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Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 31. Januar 1850.

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Donnerstag.
Beilage zu Nr. 31 der Allg. Zeitung.
31 Januar 1850.

[Spaltenumbruch]

Uebersicht.

Philipp Franz v. Walther. -- Griepenkerls Robespierre auf der
Bühne. -- Berlin und Kopenhagen. -- Wien. (Die Berliner und die
deutsche Frage.) -- Paris. (Der Cassationshof über die Placatefreiheit
bei den Wahlen. Stimmung des Heeres). -- Die Nitrische Bibliothek im
brittischen Museum. -- Orientalische Gesellschaft in Boston.



Philipp Franz v. Walther.
Sein Leben und Wirken.

Der Schluß des gegenwärtigen Halbjahrhunderts
macht uns trauriger und unsern Blick in die Zukunft noch trüber und
freudeloser, sehen wir einen jener Männer von uns scheiden welche in
dem verflossenen Zeitabschnitt hervorragenden Geistes gelebt und, der
Menschheit zum Frommen und sie veredelnd, mächtig in Wort und That
gewirkt. Seine Zeit auch konnte Ph. F. v. Walther die dahingegangene
Säcularhälfte nennen -- denn mit Anfang dieses Jahrhunderts begann
Walthers Wirken schnell steigenden Rufes, und endete nur mit seinem
Tode, der ihn in seiner Berufserfüllung überraschte. Andern Tages
nämlich nach der jüngsten Wintersonnenwende kündigte ein Schüttelfrost,
der ihn in Mitte seiner Familie am Mittagstische, noch ehe er Speise und
Trank zu sich genommen, befiel, die vernichtende Krankheit an, welche
ihm, nachdem er am dritten Tage darnach, sich von dem continuirlichen
Fieber noch willensmächtig ermannend, nochmal und zwar zum letztenmal
mehrere seiner nach ihm sehnsüchtig harrenden Schwerkranken besucht,
am stebenten Tage den -- der Intenfität und dem raschen Verlaufe nach
zu urtheilen -- auf keine Weise abwendbaren, vom Schicksal, möchte ich
sagen, bestimmten Tod brachte. Er starb (29 Dec. 1849) ohne Ahnung
von der Nähe seines Endes, die letzten Tage theils soporös, theils deliri-
rend zubringend, in den letzten 24 Stunden ohne Zeichen von Bewußt-
seyn mit Flockenlesen, Sehnenhüpfen u. s. s. endend, am Nervensteber,
dessen materielle Veränderungen, wie die nach 24 Stunden nach erfolg-
tem Tode stattgefundene Autopfie nachwies, sich in auffallender Verflüs-
figung des Blutes concentrirte.

So endete v. Walther an derselben Krankheit die sein Leben schon
einmal in seinem Jünglingsalter in Wien als Schüler des großen Frank
bedrohte, dessen glücklicher Behandlung wir die Erhaltung unseres Wal-
thers, dieser unersetzlichen Individualität, des Wohlthäters der kranken
Menschheit während 47 Jahren, der Zierde dreier Universitäten, des
Vaters der deutschen wissenschaftlichen Chirurgie und Augenheilkunde,
verdanken.

Walther ist zu Burweiler in der Pfalz den 3 Januar 1782 geboren.
Sein Vater war allda Justizamtmann. Seinen ersten Unterricht erhielt
er von dem dortigen Ortsschulmeister. Bei der sranzösischen Invasion
(1794) in die Pfalz flüchtete seine Mutter mit ihren Kindern sich nach
Heidelberg; denn die Furcht vor den Franzosen war damals unbeschreib-
lich groß. Als später der Schrecken sich gelegt, kehrte die Mutter mit
den übrigen Kindern wieder zu ihrem Gatten nach dem nun Frankreich
einverleibten Burweiler zurück. Nur der zwölfjährige Philipp Franz
ging nicht mit, und blieb in Heidelberg; denn, wie er sagte, er wollte
"deutsch" bleiben. In Heidelberg genoß er alsdann den Gymnastal-
unterricht in einem Klosterinstitute, und später an der dortigen Universität
seine Bildung in den philosophischen, naturhistorischen und theoretisch
medicinischen Fächern von den Lehrern Succow, Zuccarini, Moser, May
und Nebel. Hier und zu dieser Zeit war es wo Walther sich mit Leiden-
schaft auf das Studium der Philosophie von Kant, Fichte, und der beson-
ders von Schelling warf.

Wir rechnen diese Epoche des kaum achtzehnjährigen Jünglings zu
der wichtigsten seines Lebens, weil sie den Grund legte zu der künftigen
Größe und Eigenthümlichkeit Walthers. Denn er war durch und durch
getränkt von der Wissenschaft des Wissens, und durch diese ward er
Meister und Regenerator in allem an was immer er seine geistige Hand
anlegte. Mit diesem von innen kommenden und immer wieder sich selbst
erzeugenden Lichte begabt konnte Walthern es nicht fehlen an der Wiener
Hochschule, wohin er von Heidelberg aus hinzog, und wo Beer, Beinl,
Böcking, Hürtl, Jordan, Jaguin, Löser, Prochasca, Schmidt, Vetter
lehrten, wo besonders J. P. Frank glänzte, von dem er selbst sagte "daß
seine Lehren wie ein befruchtender Thau auf empfängliche Gemüther fie-
len" -- es konnte ihm nicht fehlen jene Fülle von Wissen, jenen Reich-
thum von Kenntnissen, jene Klarheit in Theorie und Praxis sich zu er-
[Spaltenumbruch] werben, die ihn vor vielen hoch auszeichnete, und wodurch er Alt und
Jung, Collegen wie Laien imponirte.

Nach dreijähriger Anwesenheit in Wien, von wo aus er der lit-
terarischen Welt durch seine Schriften über die therapeutische Indication
und den Technicismus der galvanischen Operation (1801) und über die
Gall'sche Hirn- und Schädellehre (1802) sich als geistreicher Autor an-
kündigte, kehrte er nach Bayern zurück, und erlangte auf der Maximi-
lians-Ludwigs-Universität in Landshut unter Niederhubers Decanat die
Doctorwürde der Medicin und Chirurgie am 18 Februar 1803. Kurze
Zeit vorher hatte Walther in München die Bekanntschaft von Adalbert
Friedrich Marcus gemacht, und dieser, durch den Einfluß des zeit- und
menschenkennenden Ministers Montgelas und des vielgebildeten geheimen
Rathes v. Zentner zum Generaldirector des Medicinalwesens in den bei-
den für Bayern neuerworbenen fränkischen Fürstenthümern Bamberg und
Würzburg ernannt, schlug den jungen Walther zum Assistenzarzt bei der
obengenannten Medicinaldirection in Bamberg vor, als welcher Walther
sofort schon am 22 Febr. 1803 ernannt wurde; sowie am 23 Mai 1803
als jüngster Medicinalrath in dem von Marcus geschaffenen Provinzial-
Medicinalcollegium zu Bamberg. Am 30 Sept. 1803 wurde Walthern
die Stelle eines Oberwundarztes im Bamberger Krankenhause, und am
23 Nov. 1803 die Professur der Chirurgie an der dortigen medicinisch-
chirurgischen praktischen Schule übertragen. Das Fürstenthum Bamberg
leuchtete damals ganz Bayern und auch andern deutschen Staaten als das
hehre und glänzende Vorbild einer wohleingerichteten und kräftig gehand-
habten Medicinalverfassung vor; und die später im ganzen Umfang des
jetzigen Königreiches Bayern getroffenen Einrichtungen sind zum Theil
Nachahmungen und Wiederholungen der Marcus'schen Schöpfungen in
Bamberg, z. B. die Physikate. Walthern als einem jungen, von wissen-
schaftlichem Geiste getriebenen Manne war es damals vergönnt von den
schöpferischen Entwürfen des ihm für seine ganze Lebenszeit mit Ver-
trauen und Freundschaft verbündeten Marcus frühzeitig Einsicht zu neh-
men, und bei deren Ausarbeitung. Redaction und Ausführung unter der
Leitung dieses genialen Meisters förderlich mitzuwirken. Zu dieser Zeit
machte Walther die persönliche Bekanntschaft Schellings, damals in
Würzburg, fortan seines besten, vertrautesten Freundes. Einen ihm ge-
statteten Urlaub benützte Walther zu einer wissenschaftlichen Reise nach
Paris.

