchließlich im Oſten, namentlich im Gou-
vernement Kaſan, gedeckt, muß alſo weite Wege zurücklegen, ferner
ſind aber auch die Unterhaltungskoſten der Reiterei wegen der
höheren Futterpreiſe im Weſten nennenswerth größer. Die wahre
Lage kennzeichnet ſich ſchließlich aber auch dadurch, daß eben ſehr viele
Verſchiebungen ſtattfinden, welche allein dazu dienen, die Regi-
menter einzelner Diviſionen näher zuſammen zu legen, wobei die
Bahnen gar nicht in Betracht kommen. Von ſolchen Verlegungen
hat man ſich ſelbſt dann nicht abbalten laſſen, wenn ſie
den örtlichen Intereſſen ſtracks zuwiderliefen. So verloren,
trotz ihrer geſuchsweiſe eingereichten dringlichen Vorſtellungen,
kleine Städte ihre Garniſonen, welche vielen Einwohnern
eine Quelle des Einkommens waren, während andere der-
maßen überfluthet wurden, daß die Truppen zu einer drückenden
Laſt wurden, ganz ungeachtet deſſen, daß unter ſolchen Verhält-
niſſen auch für viele Officiersfamilien kaum ein Unterkommen zu
finden war und Oberſten ſich mit Wohnungen begnügen mußten,
wie ſie z. B. bei unſern noch in Bürgerquartieren untergebrachten
Truppentheilen kaum ein verheiratheter Wachtmeiſter für beſonders
günſtig anſehen würde. Dies liegt in der Natur der Dinge.
In Mlawa, einem jammeroollen polniſchen Neſte, 7½ Kilometer
von der deutſchen Grenze, welches 8562 Einwohner hat, ſtehen
4 Bataillone und 6 Escadrons, alſo zwei Regimentsſtäbe, im
ganzen mindeſtens 120 Oſſiciere und 3000 Mann; in dem meiſt
von armen Handelsjuden bewohnten Städtchen Oſtrolenka kommen
auf 4865 Einwohner 1976 Soldaten; in Dubno, wo eben-
falls die jüdiſche Bevölkerung die chriſtliche an Zahl über-
trifft, kommt auf 7174 Einwohner eine Garniſonsſtärke von
wenigſtens 4345 Mann, worunter 150 Officiere. Die Zahl
der Soldaten aber iſt in einigen Orten ſogar ſtärker, als die der
Civiliſten, ſo z. B. in Menſchibuſchin und Schmerinka im Gou-
vernement Podolien, wo auf etwa 1800 Einwohner je 1976
Mann eines Infanterieregiments kommen; in Nowo-Alexandrija,
25 Kilometer von der öſterreichiſchen Grenze, kommen 3798 Mann
und 154 Oſſiciere auf wenig mehr als 2000 Einwohner, d. h.
alſo ungefähr 2 Soldaten auf 1 Einwohner. So intereſſant es
iſt, dieſen Thatſachen nachzugehen, ſo iſt es doch in Betrachtung
der immer zunehmenden inneren Ausgeſtaltung der ruſſiſchen Armee
an der Grenze noch durchaus nicht der wichtigſte Punkt, auf wel-
chen das Augenmerk zu richten iſt, obſchon die Nähe des Ortes
der Handlung zu dieſer Annahme leicht verſühren könnte. Die Erfahrung
aber hat gelehrt, daß in den letzten Jahren Veränderungen in großem
Stile ſehr überraſchend kamen, freilich hatten ſie ihren Entſtehungsort in
einem der Beobachtung recht fern liegenden Gebiete, den
Bezirken des Kaukaſus und öſtlich des Schwarzen
Meeres.
Bei der vorzüglichen Verbindung, die Kaukaſien nun-
mehr mit Europa hat, dürfen die dort ins Werk geſetzten mili-
täriſchen Neuerungen und Neuformationen durchaus nicht unbeachtet
bleiben. Die großen Veränderungen der letzten zwei Jahre haben
dort ihre Quelle gehabt. Im Jahre 1888 wurde aus dem
Kaukaſus die 19. Infanteriediviſion mit der einen Brigade nach
Uman, mit der anderen nach Tſcherkas, alſo ins Gouvernement
Kijew, verlegt. Als dann im Frühjahr 1889 in Kleinrußland eine
zweite combinirte Koſakendiviſion mit dem Stabe in Charkow
formirt wurde, welche jetzt nächſt der öſterreichiſchen Grenze mit
dem Stabe in Kamenez-Podolsk ſteht, lieferte das Gebiet nördlich
des Kankaſus das Material, nämlich 2 doniſche Regimenter,
1 Kuban- und 1 Tersk-Koſakenregiment. Zum Erſatze für dieſen
Abgang wurde alsbald aus dem zweiten Koſaken-Aufgebote
in Krimskaja (Bezirk Kuban) ein neues Regiment aufgeſtellt
und Tſchernomor-Reiterregiment benannt. Im Herbſte des-
ſelben Jahres wurden für die Entziebung der 4 Infanterie-
regimenter der 19. Diviſion 14 kaukaſiſche Reſervebataillone auf-
geſtellt mit der Beſtimmung, daß dieſe im Kriegsfalle 14 Regi-
menter zu ſormiren haben. Die im November 1889 herausgegebene
Dislocationstabelle der ruſſiſchen Armee bezeichnet ferner ein
Deliſchan’ſches Regiment in Tiflis und ein Ardahan’ſches in
Alexandropol, im Gonvernement Eriwan, als „in der Formirung
begriffen“. Im ſelben Monat wurde auch im Kaukaſus die Zahl
der kaukaſiſchen Refervebataillone von 6 auf 9 vermehrt. Aus
der 1889er Dislocationstabelle geht endlich hervor, daß die Stäbe
derſelben in Grosni, Suchum und Schatojewskoje zu ſuchen ſind.
Die Namen der Commandeure dieſer Neuformationen ſind noch,
bis auf einen, dort nicht zu finden. Immerhin alſo iſt feſtzuſtellen,
daß allein in Kaukaſien während des verfloſſenen Jahres 25
Bataillone aufgeſtellt worden ſind, und es iſt gewiß nicht außer
dem Bereiche der Wahrſcheinlichkeit liegend, daß in früherer oder
ſpäterer Zeit eine weitere Infanteriedioiſion der 19. auf ihrem
Zuge nach Weſten folgen könnte.



Für den Weihnachtstiſch.
VI. Epiſch-Lyriſches.

