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Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 31. Januar 1850.

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Die Ritrische Bibliothek im brittischen Museum.

So eben heimgekehrt von neuen For-
schungen auf den Bibliotheken zu Paris und zu London, beeile ich mich
Ihnen einige Nachrichten über die großen litterarischen Schätze zu geben
die bekanntlich vor wenig Jahren das brittische Museum aus den kopti-
schen Klöstern der Nitrischen Wüste gewonnen hat. Soviel ich weiß, hat
das deutsche Publicum bis jetzt nur wenig Andeutungen über diese kost-
bare Bibliothek erhalten, und zwar noch mehr über die Art wie Dr. Tat-
tam die schwierige Erlangung derselben gelungen ist, als über ihren be-
deutungsvollen Inhalt. Die classische Litteratur wird in nächster Zukunft
durch die Herausgabe des Homerischen Palimpsesten bereichert werden.
Es haben sich nämlich in einem syrisch-griechischen Palimpsesten nicht we-
niger als viertausend Verse der Iliade vorgefunden, die allem Anschein
nach im fünften Jahrhundert geschrieben sind, während mit Ausnahme
geringer Fragmente kein anderes bekanntes Document für den Text des
Homer über das zehnte Jahrhundert hinaufreicht. Die Herausgabe selbst,
unter den Händen Curetons, des neuernannten Domherrn vom Westmin-
ster, wird des brittischen Museums, auf dessen Kosten sie geschieht, voll-
kommen würdig seyn. Sechs Blätter werden als Facsimile ausgeführt,
deren jedes dem Pariser Künstler Lepelle mit hundert Pfund Sterling
bezahlt wird. Was bereits davon fertig ist, ist in hohem Grade gelungen.
Aber weit mehr als der classischen, gehört diese Nitrische Bibliothek der
christlichen Litteratur an. Für den syrischen Text der gesammten Bibel
enthält sie eine sehr große Anzahl Manuseripte, zum Theil vom höchsten
Alter. Die Akademie in Oxford wird zunächst das Alte Testament daraus
nach Curetons Bearbeitung veröffentlichen. Für das Neue Testament
stehen größere Arbeiten von Tregelles zu erwarten; und Cureton hat be-
reits das merkwürdigste der evangelischen Manuseripte zum Abdruck ge-
bracht und zu baldiger Herausgabe mit gelehrtem Commentar bestimmt.
Diese Evangelienhandschrift, ausdrücklich datirt aus dem vierten Jahr-
hundert, bietet einen Text des Matthäus dar der sich von allen bekannten
Texten wesentlich unterscheidet, und der besonders durch sein eige thüm-
liches Verhältniß zu Lucas auf die Vermuthung einer directen Ableitung
aus dem hebräischen Evangelium des Matthäus führt. Wer es weiß daß
dieser hebräische Matthäus schon im frühesten Alterthum verschwunden
ist, von den meisten Forschern in der Kirche seit dem zweiten Jahrhundert
angenommen, jedoch auch von einzelnen, besonders in neuerer Zeit, be-
zweifelt oder geläugnet worden ist, daß viele gelehrte Theorien über den
Ursprung und das gegenseitige Verhältniß unserer synoptischen Evange-
lien mit dieser unbekannten Größe aufs engste zusammenhängen, daß
unter anderm Papst Nikolaus, nach dem Fall des griechischen Kaiserthums,
einen Preis von fünftausend Scudi auf die Entdeckung dieses Evange-
liums gesetzt hat, der wird das außerordentliche Interesse begreifen das
sich an diesen syrischen Fund knüpft. Von den anderen biblischen Hand-
schriften verdienen noch zwei eine besondere Hervorhebung; es sind zwei
Palimpseste, von denen der eine einen griechischen Text des Lucas aus
dem sechsten Jahrhundert, der andere um hundert Jahre jüngere Frag-
mente aus den vier Evangelien oder vielmehr aus einem Evangelistarium
enthält. Was ich in beiden gelesen, werde ich bald bekannt machen; doch
wird wahrscheinlich Cureton beiden Palimpsesten umfassendere Arbeiten
widmen.

