Allgemeine Zeitung. Nr. 334. München, 2. Dezember 1890.Allgemeine Zeitung. Nr. 334. -- 92. Jahrgang. Morgenblatt. München, Dienstag, 2. December 1890.[Spaltenumbruch] Abonnementspreis [Spaltenumbruch]
in München b. d. Ex- pedition oder den im Stadtbezirk errichte- ten Depots abgeholt monatl. M. 2. --, bei 2malig. Zustellung ins Haus M. 2.50; durch d. Post bezogen: vier- teljährlich f. Deutschl. u. Oesterreich M. 9.--, für d. Ausl. mit ent- sprechendem Zuschlag. Direkter Bezug unter Streifband für Deutschland a. Oesterreich monatl. M. 4. --, Ausland M. 5. 60. [Spaltenumbruch] Insertionspreis [Spaltenumbruch]
v. Colonelzeile 25 Pf.; finanzielle Anzeigen 35 Pf.; Lokalanzeigen 20 Pf.; kleine Anzei- gen i. gewöhnl. Schrift 3 Pf., in fetter Schrift 5 Pf. für das Wort. Redaktion u. Expedi- tion befinden sich Schwanthalerstr. 73 in München. Berichte find an die Redaktion, Inserat- aufträge an die Ex- pedktion franko einzu- senden. Abonnements für das Ausland nehmen an: für England A. Siegle. 30 Lime Str. London: für Frankreich, [Spaltenumbruch]
Portugal und Spanien A. Ammel und C. Klincksieck in Paris; für Italien H. Loescher und Frat. Bocca in Turin, Florenz und Rom, U. Hoepli in Mailand; für den Orient das kaiserlich königliche Post- amt in Wien oder Triest; für Nordamerika F. W. Christern. E Steiger u. Co., Gust. E. Stechert, Westermann u. Co., International Publishing Agency, 710 Broadway, in New York. Verantwortlicher Redakteur: Hugo Jacobi in München. Inseratenannahme in München b. d. Expedition, Schwanthalerstraße 73, serner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln, Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg, Wien, Paris, London, Zürich, Basel etc. b. d. Annoncenbureaux G. L. Daube u. Co., Haasenstein u. Vogler u. R. Mosse. In den Filialen der Zeitungsbureaux Invalidendank zu Berlin, Dresden, Leipzig, Chemnitz etc. Außerdem in: Berlin bei B. Arndt (Mohrenstr. 26) und S. Kornik (Krausenstr. 12), Hamburg bei W. Wilckens u. Ad. Steiner, New York bei der Intern. Publishing Agency, 710 Broadway. Druck und Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und München. [Spaltenumbruch] Inhalts-Uebersicht. Der Reichshaushalt. Preußischer Landtag. -- Zur Reform des Schulwesens in Preußen. Deutsches Reich. * Berlin: Gedenkfeier. Armeebefehl. Luxemburg. ch. Luxemburg: Reise des Großherzogs nach dem Haag. Oesterreich-Ungarn. S. Eger: Rede des Abg. Dr. Plener. Großbritannien. [] London: Zur Parnell-Affaire. Bayerische Chronik. -- Weitere telegraphische Nachrichten. [] Hiezu: Zweites Morgenblatt. München, 1. December. Der Reichshaushaltsetat. [] Der Reichshaushaltsetat für 1891/92 enthält nichts Ueberblickt man diese Zusammensetzung der in dem neuen Während die fortdauernden Ausgaben um 47,983,296 Mark Alles in Allem wird man sagen müssen, daß die Aus- Preußischer Landtag. Abgeordnetenhaus. * Berlin, 1. Dec.Telegramm. In der heutigen Sitzung wurde die erste Abg. v. Heydebrand und der Lasa erklärt sich mit den Abg. Rickert constatirt, daß zwischen den Ausführungen des Abg. v. Tiedemann-Labischin: Zur Regelung der Ge- Abg. v. Schalscha betont, daß außer den Abgg. v. Tiedemann Minister Herrfurth: Man könne aus den sich schroff gegen- Abg. Graf Limburg-Stirum spricht die Hoffnung aus, Abg. Hobrecht (nat.-lib.) spricht seine lebhaste Freude über Abg. Wessel erkennt das Bedürfniß einer Verbesserung der Allgemeine Zeitung. Nr. 334. — 92. Jahrgang. Morgenblatt. München, Dienſtag, 2. December 1890.[Spaltenumbruch] Abonnementspreis [Spaltenumbruch]
in München b. d. Ex- pedition oder den im Stadtbezirk errichte- ten Depots abgeholt monatl. M. 2. —, bei 2malig. Zuſtellung ins Haus M. 2.50; durch d. Poſt bezogen: vier- teljährlich f. Deutſchl. u. Oeſterreich M. 9.—, für d. Ausl. mit ent- ſprechendem Zuſchlag. Direkter Bezug unter Streifband für Deutſchland à. Oeſterreich monatl. M. 4. —, Ausland M. 5. 60. [Spaltenumbruch] Inſertionspreis [Spaltenumbruch]
v. Colonelzeile 25 Pf.; finanzielle Anzeigen 35 Pf.; Lokalanzeigen 20 Pf.; kleine Anzei- gen i. gewöhnl. Schrift 3 Pf., in fetter Schrift 5 Pf. für das Wort. Redaktion u. Expedi- tion befinden ſich Schwanthalerſtr. 73 in München. Berichte find an die Redaktion, Inſerat- aufträge an die Ex- pedktion franko einzu- ſenden. Abonnements für das Ausland nehmen an: für England A. Siegle. 30 Lime Str. London: für Frankreich, [Spaltenumbruch]
Portugal und Spanien A. Ammel und C. Klinckſieck in Paris; für Italien H. Loeſcher und Frat. Bocca in Turin, Florenz und Rom, U. Hoepli in Mailand; für den Orient das kaiſerlich königliche Poſt- amt in Wien oder Trieſt; für Nordamerika F. W. Chriſtern. E Steiger u. Co., Guſt. E. Stechert, Weſtermann u. Co., International Publiſhing Agency, 710 Broadway, in New York. Verantwortlicher Redakteur: Hugo Jacobi in München. Inſeratenannahme in München b. d. Expedition, Schwanthalerſtraße 73, ſerner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln, Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg, Wien, Paris, London, Zürich, Baſel ꝛc. b. d. Annoncenbureaux G. L. Daube u. Co., Haaſenſtein u. Vogler u. R. Moſſe. In den Filialen der Zeitungsbureaux Invalidendank zu Berlin, Dresden, Leipzig, Chemnitz ꝛc. Außerdem in: Berlin bei B. Arndt (Mohrenſtr. 26) und S. Kornik (Krauſenſtr. 12), Hamburg bei W. Wilckens u. Ad. Steiner, New York bei der Intern. Publiſhing Agency, 710 Broadway. Druck und Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und München. [Spaltenumbruch] Inhalts-Ueberſicht. Der Reichshaushalt. Preußiſcher Landtag. — Zur Reform des Schulweſens in Preußen. Deutſches Reich. * Berlin: Gedenkfeier. Armeebefehl. Luxemburg. ch. Luxemburg: Reiſe des Großherzogs nach dem Haag. Oeſterreich-Ungarn. S. Eger: Rede des Abg. Dr. Plener. Großbritannien. [] London: Zur Parnell-Affaire. Bayeriſche Chronik. — Weitere telegraphiſche Nachrichten. [] Hiezu: Zweites Morgenblatt. München, 1. December. Der Reichshaushaltsetat. [] Der Reichshaushaltsetat für 1891/92 enthält nichts Ueberblickt man dieſe Zuſammenſetzung der in dem neuen Während die fortdauernden Ausgaben um 47,983,296 Mark Alles in Allem wird man ſagen müſſen, daß die Aus- Preußiſcher Landtag. Abgeordnetenhaus. * Berlin, 1. Dec.Telegramm. In der heutigen Sitzung wurde die erſte Abg. v. Heydebrand und der Laſa erklärt ſich mit den Abg. Rickert conſtatirt, daß zwiſchen den Ausführungen des Abg. v. Tiedemann-Labiſchin: Zur Regelung der Ge- Abg. v. Schalſcha betont, daß außer den Abgg. v. Tiedemann Miniſter Herrfurth: Man könne aus den ſich ſchroff gegen- Abg. Graf Limburg-Stirum ſpricht die Hoffnung aus, Abg. Hobrecht (nat.