Ungefähr nur zwei Jahre später, nachdem die Maximilians-Ludwigs-
Universität Walthern den Doctorgrad verliehen hatte, wurde er von eben
dieser Univerfität als öffentlicher ordentlicher Professor der Phystologie,
dann der Chirurgie berufen. Walther traf dort einen auserlesenen Kreis
berühmter Männer, wie der Theologen Sailer, Zimmer und Winter, der
Juristen Gönner, Feuerbach und Hellersberg, der Mediciner Winter (der-
malen k. bayer. q. Obermedicinalrath und Leibchirurg in München) und
Röschlaub, ferner v. Schrank, Millbiller, Breyer und Weber, der später
noch durch Hortig, Bertele, Hufeland, Savigny, Mittermaier, Tiede-
mann, Schultes, Fuchs u. a. vergrößert wurde. Der Glanz dieser da-
mals unter günstiger Protection von oben stehenden Universität nahm
schnell und mächtig zu trotz zehnjähriger Kriegsdauer. Walthers von
Jahr zu Jahr wachsender weitausgehender Ruf als Lehrer, Schriftsteller
und Operateur, das weiß jedermann, trug einen großen, wenn nicht den
größten Theil zu diesem Glanze bei, und jene Männer welche zur selben
Zeit diese Universität frequentirten, erinnern sich mit großer sie noch jetzt
beglückender Freude an ihre Studienzeit in Landshut, wo das feurige
Streben nach Wissenschaft sich mit der feinsten heitersten Geselligkeit
paarte, hervorgehend aus einem zwischen Lehrer und Studirenden herr-
schenden freundschaftlichen, Mittheilung erzeugenden Wechselverhältniß,
wie es vielleicht noch keine andere Zeit und Universität besessen. In die-
ser Glanzperiode war Walther auch Rector Magnificus (1811) -- eine
Ehre die er in späteren Jahren bescheiden immer ausschlug.

Im Jahr 1808 ward Walther von der Akademie der Wissenschaften
in München zu ihrem correspondirenden Mitglied erwählt, und in selbem
Jahr ward ihm auch bei der Gründung des Civilverdienstordens der baye-
rischen Krone die große Auszeichnung zu Theil als einer der ersten zum
Ritter dieses Ordens von Sr. Maj. dem höchstseligen König Max I er-
nannt zu werden.

Walther erhielt zwei ehrenvolle Vocationen, die eine als Professor
der Chirurgie nach Halle, die andere als Hofrath, Professor der Chirur-
gie und Augenheilkunde und Director des chirurgischen Klinikums nach
Heidelberg. Walther lehnte beide ab. Wie aber alles vergänglich, so
schien auch der gute Stern der über Landshuts Hochschule glänzte, zu er-
bleichen. Theils durch Tod, theils anderartige Verwendung wie von

Donnerſtag.
Beilage zu Nr. 31 der Allg. Zeitung.
31 Januar 1850.

[Spaltenumbruch]

Ueberſicht.

Philipp Franz v. Walther. — Griepenkerls Robespierre auf der
Bühne. — Berlin und Kopenhagen. — Wien. (Die Berliner und die
deutſche Frage.) — Paris. (Der Caſſationshof über die Placatefreiheit
bei den Wahlen. Stimmung des Heeres). — Die Nitriſche Bibliothek im
brittiſchen Muſeum. — Orientaliſche Geſellſchaft in Boſton.



Philipp Franz v. Walther.
Sein Leben und Wirken.

Der Schluß des gegenwärtigen Halbjahrhunderts
macht uns trauriger und unſern Blick in die Zukunft noch trüber und
freudeloſer, ſehen wir einen jener Männer von uns ſcheiden welche in
dem verfloſſenen Zeitabſchnitt hervorragenden Geiſtes gelebt und, der
Menſchheit zum Frommen und ſie veredelnd, mächtig in Wort und That
gewirkt. Seine Zeit auch konnte Ph. F. v. Walther die dahingegangene
Säcularhälfte nennen — denn mit Anfang dieſes Jahrhunderts begann
Walthers Wirken ſchnell ſteigenden Rufes, und endete nur mit ſeinem
Tode, der ihn in ſeiner Berufserfüllung überraſchte. Andern Tages
nämlich nach der jüngſten Winterſonnenwende kündigte ein Schüttelfroſt,
der ihn in Mitte ſeiner Familie am Mittagstiſche, noch ehe er Speiſe und
Trank zu ſich genommen, befiel, die vernichtende Krankheit an, welche
ihm, nachdem er am dritten Tage darnach, ſich von dem continuirlichen
Fieber noch willensmächtig ermannend, nochmal und zwar zum letztenmal
mehrere ſeiner nach ihm ſehnſüchtig harrenden Schwerkranken beſucht,
am ſtebenten Tage den — der Intenfität und dem raſchen Verlaufe nach
zu urtheilen — auf keine Weiſe abwendbaren, vom Schickſal, möchte ich
ſagen, beſtimmten Tod brachte. Er ſtarb (29 Dec. 1849) ohne Ahnung
von der Nähe ſeines Endes, die letzten Tage theils ſoporös, theils deliri-
rend zubringend, in den letzten 24 Stunden ohne Zeichen von Bewußt-
ſeyn mit Flockenleſen, Sehnenhüpfen u. ſ. ſ. endend, am Nervenſteber,
deſſen materielle Veränderungen, wie die nach 24 Stunden nach erfolg-
tem Tode ſtattgefundene Autopfie nachwies, ſich in auffallender Verflüſ-
figung des Blutes concentrirte.

So endete v. Walther an derſelben Krankheit die ſein Leben ſchon
einmal in ſeinem Jünglingsalter in Wien als Schüler des großen Frank
bedrohte, deſſen glücklicher Behandlung wir die Erhaltung unſeres Wal-
thers, dieſer unerſetzlichen Individualität, des Wohlthäters der kranken
Menſchheit während 47 Jahren, der Zierde dreier Univerſitäten, des
Vaters der deutſchen wiſſenſchaftlichen Chirurgie und Augenheilkunde,
verdanken.

Walther iſt zu Burweiler in der Pfalz den 3 Januar 1782 geboren.
Sein Vater war allda Juſtizamtmann. Seinen erſten Unterricht erhielt
er von dem dortigen Ortsſchulmeiſter. Bei der ſranzöſiſchen Invaſion
(1794) in die Pfalz flüchtete ſeine Mutter mit ihren Kindern ſich nach
Heidelberg; denn die Furcht vor den Franzoſen war damals unbeſchreib-
lich groß. Als ſpäter der Schrecken ſich gelegt, kehrte die Mutter mit
den übrigen Kindern wieder zu ihrem Gatten nach dem nun Frankreich
einverleibten Burweiler zurück. Nur der zwölfjährige Philipp Franz
ging nicht mit, und blieb in Heidelberg; denn, wie er ſagte, er wollte
„deutſch“ bleiben. In Heidelberg genoß er alsdann den Gymnaſtal-
unterricht in einem Kloſterinſtitute, und ſpäter an der dortigen Univerſität
ſeine Bildung in den philoſophiſchen, naturhiſtoriſchen und theoretiſch
mediciniſchen Fächern von den Lehrern Succow, Zuccarini, Moſer, May
und Nebel. Hier und zu dieſer Zeit war es wo Walther ſich mit Leiden-
ſchaft auf das Studium der Philoſophie von Kant, Fichte, und der beſon-
ders von Schelling warf.

Wir rechnen dieſe Epoche des kaum achtzehnjährigen Jünglings zu
der wichtigſten ſeines Lebens, weil ſie den Grund legte zu der künftigen
Größe und Eigenthümlichkeit Walthers. Denn er war durch und durch
getränkt von der Wiſſenſchaft des Wiſſens, und durch dieſe ward er
Meiſter und Regenerator in allem an was immer er ſeine geiſtige Hand
anlegte. Mit dieſem von innen kommenden und immer wieder ſich ſelbſt
erzeugenden Lichte begabt konnte Walthern es nicht fehlen an der Wiener
Hochſchule, wohin er von Heidelberg aus hinzog, und wo Beer, Beinl,
Böcking, Hürtl, Jordan, Jaguin, Löſer, Prochasca, Schmidt, Vetter
lehrten, wo beſonders J. P. Frank glänzte, von dem er ſelbſt ſagte „daß
ſeine Lehren wie ein befruchtender Thau auf empfängliche Gemüther fie-
len“ — es konnte ihm nicht fehlen jene Fülle von Wiſſen, jenen Reich-
thum von Kenntniſſen, jene Klarheit in Theorie und Praxis ſich zu er-
[Spaltenumbruch] werben, die ihn vor vielen hoch auszeichnete, und wodurch er Alt und
Jung, Collegen wie Laien imponirte.

Nach dreijähriger Anweſenheit in Wien, von wo aus er der lit-
terariſchen Welt durch ſeine Schriften über die therapeutiſche Indication
und den Technicismus der galvaniſchen Operation (1801) und über die
Gall’ſche Hirn- und Schädellehre (1802) ſich als geiſtreicher Autor an-
kündigte, kehrte er nach Bayern zurück, und erlangte auf der Maximi-
lians-Ludwigs-Univerſität in Landshut unter Niederhubers Decanat die
Doctorwürde der Medicin und Chirurgie am 18 Februar 1803. Kurze
Zeit vorher hatte Walther in München die Bekanntſchaft von Adalbert
Friedrich Marcus gemacht, und dieſer, durch den Einfluß des zeit- und
menſchenkennenden Miniſters Montgelas und des vielgebildeten geheimen
Rathes v. Zentner zum Generaldirector des Medicinalweſens in den bei-
den für Bayern neuerworbenen fränkiſchen Fürſtenthümern Bamberg und
Würzburg ernannt, ſchlug den jungen Walther zum Aſſiſtenzarzt bei der
obengenannten Medicinaldirection in Bamberg vor, als welcher Walther
ſofort ſchon am 22 Febr. 1803 ernannt wurde; ſowie am 23 Mai 1803
als jüngſter Medicinalrath in dem von Marcus geſchaffenen Provinzial-
Medicinalcollegium zu Bamberg. Am 30 Sept. 1803 wurde Walthern
die Stelle eines Oberwundarztes im Bamberger Krankenhauſe, und am
23 Nov. 1803 die Profeſſur der Chirurgie an der dortigen mediciniſch-
chirurgiſchen praktiſchen Schule übertragen. Das Fürſtenthum Bamberg
leuchtete damals ganz Bayern und auch andern deutſchen Staaten als das
hehre und glänzende Vorbild einer wohleingerichteten und kräftig gehand-
habten Medicinalverfaſſung vor; und die ſpäter im ganzen Umfang des
jetzigen Königreiches Bayern getroffenen Einrichtungen ſind zum Theil
Nachahmungen und Wiederholungen der Marcus’ſchen Schöpfungen in
Bamberg, z. B. die Phyſikate. Walthern als einem jungen, von wiſſen-
ſchaftlichem Geiſte getriebenen Manne war es damals vergönnt von den
ſchöpferiſchen Entwürfen des ihm für ſeine ganze Lebenszeit mit Ver-
trauen und Freundſchaft verbündeten Marcus frühzeitig Einſicht zu neh-
men, und bei deren Ausarbeitung. Redaction und Ausführung unter der
Leitung dieſes genialen Meiſters förderlich mitzuwirken. Zu dieſer Zeit
machte Walther die perſönliche Bekanntſchaft Schellings, damals in
Würzburg, fortan ſeines beſten, vertrauteſten Freundes. Einen ihm ge-
ſtatteten Urlaub benützte Walther zu einer wiſſenſchaftlichen Reiſe nach
Paris.

Ungefähr nur zwei Jahre ſpäter, nachdem die Maximilians-Ludwigs-
Univerſität Walthern den Doctorgrad verliehen hatte, wurde er von eben
dieſer Univerfität als öffentlicher ordentlicher Profeſſor der Phyſtologie,
dann der Chirurgie berufen. Walther traf dort einen auserleſenen Kreis
berühmter Männer, wie der Theologen Sailer, Zimmer und Winter, der
Juriſten Gönner, Feuerbach und Hellersberg, der Mediciner Winter (der-
malen k. bayer. q. Obermedicinalrath und Leibchirurg in München) und
Röſchlaub, ferner v. Schrank, Millbiller, Breyer und Weber, der ſpäter
noch durch Hortig, Bertele, Hufeland, Savigny, Mittermaier, Tiede-
mann, Schultes, Fuchs u. a. vergrößert wurde. Der Glanz dieſer da-
mals unter günſtiger Protection von oben ſtehenden Univerſität nahm
ſchnell und mächtig zu trotz zehnjähriger Kriegsdauer. Walthers von
Jahr zu Jahr wachſender weitausgehender Ruf als Lehrer, Schriftſteller
und Operateur, das weiß jedermann, trug einen großen, wenn nicht den
größten Theil zu dieſem Glanze bei, und jene Männer welche zur ſelben
Zeit dieſe Univerſität frequentirten, erinnern ſich mit großer ſie noch jetzt
beglückender Freude an ihre Studienzeit in Landshut, wo das feurige
Streben nach Wiſſenſchaft ſich mit der feinſten heiterſten Geſelligkeit
paarte, hervorgehend aus einem zwiſchen Lehrer und Studirenden herr-
ſchenden freundſchaftlichen, Mittheilung erzeugenden Wechſelverhältniß,
wie es vielleicht noch keine andere Zeit und Univerſität beſeſſen. In die-
ſer Glanzperiode war Walther auch Rector Magnificus (1811) — eine
Ehre die er in ſpäteren Jahren beſcheiden immer ausſchlug.

Im Jahr 1808 ward Walther von der Akademie der Wiſſenſchaften
in München zu ihrem correſpondirenden Mitglied erwählt, und in ſelbem
Jahr ward ihm auch bei der Gründung des Civilverdienſtordens der baye-
riſchen Krone die große Auszeichnung zu Theil als einer der erſten zum
Ritter dieſes Ordens von Sr. Maj. dem höchſtſeligen König Max I er-
nannt zu werden.

Walther erhielt zwei ehrenvolle Vocationen, die eine als Profeſſor
der Chirurgie nach Halle, die andere als Hofrath, Profeſſor der Chirur-
gie und Augenheilkunde und Director des chirurgiſchen Klinikums nach
Heidelberg. Walther lehnte beide ab. Wie aber alles vergänglich, ſo
ſchien auch der gute Stern der über Landshuts Hochſchule glänzte, zu er-
bleichen. Theils durch Tod, theils anderartige Verwendung wie von

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[0009] Donnerſtag. Beilage zu Nr. 31 der Allg. Zeitung. 31 Januar 1850. Ueberſicht. Philipp Franz v. Walther. — Griepenkerls Robespierre auf der Bühne. — Berlin und Kopenhagen. — Wien. (Die Berliner und die deutſche Frage.) — Paris. (Der Caſſationshof über die Placatefreiheit bei den Wahlen. Stimmung des Heeres). — Die Nitriſche Bibliothek im brittiſchen Muſeum. — Orientaliſche Geſellſchaft in Boſton. Philipp Franz v. Walther. Sein Leben und Wirken. ⎈ München. Der Schluß des gegenwärtigen Halbjahrhunderts macht uns trauriger und unſern Blick in die Zukunft noch trüber und freudeloſer, ſehen wir einen jener Männer von uns ſcheiden welche in dem verfloſſenen Zeitabſchnitt hervorragenden Geiſtes gelebt und, der Menſchheit zum Frommen und ſie veredelnd, mächtig in Wort und That gewirkt. Seine Zeit auch konnte Ph. F. v. Walther die dahingegangene Säcularhälfte nennen — denn mit Anfang dieſes Jahrhunderts begann Walthers Wirken ſchnell ſteigenden Rufes, und endete nur mit ſeinem Tode, der ihn in ſeiner Berufserfüllung überraſchte. Andern Tages nämlich nach der jüngſten Winterſonnenwende kündigte ein Schüttelfroſt, der ihn in Mitte ſeiner Familie am Mittagstiſche, noch ehe er Speiſe und Trank zu ſich genommen, befiel, die vernichtende Krankheit an, welche ihm, nachdem er am dritten Tage darnach, ſich von dem continuirlichen Fieber noch willensmächtig ermannend, nochmal und zwar zum letztenmal mehrere ſeiner nach ihm ſehnſüchtig harrenden Schwerkranken beſucht, am ſtebenten Tage den — der Intenfität und dem raſchen Verlaufe nach zu urtheilen — auf keine Weiſe abwendbaren, vom Schickſal, möchte ich ſagen, beſtimmten Tod brachte. Er ſtarb (29 Dec. 1849) ohne Ahnung von der Nähe ſeines Endes, die letzten Tage theils ſoporös, theils deliri- rend zubringend, in den letzten 24 Stunden ohne Zeichen von Bewußt- ſeyn mit Flockenleſen, Sehnenhüpfen u. ſ. ſ. endend, am Nervenſteber, deſſen materielle Veränderungen, wie die nach 24 Stunden nach erfolg- tem Tode ſtattgefundene Autopfie nachwies, ſich in auffallender Verflüſ- figung des Blutes concentrirte. So endete v. Walther an derſelben Krankheit die ſein Leben ſchon einmal in ſeinem Jünglingsalter in Wien als Schüler des großen Frank bedrohte, deſſen glücklicher Behandlung wir die Erhaltung unſeres Wal- thers, dieſer unerſetzlichen Individualität, des Wohlthäters der kranken Menſchheit während 47 Jahren, der Zierde dreier Univerſitäten, des Vaters der deutſchen wiſſenſchaftlichen Chirurgie und Augenheilkunde, verdanken. Walther iſt zu Burweiler in der Pfalz den 3 Januar 1782 geboren. Sein Vater war allda Juſtizamtmann. Seinen erſten Unterricht erhielt er von dem dortigen Ortsſchulmeiſter. Bei der ſranzöſiſchen Invaſion (1794) in die Pfalz flüchtete ſeine Mutter mit ihren Kindern ſich nach Heidelberg; denn die Furcht vor den Franzoſen war damals unbeſchreib- lich groß. Als ſpäter der Schrecken ſich gelegt, kehrte die Mutter mit den übrigen Kindern wieder zu ihrem Gatten nach dem nun Frankreich einverleibten Burweiler zurück. Nur der zwölfjährige Philipp Franz ging nicht mit, und blieb in Heidelberg; denn, wie er ſagte, er wollte „deutſch“ bleiben. In Heidelberg genoß er alsdann den Gymnaſtal- unterricht in einem Kloſterinſtitute, und ſpäter an der dortigen Univerſität ſeine Bildung in den philoſophiſchen, naturhiſtoriſchen und theoretiſch mediciniſchen Fächern von den Lehrern Succow, Zuccarini, Moſer, May und Nebel. Hier und zu dieſer Zeit war es wo Walther ſich mit Leiden- ſchaft auf das Studium der Philoſophie von Kant, Fichte, und der beſon- ders von Schelling warf. Wir rechnen dieſe Epoche des kaum achtzehnjährigen Jünglings zu der wichtigſten ſeines Lebens, weil ſie den Grund legte zu der künftigen Größe und Eigenthümlichkeit Walthers. Denn er war durch und durch getränkt von der Wiſſenſchaft des Wiſſens, und durch dieſe ward er Meiſter und Regenerator in allem an was immer er ſeine geiſtige Hand anlegte. Mit dieſem von innen kommenden und immer wieder ſich ſelbſt erzeugenden Lichte begabt konnte Walthern es nicht fehlen an der Wiener Hochſchule, wohin er von Heidelberg aus hinzog, und wo Beer, Beinl, Böcking, Hürtl, Jordan, Jaguin, Löſer, Prochasca, Schmidt, Vetter lehrten, wo beſonders J. P. Frank glänzte, von dem er ſelbſt ſagte „daß ſeine Lehren wie ein befruchtender Thau auf empfängliche Gemüther fie- len“ — es konnte ihm nicht fehlen jene Fülle von Wiſſen, jenen Reich- thum von Kenntniſſen, jene Klarheit in Theorie und Praxis ſich zu er- werben, die ihn vor vielen hoch auszeichnete, und wodurch er Alt und Jung, Collegen wie Laien imponirte. Nach dreijähriger Anweſenheit in Wien, von wo aus er der lit- terariſchen Welt durch ſeine Schriften über die therapeutiſche Indication und den Technicismus der galvaniſchen Operation (1801) und über die Gall’ſche Hirn- und Schädellehre (1802) ſich als geiſtreicher Autor an- kündigte, kehrte er nach Bayern zurück, und erlangte auf der Maximi- lians-Ludwigs-Univerſität in Landshut unter Niederhubers Decanat die Doctorwürde der Medicin und Chirurgie am 18 Februar 1803. Kurze Zeit vorher hatte Walther in München die Bekanntſchaft von Adalbert Friedrich Marcus gemacht, und dieſer, durch den Einfluß des zeit- und menſchenkennenden Miniſters Montgelas und des vielgebildeten geheimen Rathes v. Zentner zum Generaldirector des Medicinalweſens in den bei- den für Bayern neuerworbenen fränkiſchen Fürſtenthümern Bamberg und Würzburg ernannt, ſchlug den jungen Walther zum Aſſiſtenzarzt bei der obengenannten Medicinaldirection in Bamberg vor, als welcher Walther ſofort ſchon am 22 Febr. 1803 ernannt wurde; ſowie am 23 Mai 1803 als jüngſter Medicinalrath in dem von Marcus geſchaffenen Provinzial- Medicinalcollegium zu Bamberg. Am 30 Sept. 1803 wurde Walthern die Stelle eines Oberwundarztes im Bamberger Krankenhauſe, und am 23 Nov. 1803 die Profeſſur der Chirurgie an der dortigen mediciniſch- chirurgiſchen praktiſchen Schule übertragen. Das Fürſtenthum Bamberg leuchtete damals ganz Bayern und auch andern deutſchen Staaten als das hehre und glänzende Vorbild einer wohleingerichteten und kräftig gehand- habten Medicinalverfaſſung vor; und die ſpäter im ganzen Umfang des jetzigen Königreiches Bayern getroffenen Einrichtungen ſind zum Theil Nachahmungen und Wiederholungen der Marcus’ſchen Schöpfungen in Bamberg, z. B. die Phyſikate. Walthern als einem jungen, von wiſſen- ſchaftlichem Geiſte getriebenen Manne war es damals vergönnt von den ſchöpferiſchen Entwürfen des ihm für ſeine ganze Lebenszeit mit Ver- trauen und Freundſchaft verbündeten Marcus frühzeitig Einſicht zu neh- men, und bei deren Ausarbeitung. Redaction und Ausführung unter der Leitung dieſes genialen Meiſters förderlich mitzuwirken. Zu dieſer Zeit machte Walther die perſönliche Bekanntſchaft Schellings, damals in Würzburg, fortan ſeines beſten, vertrauteſten Freundes. Einen ihm ge- ſtatteten Urlaub benützte Walther zu einer wiſſenſchaftlichen Reiſe nach Paris. Ungefähr nur zwei Jahre ſpäter, nachdem die Maximilians-Ludwigs- Univerſität Walthern den Doctorgrad verliehen hatte, wurde er von eben dieſer Univerfität als öffentlicher ordentlicher Profeſſor der Phyſtologie, dann der Chirurgie berufen. Walther traf dort einen auserleſenen Kreis berühmter Männer, wie der Theologen Sailer, Zimmer und Winter, der Juriſten Gönner, Feuerbach und Hellersberg, der Mediciner Winter (der- malen k. bayer. q. Obermedicinalrath und Leibchirurg in München) und Röſchlaub, ferner v. Schrank, Millbiller, Breyer und Weber, der ſpäter noch durch Hortig, Bertele, Hufeland, Savigny, Mittermaier, Tiede- mann, Schultes, Fuchs u. a. vergrößert wurde. Der Glanz dieſer da- mals unter günſtiger Protection von oben ſtehenden Univerſität nahm ſchnell und mächtig zu trotz zehnjähriger Kriegsdauer. Walthers von Jahr zu Jahr wachſender weitausgehender Ruf als Lehrer, Schriftſteller und Operateur, das weiß jedermann, trug einen großen, wenn nicht den größten Theil zu dieſem Glanze bei, und jene Männer welche zur ſelben Zeit dieſe Univerſität frequentirten, erinnern ſich mit großer ſie noch jetzt beglückender Freude an ihre Studienzeit in Landshut, wo das feurige Streben nach Wiſſenſchaft ſich mit der feinſten heiterſten Geſelligkeit paarte, hervorgehend aus einem zwiſchen Lehrer und Studirenden herr- ſchenden freundſchaftlichen, Mittheilung erzeugenden Wechſelverhältniß, wie es vielleicht noch keine andere Zeit und Univerſität beſeſſen. In die- ſer Glanzperiode war Walther auch Rector Magnificus (1811) — eine Ehre die er in ſpäteren Jahren beſcheiden immer ausſchlug. Im Jahr 1808 ward Walther von der Akademie der Wiſſenſchaften in München zu ihrem correſpondirenden Mitglied erwählt, und in ſelbem Jahr ward ihm auch bei der Gründung des Civilverdienſtordens der baye- riſchen Krone die große Auszeichnung zu Theil als einer der erſten zum Ritter dieſes Ordens von Sr. Maj. dem höchſtſeligen König Max I er- nannt zu werden. Walther erhielt zwei ehrenvolle Vocationen, die eine als Profeſſor der Chirurgie nach Halle, die andere als Hofrath, Profeſſor der Chirur- gie und Augenheilkunde und Director des chirurgiſchen Klinikums nach Heidelberg. Walther lehnte beide ab. Wie aber alles vergänglich, ſo ſchien auch der gute Stern der über Landshuts Hochſchule glänzte, zu er- bleichen. Theils durch Tod, theils anderartige Verwendung wie von

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 31. Januar 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine31_1850/9>, abgerufen am 07.06.2024.