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Allgemeine Zeitung, Nr. 32, 8. August 1914.

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8. August 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] in Friedenszeiten in dem Geist erzogen, der die deutschen Truppen
vor 44 Jahren zum Siege geführt hat, wird das bayerische Heer
sich des Vertrauens würdig erweisen, das ganz Deutschland in seine
Kriegstüchtigkeit setzt. Nie ist das Deutsche Reich vor einer ernsteren
Entscheidung gestanden als in dieser Stunde, in der seine Fürsten
und Völker wie ein Mann aufstehen, um seine Ehre, seine Stellung,
seine Zukunft gegen mächtige Feinde zu verteidigen. Nie aber wird
die unerschütterliche Treue, in der die Deutschen zusammenstehen,
sich überwältigender offenbaren, als in dem Kampfe, der uns auf-
gezwungen wird.

Das Vertrauen auf Gott und seine Gerechtigkeit wird unsere
Heere stärken; im Bewußtsein ihrer Geschlossenheit, ihrer eisernen
Manneszucht und ihres ernsten Mutes werden sie, wenn es zum
Kriege kommen sollte, den Kampf für das teuere, gemeinsame
Vaterland, für den Ruhm und die Würde des deutschen Namens
mit Ehren bestehen. In dieser Erwartung heiße Ich Bayerns
Söhne sich um ihre Fahnen scharen, und bitten zu Gott, er möge
wenn der Kampf entbrennt, den deutschen Waffen den Sieg ver-
leihen.

Ludwig.

Der König hat ferner an sein Heer nachstehendes Manifest
gerichtet:

An Mein Heer!

Alle Versuche, den Frieden in Ehren zu wahren, haben unsere
Nachbarn zu schanden gemacht. Die Ehre des Reiches und das
Schicksal des Vaterlandes stehen auf dem Spiel und zwingen uns
das Schwert in die Hand. Unter dem Oberbefehle unseres er-
habenen, geliebten Bundesherrn, Seiner Majestät des Deutschen
Kaisers wird auch die schon in manch schweren Tagen erprobte
bayerische Armee ihren Mann stellen, ihrer in ernster Friedens-
arbeit gestählten Kraft bewußt, ein würdiges Glied unseres großen
deutschen Heeres, würdig der Opfer ihrer Väter!

Mit diesen Wünschen begleite ich meine brave Armee ins
Feld. Vertrauend auf den Allmächtigen Gott, der unsere gerechte
Sache schirmen wird, erflehe ich seinen Segen für Bayerns und des
deutschen Heeres Fahnen.


Ludwig.

Inzwischen hat ein Weißbuch, das dem Reichstag vorgelegt
wurde, die ganze unmittelbare Vorgeschichte der Mobilisierung und
den Telegrammwechsel zwischen Kaiser Wilhelm und dem Zaren
veröffentlicht. Dieser letztere wirft ein scharfes Licht auf die in der
Geschichte fast beispiellos dastehende Perfidie Rußlands und spricht
mehr für sich als es die längsten Leitartikel über die Lage tun
könnten. Dieser Telegrammwechsel ist dem Weißbuch als Anlage
beigegeben. Er lautet:

Kaiser Wilhelm an den Zaren.

Mit der größten Beunruhigung höre Ich von dem Eindruck,
den Oesterreich-Ungarns Vorgehen gegen Serbien in Deinem Reich
hervorruft. Die skrupellose Agitation, die seit Jahren in Serbien
getrieben worden ist, hat zu dem empörenden Verbrechen geführt,
dessen Opfer Erzherzog Franz Ferdinand geworden ist. Der Geist,
der die Serben ihren eigenen König und seine Gemahlin morden
ließ, herrscht heute noch in jenem Lande.

Zweifellos wirst Du mit Mir darin übereinstimmen, daß Wir
beide, Du und Ich, sowohl als alle Souveräne ein gemeinsames
Interesse daran haben, darauf zu bestehen, daß alle diejenigen, die
für den scheußlichen Mord moralisch verantwortlich sind, ihre ver-
diente Strafe erleiden. Anderseits übersehe Ich keineswegs, wie
schwierig es für Dich und Deine Regierung ist, den Strömungen
der öffentlichen Meinung entgegenzutreten.