-lib.) ſpricht ſeine lebhaſte Freude über Abg. Weſſel erkennt das Bedürfniß einer Verbeſſerung der <TEI> <text> <pb facs="#f0001"/><lb/> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung.</hi> </titlePart> <titlePart type="volume">Nr. 334. — 92. Jahrgang. </titlePart> <titlePart type="sub"> <hi rendition="#b">Morgenblatt.</hi> </titlePart> </docTitle> <docImprint> <pubPlace> <hi rendition="#b"> München,</hi> </pubPlace> <docDate><hi rendition="#b"> Dienſtag, 2.</hi> December 1890.</docDate> </docImprint> </titlePage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jExpedition" n="1"> <head><hi rendition="#b">Abonnementspreis<lb/> in München</hi> b. d. Ex-<lb/> pedition oder den im<lb/> Stadtbezirk errichte-<lb/> ten Depots abgeholt<lb/> monatl. M. 2. —, bei<lb/> 2malig. Zuſtellung ins<lb/> Haus M. 2.50; durch<lb/> d. <hi rendition="#g">Poſt</hi> bezogen: vier-<lb/> teljährlich f. Deutſchl.<lb/> u. Oeſterreich M. 9.—,<lb/> für d. Ausl. mit ent-<lb/> ſprechendem Zuſchlag.<lb/><hi rendition="#g">Direkter</hi> Bezug<lb/> unter Streifband für<lb/> Deutſchland<lb/> à. Oeſterreich monatl.<lb/> M. 4. —, Ausland<lb/> M. 5. 60.</head><lb/> <cb/><lb/> <cb/> </div> <div type="jExpedition" n="1"> <head><hi rendition="#b">Inſertionspreis</hi><lb/> v. Colonelzeile 25 Pf.;<lb/> finanzielle Anzeigen<lb/> 35 Pf.; Lokalanzeigen<lb/> 20 Pf.; kleine Anzei-<lb/> gen i. gewöhnl. Schrift<lb/> 3 Pf., in fetter Schrift<lb/> 5 Pf. für das Wort.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Redaktion u. Expedi-<lb/> tion befinden ſich<lb/> Schwanthalerſtr. 73<lb/> in München.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Berichte find an die<lb/> Redaktion, Inſerat-<lb/> aufträge an die Ex-<lb/> pedktion franko einzu-<lb/> ſenden.</head><lb/> <cb/> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jExpedition" n="1"> <head><hi rendition="#b">Abonnements für das Ausland</hi> nehmen an: für England A. <hi rendition="#g">Siegle</hi>. 30 Lime Str. London: für Frankreich,<lb/> Portugal und Spanien A. <hi rendition="#g">Ammel</hi> und C. <hi rendition="#g">Klinckſieck</hi> in Paris; für Italien H. <hi rendition="#g">Loeſcher</hi> und <hi rendition="#g">Frat.<lb/> Bocca</hi> in Turin, Florenz und Rom, U. <hi rendition="#g">Hoepli</hi> in Mailand; für den Orient das kaiſerlich königliche Poſt-<lb/> amt in Wien oder Trieſt; für Nordamerika F. W. <hi rendition="#g">Chriſtern. E Steiger u. Co., Guſt. E. Stechert,<lb/> Weſtermann u. Co., International Publiſhing Agency,</hi> 710 Broadway, in New York.<lb/> Verantwortlicher Redakteur: <hi rendition="#g">Hugo Jacobi</hi> in München.</head><lb/> <cb/> </div> <figure/> <div type="jExpedition" n="1"> <head><hi rendition="#b">Inſeratenannahme</hi> in München b. d. Expedition, <hi rendition="#b">Schwanthalerſtraße 73,</hi> ſerner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln,<lb/> Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg, Wien, Paris, London, Zürich, Baſel ꝛc. b. d. Annoncenbureaux G. L. <hi rendition="#g">Daube<lb/> u. Co., Haaſenſtein u. Vogler u. R. Moſſe</hi>. In den Filialen der Zeitungsbureaux <hi rendition="#g">Invalidendank</hi> zu Berlin,<lb/> Dresden, Leipzig, Chemnitz ꝛc. Außerdem in: Berlin bei B. <hi rendition="#g">Arndt</hi> (Mohrenſtr. 26) und S. <hi rendition="#g">Kornik</hi> (Krauſenſtr. 12),<lb/> Hamburg bei W. <hi rendition="#g">Wilckens u. Ad. Steiner,</hi> New York bei der <hi rendition="#g">Intern. Publiſhing Agency,</hi> 710 Broadway.<lb/> Druck und Verlag der <hi rendition="#b">J. G. <hi rendition="#g">Cotta’</hi></hi>ſchen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und München.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> <div type="contents" n="1"> <list> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Inhalts-Ueberſicht.</hi> </hi> </head><lb/> <item> <hi rendition="#b">Der Reichshaushalt.</hi> </item><lb/> <item> <hi rendition="#b">Preußiſcher Landtag. — Zur Reform des Schulweſens<lb/> in Preußen.</hi> </item><lb/> <item><hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> * <hi rendition="#g">Berlin:</hi> Gedenkfeier. Armeebefehl.</item><lb/> <item><hi rendition="#b">Luxemburg.</hi><hi rendition="#aq">ch.</hi><hi rendition="#g">Luxemburg:</hi> Reiſe des Großherzogs nach<lb/> dem Haag.</item><lb/> <item><hi rendition="#b">Oeſterreich-Ungarn.</hi><hi rendition="#aq">S.</hi><hi rendition="#g">Eger:</hi> Rede des Abg. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Plener.</item><lb/> <item><hi rendition="#b">Großbritannien.</hi><supplied>&#xfffc;</supplied><hi rendition="#g">London:</hi> Zur Parnell-Affaire.</item><lb/> <item> <hi rendition="#b">Bayeriſche Chronik. — Weitere telegraphiſche Nachrichten.</hi> </item><lb/> <item><supplied>&#xfffc;</supplied> Hiezu: Zweites Morgenblatt.</item> </list> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </front> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <head><hi rendition="#b">München,</hi> 1. December.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Reichshaushaltsetat.</hi> </head><lb/> <p><supplied>&#xfffc;</supplied> Der Reichshaushaltsetat für 1891/92 enthält nichts<lb/> ſonderlich Ueberraſchendes. Senſationelle Poſitionen, wie man<lb/> ſie in den letzten Jahren wohl in den einmaligen Ausgaben<lb/> für die Heeresverwaltung fand, ſucht man diesmal vergebens.