Außer der h. Schrift selbst ist es die Litteratur der ersten christlichen
Jahrhunderte, über deren gefeiertste Namen die Nitrische Bibliothek zu
London neues Licht verbreitet. Zweierlei davon ist bereits aus der Presse
hervorgegangen nach der verdienstvollen Bearbeitung Curetons: 1) die
Briefe des Ignatius nach einer neuen und zwar solchen Textrecension die
der Originalschrift des großen Schülers des Johannes am nächsten zu
stehen scheint, worüber auch Bunsen gelehrt und scharfsinnig geschrieben;
2) die fast gänzlich verloren gewesenen Festbriefe des Athanasius. Von
dem aber was der Bearbeitung und Veröffentlichung erst noch entgegen-
sieht, erwähne ich vorzugsweise daß sich verloren geglaubte Schriften oder
Schriftfragmente vom Gnostiker Bardesanes, von Melito von Sardes,
von Irenäus, von Hippolytus, von Titus von Bostra vorgefunden haben,
sowie ein syrischer Text der Recognitionen des Clemens. Dieser letztere
ist vom höchsten Interesse, da der griechische Originaltext dieser merkwür-
digen Schrift längst verloren gegangen, die lateinische Uebersetzung Ru-
fins aber, nach seinem eigenen Geständniß, keineswegs treu und vollstän-
dig ist. Die entdeckte syrische Version beansprucht um so höhere Autorität,
da sie sogar nach dem Datum der Handschrift über die Zeit Rufins' hin-
aufreicht, und also ohne Zweifel aus der ursprünglichen Schrift des Cle-
mens hergeflossen ist. Ihre eigene Stellung zwischen beiden Uebersetzun-
gen der Recognitionen, der syrischen und der lateinischen, werden die
Fragmente einnehmen die ich vom griechischen Originaltext selber unlängst
aufgefunden habe. Schließlich mache ich noch auf das hohe Gewicht auf-
[Spaltenumbruch] merksam welches die Nitrischen Manuscripte zu London nicht nur für die
syrische, sondern auch, was noch viel mehr ist, für die griechische Paläo-
graphie haben. Es finden sich nämlich unter den syrischen Manuscripten
von sehr hohem Datum mehrere die mit griechischen Randnoten ausge-
stattet sind, z. B. eine Uebersetzung des Epiphanius von den Häresien vom
Jahr 561. Somit ist ein sicherer Anhaltspunkt dafür gewonnen wie man
in Syrien in den betreffenden Jahrhunderten den griechischen Schriftcha-
rakter handhabte. C. Tischendorf.



Orientalische Gesellschaft von Boston.

Die amerikanische orientalische Gesell-
schaft in Boston hat das vierte Heft ihrer Arbeiten herausgegeben, es ist
bogenreicher und namhaft besser als die früheren, und läßt hoffen daß die
Gesellschaft sich ausbildet und erstarkt. Orientalische Litteratur ist in den
Vereinigten Staaten noch etwas sehr neues; es wird viel Hebräisch in den
Seminarien und Gymnasien gelehrt in denen Theologen erzogen werden,
aber auch darin haben sich die Amerikaner bisher fast damit begnügt
deutsche Arbeiten zu übersetzen, und einige Gelehrte haben sich dadurch
einen localen amerikanischen Ruhm gemacht, der aber wohl schwerlich in
Europa viel Nachklang haben wird. Der ausgezeichnetste der biblischen
Gelehrten in den Vereinigten Staaten ist Professor Robinson, den seine
Reisen in Palästina auch in Deutschland bekannt gemacht haben. Die
übrigen orientalischen Sprachen sind bis jetzt wenig studirt, einige Ame-
rikaner, wie z. B. E. Salisbury, haben in Paris orientalische Curse mit
gutem Erfolg besucht, aber es fehlt noch an einem Publicum, an Biblio-
theken, an Druckereien, an gelehrten Anstalten deren Lehrer nicht mit
Lehrpflichten überhäuft wären, kurz an dem ganzen Humus in welchem
allein ein Studium dieser Art gedeihen kann und den nur der Lauf der
Zeit in einem Land nach und nach hervorbringt. Das kaufmännische
Leben, die Unsicherheit und übermäßige Beschäftigung geistlicher Stellen,
der Mangel an reichen Leuten die eine gelehrte oder wenigstens liberale
Erziehung genossen und freie Zeit für Studien haben, die Geld kosten und
keines einbringen, sind bis jetzt unübersteigliche Hindernisse. Man hat
hier mehr und nähere Sorgen als sich um das Alterthum und orientalische
Litteraturen viel zu bekümmern, und um die Sache nach einem ganz ame-
rikanischen Maßstab zu bemessen, die Finanzen der orientalischen Gesell-
schaft, deren Einkünfte sich nicht auf mehr als 300 Dollars jährlich be-
laufen, bezeugen hinlänglich wie neu die ganze Sache ist. Aber man
muß deßwegen nicht daran verzweifeln daß auch solche Studien in einer
vielleicht nicht sehr langen Zeit hier mit Auszeichnung betrieben werden,
der Ehrgeiz oder vielleicht die Eitelkeit der Amerikaner sich in allem aus-
zuzeichnen, das ungemessene Lob das sie jedem unter sich spenden den sie
in irgendetwas mit den Europäern in Vergleichung bringen können, und
die ungemeine Freigebigkeit der Kaufleute wenn sie glauben durch ein großes
Geldopfer dem Ruhm ihres Landes ein neues Feld eröffnen zu können,
sind gar keine verächtlichen Elemente für irgendein Studium das einmal
die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Für orientalische
Litteratur werden die Amerikaner dabei in ihren Missionen eine große
Hülfe finden, da diese eine Menge Leute von Talent und Kenntnissen
zählen, wahrscheinlich mehr als die Missionen irgendeines andern Landes.