Є Unſtreitig die bedeutendſte Erſcheinung im Gebiete der
Epik, welche, wie früher bemerkt (vergl. Abendblatt Nr. 233 der
Allgemeinen Zeitung vom 23. Aug.), einen auffälligen Zug nach
einem hiſtoriſchen Hintergrunde bekundet, bilden, „Die Pappen-
heimer“
von Julius Wolff (Berlin 1889. Grote. 343 S. 8°).
Der Dichter nennt ſein Werk „ein Reiterlied“, welches in 23 Aven-
tären die Schickſale, Wechſelfälle und Liebe dreier Freunde ſchil-
[Spaltenumbruch] dert, die im Regiment des berühmten „Schrammhanns“ die erſte
Hälfte des 30 jährigen Krieges oder, genauer gefaßt, von Magde-
burg bis Lützen wacker durchkoſten. Mit ſeiner bewunderungs-
würdigen Kunſt, Charaktere zu ſkizziren, führt uns der Rattenfänger-
Sänger ein buntes Gewimmel von meiſt ſcharf gezeichneten Ge-
ſtalten vor, welche im raſcheſten Vorübertreiben unſer Intereſſe er-
regen und feſſeln. Da ſind in erſter Reihe der Held der ganzen
Dichtung, der ritterliche Helmuth Schenk v. Vargula mit ſeinen
beiden Waffenbrüdern, dann die beiden ungleichen, aber mit der-
ſelben Sorgfalt poetiſch herausgemeißelten Frauengeſtalten Helene
und Editha; dazwiſchen eine Menge anderer Figuren, welche im ſteten
Wechſel auf dem Hintergrunde ſich abheben und wieder verſchwinden,
wie der Weibel Muckel Brändlin, der Proſoß und Numormeiſter,
der allzeit durſtige Fahnenſchmied Jakob Trümlein, der Proviant-
meiſter, die Schreiber Plattner und Weibel. Das ſchwirrt und
kugelt durcheinander im friſcheſten Treiben mit immer neuem Men-
ſchenmaterial, durch alle Situationen der Kriegsfurie: Sturm,
Lagerleben, Marſch, Ueberfall, Rebellion und Menterei, durch
Wahlſtatt, Schlacht und Todesgrauen; da ſtrahlt ein holdſeliges
Frauenbild, welches uns edelſinnig durch das Ganze geleitet, da
ſchäkert die Courtiſane und ſpringt durch das Leben im tollſten Jubel
eines Rubens’ſchen Kirmestanzes. Dazwiſchen treten mit bekannten
Zügen die hiſtoriſchen Portraitbilder eines Tilly und Guſtav
Adolf, des edlen Pappenheim und des Friedländers. Und dazu
handhabt unſer Poet die Sprache mit bekannter Bravour, er reitet
ſeinen Pegaſus in den zierlichſten Courbetten, wagt die kühnſten
Sätze und Sprünge, läßt ihn zeitweiſe aber auch im Bummeltone
traben und führt ihn bisweilen auch zur Ruhe und Fütterung in
einen proſaiſchen Stall. Dann gibt es lange Relationen, welche
in ungebundener Form den Genuß des Leſers kaum vermindern
würden, dafür aber anderen Partien voll wirklicher Poeſie zur
Folie dienen, z. B.:

„Die Schenkelwunde heilte günſtig
Und nahm den leichteſten Verlauf,
Doch an der Schulter flammte brünſtig
Geſährlich die Entzündung auf.“ (S. 281.)

In ſolcher Laune macht es dem Autor Spaß, mehrſylbige
Worte zweiſylbig zu gebrauchen („Off’cier“ S. 253 oder „Exc’llenz“
S. 258), oder unter die vierfüßigen Trochäen ein derartiges Un-
geheuer einzuſchmuggeln:



„Kinder |, ob’s wohl | nur glück | lich ab | läuft?!“ (S. 62);
auch läßt er dem Lieutenant von ſeinen Soldaten den Antrag machen
„Er kann uns gefälligſt den Buckel raufſteigen!“ Das Kühnſte
in der Neuheit des Neimes bietet wohl der Witz (S. 56):

„Auf Reiterehre ſchwör ich’s dir
Als Pappenheim’ſcher Cüraſſier!“ (S. 56.)

Dergleichen leicht entbehrliche Nebenſächelchen verſchwinden
freilich über der Schönheit des Ganzen oder der hinreißenden
Schilderung der Schlacht bei Lützen; auch das Cantabile des Volks-
liedertons iſt meiſt prächtig getroffen (S. 288):

„Kein ſchön’rer Tod auf freiem Feld,
Als Reitertod zu ſterben,
Vom Roß herab als Herr und Held
Um’s ew’ge Leben werben.
Bleibt auch die Kugel lange noch,
Einmal geflogen kommt ſie doch
Und wirft dich über Seiten.
Schnell ſagt der Tod dir guten Tag,
Dann iſt es aus auf einen Schlag
Mit Lieb’ und Luſt und Reiten.“

Eine inhaltlich ſehr anziehende Künſtlergeſchichte hat Georg
Bormann
unter dem Titel „Hans Volkmar“ (Berlin, 1890,
bei Kurt Brachvogel, S. 364) gedichtet. Hans Volkmar iſt ein
junger Künſtler, welcher Nürnberg und ſeine Geliebte Maria ver-
läßt, weil ihr Vater ſeinen Schwiegerſohn nur im Dienſte der
Bauhütte ſehen möchte, Hans Volkmar aber weiter und höher
hinaus will. Dieſes hohe Ziel zu erreichen und einen berühmten
Namen zu erringen, wandert Volkmar gegen Italien, begegnet in-
deſſen unterwegs einem Landsknechtzug, wobei ſich der junge Mann,
welcher das Amt eines Baumeiſters unter ſeiner Würde hielt, als
Kriegsknecht anwerben läßt; er zieht gegen die Türken, zeichnet ſich
vor Ofen aus, wird Lieutenant und erhält für ſeine Wunden die
goldene Kette. Kaum geneſen, wandert er mitten im winterlich-
ſten Schneeſturm über die Berge nach Venedig, wo der deutſche
Hans in einer Soirée bei Tizian ſein Herz an eine herzloſe Mar-
cheſa Foscari verliert, bis er endlich ihrem Banne entflieht und
über Florenz nach Rom eilt, als Gehülfe des Topolino mit
Michel Angelo bekannt wird und den durch einen Sturz beſchädig-
ten Meiſter pflegt, welcher ihm dafür ſeinen vollendeten „Moſes“
zuerſt zeigt und ſehr tiefſinnig, aber viel zu wortreich mit langer
Rede wie ein deutſcher Profeſſor erklärt. Indeſſen iſt die
von Maria’s Vater geſtellte Zeit unausgenützt abgelaufen,
Hans kehrt nach Nürnberg zurück und gewinnt durch ein von
ihm gemeißeltes Bildniß endlich die Zuſage des zäben Alten, wel-
cher unterdeſſen die Feſtungsmauern der Stadt Nürnberg aus-
gebaut und vollendet hat und durch ein eigenes Volksfeſt dafür
fetirt wird. Seltſamerweiſe hat der Dichter viele prachtvolle alte
Volkslieder, welche ihm gerade in die Situation paßten, eingewoben
und dadurch ſeinen eigenen Erzeugniſſen einen empfindlichen
Schaden zugefügt, da ihrer prägnanten Einfachheit gegenüber ſeine
breite, oft unklare Redefülle nur noch ſchwerfälliger empfunden
wird. Das Buch hat eine Menge ſchöner Stellen, insbeſondere
Expectorationen über das Weſen der Kunſt, aber das Meiſte iſt zu
umſtändlich und in dilettantiſcher Form geſagt. Daß S. 72 ein-
mal „gejauchzſt“ wird, iſt wohl nur Druckfehler. Wie er-
müdend wirkt die fünfundzwanzig Seiten lange Einleitung mit
ihrem holperigen Jambengang; dann erwärmt der Fortgang
wieder, um alsbald in metriſch abgehackte Form überzugehen. Und
derſelbe Proceß wiederholt ſich immer wieder. Schade, daß das
Ganze nicht gleich als Roman oder Novelle in Proſa abgefaßt
wurde. Es gibt wunderliche Träume, wo man zu ſliegen wähnt
und, obwohl furchtbar abgemattet, doch nicht von der Stelle
kommt. So geht es dem Leſer dieſes Buches, welches indeſſen,
wenn es der Dichter über ſich gewinnen kann, bei der nächſten
Auflage das kritiſche Meſſer mit feſter Hand an ſein Werk zu
legen, einer freudigen Aufnahme ſicher entgegenſehen darf.