<lb/> Was am meiſten in die Augen ſpringt, iſt die Steigerung der<lb/> fortdauernden Ausgaben um 47,983,296 Mark. Es nehmen<lb/> daran vorwiegend theil die Verwaltung des Reichsheeres mit<lb/> 25,754,707, das Reichsamt des Innern mit 7,302,424, die<lb/> Reichsſchuld mit 7,239,000, die Marineverwaltung mit 4,424,801,<lb/> der Allgemeine Penſionsfonds mit 2,947,077 Mark. Im Militär-<lb/> etat iſt die Mehrforderung im weſentlichen die natürliche Con-<lb/> ſequenz der im Frühjahr bewilligten Heeresverſtärkung. Hervor-<lb/> zuheben iſt der Poſten zur Beſchaffung und Erhaltung der<lb/> Munition mit einer Mehrausgabe von 6,572,282 Mark. Derſelbe<lb/> erſcheint nur zu einem Theile als Wirkung der Heeresverſtärkung;<lb/> rund 6 Millionen figuriren als Erhöhung der Anſätze zur Be-<lb/> ſchaffung, Erhaltung und Verwaltung der Munition, ſowie zu<lb/> den Schießübungen der Artillerie in Folge der Aenderungen<lb/> und Fortſchritte auf dem Gebiete des Munitionsweſens. Die<lb/> Ausgabenſteigerung im Reichsamt des Innern iſt zum weitaus<lb/> größten Theile veranlaßt durch das bevorſtehende Inkrafttreten<lb/> der Invaliditäts- und Altersverſicherung, welche für dieſes An-<lb/> fangsjahr mit einem Koſtenaufwande von 6,229,260 Mark be-<lb/> rechnet iſt. 6,213,510 Mark fallen davon auf die Zuſchüffe des<lb/> Reichs zu Altersrenten; Invaliditätsrente tritt im erſten Jahre<lb/> der Wirkſamkeit des Geſetzes noch nicht ein. Die Mehr-<lb/> erforderniſſe der Reichsſchuldenverwaltung ergeben ſich aus der<lb/> Verzinſung der neuen Reichsanleihen, die des Allgemeinen<lb/> Penſionsfonds aus der Beobachtung der thatſächlichen Geſtal-<lb/> tung der Verhältniſſe in den letzten Jahren. Was die Marine-<lb/> verwaltung anlangt, ſo fallen die Mehrausgaben überwiegend,<lb/> nämlich mit 1,831,900 Mark, auf die Indienſthaltung der<lb/> Schiffe, und mit 1,748,466 Mark auf den Werſthetrieb. Der<lb/> letztere Mehrbedarf wird mit der Vermehrung des Flotten-<lb/> materials, namentlich der Torpedofahrzeuge, und der all-<lb/> gemeinen Steigerung der Preiſe, welche nicht nur bei der Be-<lb/> ſchaffung des Materials und Inventars, ſondern auch im An-<lb/> ziehen der Arbeitslöhne zutagetrete, begründet. Sämmtliche<lb/> Verwaltungen werden durch die Aufbeſſerung der Beamten-<lb/> gehälter, manche auch durch den Eintritt der Invaliditäts- und<lb/> Altersverſicherung, d. h. durch die in Folge deſſen vom Reiche<lb/> als Arbeitgeber zu leiſtenden Wochenbeiträge, in ihrem Aus-<lb/> gabenetat geſteigert.</p><lb/> <p>Ueberblickt man dieſe Zuſammenſetzung der in dem neuen<lb/> Reichshaushaltsetat geforderten dauernden Mehrausgaben, ſo<lb/> wird man nicht die Empfindung haben, daß erhebliche Abzüge<lb/> möglich ſeien. Ueber die Nothwendigkeit der bedeutenden Ver-<lb/> mehrung der Koſten der Indienſthaltung von Schiffen wird<lb/> die Marineverwaltung noch näheren Aufſchluß zu geben haben;<lb/> viel wird aber weder hier, noch bei der Munition im Militär-<lb/> etat zu erſparen ſein. Andrerſeits kann der Anſatz für den<lb/> Reichszuſchuß zur Invaliditäts- und Altersverſicherung eher<lb/> zu niedrig, als zu hoch gegriffen ſein. Selbſt bei dem All-<lb/> gemeinen Penſionsfonds wird man kaum erwarten dürfen, daß<lb/> eine gründliche Unterſuchung eine ſehr erhebliche Herabminde-<lb/> rung der Verechnung des dauernden Mehrbedarfs bewirken<lb/> wird.</p><lb/> <p>Während die fortdauernden Ausgaben um 47,983,296 Mark<lb/> höher erſcheinen, ſtellen ſich die einmaligen Ausgaben des<lb/> ordentlichen Etats um 1,373,610 Mark geringer, als im Etat<lb/> für 1890/91 dar. Dieſes günſtige Ergebniß wird indeß nur da-<lb/> durch erzielt, daß der Fehlbetrag aus früheren Jahren, welcher<lb/> noch im letzten Etat rund 20 Millionen betrug, in Wegfall<lb/> gekommen iſt. Der ſtärkſte Mehrbedarf erſcheint diesmal bei<lb/> dem Etat der Reichsſchuld, nämlich 10,242,500 Mark. Dieſer<lb/> Betrag iſt indeß nur dazu beſtimmt, die am 1. April fälligen<lb/> Zinſen der Reichsſchuld, welche bisher dem am 1. April be-<lb/> ginnenden Etatsjahre zur Laſt geſtellt wurden, auf das alte<lb/> Etatsjahr, wohin ſie gehören, zu übertragen. Es iſt das alſo<lb/> eine als durchaus zweckmäßig anzuerkennende einmalige<lb/> Correctur, die noch obendrein aus den großen Ueberſchüſſen<lb/> der diesjährigen Zolleinnahmen gedeckt werden ſoll, den Etat<lb/> für 1891/92 alſo eigentlich gar nicht berührt. Im übrigen iſt<lb/> es die Marineverwaltung, welche mit 7,221,130 Mark den<lb/> größten Mehrbedarf in den einmaligen Ausgaben aufweist. Es<lb/> ſind die erſten Naten für den Bau dreier Panzerfahrzeuge,<lb/> eines Kreuzers, eines Aviſos und zur Herſtellung von Torpedo-<lb/> booten, welche dieſen Mehrbedarf bedingen. Um dieſe Forde-<lb/> rungen wird ſich wahrſcheinlich einiger Kampf entſpinnen;<lb/> allein ſie liegen im Nahmen des einmal feſtſtehenden Planes<lb/> und werden große Ermäßigungen kaum zulaſſen. Der Militär-<lb/> etat bleibt in den einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats<lb/><cb/> hinter dem Vorjahre um eine Kleinigkeit zurück. Trotzdem hat<lb/> er eine Reihe von Poſitionen, welche mehr oder weniger leb-<lb/> haften Angriffen ausgeſetzt ſein werden. So werden 2,800,000<lb/> Mark gefordert zum Erwerb eines zur Abhaltung größerer<lb/> Gefechts- und Schießübungen geeigneten Uebungsplatzes im<lb/> öſtlichen Theile des 7. Armeecorpsbezirks, ferner eine erſte<lb/> Nate von 3,260,393 Mark für Schießſtände aus Anlaß der<lb/> Einführung weittragender Handfeuerwaffen; für den gleichen<lb/> Zweck wird in Elſaß-Lothringen eine erſte Rate von 1,980,500<lb/> Mark verlangt. Zur Erhöhung der Kohlenbeſtände für die<lb/> Localverwaltungen und techniſchen Inſtitute der Militärver-<lb/> waltung werden 1,563,550 Mark in Ausſicht genommen. Alle<lb/> dieſe Poſitionen werden näherer Erläuterung bedürfen. Angriffe<lb/> werden auch die Forderungen des Militäretats zur Errichtung<lb/> zweier neuer Unterofficiervorſchulen (in Jülich und Wohlau)<lb/> erfahren. Die Nützlichkeit und Nothwendigkeit dieſer Inſtitute<lb/> iſt indeß durch die Erfahrung ſo zweifellos klargeſtellt, daß<lb/> der Reichstag auch in ſeiner gegenwärtigen Zuſammenſetzung<lb/> ſich dem Gewicht der guten Gründe nicht wird entziehen<lb/> können.</p><lb/> <p>Alles in Allem wird man ſagen müſſen, daß die Aus-<lb/> gaben des ordentlichen Etats — die durch Anleihe und ſonſtige<lb/> außerordentliche Deckungsmittel zu deckenden Ausgaben des<lb/> außerordentlichen Etats laſſen wir hier außer Betracht — nach<lb/> Maßgabe des wohlerwogenen Bedürfniſſes berechnet ſind. Die<lb/> in dem Etat angenommene Mehrausgabe von rund 46½ Mil-<lb/> lionen wird alſo einſtweilen feſtzuhalten ſein. Es fragt ſich<lb/> nun, ob dem gegenüber die Einnahmen einen entſprechenden<lb/> Zuwachs aufzuweiſen haben. Der Etat nimmt einen ſolchen<lb/> aus den eigenen Einnahmen des Reichs in Höhe von<lb/> 15,916,108 M. an, wovon der Löwenantheil, nämlich 11,465,000<lb/> Mark, auf die Zuckerſteuer entfällt. Jenen nahezu 16 Mill.