Perkins und der zu früh verstorbene Dr. Grant bei den Nestorianern in
Kurdistan, Dwight in Armenien, Stoddard in Persien, Eli Smith in
Beiruth, Stevenson in Bombay, Comstock in Arracan, Dr. Bridgman
(der Herausgeber des Chinese Repository und der chinesischen Chresto-
mathie) und Wells Williams in Canton sind wirklich gebildete wissen-
schaftliche Männer, die schon viel gethan haben und mehr versprechen.
Die amerikanischen Missionen haben in Afrika 33, in Westaften 33, in
Indien 66, in Birma und Siam 29, in China 43 und in Oceanien 27
Missionen, und sie besitzen Druckereien für Sanskrit, Mahrattisch, Tamu-
lisch, Ceylonesisch, Assamefisch, Persisch, Birmanisch, Siamesisch, Chi-
nesisch und Japanisch. Wenn die Errichtung der orientalischen Gesell-
fchaft in Boston keinen andern Vortheil hätte als daß sie einen wissen-
schaftlichen Mittelpunkt für die Arbeiten dieser Missionen gibt, so wäre
ihr Bestehen schon hinlänglich gerechtfertigt, denn wenn diese einmal
wissen daß sie hier ein Organ finden das ihre Arbeiten, insofern sie über
unmittelbare Missionszwecke hinausgehen, bekannt macht, so wird dieß
ein mächtiger Sporn für wissenschaftliche Arbeiten bei ihnen werden. Es
fehlt den Missionären aller Länder sehr an einer solchen Aufmunterung
für Benützung der mannichfachen Gelegenheiten die sie haben Kenntnisse
zu erwerben die allen übrigen Europäern zugänglich sind. Sie haben
selten Zeit regelmäßige Bücher zu schreiben, aber alle haben Gelegenheit
Materialien zu sammeln, und würden es thun wenn eine gelehrte Gesell-
schaft sich die Mühe geben will sich vor das Publicum zu legen. Die
Missionsgefellschaften selbst können dieß nicht wohl thun. Was sie für

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Die Ritriſche Bibliothek im brittiſchen Muſeum.

So eben heimgekehrt von neuen For-
ſchungen auf den Bibliotheken zu Paris und zu London, beeile ich mich
Ihnen einige Nachrichten über die großen litterariſchen Schätze zu geben
die bekanntlich vor wenig Jahren das brittiſche Muſeum aus den kopti-
ſchen Klöſtern der Nitriſchen Wüſte gewonnen hat. Soviel ich weiß, hat
das deutſche Publicum bis jetzt nur wenig Andeutungen über dieſe koſt-
bare Bibliothek erhalten, und zwar noch mehr über die Art wie Dr. Tat-
tam die ſchwierige Erlangung derſelben gelungen iſt, als über ihren be-
deutungsvollen Inhalt. Die claſſiſche Litteratur wird in nächſter Zukunft
durch die Herausgabe des Homeriſchen Palimpſeſten bereichert werden.
Es haben ſich nämlich in einem ſyriſch-griechiſchen Palimpſeſten nicht we-
niger als viertauſend Verſe der Iliade vorgefunden, die allem Anſchein
nach im fünften Jahrhundert geſchrieben ſind, während mit Ausnahme
geringer Fragmente kein anderes bekanntes Document für den Text des
Homer über das zehnte Jahrhundert hinaufreicht. Die Herausgabe ſelbſt,
unter den Händen Curetons, des neuernannten Domherrn vom Weſtmin-
ſter, wird des brittiſchen Muſeums, auf deſſen Koſten ſie geſchieht, voll-
kommen würdig ſeyn. Sechs Blätter werden als Facſimile ausgeführt,
deren jedes dem Pariſer Künſtler Lepelle mit hundert Pfund Sterling
bezahlt wird. Was bereits davon fertig iſt, iſt in hohem Grade gelungen.
