Allgemeine Zeitung, Nr. 33, 2. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
den Herren im Oderbruch große Summen geliehen. Der Finanzmini- Berlin, 29 Jan. Die erste Kammer verhandelte heute über [] Berlin, 29 Jan. Die Wahlmänner der vier Wahlbezirke Ber- [Spaltenumbruch]
den Herren im Oderbruch große Summen geliehen. Der Finanzmini- ☿ Berlin, 29 Jan. Die erſte Kammer verhandelte heute über [⁝] Berlin, 29 Jan. Die Wahlmänner der vier Wahlbezirke Ber- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0003" n="515"/><cb/> den Herren im Oderbruch große Summen geliehen. Der <hi rendition="#g">Finanzmini-<lb/> ſter</hi> erklärt: die Seehandlung habe allerdings eine Anleihe für eine Eiſen-<lb/> bahn der Stadt Lübeck und eine andere für Meliorationen im Oderbruche<lb/> vorgeſchoſſen, der Redner werde aber wiſſen daß ſie wie jeder andere Kauf-<lb/> mann das Geld nicht aus ihren eigenen Fonds zu nehmen brauche. Auf<lb/> die Bemerkung Beckeraths daß er die Darlehensgeſchäfte der Seehandlung<lb/> nicht als mit der Verfaſſung im Einklang ſtehend betrachten könne, erwie-<lb/> dert der <hi rendition="#g">Finanzminiſter:</hi> wenn man das Darlehen der Seehandlung<lb/> an Lübeck als eine Verfaſſungsverletzung betrachten wolle, ſo erwarte er<lb/> die Anklage. (Bravo rechts.) <hi rendition="#g">Görz</hi> und <hi rendition="#g">Bodelſchwingh</hi> heben den<lb/> Nutzen hervor den die Seehandlung für die Induſtrie gehabt habe. <hi rendition="#g">Pa-<lb/> tow</hi> ſpricht vermittelnd: auch er ſey dafür daß die Geſchäfte dieſes Inſti-<lb/> tuts eingeſchränkt werden; ſolange ſie aber nicht abgewickelt ſeyen, müſſe<lb/> dasſelbe erhalten werden. Die Kammer beſchließt: daß der Dispoſttions-<lb/> ſonds der Seehandlung nicht mehr zu Unterſtützungen verwandt, durch<lb/> Einziehung der ausſtehenden Forderungen und Veräußerung der dazu ge-<lb/> hörigen Effecten realiſtrt, die Einnahmen und Ausgaben dieſes Fonds<lb/> erſichtlich gemacht, und die Ueberſchüſſe zur ertraordinären Vereinnah-<lb/> mung abgeführt werden. Ferner daß die Seehandlung ſich der Bewirth-<lb/> ſchaftung und des Eigenthums der in ihrem Beſitz befindlichen Landgüter<lb/> und Forſtreviere baldigſt entäußere; daß ſie neue gewerbliche Anlagen<lb/> nicht weiter begründe, ſich der in ihrem Beſitz beſindlichen Etabliſſements<lb/> allmählich, jedoch mit Schonung des örtlichen Gewerbebetriebs und des<lb/> Arbeiterſtandes, ſowie der Landescultur-Intereſſen entäußer; daß ſie ih-<lb/> ren Geſchäftsbetrieb auf den ihr 1820 ausdrücklich zugewieſenen Wir-<lb/> kungskreis beſchränke, und daß der Finanzminiſter über die Durchfüh-<lb/> rung in dem jährlich zu erſtattenden Vewaltungsberichte Auskunft er-<lb/> theile. Bei der Berathung über den Staatsſchatz macht <hi rendition="#g">Viebahn</hi> gel-<lb/> tend daß die letzte Zeit wieder bewieſen habe wie nöthig ein ſolcher für<lb/> Preußen ſey. Die Beiträge für ihn ſollten daher auch weiterhin ein-<lb/> gehen. <hi rendition="#g">Riedel</hi> verlangt eine beſſere Berwaltung des Staatsſchatzes.