Eduard Mörike’s „Gedichte“ liegen nun in neunter
Auflage vor (Stuttgart, 1890, bei Göſchen, XXXII, 408 S. kl. 8°),
zugleich als erſter Band einer Geſammtausgabe. Eine warm em-
pfundene Skizze ſeines Lebens und kurze Würdigung ſeiner Schrif-
ten bilden die Einleitung; angehängt ſind einige Kleinigkeiten aus
dem Nachlaß. Mörike war und bleibt ein echter Dichter, bei wel-
chem Alles in gleich harmoniſchem Zuſammenklange ſtebt:
Charakter, Geiſt und kunſtvollendete Formgebung. Dabei ſpielt
auch eine feine, den Schwaben überhaupt eigene, überaus harm-
loſe Heiterkeit mit, welche — man denke z. B. nur an die fröh-
liche „Idylle vom Bodenſee“ (S. 325—398) — mit roſiger
Schalkhaftigkeit Alles übergoldet. Kein Mißton trübt die echt
rhythmiſche Grundſtimmung ſeiner Poeſie, welche mit Vorliebe ge-
rade aus dem Bereiche der Muſik ihre Stoffe wählt. Eine Muſter-
[Spaltenumbruch] leiſtung dieſer Art iſt die in flüſſigſter Proſa geſchriebene kleine
Novelle „Mozart auf der Reiſe nach Prag“, welche, lange
Zeit ſchon vergriffen, von derſelben Verlagshandlung in gleich
zierlicher und handſamer (dritter) Auflage ausgegeben wird
(Stuttgart, 1890, Göſchen. 105 S. 12°). Es gibt in der gan-
zen Literatur kein zweites damit vergleichbares Buch, das den
Componiſten des „Don Juan“ als Menſchen und Tondichter ſo
leicht verſtändlich vorführt und den ganzen Mann und Künſtler
nebſt der Frau Conſtanze in wahrhafteſter Weiſe abſpiegelt, den
Maeſtro für uns gewinnt und mit warmer Liebe für deſſen Sein
und Schaffen erfüllt. Dabei ſpielt ſich die ganze Geſchichte mit
den kleinen, ineinander geflochtenen Erzählungen ſo ungeſucht und
heiter ab, wie echte Mozart’ſche Muſik. Auch das fein-
humoriſtiſche, im echteſten Volkston gehaltene Märchen vom
„Stuttgarter Hutzelmännlein“ erſcheint in neuer Separat-
auflage. Das wäre ein Stoff für einen Illuſtrator! wie denn
auch, dem Vernehmen nach, unſer gemüthvoller Ferdinand Roth-
bart längſt ſchon mit Bildern zu den Aventüren des „Seppe“ und
„Pechſchwitzer“ beſchäftigt iſt, nachdem kein Geringerer als Moriz
v. Schwind die reizende „Hiſtorie von der ſchönen Lan“ in ſieben
Compoſitionen in Scene geſetzt hat. Als weitere Beſtandtheile
ſind dem zweiten Bande der „Gefammelten Schriſten“ die kleinen
Erzählungen („Der Schatz“, „Der Bauer und ſein Sohn“, „Die
Hand der Jezerte“ und „Lucie Gelmeroth“), welche bisher in Al-
manachen ungerecht vergeſſen und zerſtreut lagen, einverleibt,
während der dritte und vierte Band den Roman „Maler
Nolten“
in Mörike’s letzter Ueberarbeitung wieder ans Licht bringt.



r. Hans von Dornen, des Kronprinzen Kadett.
Von C. Tanera. Eine Erzählung aus dem deutſch-franzöſiſchen
Kriege 1870/71. Verlag von Velhagen und Klaſing in Bielefeld
und Leipzig. „Mein Büchlein hat ein ehrliches Geſicht und wird
auch ohne Militärpaß und Ueberweiſungsmaterial, d. h. ohne
eigentliches Vorwort ſeinen Weg finden.“ So ſchrieb Tanera in
ſeinem kurzen Vorwort, als er im Jahre 1887 mit ſeinen „Ernſten
und beiteren Erinnerungen aus dem Feldzuge 1870/71“, in denen
er ſich als Meiſter der Darſtellung perſönlicher Erlebniſſe er-
wieſen hat, vor die Oeffentlichkeit trat. Der Verfaſſer hatte Recht,
denn nicht leicht iſt ein Schriftſteller in verhältnißmäßig kurzer
Zeit ſo volksthümlich geworden, wie er. Tanera verſteht es aber
auch, anſchaulich, warm und erwärmend zu ſchreiben. In vor-
liegendem Buche „Hans von Dornen, des Kronprinzen Kadett“
verſucht ſich der Verſaſſer auf einem neuen Gebiete. Er hat hier
in der Erzählung der Erlebniſſe eines wackeren ſüddeutſchen Be-
amtenſohnes eine intereſſante Form für die Darſtellung der voll-
ſtändigen Geſchichte des deutſch-franzöſiſchen Krieges gefunden, wie
ſie hinreißender und packender für die Jugend nicht leicht gedacht
werden kann, zumal auch die Art, in welcher dem Kronprinzen
Friedrich Wilbelm darin ein Denkmal geſetzt iſt, tief zum Herzen
ſpricht. 16 Tonbilder von Georg Koch und eine Karte des Kriegs-
ſchauplatzes zieren das prachtvoll gebundene Buch, welches wir als
einen Schmuck der diesjährigen Weihnachts-Jugendliteratur begrüßen
dürfen. Dank dafür dem Verfaſſer im Namen unſrer lieben Jugend.