Aber weit mehr als der claſſiſchen, gehört dieſe Nitriſche Bibliothek der
chriſtlichen Litteratur an. Für den ſyriſchen Text der geſammten Bibel
enthält ſie eine ſehr große Anzahl Manuſeripte, zum Theil vom höchſten
Alter. Die Akademie in Oxford wird zunächſt das Alte Teſtament daraus
nach Curetons Bearbeitung veröffentlichen. Für das Neue Teſtament
ſtehen größere Arbeiten von Tregelles zu erwarten; und Cureton hat be-
reits das merkwürdigſte der evangeliſchen Manuſeripte zum Abdruck ge-
bracht und zu baldiger Herausgabe mit gelehrtem Commentar beſtimmt.
Dieſe Evangelienhandſchrift, ausdrücklich datirt aus dem vierten Jahr-
hundert, bietet einen Text des Matthäus dar der ſich von allen bekannten
Texten weſentlich unterſcheidet, und der beſonders durch ſein eige thüm-
liches Verhältniß zu Lucas auf die Vermuthung einer directen Ableitung
aus dem hebräiſchen Evangelium des Matthäus führt. Wer es weiß daß
dieſer hebräiſche Matthäus ſchon im früheſten Alterthum verſchwunden
iſt, von den meiſten Forſchern in der Kirche ſeit dem zweiten Jahrhundert
angenommen, jedoch auch von einzelnen, beſonders in neuerer Zeit, be-
zweifelt oder geläugnet worden iſt, daß viele gelehrte Theorien über den
Urſprung und das gegenſeitige Verhältniß unſerer ſynoptiſchen Evange-
lien mit dieſer unbekannten Größe aufs engſte zuſammenhängen, daß
unter anderm Papſt Nikolaus, nach dem Fall des griechiſchen Kaiſerthums,
einen Preis von fünftauſend Scudi auf die Entdeckung dieſes Evange-
liums geſetzt hat, der wird das außerordentliche Intereſſe begreifen das
ſich an dieſen ſyriſchen Fund knüpft. Von den anderen bibliſchen Hand-
ſchriften verdienen noch zwei eine beſondere Hervorhebung; es ſind zwei
Palimpſeſte, von denen der eine einen griechiſchen Text des Lucas aus
dem ſechsten Jahrhundert, der andere um hundert Jahre jüngere Frag-
mente aus den vier Evangelien oder vielmehr aus einem Evangeliſtarium
enthält. Was ich in beiden geleſen, werde ich bald bekannt machen; doch
wird wahrſcheinlich Cureton beiden Palimpſeſten umfaſſendere Arbeiten
widmen.

Außer der h. Schrift ſelbſt iſt es die Litteratur der erſten chriſtlichen
Jahrhunderte, über deren gefeiertſte Namen die Nitriſche Bibliothek zu
London neues Licht verbreitet. Zweierlei davon iſt bereits aus der Preſſe
hervorgegangen nach der verdienſtvollen Bearbeitung Curetons: 1) die
Briefe des Ignatius nach einer neuen und zwar ſolchen Textrecenſion die
der Originalſchrift des großen Schülers des Johannes am nächſten zu
ſtehen ſcheint, worüber auch Bunſen gelehrt und ſcharfſinnig geſchrieben;
2) die faſt gänzlich verloren geweſenen Feſtbriefe des Athanaſius. Von
dem aber was der Bearbeitung und Veröffentlichung erſt noch entgegen-
ſieht, erwähne ich vorzugsweiſe daß ſich verloren geglaubte Schriften oder
Schriftfragmente vom Gnoſtiker Bardeſanes, von Melito von Sardes,
von Irenäus, von Hippolytus, von Titus von Boſtra vorgefunden haben,
ſowie ein ſyriſcher Text der Recognitionen des Clemens. Dieſer letztere
iſt vom höchſten Intereſſe, da der griechiſche Originaltext dieſer merkwür-
digen Schrift längſt verloren gegangen, die lateiniſche Ueberſetzung Ru-
fins aber, nach ſeinem eigenen Geſtändniß, keineswegs treu und vollſtän-
dig iſt. Die entdeckte ſyriſche Verſion beanſprucht um ſo höhere Autorität,
da ſie ſogar nach dem Datum der Handſchrift über die Zeit Rufins’ hin-
aufreicht, und alſo ohne Zweifel aus der urſprünglichen Schrift des Cle-
mens hergefloſſen iſt. Ihre eigene Stellung zwiſchen beiden Ueberſetzun-
gen der Recognitionen, der ſyriſchen und der lateiniſchen, werden die