<lb/> Die Kammer genehmigt den Commiſſionsantrag: 1) daß der Beſtand des<lb/> Staatsſchatzes alljährlich bei Vorlegung des Staatshaushaltsetats nach-<lb/> gewieſen, der Etat der vorauszuſehenden Einnahmen und Ausgaben den<lb/> Kammern zur Feſtſtellung vorgelegt werden; 2) daß künſtigaußeretatsmä-<lb/> ßige Einnahmen und Ausgaben in und aus dem Staatsſchatz nicht ohne die<lb/> durch beſondere Vorlage zu extrahirende vorherige oder nachträgliche Zu-<lb/> ſtimmung der Kammern erfolgen dürfen. Der Verwaltungsetat des<lb/> Staatsſchatzes und des Münzweſens wird auf 14,980 Thlr. feſtgeſtellt.<lb/> Zum Schluß bemerkt der <hi rendition="#g">Präſident</hi> daß die Seſſion nur bis Ende Fe-<lb/> bruar dauern werde, und empfiehlt vor allem das Gemeinde - und das<lb/> Grundſteuergeſetz zur Berathung. 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Die drei erſtgenannten Abgeordneten machen gel-<lb/> tend daß man die vorliegende Frage nicht von dem Standpunkt des for-<lb/> mellen Rechts, ſondern von einem höheren betrachten müſſe; daß nicht<lb/> zu ermitteln ſey was theoretiſch wahr, ſondern was unter den beſtehenden<lb/> Verhältniſſen durch das Wohl des Landes gefordert ſey. Das ſey aber<lb/> der Abſchluß der Reviſion, die Begründung einer Verfaſſung zu welcher<lb/> die Krone, die durch den geſunden Sinn des Volks wieder gekräftigte In-<lb/> dividualität, mit voller Befriedigung ihre Hände reichen könne (Walter).<lb/> Hr. v. Gerlach, der unter froher Spannung der Zuhörer das Wort er-<lb/> greift, beginnt mit der Erklärung: er habe, wie er wohl nicht erſt zu<lb/> ſagen brauche, die königliche Botſchaft mit Freude begrüßt, weil in ihr<lb/> das Königthum wieder zu Geltung gekommen, das älter ſey als die<lb/> Märztage und alle Verfaſſungsurkunden. Wenn man die conſtitutionel-<lb/> len Freiheiten hätte ohne das Königthum, ſo hätte man nichts; wenn<lb/> man aber das Königthum hätte und ſonſt nichts, ſo hätte man — einen<lb/> ſoliden Anfang zu der wahren conſtitutionellen Monarchie. (Gelächter.)<lb/> Namentlich könne der preußiſche S:aat nicht beſtehen ohne ein ſtarkes<lb/> ſelbſtändiges Königthum. Durch die königliche Botſchaft werde Preußen<lb/> wieder mächtig, und den Grundrechten, von denen nach der neuconſtitu-<lb/> tionellen Anſicht jede Verfaſſung ein gewiſſes Quantum enthalten müſſe,<lb/> werde der Stachel genommen. Aber die Vorlage ſey durch die Beſchlüſſe<lb/> der zweiten Kammer abgeſchwächt worden; gegen dieſe Beſchlüſſe müſſe<lb/><cb/> er| ſich erklären. Eine wahre Pairie könne nicht ohne Fideicommiſſe be-<lb/> ſtehen. Sodann muthe das Arnim’ſche Amendement Preußen zu 1850<lb/> einen Fuß aufzuheben um 1852 den Schritt zu machen. (Gelächter.) Auf<lb/> einem Beine zu ſtehen ſey jedoch auf dem gegenwärtigen glatten Boden<lb/> doppelt gefährlich; eine ſolche Stellung reize zum Umwerfen — eine<lb/> Möglichkeit, welche ja auch der Urheber des Amendements unter die Mo-<lb/> tive aufgenommen habe! Man ſpreche von einer Partei des beſonnenen<lb/> Rückſchritts; er gehöre nicht zu ihr. (Große Heiterkeit.) Er wolle nicht<lb/> zu dem Königthum zurück das ſich im März unkräftig gezeigt habe; er<lb/> wolle ein Königthum mit einer volkthümlichen Ariſtokratie, er wolle ſie<lb/> jetzt, darum ſey er gegen die Beſchlüſſe der zweiten Kammer. Die Abgg.