Eingedenk der herzlichen Freundschaft, die uns beide seit langer
Zeit mit festen Banden verbindet, setze Ich daher Meinen ganzen
Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn dazu zu bestimmen, eine offene
und befriedigende Verständigung mit Rußland anzustreben. Ich
hoffe zuversichtlich, daß Du Mich in Meinen Bemühungen, alle
Schwierigkeiten, die noch entstehen können, zu beseitigen, unter-
stützen wirst.

Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter.

gez. Wilhelm.
Der Zar an Kaiser Wilhelm.

Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist. In diesem
so ernsten Augenblick bitte Ich Dich inständig, Mir zu helfen. Ein
schmählicher Krieg ist an ein schwaches Land erklärt worden, die
Entrüstung hierüber, die Ich völlig teile, ist in Rußland ungeheuer.
Ich sehe voraus, daß Ich sehr bald dem Druck, der auf Mich aus-
geübt wird, nicht mehr werde widerstehen können und gezwungen
sein werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege führen werden.
Um einem Unglück, wie es ein europäischer Krieg sein würde,
vorzubeugen, bitte Ich Dich im Namen unserer alten Freundschaft,
alles Dir Mögliche zu tun, um Deinen Bundesgenossen davon
zurückzuhalten, zu weit zu gehen.

gez. Nikolaus.
Kaiser Wilhelm an den Zaren.

Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch
nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann Ich -- wie Ich Dir in
Meinem ersten Telegramm sagte -- Oesterreich-Ungarns Vorgehen
nicht als "schmählichen Krieg" betrachten.

[Spaltenumbruch]

Oesterreich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Ver-
sprechungen, wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzu-
verlässig sind. Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vor-
gehen als ein Versuch zu betrachten, volle Garantie dafür zu er-
halten, daß Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat um-
gesetzt werden. In dieser Ansicht werde ich bestärkt durch die Er-
klärung des österreichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine
territorialen Veränderungen auf Kosten Serbiens beabsichtige.

Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus nötig ist, dem
österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der Rolle des Zuschauers
zu verharren, ohne Europa in den schrecklichsten Krieg hineinzu-
ziehen, den es jemals erlebt hat. Ich glaube, daß eine direkte Ver-
ständigung zwischen Deiner Regierung und Wien möglich und
wünschenswert ist, eine Verständigung, die -- wie Ich Dir schon
telegraphierte -- Meine Regierung mit allen Kräften zu fördern
bemüht ist.

Natürlich würden militärische Maßnahmen, welche Oesterreich-
Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück beschleunigen,
das Wir beide zu vermeiden wünschen, und würde auch Meine
Stellung als Vermittler, die Ich -- auf Deinen Appell an Meine
Freundschaft und Hilfe -- bereitwilligst angenommen habe, unter-
graben.

gez. Wilhelm.
Der Zar an Kaiser Wilhelm.

Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort. Ich ent-
sende heute abend Tatitschtschew mit Instruktion. Die jetzt in Kraft
tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-
schlossen worden und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen die
Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß
diese Maßnahmen in keiner Weise Deine Stellung als Vermittler
beeinflussen werden, die Ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen
Deinen starken Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständi-
gung mit uns kommt.

gez. Nikolaus.
Kaiser Wilhelm an den Zaren.

Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-
fahren und schweren Konsequenzen einer Mobilisation hinzuweisen;
das Gleiche habe Ich Dir in Meinem letzten Telegramm gesagt.
Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Serbien mobilisiert, und zwar nur
einen Teil seiner Armee. Wenn Rußland, wie es jetzt nach Deiner
und Deiner Regierung Mitteilung der Fall ist, gegen Oesterreich-
Ungarn mobil macht, so wird die Vermittlerrolle, mit der Du Mich
in freundschaftlicher Weise betrautest, und die Ich auf Deine aus-
drückliche Bitte angenommen habe, gefährdet, wenn nicht unmöglich
gemacht.

Die ganze Schwere der Entscheidung ruht jetzt auf Deinen
Schultern. Sie haben die Verantwortung für Krieg oder Frieden
zu tragen.

gez. Wilhelm.

Am 31. Juli richtete der Zar an den Kaiser folgendes Tele-
gramm:

Ich danke Dir von Herzen für die Vermittlung, die die Hoff-
nung aufleuchten läßt, daß noch alles friedlich enden könne. Es
ist technisch unmöglich, unsere militärischen Vorbereitungen einzu-
stellen, die durch Oesterreichs Mobilisierung notwendig geworden
sind. Wir sind weit davon entfernt, den Krieg zu wünschen. So
lange die Verhandlungen mit Oesterreich über Serbien andauern,
werden meine Truppen keine herausfordernde Aktion unternehmen.
Ich gebe Dir mein feierliches Wort darauf und ich vertraue mit
aller Kraft auf Gottes Gnade und hoffe auf den Erfolg Deiner
Vermittlung in Wien für die Wohlfahrt unserer Länder und den
Frieden Europas.

Dein Dir herzlich ergebener Nikolaus.

Der Kaiser antwortete:

Auf Deinen Appell an meine Freundschaft und Deine Bitte
um meine Hilfe habe ich die Vermittlungsaktion zwischen Deiner
und der österreichisch-ungarischen Regierung aufgenommen. Wäh-
rend diese Aktion im Gange war, sind Deine Truppen gegen das
mir verbündete Oesterreich-Ungarn mobilisiert worden, wodurch, wie
ich Dir schon mitteilte, meine Vermittlung beinahe illusorisch gemacht
wurde. Trotzdem habe ich sie fortgesetzt.

Nunmehr erhalte ich zuverlässige Nachrichten über ernste Kriegs-
vorbereitungen auch an meiner Ostgrenze. Die Verantwortung für
die Sicherheit meines Reiches zwingt mich zu defensiven Gegen-
maßregeln.

Ich bin mit den Bemühungen, den Weltfrieden zu erhalten,
bis an die äußerste Grenze des Möglichen gegangen. Nicht ich
trage die Verantwortung für das Unheil, das jetzt der ganzen zivi-
lisierten Welt droht. Noch in diesem Augenblick liegt es in Deiner
Hand, es abzuwenden.

Niemand bedroht die Ehre und die Macht Rußlands, das wohl
auf den Erfolg meiner Vermittlung hätte warten können. Die mir
von meinem Großvater auf dem Totenbette überkommene Freund-
schaft für Dich und Dein Reich ist mir immer heilig gewesen. Ich
habe treu zu Rußland gestanden, wenn es in schwerer Bedrängnis
war, besonders in seinem letzten Kriege. Der Friede Europas kann
von Dir noch jetzt erhalten werden, wenn Rußland sich entschließt,
seine militärischen Maßnahmen einzustellen, die Deutschland und
Oesterreich bedrohen.

8. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] in Friedenszeiten in dem Geiſt erzogen, der die deutſchen Truppen
vor 44 Jahren zum Siege geführt hat, wird das bayeriſche Heer
ſich des Vertrauens würdig erweiſen, das ganz Deutſchland in ſeine
Kriegstüchtigkeit ſetzt. Nie iſt das Deutſche Reich vor einer ernſteren
Entſcheidung geſtanden als in dieſer Stunde, in der ſeine Fürſten
und Völker wie ein Mann aufſtehen, um ſeine Ehre, ſeine Stellung,
ſeine Zukunft gegen mächtige Feinde zu verteidigen. Nie aber wird
die unerſchütterliche Treue, in der die Deutſchen zuſammenſtehen,
ſich überwältigender offenbaren, als in dem Kampfe, der uns auf-
gezwungen wird.

Das Vertrauen auf Gott und ſeine Gerechtigkeit wird unſere
Heere ſtärken; im Bewußtſein ihrer Geſchloſſenheit, ihrer eiſernen
Manneszucht und ihres ernſten Mutes werden ſie, wenn es zum
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Vaterland, für den Ruhm und die Würde des deutſchen Namens
mit Ehren beſtehen. In dieſer Erwartung heiße Ich Bayerns
Söhne ſich um ihre Fahnen ſcharen, und bitten zu Gott, er möge
wenn der Kampf entbrennt, den deutſchen Waffen den Sieg ver-
leihen.

Ludwig.

Der König hat ferner an ſein Heer nachſtehendes Manifeſt
gerichtet:

An Mein Heer!

Alle Verſuche, den Frieden in Ehren zu wahren, haben unſere
Nachbarn zu ſchanden gemacht. Die Ehre des Reiches und das
Schickſal des Vaterlandes ſtehen auf dem Spiel und zwingen uns
das Schwert in die Hand. Unter dem Oberbefehle unſeres er-
habenen, geliebten Bundesherrn, Seiner Majeſtät des Deutſchen
Kaiſers wird auch die ſchon in manch ſchweren Tagen erprobte
bayeriſche Armee ihren Mann ſtellen, ihrer in ernſter Friedens-
arbeit geſtählten Kraft bewußt, ein würdiges Glied unſeres großen
deutſchen Heeres, würdig der Opfer ihrer Väter!

Mit dieſen Wünſchen begleite ich meine brave Armee ins
Feld. Vertrauend auf den Allmächtigen Gott, der unſere gerechte
Sache ſchirmen wird, erflehe ich ſeinen Segen für Bayerns und des
deutſchen Heeres Fahnen.


Ludwig.

Inzwiſchen hat ein Weißbuch, das dem Reichstag vorgelegt
wurde, die ganze unmittelbare Vorgeſchichte der Mobiliſierung und
den Telegrammwechſel zwiſchen Kaiſer Wilhelm und dem Zaren
veröffentlicht. Dieſer letztere wirft ein ſcharfes Licht auf die in der
Geſchichte faſt beiſpiellos daſtehende Perfidie Rußlands und ſpricht
mehr für ſich als es die längſten Leitartikel über die Lage tun
könnten. Dieſer Telegrammwechſel iſt dem Weißbuch als Anlage
beigegeben. Er lautet:

Kaiſer Wilhelm an den Zaren.

Mit der größten Beunruhigung höre Ich von dem Eindruck,
den Oeſterreich-Ungarns Vorgehen gegen Serbien in Deinem Reich
hervorruft. Die ſkrupelloſe Agitation, die ſeit Jahren in Serbien
getrieben worden iſt, hat zu dem empörenden Verbrechen geführt,
deſſen Opfer Erzherzog Franz Ferdinand geworden iſt. Der Geiſt,
der die Serben ihren eigenen König und ſeine Gemahlin morden
ließ, herrſcht heute noch in jenem Lande.

Zweifellos wirſt Du mit Mir darin übereinſtimmen, daß Wir
beide, Du und Ich, ſowohl als alle Souveräne ein gemeinſames
Intereſſe daran haben, darauf zu beſtehen, daß alle diejenigen, die
für den ſcheußlichen Mord moraliſch verantwortlich ſind, ihre ver-
diente Strafe erleiden. Anderſeits überſehe Ich keineswegs, wie
ſchwierig es für Dich und Deine Regierung iſt, den Strömungen
der öffentlichen Meinung entgegenzutreten.

Eingedenk der herzlichen Freundſchaft, die uns beide ſeit langer
Zeit mit feſten Banden verbindet, ſetze Ich daher Meinen ganzen
Einfluß ein, um Oeſterreich-Ungarn dazu zu beſtimmen, eine offene
und befriedigende Verſtändigung mit Rußland anzuſtreben. Ich
hoffe zuverſichtlich, daß Du Mich in Meinen Bemühungen, alle
Schwierigkeiten, die noch entſtehen können, zu beſeitigen, unter-
ſtützen wirſt.

Dein ſehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter.

gez. Wilhelm.
Der Zar an Kaiſer Wilhelm.

Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutſchland biſt. In dieſem
ſo ernſten Augenblick bitte Ich Dich inſtändig, Mir zu helfen. Ein
ſchmählicher Krieg iſt an ein ſchwaches Land erklärt worden, die
Entrüſtung hierüber, die Ich völlig teile, iſt in Rußland ungeheuer.
Ich ſehe voraus, daß Ich ſehr bald dem Druck, der auf Mich aus-
geübt wird, nicht mehr werde widerſtehen können und gezwungen
ſein werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege führen werden.
Um einem Unglück, wie es ein europäiſcher Krieg ſein würde,
vorzubeugen, bitte Ich Dich im Namen unſerer alten Freundſchaft,
alles Dir Mögliche zu tun, um Deinen Bundesgenoſſen davon
zurückzuhalten, zu weit zu gehen.

gez. Nikolaus.
Kaiſer Wilhelm an den Zaren.

Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunſch
nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann Ich — wie Ich Dir in
Meinem erſten Telegramm ſagte — Oeſterreich-Ungarns Vorgehen
nicht als „ſchmählichen Krieg“ betrachten.

[Spaltenumbruch]

Oeſterreich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Ver-
ſprechungen, wenn ſie nur auf dem Papier ſtehen, gänzlich unzu-
verläſſig ſind. Meiner Anſicht nach iſt Oeſterreich-Ungarns Vor-
gehen als ein Verſuch zu betrachten, volle Garantie dafür zu er-
halten, daß Serbiens Verſprechungen auch wirklich in die Tat um-
geſetzt werden. In dieſer Anſicht werde ich beſtärkt durch die Er-
klärung des öſterreichiſchen Kabinetts, daß Oeſterreich-Ungarn keine
territorialen Veränderungen auf Koſten Serbiens beabſichtige.

Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus nötig iſt, dem
öſterreichiſch-ſerbiſchen Krieg gegenüber in der Rolle des Zuſchauers
zu verharren, ohne Europa in den ſchrecklichſten Krieg hineinzu-
ziehen, den es jemals erlebt hat. Ich glaube, daß eine direkte Ver-
ſtändigung zwiſchen Deiner Regierung und Wien möglich und
wünſchenswert iſt, eine Verſtändigung, die — wie Ich Dir ſchon
telegraphierte — Meine Regierung mit allen Kräften zu fördern
bemüht iſt.

Natürlich würden militäriſche Maßnahmen, welche Oeſterreich-
Ungarn als Drohung auffaſſen könnte, ein Unglück beſchleunigen,
das Wir beide zu vermeiden wünſchen, und würde auch Meine
Stellung als Vermittler, die Ich — auf Deinen Appell an Meine
Freundſchaft und Hilfe — bereitwilligſt angenommen habe, unter-
graben.

gez. Wilhelm.
Der Zar an Kaiſer Wilhelm.

Ich danke Dir von Herzen für Deine raſche Antwort. Ich ent-
ſende heute abend Tatitſchtſchew mit Inſtruktion. Die jetzt in Kraft
tretenden militäriſchen Maßnahmen ſind ſchon vor fünf Tagen be-
ſchloſſen worden und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen die
Vorbereitungen Oeſterreichs. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß
dieſe Maßnahmen in keiner Weiſe Deine Stellung als Vermittler
beeinfluſſen werden, die Ich ſehr hoch anſchlage. Wir brauchen
Deinen ſtarken Druck auf Oeſterreich, damit es zu einer Verſtändi-
gung mit uns kommt.

gez. Nikolaus.
Kaiſer Wilhelm an den Zaren.

Mein Botſchafter iſt angewieſen, Deine Regierung auf die Ge-
fahren und ſchweren Konſequenzen einer Mobiliſation hinzuweiſen;
das Gleiche habe Ich Dir in Meinem letzten Telegramm geſagt.
Oeſterreich-Ungarn hat nur gegen Serbien mobiliſiert, und zwar nur
einen Teil ſeiner Armee. Wenn Rußland, wie es jetzt nach Deiner
und Deiner Regierung Mitteilung der Fall iſt, gegen Oeſterreich-
Ungarn mobil macht, ſo wird die Vermittlerrolle, mit der Du Mich
in freundſchaftlicher Weiſe betrauteſt, und die Ich auf Deine aus-
drückliche Bitte angenommen habe, gefährdet, wenn nicht unmöglich
gemacht.

Die ganze Schwere der Entſcheidung ruht jetzt auf Deinen
Schultern. Sie haben die Verantwortung für Krieg oder Frieden
zu tragen.

gez. Wilhelm.

Am 31. Juli richtete der Zar an den Kaiſer folgendes Tele-
gramm:

Ich danke Dir von Herzen für die Vermittlung, die die Hoff-
nung aufleuchten läßt, daß noch alles friedlich enden könne. Es
iſt techniſch unmöglich, unſere militäriſchen Vorbereitungen einzu-
ſtellen, die durch Oeſterreichs Mobiliſierung notwendig geworden
ſind. Wir ſind weit davon entfernt, den Krieg zu wünſchen. So
lange die Verhandlungen mit Oeſterreich über Serbien andauern,
werden meine Truppen keine herausfordernde Aktion unternehmen.
Ich gebe Dir mein feierliches Wort darauf und ich vertraue mit
aller Kraft auf Gottes Gnade und hoffe auf den Erfolg Deiner
Vermittlung in Wien für die Wohlfahrt unſerer Länder und den
Frieden Europas.

Dein Dir herzlich ergebener Nikolaus.

Der Kaiſer antwortete:

Auf Deinen Appell an meine Freundſchaft und Deine Bitte
um meine Hilfe habe ich die Vermittlungsaktion zwiſchen Deiner
und der öſterreichiſch-ungariſchen Regierung aufgenommen. Wäh-
rend dieſe Aktion im Gange war, ſind Deine Truppen gegen das
mir verbündete Oeſterreich-Ungarn mobiliſiert worden, wodurch, wie
ich Dir ſchon mitteilte, meine Vermittlung beinahe illuſoriſch gemacht
wurde. Trotzdem habe ich ſie fortgeſetzt.

Nunmehr erhalte ich zuverläſſige Nachrichten über ernſte Kriegs-
vorbereitungen auch an meiner Oſtgrenze. Die Verantwortung für
die Sicherheit meines Reiches zwingt mich zu defenſiven Gegen-
maßregeln.

Ich bin mit den Bemühungen, den Weltfrieden zu erhalten,
bis an die äußerſte Grenze des Möglichen gegangen. Nicht ich
trage die Verantwortung für das Unheil, das jetzt der ganzen zivi-
liſierten Welt droht. Noch in dieſem Augenblick liegt es in Deiner
Hand, es abzuwenden.

Niemand bedroht die Ehre und die Macht Rußlands, das wohl
auf den Erfolg meiner Vermittlung hätte warten können. Die mir
von meinem Großvater auf dem Totenbette überkommene Freund-
ſchaft für Dich und Dein Reich iſt mir immer heilig geweſen. Ich
habe treu zu Rußland geſtanden, wenn es in ſchwerer Bedrängnis
war, beſonders in ſeinem letzten Kriege. Der Friede Europas kann
von Dir noch jetzt erhalten werden, wenn Rußland ſich entſchließt,
ſeine militäriſchen Maßnahmen einzuſtellen, die Deutſchland und
Oeſterreich bedrohen.