<lb/> Mark treten die oben erwähnten rund 10⅕ Millionen aus<lb/> den Zöllen und der Tabakſteuer des laufenden Jahres hinzu,<lb/> ſo daß von dem Mehrbetrage der Ausgaben noch 20,451,078<lb/> Mark durch Steigerung der Matricularbeiträge zu decken<lb/> bleiben. Dieſer Steigerung der Matricularbeiträge ſteht nun<lb/> freilich eine beträchtlich höhere Steigerung der geſetzmäßigen<lb/> Ueberweiſungen an die Bundesſtaaten, nämlich um 32,843,000<lb/> Mark, gegenüber. Es muß aber hervorgehoben werden, daß<lb/> ſich im laufenden Jahre das Verhältniß zwiſchen den Matri-<lb/> cularbeiträgen und den Ueberweiſungen erheblich verſchlechtert<lb/> hat. In dem Etat für 1889/90 betrugen die Matricularbei-<lb/> träge 228,132,691 M., der etatsmäßige Betrag der Ueber-<lb/> weiſungen 281,440,000 M., im gegenwärtigen Etatsentwurf<lb/> figuriren die Matricularbeiträge mit 322,623,505, die Ueber-<lb/> weiſungen mit 331,353,000 M. Dort alſo ein Ueberſchuß der<lb/> Ueberweiſungen von rund 53, hier von kaum 9 Millionen.<lb/> Dieſe Zahlen entſprechen nun freilich inſofern nicht der Wirk-<lb/> lichkeit, als die Ueberweiſungen auf Grund der thatſächlichen<lb/> Einnahmen den Etat weit überſchreiten. So haben im Etats-<lb/> jahr 1889/90 nach der amtlichen Ueberſicht der Ausgaben und<lb/> Einnahmen die Ueberweiſungen das Etats-Soll um 73,593,901<lb/> Mark überſchritten. Ein ähnliches Ergebniß kann auch für<lb/> das laufende Jahr erwartet werden. Nichtsdeſtoweniger wird<lb/> die Thatſache einer Verſchiebung des Verhältniſſes zu Un-<lb/> gunſten der Matricularbeiträge dadurch nicht verändert. Dazu<lb/> kommt, daß die Ausgaben des Reichs in den nächſten Jahren<lb/> ſchon durch den Reichszuſchuß zu den Invaliditäts- und Alters-<lb/> renten bedeutend wachſen werden, während andererſeits<lb/> wenigſtens die Möglichkeit einer Verminderung der Zollein-<lb/> nahmen nicht ausgeſchloſſen iſt. Soll angeſichts deſſen eine<lb/> weitere erhebliche Steigerung der Matricularbeiträge, die bei den<lb/> wachſenden Bedürfniſſen der Einzelſtaaten auf die Finanzen der-<lb/> ſelben einen höchſt ſtörenden Einfluß üben würde, vermieden werden,<lb/> ſo wird man ernſtlich an eine Steigerung der eigenen Einnahmen<lb/> des Reichs denken müſſen. Unter dieſem Geſichtspunkte kann<lb/> der neue Etat recht wohl zur Unterſtützung der Zuckerſteuer-<lb/> vorlage herangezogen werden.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Preußiſcher Landtag.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head><hi rendition="#g">Abgeordnetenhaus.<lb/> Telegramm</hi>.</head><lb/> <dateline>* <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 1. Dec.</dateline><lb/> <p>In der heutigen Sitzung wurde die erſte<lb/> Leſung der <hi rendition="#g">Landgemeindeordnung</hi> fortgeſetzt.</p><lb/> <p>Abg. v. <hi rendition="#g">Heydebrand und der Laſa</hi> erklärt ſich mit den<lb/> Ausführungen des Miniſters in Betreff der Abſicht, an das hiſto-<lb/> riſch Gewordene anzuknüpfen, einverſtanden. Im Oſten der Mon-<lb/> archie ſeien die Verhältniſſe verbeſſerungsbedürftig. Meine Partei<lb/> (die conſervative), die auf dem Boden der Selbſtändigkeit der Ge-<lb/> meinde ſteht, iſt einer Weiterbildung dieſes Rechtes nicht entgegen.<lb/> Auch der Verleihung des Stimmrechts an Nichteingeſeſſene ſind wir<lb/> nicht entgegen, ebenſo erkennen wir den Nutzen der Zweckverbände<lb/> an, doch müſſen wir verlangen, daß die Bildung derſelben in die<lb/> Hand des Kreisausſchuſſes gelegt wird. Redner verlangt dann,<lb/> man ſolle die Normirung der Communalſteuern und der Grenze des<lb/> Communalwahlrechts an Stelle der Gemeindevertretung dem<lb/> Kreisausſchuſſe übertragen, über deſſen Entſcheidung nicht hinans-<lb/> gegangen zu werden brauche. Auch ſei nicht nur die Anhörung,<lb/> ſondern auch die Zuſtimmung des Kreisausſchuſſes erforderlich,<lb/> wenn man Gemeinde- und Gutsbezirke zuſammenlegen wolle. Nedner<lb/> ſpricht ſchließlich die Hoffnung aus, daß die Regierung den von<lb/> ſeiner Partei ausgeſprochenen Wünſchen Rechnung trage.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#g">Rickert</hi> conſtatirt, daß zwiſchen den Ausführungen des<lb/> Miniſters im Februar und dem jetzigen Entwurf ein großer Unter-<lb/> ſchied beſtehe, beklagt dann, daß die Reform der Landgemeinde-<lb/> ordnung ſo ſpät erfolge, und verſpricht die Zuſtimmung ſeiner<lb/> Partei, wenn ſich in dem Entwurfe der erſte Schritt zu einer<lb/> Beſſerung finden laſſe, doch wünſche er, daß man aus dem Werke<lb/> jedes politiſche Intereſſe, jeden Parteiſtandpunkt fortlaſſe. Sollte<lb/><cb/> ſich jetzt kein Fortſchritt ergeben, ſo werde die Thätigkeit der So-<lb/> cialdemokratie denſelben erzwingen. Die feſteſte Stütze des Staates<lb/> ſei die Selbſtverwaltung, nur eine Weiterbildung in dieſer Richtung<lb/> könne helfen, dieſelbe werde jedoch von der conſervativen Neaction<lb/> perhorreſcirt. Der Bauer könne verlangen, was dem Städter ſchon<lb/> lange verliehen ſei. Die Mitwirkung des Provinciallandtages ſei<lb/> für die Landgemeindeordnung nicht nothwendig, das ſei Sache des<lb/> Staates. Redner geht dann auf die materielle Seite der Vorlage<lb/> ein; er erklärt, daß ſeine Partei nicht etwa ein kunſtoolles theore-<lb/> liſches Product den Gemeinden octroyiren wolle, und erkennt an,<lb/> daß eine Anzahl Gutsbezirke lebens- und leiſtungsfähig ſei, wenn<lb/> aber jeder Leiſtungsfähige allein gelaſſen werde, ſo ſei das eine<lb/> Atomiſirung des Staates. Wenn die Regierung dem Kreiſe alle<lb/> Competenz übergebe, werde die Verantwortlichkeit des Miniſters<lb/> der Landesvertretung entzogen. Bezüglich des Wahlrechtes wünſche<lb/> er, daß wenigſtens das Recht der dritten Claſſe bedeutend erweitert<lb/> werde. Redner wendet ſich dann gegen die Ausführungen des<lb/> Abg. v. Meyer-Arnswalde, daß die Gemeinde nicht als Ver-<lb/> nigung von Perſonen, ſondern von Grundſtücken zu betrachten<lb/> ſei. Ueberhaupt zeuge der Entwurf von großem Mißtrauen, indem<lb/> man beiſpielsweiſe die Einführung des geheimen Wahlrechts ver-<lb/> meide. Auch die Vorſchriften über die Beſtätigung gehen zu<lb/> weit. Zweckverbände könne man nur billigen, wenn ſie als Ueber-<lb/> gänge zu Gemeindeverbänden dienen ſollen. Sollte die Vorlage<lb/> nur die Bureaukratie ſtärken, ſo werde der ihr nachgeſagte Zweck ver-<lb/> fehlt und nur das erreicht, daß das Volk vor der Theilnahme an<lb/> der Selbſtverwaltung einen Ekel bekomme, der nicht zum Segen<lb/> des Vaterlandes gereiche.