<lb/> Auerswald und Camphauſen ſchildern die gegenwärtige Lage des Landes,<lb/> um zu beweiſen daß der Abſchluß der Verfaſſung dringend nothwendig<lb/> ſey. Camphauſen hebt hervor daß die königlichen Vorſchläge durch die<lb/> zweite Kammer gemildert worden ſeyen und daß, nachdem zwei Factoren<lb/> der Geſetzgebung ſich geeinigt hätten, die interimiſtiſche erſte Kammer<lb/> ihren Willen beugen müſſe. (Beifall rechts, Ziſchen links.) Er habe ei-<lb/> nen Mittelweg vorgeſchlagen, derſelbe ſey nicht betreten worden; nun<lb/> ſey der der zweiten Kammer der einzige noch übrige. Von den Gegnern<lb/> der Votlage bezeichnet v. Ammon die vielen Punkte der Verfaſſung wo<lb/> die Kammern nur im Sinne der Ordnung revidirt hätten. Die Vorlage<lb/> überſchreite das gebotene Maß weit; durch ſie ſchließe man nicht die Re-<lb/> volution, ſondern man decke nur den Krater eines innen fortglühenden<lb/> Vulcans. Eine Charakteriſtik der Kreuzzeitungspartei (die Zwietracht<lb/> ſäe zwiſchen König und Volk, die Chriſtum im Munde, Stolz und Arg-<lb/> liſt im Herzen führe, aber im Falle ihres Sieges nur Blut und Thränen<lb/> ernten würde!) rief großen Applaus auf der Linken, wiederholtes Ziſchen<lb/> auf der Rechten und große Bewegung hervor. Auch Baumſtark erklärt:<lb/> während ſeine Freunde und er im Jahr 1848 im Feuer geſtanden hätten<lb/> für Königthum und Ordnung, hätten andere es mit dem Spruch gehalten:<lb/><hi rendition="#aq">bene vixit, qui bene latuit.</hi> Die königliche Macht ſey wieder aufge-<lb/> richtet worden und der Dank des Volkes in vollen Strömen dahergebraust.<lb/> Wie aber der Winter vorbei geweſen, ſeyen die Amphibien aus ihrem<lb/> Verſteck hervorgekrochen um ſich in der Sonne zu wärmen. (Heiterkeit.)<lb/> Der Redner iſt nicht gegen eine entſtehende, wohl aber gegen eine zu ma-<lb/> chende Pairie. Er hält die Propoſitionen für gefahrbringend, die revi-<lb/> dirte Verfaſſung für gut und dem Volke erſprießlich. Dahlmann ſpricht<lb/> wieder die Meinung aus daß man viel eher ein Königthum als eine Pai-<lb/> rie machen könne. Dennoch wolle man in Preußen eine ſolche anpflan-<lb/> zen wie eine Baumſchule! (Heiterkeit links.) Man habe ja die Erfah-<lb/> rungen in München und Stuttgart. Sollten die dort abgetragenen Klei-<lb/> der in Berlin Mode werden? (Beifall links.) Der Redner geht die Ele-<lb/> mente der vorgeſchlagenen erſten Kammer kritiſch durch, und erklärt daß<lb/> man bei der jetzigen wohl bleiben könne, weil ſie, obſchon keine tieffin-<lb/> nige politiſche Schöpfung, ſich doch bewährt hätte. Er ſey nicht geſon-<lb/> nen politiſche Kartenhäuſer mit zu bauen, daher ſtimme er gegen die Vor-<lb/> lage. Der Miniſter v. Manteuffel ſprach zu wiederholtenmalen. Er<lb/> forderte die Verſammlung auf den Perſonen der Miniſter keine Rückſicht<lb/> widerfahren zu laſſen, aber die ſorgenſchwere Lage der Landes zu beden-<lb/> ken. Er wies den Vorwurf zurück als ob das Miniſterium durch die Er-<lb/> klärung ſeines eventuellen Rücktrittes ein Schreckmittel angewender hätte;<lb/> es habe nur eine Thatſache ausgeſprochen und die nothwendige Folge in<lb/> einem conſtitutionellen Staat. Mit einem Amphibiengeſchlecht hätten ſie<lb/> nichts zu thun; ſie hätten die Vorlage unterzeichnet und würden ſie auch<lb/> vertreten. Die Erfahrungen in München und Stuttgart bewieſen noch<lb/> nicht daß eine Pairie in einem großen Staate nicht am Platze ſey. Auch<lb/> die Verfaſſung würde <hi rendition="#g">gemacht;</hi> man müſſe es ebenſo mit der Pairie<lb/> verſuchen, und thun was man zu thun im Stande ſey. 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Es zeigten ſich entſchiedene und zahlreich ver-<lb/> tretene Meinungsdivergenzen. Unter den vorgeſchlagenen Candidaten<lb/> ſtehen Hr. v. Patow, Hr. v. Jordan in erſter Linie, neben ihnen Heinr.<lb/> v. Gagern und Hr. v. Radowitz, von deſſen Wahl aber wohl aus <hi rendition="#g">Rückſicht</hi><lb/> auf ſeine, mehreren andern Wahlkreiſen gegebene Erklärung abgeſtanden<lb/> werden wird. Wahrſcheinlich durch den längern Aufenthalt dieſes Staats-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [515/0003]
den Herren im Oderbruch große Summen geliehen. Der Finanzmini-
ſter erklärt: die Seehandlung habe allerdings eine Anleihe für eine Eiſen-
bahn der Stadt Lübeck und eine andere für Meliorationen im Oderbruche
vorgeſchoſſen, der Redner werde aber wiſſen daß ſie wie jeder andere Kauf-
mann das Geld nicht aus ihren eigenen Fonds zu nehmen brauche. Auf
die Bemerkung Beckeraths daß er die Darlehensgeſchäfte der Seehandlung
nicht als mit der Verfaſſung im Einklang ſtehend betrachten könne, erwie-
dert der Finanzminiſter: wenn man das Darlehen der Seehandlung
an Lübeck als eine Verfaſſungsverletzung betrachten wolle, ſo erwarte er
die Anklage. (Bravo rechts.) Görz und Bodelſchwingh heben den
Nutzen hervor den die Seehandlung für die Induſtrie gehabt habe. Pa-
tow ſpricht vermittelnd: auch er ſey dafür daß die Geſchäfte dieſes Inſti-
tuts eingeſchränkt werden; ſolange ſie aber nicht abgewickelt ſeyen, müſſe
dasſelbe erhalten werden. Die Kammer beſchließt: daß der Dispoſttions-
ſonds der Seehandlung nicht mehr zu Unterſtützungen verwandt, durch
Einziehung der ausſtehenden Forderungen und Veräußerung der dazu ge-
hörigen Effecten realiſtrt, die Einnahmen und Ausgaben dieſes Fonds
erſichtlich gemacht, und die Ueberſchüſſe zur ertraordinären Vereinnah-
mung abgeführt werden. Ferner daß die Seehandlung ſich der Bewirth-
ſchaftung und des Eigenthums der in ihrem Beſitz befindlichen Landgüter
und Forſtreviere baldigſt entäußere; daß ſie neue gewerbliche Anlagen
nicht weiter begründe, ſich der in ihrem Beſitz beſindlichen Etabliſſements
allmählich, jedoch mit Schonung des örtlichen Gewerbebetriebs und des
Arbeiterſtandes, ſowie der Landescultur-Intereſſen entäußer; daß ſie ih-
ren Geſchäftsbetrieb auf den ihr 1820 ausdrücklich zugewieſenen Wir-
kungskreis beſchränke, und daß der Finanzminiſter über die Durchfüh-
rung in dem jährlich zu erſtattenden Vewaltungsberichte Auskunft er-
theile. Bei der Berathung über den Staatsſchatz macht Viebahn gel-
tend daß die letzte Zeit wieder bewieſen habe wie nöthig ein ſolcher für
Preußen ſey. Die Beiträge für ihn ſollten daher auch weiterhin ein-
gehen. Riedel verlangt eine beſſere Berwaltung des Staatsſchatzes.
Die Kammer genehmigt den Commiſſionsantrag: 1) daß der Beſtand des
Staatsſchatzes alljährlich bei Vorlegung des Staatshaushaltsetats nach-
gewieſen, der Etat der vorauszuſehenden Einnahmen und Ausgaben den
Kammern zur Feſtſtellung vorgelegt werden; 2) daß künſtigaußeretatsmä-
ßige Einnahmen und Ausgaben in und aus dem Staatsſchatz nicht ohne die
durch beſondere Vorlage zu extrahirende vorherige oder nachträgliche Zu-
ſtimmung der Kammern erfolgen dürfen. Der Verwaltungsetat des
Staatsſchatzes und des Münzweſens wird auf 14,980 Thlr. feſtgeſtellt.
Zum Schluß bemerkt der Präſident daß die Seſſion nur bis Ende Fe-
bruar dauern werde, und empfiehlt vor allem das Gemeinde - und das
Grundſteuergeſetz zur Berathung. Graf Arnim und der Miniſter v. Man-
teuffel wollen zunächſt das Preßgeſetz vorgenommen ſehen, und Witt-
ſtock die Habeascorpusacte.
☿ Berlin, 29 Jan.
Die erſte Kammer verhandelte heute über
die königliche Botſchaft und beendete die allgemeine Discuſſion. Der
Zudrang zu den Tribünen war ſo ſtark daß mehrere Perſonen in den
Vorzimmern ſtehen mußten, und die meiſten der Anweſenden hielten von
10 bis 4 Uhr aus. Die Abgg. Walter, v. Zander, Brüggemann ſpra-
chen für die Vorlage; Hr. v. Gerlach ebenfalls, aber nicht zugleich für
das Amendement Arnim; v. Auerswald und Camphauſen empfahlen die
Beſchlüſſe der zweiten Kammer; v. Ammon, Baumſtark, Martins, Kis-
ker, Dallmann und Milde erklärten ſich ſowohl gegen dieſe Beſchlüſſe als
gegen die Vorlage. Die drei erſtgenannten Abgeordneten machen gel-
tend daß man die vorliegende Frage nicht von dem Standpunkt des for-
mellen Rechts, ſondern von einem höheren betrachten müſſe; daß nicht
zu ermitteln ſey was theoretiſch wahr, ſondern was unter den beſtehenden
Verhältniſſen durch das Wohl des Landes gefordert ſey. Das ſey aber
der Abſchluß der Reviſion, die Begründung einer Verfaſſung zu welcher
die Krone, die durch den geſunden Sinn des Volks wieder gekräftigte In-
dividualität, mit voller Befriedigung ihre Hände reichen könne (Walter).
Hr. v. Gerlach, der unter froher Spannung der Zuhörer das Wort er-
greift, beginnt mit der Erklärung: er habe, wie er wohl nicht erſt zu
ſagen brauche, die königliche Botſchaft mit Freude begrüßt, weil in ihr
das Königthum wieder zu Geltung gekommen, das älter ſey als die
Märztage und alle Verfaſſungsurkunden. Wenn man die conſtitutionel-
len Freiheiten hätte ohne das Königthum, ſo hätte man nichts; wenn
man aber das Königthum hätte und ſonſt nichts, ſo hätte man — einen
ſoliden Anfang zu der wahren conſtitutionellen Monarchie. (Gelächter.)
Namentlich könne der preußiſche S:aat nicht beſtehen ohne ein ſtarkes
ſelbſtändiges Königthum. Durch die königliche Botſchaft werde Preußen
wieder mächtig, und den Grundrechten, von denen nach der neuconſtitu-
tionellen Anſicht jede Verfaſſung ein gewiſſes Quantum enthalten müſſe,
werde der Stachel genommen. Aber die Vorlage ſey durch die Beſchlüſſe
der zweiten Kammer abgeſchwächt worden; gegen dieſe Beſchlüſſe müſſe
er| ſich erklären. Eine wahre Pairie könne nicht ohne Fideicommiſſe be-
ſtehen. Sodann muthe das Arnim’ſche Amendement Preußen zu 1850
einen Fuß aufzuheben um 1852 den Schritt zu machen. (Gelächter.) Auf
einem Beine zu ſtehen ſey jedoch auf dem gegenwärtigen glatten Boden
doppelt gefährlich; eine ſolche Stellung reize zum Umwerfen — eine
Möglichkeit, welche ja auch der Urheber des Amendements unter die Mo-
tive aufgenommen habe! Man ſpreche von einer Partei des beſonnenen
Rückſchritts; er gehöre nicht zu ihr. (Große Heiterkeit.) Er wolle nicht
zu dem Königthum zurück das ſich im März unkräftig gezeigt habe; er
wolle ein Königthum mit einer volkthümlichen Ariſtokratie, er wolle ſie
jetzt, darum ſey er gegen die Beſchlüſſe der zweiten Kammer. Die Abgg.
Auerswald und Camphauſen ſchildern die gegenwärtige Lage des Landes,
um zu beweiſen daß der Abſchluß der Verfaſſung dringend nothwendig
ſey. Camphauſen hebt hervor daß die königlichen Vorſchläge durch die
zweite Kammer gemildert worden ſeyen und daß, nachdem zwei Factoren
der Geſetzgebung ſich geeinigt hätten, die interimiſtiſche erſte Kammer
ihren Willen beugen müſſe. (Beifall rechts, Ziſchen links.) Er habe ei-
nen Mittelweg vorgeſchlagen, derſelbe ſey nicht betreten worden; nun
ſey der der zweiten Kammer der einzige noch übrige. Von den Gegnern
der Votlage bezeichnet v. Ammon die vielen Punkte der Verfaſſung wo
die Kammern nur im Sinne der Ordnung revidirt hätten. Die Vorlage
überſchreite das gebotene Maß weit; durch ſie ſchließe man nicht die Re-
volution, ſondern man decke nur den Krater eines innen fortglühenden
Vulcans. Eine Charakteriſtik der Kreuzzeitungspartei (die Zwietracht
ſäe zwiſchen König und Volk, die Chriſtum im Munde, Stolz und Arg-
liſt im Herzen führe, aber im Falle ihres Sieges nur Blut und Thränen
ernten würde!) rief großen Applaus auf der Linken, wiederholtes Ziſchen
auf der Rechten und große Bewegung hervor. Auch Baumſtark erklärt:
während ſeine Freunde und er im Jahr 1848 im Feuer geſtanden hätten
für Königthum und Ordnung, hätten andere es mit dem Spruch gehalten:
bene vixit, qui bene latuit. Die königliche Macht ſey wieder aufge-
richtet worden und der Dank des Volkes in vollen Strömen dahergebraust.
Wie aber der Winter vorbei geweſen, ſeyen die Amphibien aus ihrem
Verſteck hervorgekrochen um ſich in der Sonne zu wärmen. (Heiterkeit.)
Der Redner iſt nicht gegen eine entſtehende, wohl aber gegen eine zu ma-
chende Pairie. Er hält die Propoſitionen für gefahrbringend, die revi-
dirte Verfaſſung für gut und dem Volke erſprießlich. Dahlmann ſpricht
wieder die Meinung aus daß man viel eher ein Königthum als eine Pai-
rie machen könne. Dennoch wolle man in Preußen eine ſolche anpflan-
zen wie eine Baumſchule! (Heiterkeit links.) Man habe ja die Erfah-
rungen in München und Stuttgart. Sollten die dort abgetragenen Klei-
der in Berlin Mode werden? (Beifall links.) Der Redner geht die Ele-
mente der vorgeſchlagenen erſten Kammer kritiſch durch, und erklärt daß
man bei der jetzigen wohl bleiben könne, weil ſie, obſchon keine tieffin-
nige politiſche Schöpfung, ſich doch bewährt hätte. Er ſey nicht geſon-
nen politiſche Kartenhäuſer mit zu bauen, daher ſtimme er gegen die Vor-
lage. Der Miniſter v. Manteuffel ſprach zu wiederholtenmalen. Er
forderte die Verſammlung auf den Perſonen der Miniſter keine Rückſicht
widerfahren zu laſſen, aber die ſorgenſchwere Lage der Landes zu beden-
ken. Er wies den Vorwurf zurück als ob das Miniſterium durch die Er-
klärung ſeines eventuellen Rücktrittes ein Schreckmittel angewender hätte;
es habe nur eine Thatſache ausgeſprochen und die nothwendige Folge in
einem conſtitutionellen Staat. Mit einem Amphibiengeſchlecht hätten ſie
nichts zu thun; ſie hätten die Vorlage unterzeichnet und würden ſie auch
vertreten. Die Erfahrungen in München und Stuttgart bewieſen noch
nicht daß eine Pairie in einem großen Staate nicht am Platze ſey. Auch
die Verfaſſung würde gemacht; man müſſe es ebenſo mit der Pairie
verſuchen, und thun was man zu thun im Stande ſey. Er erkenne eine
verſtändige Demokratie an, und Preußen ſey in mancher Beziehung de-
mokratiſch; aber eine Partei, die auch im Lande keinen Boden hätte, er-
kenne er nicht an — die der Doctrin. Die Rechte ſpendete den Wor-
ten des Miniſters vielfach Beifall. Nächſte Sitzung heute Abend 7 Uhr.
(Dieſe zweite Sitzung ſchloß um halb 2 Uhr nach Mitternacht. Das Er-
gebniß haben wir geſtern gemeldet — Annahme aller Beſchlüſſe der zwei-
ten Kammer.)
⁝ Berlin, 29 Jan.
Die Wahlmänner der vier Wahlbezirke Ber-
lins für Erfurt werden wahrſcheinlich doch nicht ſo gleichfarbige Männer
für das Volkshaus wählen, als man auf den erſten Blick vermuthen zu
müſſen glaubte. Schon die bis geſtern abgehaltenen Verſammlungen ge-
ben einen Beweis davon. Es zeigten ſich entſchiedene und zahlreich ver-
tretene Meinungsdivergenzen. Unter den vorgeſchlagenen Candidaten
ſtehen Hr. v. Patow, Hr. v. Jordan in erſter Linie, neben ihnen Heinr.
v. Gagern und Hr. v. Radowitz, von deſſen Wahl aber wohl aus Rückſicht
auf ſeine, mehreren andern Wahlkreiſen gegebene Erklärung abgeſtanden
werden wird. Wahrſcheinlich durch den längern Aufenthalt dieſes Staats-
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(2021-08-16T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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