r. Des deutſchen Knaben Turn-, Spiel- und Sport-
buch.
Praktiſche Anleitung zu nützlichen Körperübungen außer-
halb der Schule: Turnen, Exerciren, Fechten, Schießen, Bewegungs-
ſpielen, Baden, Schwimmen und Springen, Rudern und Segeln,
Schlittſchuhlaufen und Eisſegeln, Radfahren. Der männlichen
Jugend zur Luſt und Freude, zur Pflege und Ausbildung des
Körpers. Von E. Barth, Schuldirector, und L. Schützer, Turn-
lehrer. Mit vielen erläuternden Abbildungen. Bielefeld und Leipzig.
Verlag von Velhagen und Klaſing. 1891. „Im Kleinen fange
an und lerne: Beharrlichkeit führt dich zum Ziel.“ Die Wider-
ſtandsfähigkeit der Jugend durch vermehrte Ausbildung des Körpers
zu ſtärken, muß das Beſtreben der heutigen Erziehung ſein, denn
„ein geſunder Geiſt kann nur in einem geſunden, leiſtungsfähigen
Körper“ wohnen. Es iſt daher nothwendig, die Knaben von
früheſter Jugend an alle Arten von körperlichen Uebungen erlernen
zu laſſen, um dadurch ihre Muskeln zu ſtählen und ihren Muth
zu erhöhen, dann werden ſie ſich von ſelbſt auch ein Selbſtbewußt-
ſein, Geiſtesgegenwart und eine gewiſſe Selbſtbeherrſchung aneignen.
In dieſem Sinne iſt vorliegendes Turn-, Spiel- und Sportbuch
geſchrieben, das bei richtiger Anwendung unſre Jugend ſicherlich
anregen und nicht nur Nutzen, ſondern auch helle Freude ſtiften wird.



Militär-Literatur.

r. Handbuch für die Officiere des Beurlaubten-
ſtandes der Infanterie.
Unter Redaction des Oberſtlieute-
nants z. D. Transfeldt. Berlin. Mittler und Sohn. In Mappe
6 M. In vorliegendem Handbuch iſt alles für den Dienſt des
Officiers der Infanterie des Beurlaubtenſtandes Wiſſenswerthe in
überſichtlicher Form dargeſtellt. Das Werk, in Taſchenformat ge-
druckt, zerfällt in folgende Theile: Innerer Dienſt (Allgemeine
Dienſtverhältniſſe. — Innerer Dienſt der Compagnie — Diſci-
plin, Gerichtsdienſt, Ehrengerichte. — Verwaltung.) Aeußerer
Dienſt (Dienſtunterricht. — Turnen und Bajonettiren. — Exer-
ciren. — Waffen, Munition, Schießen. — Gefechtslehre. — Feld-
dienſt. — Garniſondienſt.) Mobilmachung. Alle dieſe Abſchnitte
ſind in ein handliches Futteral vereinigt und können nach Bedarf
einzeln aus demſelben genommen werden. Das geſammte Hand-
buch wird dem Infanterie-Oſſicier des Beurlaubtenſtandes ſtets ein
guter Behelf ſein. Die Herausgabe eines ähnlichen Buches für
die Officiere der anderen Waſſen wäre erwünſcht.

r. Dienſtvorſchriften für Officiersadſpiranten,
Reſerve- und Landwehrofficiere.
Nach den neueſten
Verordnungen zuſammengeſtellt von Oberſtlieutenant z. D. und
Bezirkscommandeur Friedrich v. Oelhafen. Kitzingen 1890.
Bedacht. Vorliegendes Büchlein enthält alle Vorſchriften, welche
der Einjährig-Freiwillige in ſeiner zukünftigen Laufbahn als
Officiersadſpirant, Reſerve- und Landwehrofficier wiſſen muß, außer-
dem wird es jedermann, der ſich über die militäriſchen Verhältniſſe
der Officiere des Beurlaubtenſtandes informiren möchte, den
richtigen Aufſchluß geben. Das Schriſtchen, welchem eine Dis-
locationskarte der k. bayeriſchen Truppen — vom 1. April 1891
an — beigegeben iſt, verdient Beachtung.

r. Der deutſche Infanteriſt im Dienſt-Unterricht.
Bearbeitet in Gliederungen. Ein Lehrbuch für das deutſche Heer.
Herausgegeben von Max Menzel, Premierlieutenant im 3. Poſen’-
ſchen Infanterie-Regiment Nr. 58. Zweite verbeſſerte, vermehrte,
mit vielen Holzſchnitten und farbigen Abbildungen verſehene Auf-
lage. Berlin 1890. Mittler und Sohn. Wir erwähnen hier
ein Werk, das, in der Armee verbreitet, ſeine Anerkennung und
Würdigung durch den ſchnellen Abſatz der erſten Auflage thatſäch-
lich ſchon gefunden hat. Menzels Buch iſt aber auch ein vortreff-
licher Leitfaden, der namentlich den jungen Officieren und Fähn-
richen in Folge der praktiſchen Gliederung des Lehrſtoffes bei Er-
theilung des theoretiſchen Unterrichts ein höchſt werthvolles Hülfs-
mittel ſein wird. Zahlreiche Holzſchnitte und farbige Abbildungen
dienen dem Inhalt zur Erläuterung. Fremdwörter ſind nach
Möglichkeit vermieden, was ebenfalls Lob verdient.