</p><lb/> <p>Abg. v. <hi rendition="#g">Tiedemann-Labiſchin:</hi> Zur Regelung der Ge-<lb/> meindelaſten gebe es drei Wege: den erſten gehe die Vorlage, der<lb/> zweite ſei die Bildung von Zweckverbänden, der dritte die Bildung<lb/> von Sammtgemeinden. Redner vergleicht die Zuſtände in Schles-<lb/> wig, Weſtfalen und Poſen, die er kenne, und erklärt ſich ſowohl<lb/> mit der Bildung von Sammtgemeinden wie mit der von Zweck-<lb/> verbänden einverſtanden; in beiden Fällen werde auch dem Bauer<lb/> das zu Theil, was ihm gebühre, der Socialdemokratie aber werde<lb/> ein feſter Damm entgegengeſetzt.</p><lb/> <p>Abg. v. <hi rendition="#g">Schalſcha</hi> betont, daß außer den Abgg. v. Tiedemann<lb/> und v. Gneiſt ſämmtliche Redner die Grundlagen der Vorlage ange-<lb/> griffen haben. Er erinnert an die von der Socialdemokratie<lb/> drohenden Gefahren und daran, daß jede Nevolution von einer<lb/> Minorität ausgegangen ſei, welche die Mehrheit terroriſirt habe.<lb/> Er ſehe in der Vorlage eine Verkürzung der Rechte der Anſäſſigen<lb/> ohne eine Compenſation dafür. Es würde eine Maſſe von Leuten,<lb/> beſonders von kleinen Beamten, das Stimmrecht erhalten, ohne<lb/> Communalſteuern zu zahlen.</p><lb/> <p>Miniſter <hi rendition="#g">Herrfurth:</hi> Man könne aus den ſich ſchroff gegen-<lb/> überſtehenden verſchiedenen Kritiken den Schluß ziehen, daß die<lb/> Regierung die richtige Mitte getroffen habe. Dem Abg. v. Huene<lb/> gebe er zu, daß der Entwurf nicht präcis genug den Gedanken<lb/> ausdrücke, den er ausdrücken ſolle, daß jede Abtheilung nur ein<lb/> Drittel der Vertreter ſolle ſtellen dürfen. Das werde zur Folge<lb/> haben, daß in den erſten beiden Abtheilungen die Vertreter Grund-<lb/> beſitzer ſeien. Das Verhältniß der Nichtangeſeſſenen zu den An-<lb/> geſeſſenen werde in der Gemeindevertretung nicht wie 1 zu 2,<lb/> ſondern wie 1 zu 8 ſein; das rechtfertige ſich auch dadurch, daß<lb/> der Antheil der Nichtangeſeſſenen zu den Angeſeſſenen an den<lb/> Gemeindelaſten ſich wie 1 zu 17 verhalte. Der Forderung Rickerts<lb/> betreffs des geheimen Communalwahlrechts könne die Regierung<lb/> nicht zuſtimmen. Das könne man nur vom grünen Tiſch aus<lb/> decretiren, wenn man die ländlichen Verhältniſſe nicht kenne, <hi rendition="#aq">cum<lb/> ira,</hi> aber <hi rendition="#aq">sine studio.</hi> Wenn Hr. v. Schalſcha von der geplanten<lb/> Ausdehnung des Wahlrechts eine Socialdemokratiſirung befürchte,<lb/> ſo ſei dies ungerechtfertigt. Den Vorſchlägen des Abg. v. <hi rendition="#g">Heyde-<lb/> brand,</hi> die eine Stärkung des Kreisausſchuſſes bezwecken, könne er<lb/> nicht zuſtimmen, da kein Organ der Selbſtverwaltung der<lb/> miniſteriellen Inſtanz entzogen werden könne. Der Miniſter ſchließt<lb/> mit den Worten: <hi rendition="#aq">Si quid novisti rectius istis, candıdus imperti,<lb/> si non, his utere mecum.</hi></p><lb/> <p>Abg. Graf <hi rendition="#g">Limburg-Stirum</hi> ſpricht die Hoffnung aus,<lb/> die Vorlage werde zu einem gedeihlichen Geſetz ausgearbeitet werden<lb/> können. Gegen den Abg. Rickert bemerke er, daß nichtleiſtungsfähige<lb/> Gutsbezirke auch nicht ſelbſtändig gemacht werden ſollten. Wenn<lb/> aber ein bis dahin ſelbſtändiger Gutsbezirk leiſtungsfähig ſei,<lb/> ſolle er auch fernerhin ſelbſtändig bleiben. Der Widerſtand der<lb/> Freiſinnigen gegen dieſe Forderung rühre daher, daß die Guts-<lb/> beſitzer meiſt conſervativ ſeien. Man müſſe Alles thun, um<lb/> lebensfähige Verbände zu ſchaffen, und die abgeſtorbenen Theile<lb/> wegſchneiden. Es empfehle ſich, die Competenz der Selbſt-<lb/> verwaltungskörper zu ſchonen, da man denſelben ſonſt ein Miß-<lb/> trauensvotum ertheile. Redner ſpricht ſchließlich den Entſchluß<lb/> ſeiner Partei aus, kräftig an dem Geſetze mitzuarbeiten.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#g">Hobrecht</hi> (nat.-lib.) ſpricht ſeine lebhaſte Freude über<lb/> das Geſetz aus, das in dem herrſchenden Wirrwarr ſtatutariſcher<lb/> Beſtimmungen von höchſter Wichtigkeit ſei. Die Vorlage zeichne<lb/> ſich durch zweierlei aus: erſtens durch Ergänzung und Erweiterung<lb/> der Verfaſſung unter Feſthalten am alten Bewährten, zweitens<lb/> durch Schaffung leiſtungsfähiger Gemeinden. Die Verleihung des<lb/> Wahlrechts an Nichtangeſeſſene bedeute einen Fortſchritt, den er<lb/> gutheiße, da man durch das allgemeine Reichstagswahlrecht ſämmt-<lb/> liche Bürger für competent erklärt habe, an den höchſten Aufgaben<lb/> der Menſchheit durch ihr Votum mitzuwirken. Redner wünſcht<lb/> eine Weiterbildung des Entwurfs in der Weiſe, daß der Bureau-<lb/> kratismus nicht geſtärkt werde, und verlangt, daß bereits in der<lb/> Commiſſion feſte Normen für die Zuſammenlegung der Gemeinden<lb/> aufgeſtellt werden. Redner ſchließt: er habe ſich als Freund der<lb/> Vorlage eintragen laſſen und hoffe, daß die Vorlage mit ihren<lb/> Freunden fertig werde; mit ihren Feinden werde ſie ſchon fertig<lb/> werden.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Abg. Weſſel</hi> erkennt das Bedürfniß einer Verbeſſerung der<lb/> Landgemeindeordnung ſowohl für den Oſten wie für den Weſten<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0001]
Allgemeine Zeitung.Nr. 334. — 92. Jahrgang. Morgenblatt. München, Dienſtag, 2. December 1890.
Abonnementspreis
in München b. d. Ex-
pedition oder den im
Stadtbezirk errichte-
ten Depots abgeholt
monatl. M. 2. —, bei
2malig. Zuſtellung ins
Haus M. 2.50; durch
d. Poſt bezogen: vier-
teljährlich f. Deutſchl.
u. Oeſterreich M. 9.—,
für d. Ausl. mit ent-
ſprechendem Zuſchlag.
Direkter Bezug
unter Streifband für
Deutſchland
à. Oeſterreich monatl.