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[501/0003] 8. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung in Friedenszeiten in dem Geiſt erzogen, der die deutſchen Truppen vor 44 Jahren zum Siege geführt hat, wird das bayeriſche Heer ſich des Vertrauens würdig erweiſen, das ganz Deutſchland in ſeine Kriegstüchtigkeit ſetzt. Nie iſt das Deutſche Reich vor einer ernſteren Entſcheidung geſtanden als in dieſer Stunde, in der ſeine Fürſten und Völker wie ein Mann aufſtehen, um ſeine Ehre, ſeine Stellung, ſeine Zukunft gegen mächtige Feinde zu verteidigen. Nie aber wird die unerſchütterliche Treue, in der die Deutſchen zuſammenſtehen, ſich überwältigender offenbaren, als in dem Kampfe, der uns auf- gezwungen wird. Das Vertrauen auf Gott und ſeine Gerechtigkeit wird unſere Heere ſtärken; im Bewußtſein ihrer Geſchloſſenheit, ihrer eiſernen Manneszucht und ihres ernſten Mutes werden ſie, wenn es zum Kriege kommen ſollte, den Kampf für das teuere, gemeinſame Vaterland, für den Ruhm und die Würde des deutſchen Namens mit Ehren beſtehen. In dieſer Erwartung heiße Ich Bayerns Söhne ſich um ihre Fahnen ſcharen, und bitten zu Gott, er möge wenn der Kampf entbrennt, den deutſchen Waffen den Sieg ver- leihen. Ludwig. Der König hat ferner an ſein Heer nachſtehendes Manifeſt gerichtet: An Mein Heer! Alle Verſuche, den Frieden in Ehren zu wahren, haben unſere Nachbarn zu ſchanden gemacht. Die Ehre des Reiches und das Schickſal des Vaterlandes ſtehen auf dem Spiel und zwingen uns das Schwert in die Hand. Unter dem Oberbefehle unſeres er- habenen, geliebten Bundesherrn, Seiner Majeſtät des Deutſchen Kaiſers wird auch die ſchon in manch ſchweren Tagen erprobte bayeriſche Armee ihren Mann ſtellen, ihrer in ernſter Friedens- arbeit geſtählten Kraft bewußt, ein würdiges Glied unſeres großen deutſchen Heeres, würdig der Opfer ihrer Väter! Mit dieſen Wünſchen begleite ich meine brave Armee ins Feld. Vertrauend auf den Allmächtigen Gott, der unſere gerechte Sache ſchirmen wird, erflehe ich ſeinen Segen für Bayerns und des deutſchen Heeres Fahnen. Gegeben, den 1. Auguſt 1914. Ludwig. Inzwiſchen hat ein Weißbuch, das dem Reichstag vorgelegt wurde, die ganze unmittelbare Vorgeſchichte der Mobiliſierung und den Telegrammwechſel zwiſchen Kaiſer Wilhelm und dem Zaren veröffentlicht. Dieſer letztere wirft ein ſcharfes Licht auf die in der Geſchichte faſt beiſpiellos daſtehende Perfidie Rußlands und ſpricht mehr für ſich als es die längſten Leitartikel über die Lage tun könnten. Dieſer Telegrammwechſel iſt dem Weißbuch als Anlage beigegeben. Er lautet: Kaiſer Wilhelm an den Zaren. 28. Juli, 10 Uhr 45 Min. nachm. Mit der größten Beunruhigung höre Ich von dem Eindruck, den Oeſterreich-Ungarns Vorgehen gegen Serbien in Deinem Reich hervorruft. Die ſkrupelloſe Agitation, die ſeit Jahren in Serbien getrieben worden iſt, hat zu dem empörenden Verbrechen geführt, deſſen Opfer Erzherzog Franz Ferdinand geworden iſt. Der Geiſt, der die Serben ihren eigenen König und ſeine Gemahlin morden ließ, herrſcht heute noch in jenem Lande. Zweifellos wirſt Du mit Mir darin übereinſtimmen, daß Wir beide, Du und Ich, ſowohl als alle Souveräne ein gemeinſames Intereſſe daran haben, darauf zu beſtehen, daß alle diejenigen, die für den ſcheußlichen Mord moraliſch verantwortlich ſind, ihre ver- diente Strafe erleiden. Anderſeits überſehe Ich keineswegs, wie ſchwierig es für Dich und Deine Regierung iſt, den Strömungen der öffentlichen Meinung entgegenzutreten. Eingedenk der herzlichen Freundſchaft, die uns beide ſeit langer Zeit mit feſten Banden verbindet, ſetze Ich daher Meinen ganzen Einfluß ein, um Oeſterreich-Ungarn dazu zu beſtimmen, eine offene und befriedigende Verſtändigung mit Rußland anzuſtreben. 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Kaiſer Wilhelm an den Zaren. 29. Juli, 6 Uhr 30 nachm. Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunſch nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann Ich — wie Ich Dir in Meinem erſten Telegramm ſagte — Oeſterreich-Ungarns Vorgehen nicht als „ſchmählichen Krieg“ betrachten. Oeſterreich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Ver- ſprechungen, wenn ſie nur auf dem Papier ſtehen, gänzlich unzu- verläſſig ſind. Meiner Anſicht nach iſt Oeſterreich-Ungarns Vor- gehen als ein Verſuch zu betrachten, volle Garantie dafür zu er- halten, daß Serbiens Verſprechungen auch wirklich in die Tat um- geſetzt werden. In dieſer Anſicht werde ich beſtärkt durch die Er- klärung des öſterreichiſchen Kabinetts, daß Oeſterreich-Ungarn keine territorialen Veränderungen auf Koſten Serbiens beabſichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus nötig iſt, dem öſterreichiſch-ſerbiſchen Krieg gegenüber in der Rolle des Zuſchauers zu verharren, ohne Europa in den ſchrecklichſten Krieg hineinzu- ziehen, den es jemals erlebt hat. Ich glaube, daß eine direkte Ver- ſtändigung zwiſchen Deiner Regierung und Wien möglich und wünſchenswert iſt, eine Verſtändigung, die — wie Ich Dir ſchon telegraphierte — Meine Regierung mit allen Kräften zu fördern bemüht iſt. Natürlich würden militäriſche Maßnahmen, welche Oeſterreich- Ungarn als Drohung auffaſſen könnte, ein Unglück beſchleunigen, das Wir beide zu vermeiden wünſchen, und würde auch Meine Stellung als Vermittler, die Ich — auf Deinen Appell an Meine Freundſchaft und Hilfe — bereitwilligſt angenommen habe, unter- graben. gez. Wilhelm. Der Zar an Kaiſer Wilhelm. Peterhof, 30. Juli 1914. Ich danke Dir von Herzen für Deine raſche Antwort. Ich ent- ſende heute abend Tatitſchtſchew mit Inſtruktion. 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Wenn Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mitteilung der Fall iſt, gegen Oeſterreich- Ungarn mobil macht, ſo wird die Vermittlerrolle, mit der Du Mich in freundſchaftlicher Weiſe betrauteſt, und die Ich auf Deine aus- drückliche Bitte angenommen habe, gefährdet, wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der Entſcheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern. Sie haben die Verantwortung für Krieg oder Frieden zu tragen. gez. Wilhelm. Am 31. Juli richtete der Zar an den Kaiſer folgendes Tele- gramm: Ich danke Dir von Herzen für die Vermittlung, die die Hoff- nung aufleuchten läßt, daß noch alles friedlich enden könne. Es iſt techniſch unmöglich, unſere militäriſchen Vorbereitungen einzu- ſtellen, die durch Oeſterreichs Mobiliſierung notwendig geworden ſind. Wir ſind weit davon entfernt, den Krieg zu wünſchen. So lange die Verhandlungen mit Oeſterreich über Serbien andauern, werden meine Truppen keine herausfordernde Aktion unternehmen. Ich gebe Dir mein feierliches Wort darauf und ich vertraue mit aller Kraft auf Gottes Gnade und hoffe auf den Erfolg Deiner Vermittlung in Wien für die Wohlfahrt unſerer Länder und den Frieden Europas. Dein Dir herzlich ergebener Nikolaus. Der Kaiſer antwortete: Auf Deinen Appell an meine Freundſchaft und Deine Bitte um meine Hilfe habe ich die Vermittlungsaktion zwiſchen Deiner und der öſterreichiſch-ungariſchen Regierung aufgenommen. Wäh- rend dieſe Aktion im Gange war, ſind Deine Truppen gegen das mir verbündete Oeſterreich-Ungarn mobiliſiert worden, wodurch, wie ich Dir ſchon mitteilte, meine Vermittlung beinahe illuſoriſch gemacht wurde. Trotzdem habe ich ſie fortgeſetzt. Nunmehr erhalte ich zuverläſſige Nachrichten über ernſte Kriegs- vorbereitungen auch an meiner Oſtgrenze. Die Verantwortung für die Sicherheit meines Reiches zwingt mich zu defenſiven Gegen- maßregeln. Ich bin mit den Bemühungen, den Weltfrieden zu erhalten, bis an die äußerſte Grenze des Möglichen gegangen. Nicht ich trage die Verantwortung für das Unheil, das jetzt der ganzen zivi- liſierten Welt droht. Noch in dieſem Augenblick liegt es in Deiner Hand, es abzuwenden. Niemand bedroht die Ehre und die Macht Rußlands, das wohl auf den Erfolg meiner Vermittlung hätte warten können. Die mir von meinem Großvater auf dem Totenbette überkommene Freund- ſchaft für Dich und Dein Reich iſt mir immer heilig geweſen. Ich habe treu zu Rußland geſtanden, wenn es in ſchwerer Bedrängnis war, beſonders in ſeinem letzten Kriege. Der Friede Europas kann von Dir noch jetzt erhalten werden, wenn Rußland ſich entſchließt, ſeine militäriſchen Maßnahmen einzuſtellen, die Deutſchland und Oeſterreich bedrohen.

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Christopher Georgi, Susanne Haaf, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 32, 8. August 1914, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine32_1914/3>, abgerufen am 10.06.2024.