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Friedrich Wilbelm darin ein Denkmal ge&#x017F;etzt i&#x017F;t, tief zum Herzen<lb/>
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[0013] Sonntag, Viertes Morgenblatt, Nr. 346 der Allgemeinen Zeitung. 14. December 1890. Inhalts-Ueberſicht. Nilitäriſches aus Rußland. — Für den Weihnachts- tiſch. (VI.) — Militär-Literatur. Militäriſches aus Rußland. * Ueber die Dislocationen an der Weſtgrenze Ruß- lands berichtet die Berliner „Poſt“: „Gegenüber einem Deutſchen wurde jüngſt in St. Petersburg die Verſicherung ausgeſprochen, daß die „Aitia“ zu der größeren Anzahl von Truppenbewegungen nach Weſten nicht ſowohl vom Kriegs-, als vielmehr vom Ver- kehrsminiſterium (!) ausgehe, und zwar aus dem für den Zuſtand vieler ruſſiſcher Bahnlinien nicht eben ſchmeichelhaften Grunde, weil ſie im Mobilmachungsfalle den an ſie herantretenden Anforderungen nicht würden gerecht werden können. Für einige, namentlich öſtliche Strecken, würde vor allem auch die ungenügende Verſorgung der Locomotiven mit Waſſer ſich als ein Betriebs- hinderniß herausſtellen. Daß ſolche Geſichtspunkte ins Gewicht fallen, iſt nicht zu bezweifeln, unverkennbar aber iſt andrerſeits, daß die Ausführung dieſer angeblich vom Miniſterium der Ver- kehrswege ausgebenden Veränderungen durchaus nach rein ſtrategiſchen Geſichtspunkten, und zwar mehr gegen Oeſter- reich gerichtet als gegen Deutſchland, erfolgt. Niemand kann ſich wundern, daß die Heeresleitung ſolche Erwägungen an- ſtellt, und ein großer Optimiſt würde ſelbſt darin, daß unver- hältnißmäßig viel Cavallerie an der deutſch-öſterreichiſchen Grenze ſteht, kein beruhigendes Symptom erblicken wollen, weil ſich eben Reiterei auf den Schienenwegen ſchwieriger befördern läßt, als Infanteriemaſſen. Dennoch kommt hier ſchon ein weiteres Mo- ment in Frage. Es koſtet Rußland nicht unbedeutende Geldopfer, ſeine Cavallerie ſo weit nach Weſten vorzuſchieben; einmal wird der Pferdeerſatz faſt ausſchließlich im Oſten, namentlich im Gou- vernement Kaſan, gedeckt, muß alſo weite Wege zurücklegen, ferner ſind aber auch die Unterhaltungskoſten der Reiterei wegen der höheren Futterpreiſe im Weſten nennenswerth größer. Die wahre Lage kennzeichnet ſich ſchließlich aber auch dadurch, daß eben ſehr viele Verſchiebungen ſtattfinden, welche allein dazu dienen, die Regi- menter einzelner Diviſionen näher zuſammen zu legen, wobei die Bahnen gar nicht in Betracht kommen. Von ſolchen Verlegungen hat man ſich ſelbſt dann nicht abbalten laſſen, wenn ſie den örtlichen Intereſſen ſtracks zuwiderliefen. So verloren, trotz ihrer geſuchsweiſe eingereichten dringlichen Vorſtellungen, kleine Städte ihre Garniſonen, welche vielen Einwohnern eine Quelle des Einkommens waren, während andere der- maßen überfluthet wurden, daß die Truppen zu einer drückenden Laſt wurden, ganz ungeachtet deſſen, daß unter ſolchen Verhält- niſſen auch für viele Officiersfamilien kaum ein Unterkommen zu finden war und Oberſten ſich mit Wohnungen begnügen mußten, wie ſie z. B. bei unſern noch in Bürgerquartieren untergebrachten Truppentheilen kaum ein verheiratheter Wachtmeiſter für beſonders günſtig anſehen würde. Dies liegt in der Natur der Dinge. In Mlawa, einem jammeroollen polniſchen Neſte, 7½ Kilometer von der deutſchen Grenze, welches 8562 Einwohner hat, ſtehen 4 Bataillone und 6 Escadrons, alſo zwei Regimentsſtäbe, im ganzen mindeſtens 120 Oſſiciere und 3000 Mann; in dem meiſt von armen Handelsjuden bewohnten Städtchen Oſtrolenka kommen auf 4865 Einwohner 1976 Soldaten; in Dubno, wo eben- falls die jüdiſche Bevölkerung die chriſtliche an Zahl über- trifft, kommt auf 7174 Einwohner eine Garniſonsſtärke von wenigſtens 4345 Mann, worunter 150 Officiere. Die Zahl der Soldaten aber iſt in einigen Orten ſogar ſtärker, als die der Civiliſten, ſo z. B. in Menſchibuſchin und Schmerinka im Gou- vernement Podolien, wo auf etwa 1800 Einwohner je 1976 Mann eines Infanterieregiments kommen; in Nowo-Alexandrija, 25 Kilometer von der öſterreichiſchen Grenze, kommen 3798 Mann und 154 Oſſiciere auf wenig mehr als 2000 Einwohner, d. h. alſo ungefähr 2 Soldaten auf 1 Einwohner. So intereſſant es iſt, dieſen Thatſachen nachzugehen, ſo iſt es doch in Betrachtung der immer zunehmenden inneren Ausgeſtaltung der ruſſiſchen Armee an der Grenze noch durchaus nicht der wichtigſte Punkt, auf wel- chen das Augenmerk zu richten iſt, obſchon die Nähe des Ortes der Handlung zu dieſer Annahme leicht verſühren könnte. Die Erfahrung aber hat gelehrt, daß in den letzten Jahren Veränderungen in großem Stile ſehr überraſchend kamen, freilich hatten ſie ihren Entſtehungsort in einem der Beobachtung recht fern liegenden Gebiete, den Bezirken des Kaukaſus und öſtlich des Schwarzen Meeres. Bei der vorzüglichen Verbindung, die Kaukaſien nun- mehr mit Europa hat, dürfen die dort ins Werk geſetzten mili- täriſchen Neuerungen und Neuformationen durchaus nicht unbeachtet bleiben. Die großen Veränderungen der letzten zwei Jahre haben dort ihre Quelle gehabt. Im Jahre 1888 wurde aus dem Kaukaſus die 19. Infanteriediviſion mit der einen Brigade nach Uman, mit der anderen nach Tſcherkas, alſo ins Gouvernement Kijew, verlegt. Als dann im Frühjahr 1889 in Kleinrußland eine zweite combinirte Koſakendiviſion mit dem Stabe in Charkow formirt wurde, welche jetzt nächſt der öſterreichiſchen Grenze mit dem Stabe in Kamenez-Podolsk ſteht, lieferte das Gebiet