M. 4. —, Ausland
M. 5. 60.
Inſertionspreis
v. Colonelzeile 25 Pf.;
finanzielle Anzeigen
35 Pf.; Lokalanzeigen
20 Pf.; kleine Anzei-
gen i. gewöhnl. Schrift
3 Pf., in fetter Schrift
5 Pf. für das Wort.
Redaktion u. Expedi-
tion befinden ſich
Schwanthalerſtr. 73
in München.
Berichte find an die
Redaktion, Inſerat-
aufträge an die Ex-
pedktion franko einzu-
ſenden.
Abonnements für das Ausland nehmen an: für England A. Siegle. 30 Lime Str. London: für Frankreich,
Portugal und Spanien A. Ammel und C. Klinckſieck in Paris; für Italien H. Loeſcher und Frat.
Bocca in Turin, Florenz und Rom, U. Hoepli in Mailand; für den Orient das kaiſerlich königliche Poſt-
amt in Wien oder Trieſt; für Nordamerika F. W. Chriſtern. E Steiger u. Co., Guſt. E. Stechert,
Weſtermann u. Co., International Publiſhing Agency, 710 Broadway, in New York.
Verantwortlicher Redakteur: Hugo Jacobi in München.
[Abbildung]
Inſeratenannahme in München b. d. Expedition, Schwanthalerſtraße 73, ſerner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln,
Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg, Wien, Paris, London, Zürich, Baſel ꝛc. b. d. Annoncenbureaux G. L. Daube
u. Co., Haaſenſtein u. Vogler u. R. Moſſe. In den Filialen der Zeitungsbureaux Invalidendank zu Berlin,
Dresden, Leipzig, Chemnitz ꝛc. Außerdem in: Berlin bei B. Arndt (Mohrenſtr. 26) und S. Kornik (Krauſenſtr. 12),
Hamburg bei W. Wilckens u. Ad. Steiner, New York bei der Intern. Publiſhing Agency, 710 Broadway.
Druck und Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und München.
Inhalts-Ueberſicht.
Der Reichshaushalt.
Preußiſcher Landtag. — Zur Reform des Schulweſens
in Preußen.
Deutſches Reich. * Berlin: Gedenkfeier. Armeebefehl.
Luxemburg. ch. Luxemburg: Reiſe des Großherzogs nach
dem Haag.
Oeſterreich-Ungarn. S. Eger: Rede des Abg. Dr. Plener.
Großbritannien.  London: Zur Parnell-Affaire.
Bayeriſche Chronik. — Weitere telegraphiſche Nachrichten.
 Hiezu: Zweites Morgenblatt.
München, 1. December.
Der Reichshaushaltsetat.
 Der Reichshaushaltsetat für 1891/92 enthält nichts
ſonderlich Ueberraſchendes. Senſationelle Poſitionen, wie man
ſie in den letzten Jahren wohl in den einmaligen Ausgaben
für die Heeresverwaltung fand, ſucht man diesmal vergebens.
Was am meiſten in die Augen ſpringt, iſt die Steigerung der
fortdauernden Ausgaben um 47,983,296 Mark. Es nehmen
daran vorwiegend theil die Verwaltung des Reichsheeres mit
25,754,707, das Reichsamt des Innern mit 7,302,424, die
Reichsſchuld mit 7,239,000, die Marineverwaltung mit 4,424,801,
der Allgemeine Penſionsfonds mit 2,947,077 Mark. Im Militär-
etat iſt die Mehrforderung im weſentlichen die natürliche Con-
ſequenz der im Frühjahr bewilligten Heeresverſtärkung. Hervor-
zuheben iſt der Poſten zur Beſchaffung und Erhaltung der
Munition mit einer Mehrausgabe von 6,572,282 Mark. Derſelbe
erſcheint nur zu einem Theile als Wirkung der Heeresverſtärkung;
rund 6 Millionen figuriren als Erhöhung der Anſätze zur Be-
ſchaffung, Erhaltung und Verwaltung der Munition, ſowie zu
den Schießübungen der Artillerie in Folge der Aenderungen
und Fortſchritte auf dem Gebiete des Munitionsweſens. Die
Ausgabenſteigerung im Reichsamt des Innern iſt zum weitaus
größten Theile veranlaßt durch das bevorſtehende Inkrafttreten
der Invaliditäts- und Altersverſicherung, welche für dieſes An-
fangsjahr mit einem Koſtenaufwande von 6,229,260 Mark be-
rechnet iſt. 6,213,510 Mark fallen davon auf die Zuſchüffe des
Reichs zu Altersrenten; Invaliditätsrente tritt im erſten Jahre
der Wirkſamkeit des Geſetzes noch nicht ein. Die Mehr-
erforderniſſe der Reichsſchuldenverwaltung ergeben ſich aus der
Verzinſung der neuen Reichsanleihen, die des Allgemeinen
Penſionsfonds aus der Beobachtung der thatſächlichen Geſtal-
tung der Verhältniſſe in den letzten Jahren. Was die Marine-
verwaltung anlangt, ſo fallen die Mehrausgaben überwiegend,
nämlich mit 1,831,900 Mark, auf die Indienſthaltung der
Schiffe, und mit 1,748,466 Mark auf den Werſthetrieb. Der
letztere Mehrbedarf wird mit der Vermehrung des Flotten-
materials, namentlich der Torpedofahrzeuge, und der all-
gemeinen Steigerung der Preiſe, welche nicht nur bei der Be-
ſchaffung des Materials und Inventars, ſondern auch im An-
ziehen der Arbeitslöhne zutagetrete, begründet. Sämmtliche
Verwaltungen werden durch die Aufbeſſerung der Beamten-
gehälter, manche auch durch den Eintritt der Invaliditäts- und
Altersverſicherung, d. h. durch die in Folge deſſen vom Reiche
als Arbeitgeber zu leiſtenden Wochenbeiträge, in ihrem Aus-
gabenetat geſteigert.
Ueberblickt man dieſe Zuſammenſetzung der in dem neuen
Reichshaushaltsetat geforderten dauernden Mehrausgaben, ſo
wird man nicht die Empfindung haben, daß erhebliche Abzüge
möglich ſeien. Ueber die Nothwendigkeit der bedeutenden Ver-
mehrung der Koſten der Indienſthaltung von Schiffen wird
die Marineverwaltung noch näheren Aufſchluß zu geben haben;
viel wird aber weder hier, noch bei der Munition im Militär-
etat zu erſparen ſein. Andrerſeits kann der Anſatz für den
Reichszuſchuß zur Invaliditäts- und Altersverſicherung eher
zu niedrig, als zu hoch gegriffen ſein. Selbſt bei dem All-
gemeinen Penſionsfonds wird man kaum erwarten dürfen, daß
eine gründliche Unterſuchung eine ſehr erhebliche Herabminde-
rung der Verechnung des dauernden Mehrbedarfs bewirken
wird.