Fragmente einnehmen die ich vom griechiſchen Originaltext ſelber unlängſt
aufgefunden habe. Schließlich mache ich noch auf das hohe Gewicht auf-
[Spaltenumbruch] merkſam welches die Nitriſchen Manuſcripte zu London nicht nur für die
ſyriſche, ſondern auch, was noch viel mehr iſt, für die griechiſche Paläo-
graphie haben. Es finden ſich nämlich unter den ſyriſchen Manuſcripten
von ſehr hohem Datum mehrere die mit griechiſchen Randnoten ausge-
ſtattet ſind, z. B. eine Ueberſetzung des Epiphanius von den Häreſien vom
Jahr 561. Somit iſt ein ſicherer Anhaltspunkt dafür gewonnen wie man
in Syrien in den betreffenden Jahrhunderten den griechiſchen Schriftcha-
rakter handhabte. C. Tiſchendorf.



Orientaliſche Geſellſchaft von Boſton.

Die amerikaniſche orientaliſche Geſell-
ſchaft in Boſton hat das vierte Heft ihrer Arbeiten herausgegeben, es iſt
bogenreicher und namhaft beſſer als die früheren, und läßt hoffen daß die
Geſellſchaft ſich ausbildet und erſtarkt. Orientaliſche Litteratur iſt in den
Vereinigten Staaten noch etwas ſehr neues; es wird viel Hebräiſch in den
Seminarien und Gymnaſien gelehrt in denen Theologen erzogen werden,
aber auch darin haben ſich die Amerikaner bisher faſt damit begnügt
deutſche Arbeiten zu überſetzen, und einige Gelehrte haben ſich dadurch
einen localen amerikaniſchen Ruhm gemacht, der aber wohl ſchwerlich in
Europa viel Nachklang haben wird. Der ausgezeichnetſte der bibliſchen
Gelehrten in den Vereinigten Staaten iſt Profeſſor Robinſon, den ſeine
Reiſen in Paläſtina auch in Deutſchland bekannt gemacht haben. Die
übrigen orientaliſchen Sprachen ſind bis jetzt wenig ſtudirt, einige Ame-
rikaner, wie z. B. E. Salisbury, haben in Paris orientaliſche Curſe mit
gutem Erfolg beſucht, aber es fehlt noch an einem Publicum, an Biblio-
theken, an Druckereien, an gelehrten Anſtalten deren Lehrer nicht mit
Lehrpflichten überhäuft wären, kurz an dem ganzen Humus in welchem
allein ein Studium dieſer Art gedeihen kann und den nur der Lauf der
Zeit in einem Land nach und nach hervorbringt. Das kaufmänniſche
Leben, die Unſicherheit und übermäßige Beſchäftigung geiſtlicher Stellen,
der Mangel an reichen Leuten die eine gelehrte oder wenigſtens liberale
Erziehung genoſſen und freie Zeit für Studien haben, die Geld koſten und
keines einbringen, ſind bis jetzt unüberſteigliche Hinderniſſe. Man hat
hier mehr und nähere Sorgen als ſich um das Alterthum und orientaliſche
Litteraturen viel zu bekümmern, und um die Sache nach einem ganz ame-
rikaniſchen Maßſtab zu bemeſſen, die Finanzen der orientaliſchen Geſell-
ſchaft, deren Einkünfte ſich nicht auf mehr als 300 Dollars jährlich be-
laufen, bezeugen hinlänglich wie neu die ganze Sache iſt. Aber man
muß deßwegen nicht daran verzweifeln daß auch ſolche Studien in einer
vielleicht nicht ſehr langen Zeit hier mit Auszeichnung betrieben werden,
der Ehrgeiz oder vielleicht die Eitelkeit der Amerikaner ſich in allem aus-
zuzeichnen, das ungemeſſene Lob das ſie jedem unter ſich ſpenden den ſie
in irgendetwas mit den Europäern in Vergleichung bringen können, und
die ungemeine Freigebigkeit der Kaufleute wenn ſie glauben durch ein großes
Geldopfer dem Ruhm ihres Landes ein neues Feld eröffnen zu können,
ſind gar keine verächtlichen Elemente für irgendein Studium das einmal
die öffentliche Aufmerkſamkeit auf ſich gezogen hat. Für orientaliſche
Litteratur werden die Amerikaner dabei in ihren Miſſionen eine große
Hülfe finden, da dieſe eine Menge Leute von Talent und Kenntniſſen
zählen, wahrſcheinlich mehr als die Miſſionen irgendeines andern Landes.
Perkins und der zu früh verſtorbene Dr. Grant bei den Neſtorianern in
Kurdiſtan, Dwight in Armenien, Stoddard in Perſien, Eli Smith in
Beiruth, Stevenſon in Bombay, Comſtock in Arracan, Dr. Bridgman
(der Herausgeber des Chinese Repository und der chineſiſchen Chreſto-
mathie) und Wells Williams in Canton ſind wirklich gebildete wiſſen-
ſchaftliche Männer, die ſchon viel gethan haben und mehr verſprechen.
Die amerikaniſchen Miſſionen haben in Afrika 33, in Weſtaften 33, in
Indien 66, in Birma und Siam 29, in China 43 und in Oceanien 27
Miſſionen, und ſie beſitzen Druckereien für Sanskrit, Mahrattiſch, Tamu-
liſch, Ceyloneſiſch, Aſſamefiſch, Perſiſch, Birmaniſch, Siameſiſch, Chi-
neſiſch und Japaniſch. Wenn die Errichtung der orientaliſchen Geſell-
fchaft in Boſton keinen andern Vortheil hätte als daß ſie einen wiſſen-
ſchaftlichen Mittelpunkt für die Arbeiten dieſer Miſſionen gibt, ſo wäre
ihr Beſtehen ſchon hinlänglich gerechtfertigt, denn wenn dieſe einmal
wiſſen daß ſie hier ein Organ finden das ihre Arbeiten, inſofern ſie über
unmittelbare Miſſionszwecke hinausgehen, bekannt macht, ſo wird dieß
ein mächtiger Sporn für wiſſenſchaftliche Arbeiten bei ihnen werden. Es
fehlt den Miſſionären aller Länder ſehr an einer ſolchen Aufmunterung
für Benützung der mannichfachen Gelegenheiten die ſie haben Kenntniſſe
zu erwerben die allen übrigen Europäern zugänglich ſind. Sie haben
ſelten Zeit regelmäßige Bücher zu ſchreiben, aber alle haben Gelegenheit
Materialien zu ſammeln, und würden es thun wenn eine gelehrte Geſell-
ſchaft ſich die Mühe geben will ſich vor das Publicum zu legen. Die
Miſſionsgefellſchaften ſelbſt können dieß nicht wohl thun. Was ſie für

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[494/0014] Die Ritriſche Bibliothek im brittiſchen Muſeum. * Leipzig, Anfang Januars. So eben heimgekehrt von neuen For- ſchungen auf den Bibliotheken zu Paris und zu London, beeile ich mich Ihnen einige Nachrichten über die großen litterariſchen Schätze zu geben die bekanntlich vor wenig Jahren das brittiſche Muſeum aus den kopti- ſchen Klöſtern der Nitriſchen Wüſte gewonnen hat. Soviel ich weiß, hat das deutſche Publicum bis jetzt nur wenig Andeutungen über dieſe koſt- bare Bibliothek erhalten, und zwar noch mehr über die Art wie Dr. Tat- tam die ſchwierige Erlangung derſelben gelungen iſt, als über ihren be- deutungsvollen Inhalt. Die claſſiſche Litteratur wird in nächſter Zukunft durch die Herausgabe des Homeriſchen Palimpſeſten bereichert werden. Es haben ſich nämlich in einem ſyriſch-griechiſchen Palimpſeſten nicht we- niger als viertauſend Verſe der Iliade vorgefunden, die allem Anſchein nach im fünften Jahrhundert geſchrieben ſind, während mit Ausnahme geringer Fragmente kein anderes bekanntes Document für den Text des Homer über das zehnte Jahrhundert hinaufreicht. Die Herausgabe ſelbſt, unter den Händen Curetons, des neuernannten Domherrn vom Weſtmin- ſter, wird des brittiſchen Muſeums, auf deſſen Koſten ſie geſchieht, voll- kommen würdig ſeyn. Sechs Blätter werden als Facſimile ausgeführt, deren jedes dem Pariſer Künſtler Lepelle mit hundert Pfund Sterling bezahlt wird. Was bereits davon fertig iſt, iſt in hohem Grade gelungen. Aber weit mehr als der claſſiſchen, gehört dieſe Nitriſche Bibliothek der chriſtlichen Litteratur an. Für den ſyriſchen Text der geſammten Bibel enthält ſie eine ſehr große Anzahl Manuſeripte, zum Theil vom höchſten Alter. Die Akademie in Oxford wird zunächſt das Alte Teſtament daraus nach Curetons Bearbeitung veröffentlichen. Für das Neue Teſtament ſtehen größere Arbeiten von Tregelles zu erwarten; und Cureton hat be- reits das merkwürdigſte der evangeliſchen Manuſeripte zum Abdruck ge- bracht und zu baldiger Herausgabe mit gelehrtem Commentar beſtimmt. Dieſe Evangelienhandſchrift, ausdrücklich datirt aus dem vierten Jahr- hundert, bietet einen Text des Matthäus dar der ſich von allen bekannten Texten weſentlich unterſcheidet, und der beſonders durch ſein eige thüm- liches Verhältniß zu Lucas auf die Vermuthung einer directen Ableitung aus dem hebräiſchen Evangelium des Matthäus führt. Wer es weiß daß dieſer hebräiſche Matthäus ſchon im früheſten Alterthum verſchwunden iſt, von den meiſten Forſchern in der Kirche ſeit dem zweiten Jahrhundert angenommen, jedoch auch von einzelnen, beſonders in neuerer Zeit, be- zweifelt oder geläugnet worden iſt, daß viele gelehrte Theorien über den Urſprung und das gegenſeitige Verhältniß unſerer ſynoptiſchen Evange- lien mit dieſer unbekannten Größe aufs engſte zuſammenhängen, daß unter anderm Papſt Nikolaus, nach dem Fall des griechiſchen Kaiſerthums, einen Preis von fünftauſend Scudi auf die Entdeckung dieſes Evange- liums geſetzt hat, der wird das außerordentliche Intereſſe begreifen das ſich an dieſen ſyriſchen Fund knüpft. Von den anderen bibliſchen Hand- ſchriften verdienen noch zwei eine beſondere Hervorhebung; es ſind zwei Palimpſeſte, von denen der eine einen griechiſchen Text des Lucas aus dem ſechsten Jahrhundert, der andere um hundert Jahre jüngere Frag- mente aus den vier Evangelien oder vielmehr aus einem Evangeliſtarium enthält. Was ich in beiden geleſen, werde ich bald bekannt machen; doch wird wahrſcheinlich Cureton beiden Palimpſeſten umfaſſendere Arbeiten widmen. Außer der h. Schrift ſelbſt iſt es die Litteratur der erſten chriſtlichen Jahrhunderte, über deren gefeiertſte Namen die Nitriſche Bibliothek zu London neues Licht verbreitet. Zweierlei davon iſt bereits aus der Preſſe hervorgegangen nach der verdienſtvollen Bearbeitung Curetons: 1) die Briefe des Ignatius nach einer neuen und zwar ſolchen Textrecenſion die der Originalſchrift des großen Schülers des Johannes am nächſten zu ſtehen ſcheint, worüber auch Bunſen gelehrt und ſcharfſinnig geſchrieben; 2) die faſt gänzlich verloren geweſenen Feſtbriefe des Athanaſius. Von dem aber was der Bearbeitung und Veröffentlichung erſt noch entgegen- ſieht, erwähne ich vorzugsweiſe daß ſich verloren geglaubte Schriften oder Schriftfragmente vom Gnoſtiker Bardeſanes, von Melito von Sardes, von Irenäus, von Hippolytus, von Titus von Boſtra vorgefunden haben, ſowie ein ſyriſcher Text der Recognitionen des Clemens. Dieſer letztere iſt vom höchſten Intereſſe, da der griechiſche Originaltext dieſer merkwür- digen Schrift längſt verloren gegangen, die lateiniſche Ueberſetzung Ru- fins aber, nach ſeinem eigenen Geſtändniß, keineswegs treu und vollſtän- dig iſt. Die entdeckte ſyriſche Verſion beanſprucht um ſo höhere Autorität, da ſie ſogar nach dem Datum der Handſchrift über die Zeit Rufins’ hin- aufreicht, und alſo ohne Zweifel aus der urſprünglichen Schrift des Cle- mens hergefloſſen iſt. Ihre eigene Stellung zwiſchen beiden Ueberſetzun- gen der Recognitionen, der ſyriſchen und der lateiniſchen, werden die Fragmente einnehmen die ich vom griechiſchen Originaltext ſelber unlängſt aufgefunden habe. Schließlich mache ich noch auf das hohe Gewicht auf- merkſam welches die Nitriſchen Manuſcripte zu London nicht nur für die ſyriſche, ſondern auch, was noch viel mehr iſt, für die griechiſche Paläo- graphie haben. Es finden ſich nämlich unter den ſyriſchen Manuſcripten von ſehr hohem Datum mehrere die mit griechiſchen Randnoten ausge- ſtattet ſind, z. B. eine Ueberſetzung des Epiphanius von den Häreſien vom Jahr 561. Somit iſt ein ſicherer Anhaltspunkt dafür gewonnen wie man in Syrien in den betreffenden Jahrhunderten den griechiſchen Schriftcha- rakter handhabte. C. Tiſchendorf. Orientaliſche Geſellſchaft von Boſton. ** New-York, 15 Dec. Die amerikaniſche orientaliſche Geſell- ſchaft in Boſton hat das vierte Heft ihrer Arbeiten herausgegeben, es iſt bogenreicher und namhaft beſſer als die früheren, und läßt hoffen daß die Geſellſchaft ſich ausbildet und erſtarkt. Orientaliſche Litteratur iſt in den Vereinigten Staaten noch etwas ſehr neues; es wird viel Hebräiſch in den Seminarien und Gymnaſien gelehrt in denen Theologen erzogen werden, aber auch darin haben ſich die Amerikaner bisher faſt damit begnügt deutſche Arbeiten zu überſetzen, und einige Gelehrte haben ſich dadurch einen localen amerikaniſchen Ruhm gemacht, der aber wohl ſchwerlich in Europa viel Nachklang haben wird. Der ausgezeichnetſte der bibliſchen Gelehrten in den Vereinigten Staaten iſt Profeſſor Robinſon, den ſeine Reiſen in Paläſtina auch in Deutſchland bekannt gemacht haben. Die übrigen orientaliſchen Sprachen ſind bis jetzt wenig ſtudirt, einige Ame- rikaner, wie z. B. E. Salisbury, haben in Paris orientaliſche Curſe mit gutem Erfolg beſucht, aber es fehlt noch an einem Publicum, an Biblio- theken, an Druckereien, an gelehrten Anſtalten deren Lehrer nicht mit Lehrpflichten überhäuft wären, kurz an dem ganzen Humus in welchem allein ein Studium dieſer Art gedeihen kann und den nur der Lauf der Zeit in einem Land nach und nach hervorbringt. Das kaufmänniſche Leben, die Unſicherheit und übermäßige Beſchäftigung geiſtlicher Stellen, der Mangel an reichen Leuten die eine gelehrte oder wenigſtens liberale Erziehung genoſſen und freie Zeit für Studien haben, die Geld koſten und keines einbringen, ſind bis jetzt unüberſteigliche Hinderniſſe. Man hat hier mehr und nähere Sorgen als ſich um das Alterthum und orientaliſche Litteraturen viel zu bekümmern, und um die Sache nach einem ganz ame- rikaniſchen Maßſtab zu bemeſſen, die Finanzen der orientaliſchen Geſell- ſchaft, deren Einkünfte ſich nicht auf mehr als 300 Dollars jährlich be- laufen, bezeugen hinlänglich wie neu die ganze Sache iſt. Aber man muß deßwegen nicht daran verzweifeln daß auch ſolche Studien in einer vielleicht nicht ſehr langen Zeit hier mit Auszeichnung betrieben werden, der Ehrgeiz oder vielleicht die Eitelkeit der Amerikaner ſich in allem aus- zuzeichnen, das ungemeſſene Lob das ſie jedem unter ſich ſpenden den ſie in irgendetwas mit den Europäern in Vergleichung bringen können, und die ungemeine Freigebigkeit der Kaufleute wenn ſie glauben durch ein großes Geldopfer dem Ruhm ihres Landes ein neues Feld eröffnen zu können, ſind gar keine verächtlichen Elemente für irgendein Studium das einmal die öffentliche Aufmerkſamkeit auf ſich gezogen hat. 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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 31. Januar 1850, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine31_1850/14>, abgerufen am 23.11.2024.