nördlich des Kankaſus das Material, nämlich 2 doniſche Regimenter, 1 Kuban- und 1 Tersk-Koſakenregiment. Zum Erſatze für dieſen Abgang wurde alsbald aus dem zweiten Koſaken-Aufgebote in Krimskaja (Bezirk Kuban) ein neues Regiment aufgeſtellt und Tſchernomor-Reiterregiment benannt. Im Herbſte des- ſelben Jahres wurden für die Entziebung der 4 Infanterie- regimenter der 19. Diviſion 14 kaukaſiſche Reſervebataillone auf- geſtellt mit der Beſtimmung, daß dieſe im Kriegsfalle 14 Regi- menter zu ſormiren haben. Die im November 1889 herausgegebene Dislocationstabelle der ruſſiſchen Armee bezeichnet ferner ein Deliſchan’ſches Regiment in Tiflis und ein Ardahan’ſches in Alexandropol, im Gonvernement Eriwan, als „in der Formirung begriffen“. Im ſelben Monat wurde auch im Kaukaſus die Zahl der kaukaſiſchen Refervebataillone von 6 auf 9 vermehrt. Aus der 1889er Dislocationstabelle geht endlich hervor, daß die Stäbe derſelben in Grosni, Suchum und Schatojewskoje zu ſuchen ſind. Die Namen der Commandeure dieſer Neuformationen ſind noch, bis auf einen, dort nicht zu finden. Immerhin alſo iſt feſtzuſtellen, daß allein in Kaukaſien während des verfloſſenen Jahres 25 Bataillone aufgeſtellt worden ſind, und es iſt gewiß nicht außer dem Bereiche der Wahrſcheinlichkeit liegend, daß in früherer oder ſpäterer Zeit eine weitere Infanteriedioiſion der 19. auf ihrem Zuge nach Weſten folgen könnte. Für den Weihnachtstiſch. VI. Epiſch-Lyriſches. Є Unſtreitig die bedeutendſte Erſcheinung im Gebiete der Epik, welche, wie früher bemerkt (vergl. Abendblatt Nr. 233 der Allgemeinen Zeitung vom 23. Aug.), einen auffälligen Zug nach einem hiſtoriſchen Hintergrunde bekundet, bilden, „Die Pappen- heimer“ von Julius Wolff (Berlin 1889. Grote. 343 S. 8°). Der Dichter nennt ſein Werk „ein Reiterlied“, welches in 23 Aven- tären die Schickſale, Wechſelfälle und Liebe dreier Freunde ſchil- dert, die im Regiment des berühmten „Schrammhanns“ die erſte Hälfte des 30 jährigen Krieges oder, genauer gefaßt, von Magde- burg bis Lützen wacker durchkoſten. Mit ſeiner bewunderungs- würdigen Kunſt, Charaktere zu ſkizziren, führt uns der Rattenfänger- Sänger ein buntes Gewimmel von meiſt ſcharf gezeichneten Ge- ſtalten vor, welche im raſcheſten Vorübertreiben unſer Intereſſe er- regen und feſſeln. Da ſind in erſter Reihe der Held der ganzen Dichtung, der ritterliche Helmuth Schenk v. Vargula mit ſeinen beiden Waffenbrüdern, dann die beiden ungleichen, aber mit der- ſelben Sorgfalt poetiſch herausgemeißelten Frauengeſtalten Helene und Editha; dazwiſchen eine Menge anderer Figuren, welche im ſteten Wechſel auf dem Hintergrunde ſich abheben und wieder verſchwinden, wie der Weibel Muckel Brändlin, der Proſoß und Numormeiſter, der allzeit durſtige Fahnenſchmied Jakob Trümlein, der Proviant- meiſter, die Schreiber Plattner und Weibel. Das ſchwirrt und kugelt durcheinander im friſcheſten Treiben mit immer neuem Men- ſchenmaterial, durch alle Situationen der Kriegsfurie: Sturm, Lagerleben, Marſch, Ueberfall, Rebellion und Menterei, durch Wahlſtatt, Schlacht und Todesgrauen; da ſtrahlt ein holdſeliges Frauenbild, welches uns edelſinnig durch das Ganze geleitet, da ſchäkert die Courtiſane und ſpringt durch das Leben im tollſten Jubel eines Rubens’ſchen Kirmestanzes. Dazwiſchen treten mit bekannten Zügen die hiſtoriſchen Portraitbilder eines Tilly und Guſtav Adolf, des edlen Pappenheim und des Friedländers. Und dazu handhabt unſer Poet die Sprache mit bekannter Bravour, er reitet ſeinen Pegaſus in den zierlichſten Courbetten, wagt die kühnſten Sätze und Sprünge, läßt ihn zeitweiſe aber auch im Bummeltone traben und führt ihn bisweilen auch zur Ruhe und Fütterung in einen proſaiſchen Stall. Dann gibt es lange Relationen, welche in ungebundener Form den Genuß des Leſers kaum vermindern würden, dafür aber anderen Partien voll wirklicher Poeſie zur Folie dienen, z. B.: „Die Schenkelwunde heilte günſtig Und nahm den leichteſten Verlauf, Doch an der Schulter flammte brünſtig Geſährlich die Entzündung auf.“ (S. 281.) In ſolcher Laune macht es dem Autor Spaß, mehrſylbige Worte zweiſylbig zu gebrauchen („Off’cier“ S. 253 oder „Exc’llenz“ S. 258), oder unter die vierfüßigen Trochäen ein derartiges Un- geheuer einzuſchmuggeln: „Kinder |, ob’s wohl | nur glück | lich ab | läuft?!“ (S. 62); auch läßt er dem Lieutenant von ſeinen Soldaten den Antrag machen „Er kann uns gefälligſt den Buckel raufſteigen!“ Das Kühnſte in der Neuheit des Neimes bietet wohl der Witz (S. 56): „Auf Reiterehre ſchwör ich’s dir Als Pappenheim’ſcher Cüraſſier!“ (S. 56.) Dergleichen leicht entbehrliche Nebenſächelchen verſchwinden freilich über der Schönheit des Ganzen oder der hinreißenden Schilderung der Schlacht bei Lützen; auch das Cantabile des Volks- liedertons iſt meiſt prächtig getroffen (S. 288): „Kein ſchön’rer Tod auf freiem Feld, Als Reitertod zu ſterben, Vom Roß herab als Herr und Held Um’s ew’ge Leben werben. Bleibt auch die Kugel lange noch, Einmal geflogen kommt ſie doch Und wirft dich über Seiten. Schnell ſagt der Tod dir guten Tag, Dann iſt es aus auf einen Schlag Mit Lieb’ und Luſt und Reiten.“ Eine inhaltlich ſehr anziehende Künſtlergeſchichte hat Georg Bormann unter dem Titel „Hans Volkmar“ (Berlin, 1890, bei Kurt Brachvogel, S. 364) gedichtet. Hans Volkmar iſt ein junger Künſtler, welcher Nürnberg und ſeine Geliebte Maria ver- läßt, weil ihr Vater ſeinen Schwiegerſohn nur im Dienſte der Bauhütte ſehen möchte, Hans Volkmar aber weiter und höher hinaus will. Dieſes hohe Ziel zu erreichen und einen berühmten Namen zu erringen, wandert Volkmar gegen Italien, begegnet in- deſſen unterwegs einem Landsknechtzug, wobei ſich der junge Mann, welcher das Amt eines Baumeiſters unter ſeiner Würde hielt, als Kriegsknecht anwerben läßt; er zieht gegen die Türken, zeichnet ſich vor Ofen aus, wird Lieutenant und erhält für ſeine Wunden die goldene Kette. Kaum geneſen, wandert er mitten im winterlich- ſten Schneeſturm über die Berge nach Venedig, wo der deutſche Hans in einer Soirée bei Tizian ſein Herz an eine herzloſe Mar- cheſa Foscari verliert, bis er endlich ihrem Banne entflieht und über Florenz nach Rom eilt, als Gehülfe des Topolino mit Michel Angelo bekannt wird und den durch einen Sturz beſchädig- ten Meiſter pflegt, welcher ihm dafür ſeinen vollendeten „Moſes“ zuerſt zeigt und ſehr tiefſinnig, aber viel zu wortreich mit langer Rede wie ein deutſcher Profeſſor erklärt. Indeſſen iſt die von Maria’s Vater geſtellte Zeit unausgenützt abgelaufen, Hans kehrt nach Nürnberg zurück und gewinnt durch ein von ihm gemeißeltes Bildniß endlich die Zuſage des zäben Alten, wel- cher unterdeſſen die Feſtungsmauern der Stadt Nürnberg aus- gebaut und vollendet hat und durch ein eigenes Volksfeſt dafür fetirt wird. Seltſamerweiſe hat der Dichter viele prachtvolle alte Volkslieder, welche ihm gerade in die Situation paßten, eingewoben und dadurch ſeinen eigenen Erzeugniſſen einen empfindlichen Schaden zugefügt, da ihrer prägnanten Einfachheit gegenüber ſeine breite, oft unklare Redefülle nur noch ſchwerfälliger empfunden wird. Das Buch hat eine Menge ſchöner Stellen, insbeſondere Expectorationen über das Weſen der Kunſt, aber das Meiſte iſt zu umſtändlich und in dilettantiſcher Form geſagt. Daß S. 72 ein- mal „gejauchzſt“ wird, iſt wohl nur Druckfehler. Wie er- müdend wirkt die fünfundzwanzig Seiten lange Einleitung mit ihrem holperigen Jambengang; dann erwärmt der Fortgang wieder, um alsbald in metriſch abgehackte Form überzugehen. Und derſelbe Proceß wiederholt ſich immer wieder. Schade, daß das Ganze nicht gleich als Roman oder Novelle in Proſa abgefaßt wurde. Es gibt wunderliche Träume, wo man zu ſliegen wähnt und, obwohl furchtbar abgemattet, doch nicht von der Stelle kommt. So geht es dem Leſer dieſes Buches, welches indeſſen, wenn es der Dichter über ſich gewinnen kann, bei der nächſten Auflage das kritiſche Meſſer mit feſter Hand an ſein Werk zu legen, einer freudigen Aufnahme ſicher entgegenſehen darf. Eduard Mörike’s „Gedichte“ liegen nun in neunter Auflage vor (Stuttgart, 1890, bei Göſchen, XXXII, 408 S. kl. 8°), zugleich als erſter Band einer Geſammtausgabe. Eine warm em- pfundene Skizze ſeines Lebens und kurze Würdigung ſeiner Schrif- ten bilden die Einleitung; angehängt ſind einige Kleinigkeiten aus dem Nachlaß. Mörike war und bleibt ein echter Dichter, bei wel- chem Alles in gleich harmoniſchem Zuſammenklange ſtebt: Charakter, Geiſt und kunſtvollendete Formgebung. Dabei ſpielt auch eine feine, den Schwaben überhaupt eigene, überaus harm- loſe Heiterkeit mit, welche — man denke z. B. nur an die fröh- liche „Idylle vom Bodenſee“ (S. 325—398) — mit roſiger Schalkhaftigkeit Alles übergoldet. Kein Mißton trübt die echt rhythmiſche Grundſtimmung ſeiner Poeſie, welche mit Vorliebe ge- rade aus dem Bereiche der Muſik ihre Stoffe wählt. Eine Muſter- leiſtung dieſer Art iſt die in flüſſigſter Proſa geſchriebene kleine Novelle „Mozart auf der Reiſe nach Prag“, welche, lange Zeit ſchon vergriffen, von derſelben Verlagshandlung in gleich zierlicher und handſamer (dritter) Auflage ausgegeben wird (Stuttgart, 1890, Göſchen. 105 S. 12°). Es gibt in der gan- zen Literatur kein zweites damit vergleichbares Buch, das den Componiſten des „Don Juan“ als Menſchen und Tondichter ſo leicht verſtändlich vorführt und den ganzen Mann und Künſtler nebſt der Frau Conſtanze in wahrhafteſter Weiſe abſpiegelt, den Maeſtro für uns gewinnt und mit warmer Liebe für deſſen Sein und Schaffen erfüllt. Dabei ſpielt ſich die ganze Geſchichte mit den kleinen, ineinander geflochtenen Erzählungen ſo ungeſucht und heiter ab, wie echte Mozart’ſche Muſik. Auch das fein- humoriſtiſche, im echteſten Volkston gehaltene Märchen vom „Stuttgarter Hutzelmännlein“ erſcheint in neuer Separat- auflage. Das wäre ein Stoff für einen Illuſtrator! wie denn auch, dem Vernehmen nach, unſer gemüthvoller Ferdinand Roth- bart längſt ſchon mit Bildern zu den Aventüren des „Seppe“ und „Pechſchwitzer“ beſchäftigt iſt, nachdem kein Geringerer als Moriz v. Schwind die reizende „Hiſtorie von der ſchönen Lan“ in ſieben Compoſitionen in Scene geſetzt hat. Als weitere Beſtandtheile ſind dem zweiten Bande der „Gefammelten Schriſten“ die kleinen Erzählungen („Der Schatz“, „Der Bauer und ſein Sohn“, „Die Hand der Jezerte“ und „Lucie Gelmeroth“), welche bisher in Al- manachen ungerecht vergeſſen und zerſtreut lagen, einverleibt, während der dritte und vierte Band den Roman „Maler Nolten“ in Mörike’s letzter Ueberarbeitung wieder ans Licht bringt. r. Hans von Dornen, des Kronprinzen Kadett. Von C. Tanera. Eine Erzählung aus dem deutſch-franzöſiſchen Kriege 1870/71. Verlag von Velhagen und Klaſing in Bielefeld und Leipzig. „Mein Büchlein hat ein ehrliches Geſicht und wird auch ohne Militärpaß und Ueberweiſungsmaterial, d. h. ohne eigentliches Vorwort ſeinen Weg finden.“ So ſchrieb Tanera in ſeinem kurzen Vorwort, als er im Jahre 1887 mit ſeinen „Ernſten und beiteren Erinnerungen aus dem Feldzuge 1870/71“, in denen er ſich als Meiſter der Darſtellung perſönlicher Erlebniſſe er- wieſen hat, vor die Oeffentlichkeit trat. Der Verfaſſer hatte Recht, denn nicht leicht iſt ein Schriftſteller in verhältnißmäßig kurzer Zeit ſo volksthümlich geworden, wie er. Tanera verſteht es aber auch, anſchaulich, warm und erwärmend zu ſchreiben. In vor- liegendem Buche „Hans von Dornen, des Kronprinzen Kadett“ verſucht ſich der Verſaſſer auf einem neuen Gebiete. Er hat hier in der Erzählung der Erlebniſſe eines wackeren ſüddeutſchen Be- amtenſohnes eine intereſſante Form für die Darſtellung der voll- ſtändigen Geſchichte des deutſch-franzöſiſchen Krieges gefunden, wie ſie hinreißender und packender für die Jugend nicht leicht gedacht werden kann, zumal auch die Art, in welcher dem Kronprinzen Friedrich Wilbelm darin ein Denkmal geſetzt iſt, tief zum Herzen ſpricht. 16 Tonbilder von Georg Koch und eine Karte des Kriegs- ſchauplatzes zieren das prachtvoll gebundene Buch, welches wir als einen Schmuck der diesjährigen Weihnachts-Jugendliteratur begrüßen dürfen. Dank dafür dem Verfaſſer im Namen unſrer lieben Jugend. r. Des deutſchen Knaben Turn-, Spiel- und Sport- buch. Praktiſche Anleitung zu nützlichen Körperübungen außer- halb der Schule: Turnen, Exerciren, Fechten, Schießen, Bewegungs- ſpielen, Baden, Schwimmen und Springen, Rudern und Segeln, Schlittſchuhlaufen und Eisſegeln, Radfahren. Der männlichen Jugend zur Luſt und Freude, zur Pflege und Ausbildung des Körpers. Von E. Barth, Schuldirector, und L. Schützer, Turn- lehrer. Mit vielen erläuternden Abbildungen. Bielefeld und Leipzig. Verlag von Velhagen und Klaſing. 1891. „Im Kleinen fange an und lerne: Beharrlichkeit führt dich zum Ziel.“ Die Wider- ſtandsfähigkeit der Jugend durch vermehrte Ausbildung des Körpers zu ſtärken, muß das Beſtreben der heutigen Erziehung ſein, denn „ein geſunder Geiſt kann nur in einem geſunden, leiſtungsfähigen Körper“ wohnen. Es iſt daher nothwendig, die Knaben von früheſter Jugend an alle Arten von körperlichen Uebungen erlernen zu laſſen, um dadurch ihre Muskeln zu ſtählen und ihren Muth zu erhöhen, dann werden ſie ſich von ſelbſt auch ein Selbſtbewußt- ſein, Geiſtesgegenwart und eine gewiſſe Selbſtbeherrſchung aneignen. In dieſem Sinne iſt vorliegendes Turn-, Spiel- und Sportbuch geſchrieben, das bei richtiger Anwendung unſre Jugend ſicherlich anregen und nicht nur Nutzen, ſondern auch helle Freude ſtiften wird. Militär-Literatur. r. Handbuch für die Officiere des Beurlaubten- ſtandes der Infanterie. Unter Redaction des Oberſtlieute- nants z. D. Transfeldt. Berlin. Mittler und Sohn. In Mappe 6 M. In vorliegendem Handbuch iſt alles für den Dienſt des Officiers der Infanterie des Beurlaubtenſtandes Wiſſenswerthe in überſichtlicher Form dargeſtellt. Das Werk, in Taſchenformat ge- druckt, zerfällt in folgende Theile: Innerer Dienſt (Allgemeine Dienſtverhältniſſe. — Innerer Dienſt der Compagnie — Diſci- plin, Gerichtsdienſt, Ehrengerichte. — Verwaltung.) Aeußerer Dienſt (Dienſtunterricht. — Turnen und Bajonettiren. — Exer- ciren. — Waffen, Munition, Schießen. — Gefechtslehre. — Feld- dienſt. — Garniſondienſt.) Mobilmachung. Alle dieſe Abſchnitte ſind in ein handliches Futteral vereinigt und können nach Bedarf einzeln aus demſelben genommen werden. Das geſammte Hand- buch wird dem Infanterie-Oſſicier des Beurlaubtenſtandes ſtets ein guter Behelf ſein. Die Herausgabe eines ähnlichen Buches für die Officiere der anderen Waſſen wäre erwünſcht. r. Dienſtvorſchriften für Officiersadſpiranten, Reſerve- und Landwehrofficiere. Nach den neueſten Verordnungen zuſammengeſtellt von Oberſtlieutenant z. D. und Bezirkscommandeur Friedrich v. Oelhafen. Kitzingen 1890. Bedacht. Vorliegendes Büchlein enthält alle Vorſchriften, welche der Einjährig-Freiwillige in ſeiner zukünftigen Laufbahn als Officiersadſpirant, Reſerve- und Landwehrofficier wiſſen muß, außer- dem wird es jedermann, der ſich über die militäriſchen Verhältniſſe der Officiere des Beurlaubtenſtandes informiren möchte, den richtigen Aufſchluß geben. Das Schriſtchen, welchem eine Dis- locationskarte der k. bayeriſchen Truppen — vom 1. April 1891 an — beigegeben iſt, verdient Beachtung. r. Der deutſche Infanteriſt im Dienſt-Unterricht. Bearbeitet in Gliederungen. Ein Lehrbuch für das deutſche Heer. Herausgegeben von Max Menzel, Premierlieutenant im 3. Poſen’- ſchen Infanterie-Regiment Nr. 58. Zweite verbeſſerte, vermehrte, mit vielen Holzſchnitten und farbigen Abbildungen verſehene Auf- lage. Berlin 1890. Mittler und Sohn. Wir erwähnen hier ein Werk, das, in der Armee verbreitet, ſeine Anerkennung und Würdigung durch den ſchnellen Abſatz der erſten Auflage thatſäch- lich ſchon gefunden hat. Menzels Buch iſt aber auch ein vortreff- licher Leitfaden, der namentlich den jungen Officieren und Fähn- richen in Folge der praktiſchen Gliederung des Lehrſtoffes bei Er- theilung des theoretiſchen Unterrichts ein höchſt werthvolles Hülfs- mittel ſein wird. Zahlreiche Holzſchnitte und farbige Abbildungen dienen dem Inhalt zur Erläuterung. Fremdwörter ſind nach Möglichkeit vermieden, was ebenfalls Lob verdient.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 346, 14. Dezember 1890, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine346_1890/13>, abgerufen am 25.11.2024.