Während die fortdauernden Ausgaben um 47,983,296 Mark
höher erſcheinen, ſtellen ſich die einmaligen Ausgaben des
ordentlichen Etats um 1,373,610 Mark geringer, als im Etat
für 1890/91 dar. Dieſes günſtige Ergebniß wird indeß nur da-
durch erzielt, daß der Fehlbetrag aus früheren Jahren, welcher
noch im letzten Etat rund 20 Millionen betrug, in Wegfall
gekommen iſt. Der ſtärkſte Mehrbedarf erſcheint diesmal bei
dem Etat der Reichsſchuld, nämlich 10,242,500 Mark. Dieſer
Betrag iſt indeß nur dazu beſtimmt, die am 1. April fälligen
Zinſen der Reichsſchuld, welche bisher dem am 1. April be-
ginnenden Etatsjahre zur Laſt geſtellt wurden, auf das alte
Etatsjahr, wohin ſie gehören, zu übertragen. Es iſt das alſo
eine als durchaus zweckmäßig anzuerkennende einmalige
Correctur, die noch obendrein aus den großen Ueberſchüſſen
der diesjährigen Zolleinnahmen gedeckt werden ſoll, den Etat
für 1891/92 alſo eigentlich gar nicht berührt. Im übrigen iſt
es die Marineverwaltung, welche mit 7,221,130 Mark den
größten Mehrbedarf in den einmaligen Ausgaben aufweist. Es
ſind die erſten Naten für den Bau dreier Panzerfahrzeuge,
eines Kreuzers, eines Aviſos und zur Herſtellung von Torpedo-
booten, welche dieſen Mehrbedarf bedingen. Um dieſe Forde-
rungen wird ſich wahrſcheinlich einiger Kampf entſpinnen;
allein ſie liegen im Nahmen des einmal feſtſtehenden Planes
und werden große Ermäßigungen kaum zulaſſen. Der Militär-
etat bleibt in den einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats
hinter dem Vorjahre um eine Kleinigkeit zurück. Trotzdem hat
er eine Reihe von Poſitionen, welche mehr oder weniger leb-
haften Angriffen ausgeſetzt ſein werden. So werden 2,800,000
Mark gefordert zum Erwerb eines zur Abhaltung größerer
Gefechts- und Schießübungen geeigneten Uebungsplatzes im
öſtlichen Theile des 7. Armeecorpsbezirks, ferner eine erſte
Nate von 3,260,393 Mark für Schießſtände aus Anlaß der
Einführung weittragender Handfeuerwaffen; für den gleichen
Zweck wird in Elſaß-Lothringen eine erſte Rate von 1,980,500
Mark verlangt. Zur Erhöhung der Kohlenbeſtände für die
Localverwaltungen und techniſchen Inſtitute der Militärver-
waltung werden 1,563,550 Mark in Ausſicht genommen. Alle
dieſe Poſitionen werden näherer Erläuterung bedürfen. Angriffe
werden auch die Forderungen des Militäretats zur Errichtung
zweier neuer Unterofficiervorſchulen (in Jülich und Wohlau)
erfahren. Die Nützlichkeit und Nothwendigkeit dieſer Inſtitute
iſt indeß durch die Erfahrung ſo zweifellos klargeſtellt, daß
der Reichstag auch in ſeiner gegenwärtigen Zuſammenſetzung
ſich dem Gewicht der guten Gründe nicht wird entziehen
können.
Alles in Allem wird man ſagen müſſen, daß die Aus-
gaben des ordentlichen Etats — die durch Anleihe und ſonſtige
außerordentliche Deckungsmittel zu deckenden Ausgaben des
außerordentlichen Etats laſſen wir hier außer Betracht — nach
Maßgabe des wohlerwogenen Bedürfniſſes berechnet ſind. Die
in dem Etat angenommene Mehrausgabe von rund 46½ Mil-
lionen wird alſo einſtweilen feſtzuhalten ſein. Es fragt ſich
nun, ob dem gegenüber die Einnahmen einen entſprechenden
Zuwachs aufzuweiſen haben. Der Etat nimmt einen ſolchen
aus den eigenen Einnahmen des Reichs in Höhe von
15,916,108 M. an, wovon der Löwenantheil, nämlich 11,465,000
Mark, auf die Zuckerſteuer entfällt. Jenen nahezu 16 Mill.
Mark treten die oben erwähnten rund 10⅕ Millionen aus
den Zöllen und der Tabakſteuer des laufenden Jahres hinzu,
ſo daß von dem Mehrbetrage der Ausgaben noch 20,451,078
Mark durch Steigerung der Matricularbeiträge zu decken
bleiben. Dieſer Steigerung der Matricularbeiträge ſteht nun
freilich eine beträchtlich höhere Steigerung der geſetzmäßigen
Ueberweiſungen an die Bundesſtaaten, nämlich um 32,843,000
Mark, gegenüber. Es muß aber hervorgehoben werden, daß
ſich im laufenden Jahre das Verhältniß zwiſchen den Matri-
cularbeiträgen und den Ueberweiſungen erheblich verſchlechtert
hat. In dem Etat für 1889/90 betrugen die Matricularbei-
träge 228,132,691 M., der etatsmäßige Betrag der Ueber-
weiſungen 281,440,000 M., im gegenwärtigen Etatsentwurf
figuriren die Matricularbeiträge mit 322,623,505, die Ueber-
weiſungen mit 331,353,000 M. Dort alſo ein Ueberſchuß der
Ueberweiſungen von rund 53, hier von kaum 9 Millionen.
Dieſe Zahlen entſprechen nun freilich inſofern nicht der Wirk-
lichkeit, als die Ueberweiſungen auf Grund der thatſächlichen
Einnahmen den Etat weit überſchreiten. So haben im Etats-
jahr 1889/90 nach der amtlichen Ueberſicht der Ausgaben und
Einnahmen die Ueberweiſungen das Etats-Soll um 73,593,901
Mark überſchritten. Ein ähnliches Ergebniß kann auch für
das laufende Jahr erwartet werden. Nichtsdeſtoweniger wird
die Thatſache einer Verſchiebung des Verhältniſſes zu Un-
gunſten der Matricularbeiträge dadurch nicht verändert. Dazu
kommt, daß die Ausgaben des Reichs in den nächſten Jahren
ſchon durch den Reichszuſchuß zu den Invaliditäts- und Alters-
renten bedeutend wachſen werden, während andererſeits
wenigſtens die Möglichkeit einer Verminderung der Zollein-
nahmen nicht ausgeſchloſſen iſt. Soll angeſichts deſſen eine
weitere erhebliche Steigerung der Matricularbeiträge, die bei den
wachſenden Bedürfniſſen der Einzelſtaaten auf die Finanzen der-
ſelben einen höchſt ſtörenden Einfluß üben würde, vermieden werden,
ſo wird man ernſtlich an eine Steigerung der eigenen Einnahmen
des Reichs denken müſſen. Unter dieſem Geſichtspunkte kann
der neue Etat recht wohl zur Unterſtützung der Zuckerſteuer-
vorlage herangezogen werden.
Preußiſcher Landtag.
Abgeordnetenhaus.
Telegramm.
* Berlin, 1. Dec.
In der heutigen Sitzung wurde die erſte
Leſung der Landgemeindeordnung fortgeſetzt.
Abg. v. Heydebrand und der Laſa erklärt ſich mit den
Ausführungen des Miniſters in Betreff der Abſicht, an das hiſto-
riſch Gewordene anzuknüpfen, einverſtanden. Im Oſten der Mon-
archie ſeien die Verhältniſſe verbeſſerungsbedürftig. Meine Partei
(die conſervative), die auf dem Boden der Selbſtändigkeit der Ge-
meinde ſteht, iſt einer Weiterbildung dieſes Rechtes nicht entgegen.
Auch der Verleihung des Stimmrechts an Nichteingeſeſſene ſind wir
nicht entgegen, ebenſo erkennen wir den Nutzen der Zweckverbände
an, doch müſſen wir verlangen, daß die Bildung derſelben in die
Hand des Kreisausſchuſſes gelegt wird. Redner verlangt dann,
man ſolle die Normirung der Communalſteuern und der Grenze des
Communalwahlrechts an Stelle der Gemeindevertretung dem
Kreisausſchuſſe übertragen, über deſſen Entſcheidung nicht hinans-
gegangen zu werden brauche. Auch ſei nicht nur die Anhörung,
ſondern auch die Zuſtimmung des Kreisausſchuſſes erforderlich,
wenn man Gemeinde- und Gutsbezirke zuſammenlegen wolle. Nedner
ſpricht ſchließlich die Hoffnung aus, daß die Regierung den von
ſeiner Partei ausgeſprochenen Wünſchen Rechnung trage.
Abg. Rickert conſtatirt, daß zwiſchen den Ausführungen des
Miniſters im Februar und dem jetzigen Entwurf ein großer Unter-
ſchied beſtehe, beklagt dann, daß die Reform der Landgemeinde-
ordnung ſo ſpät erfolge, und verſpricht die Zuſtimmung ſeiner
Partei, wenn ſich in dem Entwurfe der erſte Schritt zu einer
Beſſerung finden laſſe, doch wünſche er, daß man aus dem Werke
jedes politiſche Intereſſe, jeden Parteiſtandpunkt fortlaſſe. Sollte
ſich jetzt kein Fortſchritt ergeben, ſo werde die Thätigkeit der So-
cialdemokratie denſelben erzwingen. Die feſteſte Stütze des Staates
ſei die Selbſtverwaltung, nur eine Weiterbildung in dieſer Richtung
könne helfen, dieſelbe werde jedoch von der conſervativen Neaction
perhorreſcirt. Der Bauer könne verlangen, was dem Städter ſchon
lange verliehen ſei. Die Mitwirkung des Provinciallandtages ſei
für die Landgemeindeordnung nicht nothwendig, das ſei Sache des
Staates. Redner geht dann auf die materielle Seite der Vorlage
ein; er erklärt, daß ſeine Partei nicht etwa ein kunſtoolles theore-
liſches Product den Gemeinden octroyiren wolle, und erkennt an,
daß eine Anzahl Gutsbezirke lebens- und leiſtungsfähig ſei, wenn
aber jeder Leiſtungsfähige allein gelaſſen werde, ſo ſei das eine
Atomiſirung des Staates. Wenn die Regierung dem Kreiſe alle
Competenz übergebe, werde die Verantwortlichkeit des Miniſters
der Landesvertretung entzogen. Bezüglich des Wahlrechtes wünſche
er, daß wenigſtens das Recht der dritten Claſſe bedeutend erweitert
werde. Redner wendet ſich dann gegen die Ausführungen des
Abg. v. Meyer-Arnswalde, daß die Gemeinde nicht als Ver-
nigung von Perſonen, ſondern von Grundſtücken zu betrachten
ſei. Ueberhaupt zeuge der Entwurf von großem Mißtrauen, indem
man beiſpielsweiſe die Einführung des geheimen Wahlrechts ver-
meide. Auch die Vorſchriften über die Beſtätigung gehen zu
weit. Zweckverbände könne man nur billigen, wenn ſie als Ueber-
gänge zu Gemeindeverbänden dienen ſollen. Sollte die Vorlage
nur die Bureaukratie ſtärken, ſo werde der ihr nachgeſagte Zweck ver-
fehlt und nur das erreicht, daß das Volk vor der Theilnahme an
der Selbſtverwaltung einen Ekel bekomme, der nicht zum Segen
des Vaterlandes gereiche.
Abg. v. Tiedemann-Labiſchin: Zur Regelung der Ge-
meindelaſten gebe es drei Wege: den erſten gehe die Vorlage, der
zweite ſei die Bildung von Zweckverbänden, der dritte die Bildung
von Sammtgemeinden. Redner vergleicht die Zuſtände in Schles-
wig, Weſtfalen und Poſen, die er kenne, und erklärt ſich ſowohl
mit der Bildung von Sammtgemeinden wie mit der von Zweck-
verbänden einverſtanden; in beiden Fällen werde auch dem Bauer
das zu Theil, was ihm gebühre, der Socialdemokratie aber werde
ein feſter Damm entgegengeſetzt.
Abg. v. Schalſcha betont, daß außer den Abgg. v. Tiedemann
und v. Gneiſt ſämmtliche Redner die Grundlagen der Vorlage ange-
griffen haben. Er erinnert an die von der Socialdemokratie
drohenden Gefahren und daran, daß jede Nevolution von einer
Minorität ausgegangen ſei, welche die Mehrheit terroriſirt habe.
Er ſehe in der Vorlage eine Verkürzung der Rechte der Anſäſſigen
ohne eine Compenſation dafür. Es würde eine Maſſe von Leuten,
beſonders von kleinen Beamten, das Stimmrecht erhalten, ohne
Communalſteuern zu zahlen.
Miniſter Herrfurth: Man könne aus den ſich ſchroff gegen-
überſtehenden verſchiedenen Kritiken den Schluß ziehen, daß die
Regierung die richtige Mitte getroffen habe. Dem Abg. v. Huene
gebe er zu, daß der Entwurf nicht präcis genug den Gedanken
ausdrücke, den er ausdrücken ſolle, daß jede Abtheilung nur ein
Drittel der Vertreter ſolle ſtellen dürfen. Das werde zur Folge
haben, daß in den erſten beiden Abtheilungen die Vertreter Grund-
beſitzer ſeien. Das Verhältniß der Nichtangeſeſſenen zu den An-
geſeſſenen werde in der Gemeindevertretung nicht wie 1 zu 2,
ſondern wie 1 zu 8 ſein; das rechtfertige ſich auch dadurch, daß
der Antheil der Nichtangeſeſſenen zu den Angeſeſſenen an den
Gemeindelaſten ſich wie 1 zu 17 verhalte. Der Forderung Rickerts
betreffs des geheimen Communalwahlrechts könne die Regierung
nicht zuſtimmen. Das könne man nur vom grünen Tiſch aus
decretiren, wenn man die ländlichen Verhältniſſe nicht kenne, cum
ira, aber sine studio. Wenn Hr. v. Schalſcha von der geplanten
Ausdehnung des Wahlrechts eine Socialdemokratiſirung befürchte,
ſo ſei dies ungerechtfertigt. Den Vorſchlägen des Abg. v. Heyde-
brand, die eine Stärkung des Kreisausſchuſſes bezwecken, könne er
nicht zuſtimmen, da kein Organ der Selbſtverwaltung der
miniſteriellen Inſtanz entzogen werden könne. Der Miniſter ſchließt
mit den Worten: Si quid novisti rectius istis, candıdus imperti,
si non, his utere mecum.
Abg. Graf Limburg-Stirum ſpricht die Hoffnung aus,
die Vorlage werde zu einem gedeihlichen Geſetz ausgearbeitet werden
können. Gegen den Abg. Rickert bemerke er, daß nichtleiſtungsfähige
Gutsbezirke auch nicht ſelbſtändig gemacht werden ſollten. Wenn
aber ein bis dahin ſelbſtändiger Gutsbezirk leiſtungsfähig ſei,
ſolle er auch fernerhin ſelbſtändig bleiben. Der Widerſtand der
Freiſinnigen gegen dieſe Forderung rühre daher, daß die Guts-
beſitzer meiſt conſervativ ſeien. Man müſſe Alles thun, um
lebensfähige Verbände zu ſchaffen, und die abgeſtorbenen Theile
wegſchneiden. Es empfehle ſich, die Competenz der Selbſt-
verwaltungskörper zu ſchonen, da man denſelben ſonſt ein Miß-
trauensvotum ertheile. Redner ſpricht ſchließlich den Entſchluß
ſeiner Partei aus, kräftig an dem Geſetze mitzuarbeiten.
Abg. Hobrecht (nat.-lib.) ſpricht ſeine lebhaſte Freude über
das Geſetz aus, das in dem herrſchenden Wirrwarr ſtatutariſcher
Beſtimmungen von höchſter Wichtigkeit ſei. Die Vorlage zeichne
ſich durch zweierlei aus: erſtens durch Ergänzung und Erweiterung
der Verfaſſung unter Feſthalten am alten Bewährten, zweitens
durch Schaffung leiſtungsfähiger Gemeinden. Die Verleihung des
Wahlrechts an Nichtangeſeſſene bedeute einen Fortſchritt, den er
gutheiße, da man durch das allgemeine Reichstagswahlrecht ſämmt-
liche Bürger für competent erklärt habe, an den höchſten Aufgaben
der Menſchheit durch ihr Votum mitzuwirken. Redner wünſcht
eine Weiterbildung des Entwurfs in der Weiſe, daß der Bureau-
kratismus nicht geſtärkt werde, und verlangt, daß bereits in der
Commiſſion feſte Normen für die Zuſammenlegung der Gemeinden
aufgeſtellt werden. Redner ſchließt: er habe ſich als Freund der
Vorlage eintragen laſſen und hoffe, daß die Vorlage mit ihren
Freunden fertig werde; mit ihren Feinden werde ſie ſchon fertig
werden.
Abg. Weſſel erkennt das Bedürfniß einer Verbeſſerung der
Landgemeindeordnung ſowohl für den Oſten wie für den Weſten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2021-09-13T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |