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Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 15. Mai 1915.

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[Spaltenumbruch] Leben des einfachen Mannes mit liebevollem Eingehen. Auch in
den beschwerlichen Dienst einzelner Truppengattungen werden wir
näher eingeweiht und dürfen einen Blick tun in das geschäftige
Treiben hinter der kämpfenden Front. Es wird -- dessen sind wir
gewiß -- dem Buch die weitestgehende Beachtung nicht fehlen.
Derartige gehaltvolle, von treuer Vaterlandsliebe und echt soldati-
schem Geist getragene Schriften, deren billiger Preis auch dem
Minderbemittelten die Anschaffung ermöglicht, entsprechen dem
Ernst unserer Zeit und sollten deshalb die größte Verbreitung
finden.

Von unseren Hochschulen

Heute ist der berühmte Historiker, Ge-
heimrat und Professor an der Universität Karl Lamprecht
nach kurzer schwerer Erkrankung im Krankenhaus St. Georg im
Alter von 59 Jahren gestorben. Lamprecht wurde geboren am
25. Februar 1856 in Jessen bei Wittenberg, studierte in Göttingen,
Leipzig und München Geschichte und Rechtswissenschaft, habilitierte
sich 1882 in Bonn und wurde 1885 außerordentlicher Professor.
1890 als ordentlicher Professor der Geschichte nach Marburg be-
rufen, siedelte er schon 1891 in gleicher Eigenschaft nach Leipzig
über. Als Schriftsteller und Lehrer hat Lamprecht durchaus neue
Bahnen eingeschlagen, die deutsche Geschichtschreibung nach Inhalt
und Methode vertieft und sich dadurch die heftige Gegnerschaft der
Anhänger der älteren Richtung zugezogen. Die "Initialornamentik
des 8. bis 13. Jahrhunderts" erbringt den Nachweis, daß jede
Ornamentik eine rohe Nachahmung der Natur und nicht ein Spiel
mit mathematischen Elementen darstellt. Das "Deutsche Wirtschafts-
leben im Mittelalter" erforscht die ländlichen Zustände des
Moselländes derartig, daß neben den wirtschaftlichen auch die
sozialen, rechtlichen und politischen Entwicklungslinien in ihren
gemeinsamen Zusammenhängen und gegenseitigen Beeinflussungen
festgelegt werden. Sein Hauptwerk, die "Deutsche Geschichte", be-
rücksichtigt sämtliche Zweige der nationalen Entwicklung, die
geistigen und die materiell-politischen, gleichmäßig und gewinnt
dadurch eine neue Periodenteilung, nämlich die Zeitalter symboli-
schen, typischen, konventionellen, individuellen und subjektiven
Geisteslebens. Eine Reihe kleinerer methodologischer Schriften und
Aufsätze legt dar, daß die bisherige Geschichtschreibung, soweit sie
politische Geschichte und Verfassungsgeschichte darstellt, nur die
oberflächlichen und äußerlichen Elemente der Entwicklung ins
Auge gefaßt hat, während ihr die tieferen Vorgänge und die Ent-
wicklung der Volksseele verborgen geblieben sind. Lamprecht war
Mitbegründer der "Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und
Kunst", von ihm ist die Idee der Gründung einer "Gesellschaft
für Rheinische Geschichtskunde", die mit dem Sitz in Köln seit 1881
besteht, ausgegangen, und er hat auch 1896 zu dem Zustande-
kommen der "Königlich Sächsischen Kommission für Geschichte",
deren geschäftsführendes Mitglied er war, wesentlich beigetragen.
Seit 1894 leitete Lamprecht das von Heeren und Ukert begründete
Sammelwerk "Geschichte der europäischen Staaten" (Gotha, F. A.
Perthes), das er 1901 in eine "Allgemeine Staatengeschichte" um-
wandelte, bestehend aus drei Abteilungen: Europäische Staaten,
Außereuropäische Staaten und Deutsche Landesgeschichten, letztere
unter Redaktion von Arnim Tille.

Handel und Industrie
Schutz der deutschen Auslandsforderungen.

In dankenswerter Weise hat sich endlich die Reichsregierung
zu dieser das deutsche Geschäftsleben seit Beginn des Krieges be-
wegenden Frage geäußert. Die von ihr aufgestellten Richtlinien
zeigen den von Kriegsschäden betroffenen Kreisen, wofür sie Ersatz
zu erhoffen und an welche Stellen sie sich zu wenden haben. Da-
mit werden unkontrollierbare Bestrebungen privater Art, wie sie
infolge der über die Absichten und Maßnahmen der Regierung be-
stehenden Unsicherheit in letzter Zeit verschiedentlich in die Erschei-
nung getreten waren, beseitigt. Die von der Reichsregierung ge-
schaffenen zentralen Anmeldestellen werden einen Ueberblick ermög-
lichen über die Höhe derjenigen Schäden, für die ein Ersatz durch
die feindlichen Mächte bei Friedensschluß zu fordern sein wird.

Scharf trennt die Kundgebung der Reichsregierung von dem
Ersatz der Kriegsschäden die Fürsorge für die Verluste
an deutschen Privatforderungen im feindlichen
Auslande
und lehnt die zahlreichen Vorschläge, die einen so-
fortigen Ausgleich der deutschen Forderungen und der deutschen
Schulden anstreben und die deutschen Forderungen an das Ausland
in einfachster Weise noch während des Krieges ganz oder teilweise
aus den Schulden anderer deutscher Kreise an das Ausland decken

[Spaltenumbruch]

wollen, ab. Nach den Ausführungen in der "Denkschrift über die
wirtschaftlichen Maßnahmen" an den Reichstag konnte eine andere
Entscheidung der Reichsregierung kaum erwartet werden. Ein der-
artig weitgehender Eingriff in die privaten Rechte einzelner würde
einstweilen nicht zu rechtfertigen sein; auch die Mitteilungen über
ähnliche Maßnahmen der feindlichen Mächte haben sich bei genauer
Nachprüfung als übertrieben oder entstellt erwiesen.

Wenn aber auch die Kundgebung der Regierung die deutschen
Auslandforderungen von den Kriegsschäden scharf trennt, so erklärt
sie doch, daß "bei den Friedensverhandlungen darauf Bedacht ge-
nommen werden wird, diese Forderungen mit allen ihren Rechts-
behelfen grundsätzlich wiederherzustellen". Damit erkennt sie grund-
sätzlich die Notwendigkeit an, daß beim Friedensschluß auch die
Frage der privaten Auslandforderungen erörtert und geregelt wird
und daß sie bereit ist, für deren Schutz einzutreten.

Die Formel, daß diese Forderungen "mit allen ihren Rechts-
behelfen grundsätzlich wieder herzustellen" sind, kann allerdings nicht
befriedigen; sie strebt zwar theoretisch die Wiederherstellung des Zu-
standes vor dem Kriege an, aber sie wird nach den Erfahrungen,
welche Handel und Industrie bereits in Friedenszeiten mit ihren
"Rechtsbehelfen" vielfach vor ausländischen Gerichten gemacht haben,
praktisch noch keinen genügenden Schutz der deutschen Ausland-
interessen darstellen. Es darf nicht vergessen werden, daß der aus-
ländische Gläubiger auf Grund seiner Beweismittel vor den deut-
schen Gerichten schnell, sicher und mit geringen Kosten zu seinem
Rechte kommt, daß dagegen bereits in Friedenszeiten der deutsche
Gläubiger bei Beschreitung des Rechtsweges im Auslande über
schleppende Gerichtsbarkeit, unsichere Rechtsprechung und unver-
hältnismäßig hohe Kosten des Rechtsverfahrens begründete Klagen
führen mußte. Dieser Zustand dürfte nach dem Kriege jedenfalls
nicht besser, eher in einem den feindlichen Schuldner begünstigenden
Sinne verschlechtert werden; das aber bedeutet für zahllose an sich
gesunde Einzelglieder des deutschen Wirtschaftslebens die Gefahr
schwerer Schädigungen, wenn nicht gar des wirtschaftlichen Ruins.
Trotz militärischen und politischen Sieges würde daher der von

[irrelevantes Material]

15. Mai 1915. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] Leben des einfachen Mannes mit liebevollem Eingehen. Auch in
den beſchwerlichen Dienſt einzelner Truppengattungen werden wir
näher eingeweiht und dürfen einen Blick tun in das geſchäftige
Treiben hinter der kämpfenden Front. Es wird — deſſen ſind wir
gewiß — dem Buch die weiteſtgehende Beachtung nicht fehlen.
Derartige gehaltvolle, von treuer Vaterlandsliebe und echt ſoldati-
ſchem Geiſt getragene Schriften, deren billiger Preis auch dem
Minderbemittelten die Anſchaffung ermöglicht, entſprechen dem
Ernſt unſerer Zeit und ſollten deshalb die größte Verbreitung
finden.

Von unſeren Hochſchulen

Heute iſt der berühmte Hiſtoriker, Ge-
heimrat und Profeſſor an der Univerſität Karl Lamprecht
nach kurzer ſchwerer Erkrankung im Krankenhaus St. Georg im
Alter von 59 Jahren geſtorben. Lamprecht wurde geboren am
25. Februar 1856 in Jeſſen bei Wittenberg, ſtudierte in Göttingen,
Leipzig und München Geſchichte und Rechtswiſſenſchaft, habilitierte
ſich 1882 in Bonn und wurde 1885 außerordentlicher Profeſſor.
1890 als ordentlicher Profeſſor der Geſchichte nach Marburg be-
rufen, ſiedelte er ſchon 1891 in gleicher Eigenſchaft nach Leipzig
über. Als Schriftſteller und Lehrer hat Lamprecht durchaus neue
Bahnen eingeſchlagen, die deutſche Geſchichtſchreibung nach Inhalt
und Methode vertieft und ſich dadurch die heftige Gegnerſchaft der
Anhänger der älteren Richtung zugezogen. Die „Initialornamentik
des 8. bis 13. Jahrhunderts“ erbringt den Nachweis, daß jede
Ornamentik eine rohe Nachahmung der Natur und nicht ein Spiel
mit mathematiſchen Elementen darſtellt. Das „Deutſche Wirtſchafts-
leben im Mittelalter“ erforſcht die ländlichen Zuſtände des
Moſelländes derartig, daß neben den wirtſchaftlichen auch die
ſozialen, rechtlichen und politiſchen Entwicklungslinien in ihren
gemeinſamen Zuſammenhängen und gegenſeitigen Beeinfluſſungen
feſtgelegt werden. Sein Hauptwerk, die „Deutſche Geſchichte“, be-
rückſichtigt ſämtliche Zweige der nationalen Entwicklung, die
geiſtigen und die materiell-politiſchen, gleichmäßig und gewinnt
dadurch eine neue Periodenteilung, nämlich die Zeitalter ſymboli-
ſchen, typiſchen, konventionellen, individuellen und ſubjektiven
Geiſteslebens. Eine Reihe kleinerer methodologiſcher Schriften und
Aufſätze legt dar, daß die bisherige Geſchichtſchreibung, ſoweit ſie
politiſche Geſchichte und Verfaſſungsgeſchichte darſtellt, nur die
oberflächlichen und äußerlichen Elemente der Entwicklung ins
Auge gefaßt hat, während ihr die tieferen Vorgänge und die Ent-
wicklung der Volksſeele verborgen geblieben ſind. Lamprecht war
Mitbegründer der „Weſtdeutſchen Zeitſchrift für Geſchichte und
Kunſt“, von ihm iſt die Idee der Gründung einer „Geſellſchaft
für Rheiniſche Geſchichtskunde“, die mit dem Sitz in Köln ſeit 1881
beſteht, ausgegangen, und er hat auch 1896 zu dem Zuſtande-
kommen der „Königlich Sächſiſchen Kommiſſion für Geſchichte“,
deren geſchäftsführendes Mitglied er war, weſentlich beigetragen.
Seit 1894 leitete Lamprecht das von Heeren und Ukert begründete
Sammelwerk „Geſchichte der europäiſchen Staaten“ (Gotha, F. A.
Perthes), das er 1901 in eine „Allgemeine Staatengeſchichte“ um-
wandelte, beſtehend aus drei Abteilungen: Europäiſche Staaten,
Außereuropäiſche Staaten und Deutſche Landesgeſchichten, letztere
unter Redaktion von Arnim Tille.

Handel und Industrie
Schutz der deutſchen Auslandsforderungen.

In dankenswerter Weiſe hat ſich endlich die Reichsregierung
zu dieſer das deutſche Geſchäftsleben ſeit Beginn des Krieges be-
wegenden Frage geäußert. Die von ihr aufgeſtellten Richtlinien
zeigen den von Kriegsſchäden betroffenen Kreiſen, wofür ſie Erſatz
zu erhoffen und an welche Stellen ſie ſich zu wenden haben. Da-
mit werden unkontrollierbare Beſtrebungen privater Art, wie ſie
infolge der über die Abſichten und Maßnahmen der Regierung be-
ſtehenden Unſicherheit in letzter Zeit verſchiedentlich in die Erſchei-
nung getreten waren, beſeitigt. Die von der Reichsregierung ge-
ſchaffenen zentralen Anmeldeſtellen werden einen Ueberblick ermög-
lichen über die Höhe derjenigen Schäden, für die ein Erſatz durch
die feindlichen Mächte bei Friedensſchluß zu fordern ſein wird.

Scharf trennt die Kundgebung der Reichsregierung von dem
Erſatz der Kriegsſchäden die Fürſorge für die Verluſte
an deutſchen Privatforderungen im feindlichen
Auslande
und lehnt die zahlreichen Vorſchläge, die einen ſo-
fortigen Ausgleich der deutſchen Forderungen und der deutſchen
Schulden anſtreben und die deutſchen Forderungen an das Ausland
in einfachſter Weiſe noch während des Krieges ganz oder teilweiſe
aus den Schulden anderer deutſcher Kreiſe an das Ausland decken

[Spaltenumbruch]

wollen, ab. Nach den Ausführungen in der „Denkſchrift über die
wirtſchaftlichen Maßnahmen“ an den Reichstag konnte eine andere
Entſcheidung der Reichsregierung kaum erwartet werden. Ein der-
artig weitgehender Eingriff in die privaten Rechte einzelner würde
einſtweilen nicht zu rechtfertigen ſein; auch die Mitteilungen über
ähnliche Maßnahmen der feindlichen Mächte haben ſich bei genauer
Nachprüfung als übertrieben oder entſtellt erwieſen.

Wenn aber auch die Kundgebung der Regierung die deutſchen
Auslandforderungen von den Kriegsſchäden ſcharf trennt, ſo erklärt
ſie doch, daß „bei den Friedensverhandlungen darauf Bedacht ge-
nommen werden wird, dieſe Forderungen mit allen ihren Rechts-
behelfen grundſätzlich wiederherzuſtellen“. Damit erkennt ſie grund-
ſätzlich die Notwendigkeit an, daß beim Friedensſchluß auch die
Frage der privaten Auslandforderungen erörtert und geregelt wird
und daß ſie bereit iſt, für deren Schutz einzutreten.

Die Formel, daß dieſe Forderungen „mit allen ihren Rechts-
behelfen grundſätzlich wieder herzuſtellen“ ſind, kann allerdings nicht
befriedigen; ſie ſtrebt zwar theoretiſch die Wiederherſtellung des Zu-
ſtandes vor dem Kriege an, aber ſie wird nach den Erfahrungen,
welche Handel und Induſtrie bereits in Friedenszeiten mit ihren
„Rechtsbehelfen“ vielfach vor ausländiſchen Gerichten gemacht haben,
praktiſch noch keinen genügenden Schutz der deutſchen Ausland-
intereſſen darſtellen. Es darf nicht vergeſſen werden, daß der aus-
ländiſche Gläubiger auf Grund ſeiner Beweismittel vor den deut-
ſchen Gerichten ſchnell, ſicher und mit geringen Koſten zu ſeinem
Rechte kommt, daß dagegen bereits in Friedenszeiten der deutſche
Gläubiger bei Beſchreitung des Rechtsweges im Auslande über
ſchleppende Gerichtsbarkeit, unſichere Rechtſprechung und unver-
hältnismäßig hohe Koſten des Rechtsverfahrens begründete Klagen
führen mußte. Dieſer Zuſtand dürfte nach dem Kriege jedenfalls
nicht beſſer, eher in einem den feindlichen Schuldner begünſtigenden
Sinne verſchlechtert werden; das aber bedeutet für zahlloſe an ſich
geſunde Einzelglieder des deutſchen Wirtſchaftslebens die Gefahr
ſchwerer Schädigungen, wenn nicht gar des wirtſchaftlichen Ruins.
Trotz militäriſchen und politiſchen Sieges würde daher der von

[irrelevantes Material]
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[299/0013] 15. Mai 1915. Allgemeine Zeitung Leben des einfachen Mannes mit liebevollem Eingehen. Auch in den beſchwerlichen Dienſt einzelner Truppengattungen werden wir näher eingeweiht und dürfen einen Blick tun in das geſchäftige Treiben hinter der kämpfenden Front. Es wird — deſſen ſind wir gewiß — dem Buch die weiteſtgehende Beachtung nicht fehlen. Derartige gehaltvolle, von treuer Vaterlandsliebe und echt ſoldati- ſchem Geiſt getragene Schriften, deren billiger Preis auch dem Minderbemittelten die Anſchaffung ermöglicht, entſprechen dem Ernſt unſerer Zeit und ſollten deshalb die größte Verbreitung finden. Von unſeren Hochſchulen Leipzig, 11. Mai. Heute iſt der berühmte Hiſtoriker, Ge- heimrat und Profeſſor an der Univerſität Karl Lamprecht nach kurzer ſchwerer Erkrankung im Krankenhaus St. Georg im Alter von 59 Jahren geſtorben. Lamprecht wurde geboren am 25. Februar 1856 in Jeſſen bei Wittenberg, ſtudierte in Göttingen, Leipzig und München Geſchichte und Rechtswiſſenſchaft, habilitierte ſich 1882 in Bonn und wurde 1885 außerordentlicher Profeſſor. 1890 als ordentlicher Profeſſor der Geſchichte nach Marburg be- rufen, ſiedelte er ſchon 1891 in gleicher Eigenſchaft nach Leipzig über. Als Schriftſteller und Lehrer hat Lamprecht durchaus neue Bahnen eingeſchlagen, die deutſche Geſchichtſchreibung nach Inhalt und Methode vertieft und ſich dadurch die heftige Gegnerſchaft der Anhänger der älteren Richtung zugezogen. Die „Initialornamentik des 8. bis 13. Jahrhunderts“ erbringt den Nachweis, daß jede Ornamentik eine rohe Nachahmung der Natur und nicht ein Spiel mit mathematiſchen Elementen darſtellt. Das „Deutſche Wirtſchafts- leben im Mittelalter“ erforſcht die ländlichen Zuſtände des Moſelländes derartig, daß neben den wirtſchaftlichen auch die ſozialen, rechtlichen und politiſchen Entwicklungslinien in ihren gemeinſamen Zuſammenhängen und gegenſeitigen Beeinfluſſungen feſtgelegt werden. Sein Hauptwerk, die „Deutſche Geſchichte“, be- rückſichtigt ſämtliche Zweige der nationalen Entwicklung, die geiſtigen und die materiell-politiſchen, gleichmäßig und gewinnt dadurch eine neue Periodenteilung, nämlich die Zeitalter ſymboli- ſchen, typiſchen, konventionellen, individuellen und ſubjektiven Geiſteslebens. Eine Reihe kleinerer methodologiſcher Schriften und Aufſätze legt dar, daß die bisherige Geſchichtſchreibung, ſoweit ſie politiſche Geſchichte und Verfaſſungsgeſchichte darſtellt, nur die oberflächlichen und äußerlichen Elemente der Entwicklung ins Auge gefaßt hat, während ihr die tieferen Vorgänge und die Ent- wicklung der Volksſeele verborgen geblieben ſind. Lamprecht war Mitbegründer der „Weſtdeutſchen Zeitſchrift für Geſchichte und Kunſt“, von ihm iſt die Idee der Gründung einer „Geſellſchaft für Rheiniſche Geſchichtskunde“, die mit dem Sitz in Köln ſeit 1881 beſteht, ausgegangen, und er hat auch 1896 zu dem Zuſtande- kommen der „Königlich Sächſiſchen Kommiſſion für Geſchichte“, deren geſchäftsführendes Mitglied er war, weſentlich beigetragen. Seit 1894 leitete Lamprecht das von Heeren und Ukert begründete Sammelwerk „Geſchichte der europäiſchen Staaten“ (Gotha, F. A. Perthes), das er 1901 in eine „Allgemeine Staatengeſchichte“ um- wandelte, beſtehend aus drei Abteilungen: Europäiſche Staaten, Außereuropäiſche Staaten und Deutſche Landesgeſchichten, letztere unter Redaktion von Arnim Tille. Handel und Industrie Schutz der deutſchen Auslandsforderungen. In dankenswerter Weiſe hat ſich endlich die Reichsregierung zu dieſer das deutſche Geſchäftsleben ſeit Beginn des Krieges be- wegenden Frage geäußert. Die von ihr aufgeſtellten Richtlinien zeigen den von Kriegsſchäden betroffenen Kreiſen, wofür ſie Erſatz zu erhoffen und an welche Stellen ſie ſich zu wenden haben. Da- mit werden unkontrollierbare Beſtrebungen privater Art, wie ſie infolge der über die Abſichten und Maßnahmen der Regierung be- ſtehenden Unſicherheit in letzter Zeit verſchiedentlich in die Erſchei- nung getreten waren, beſeitigt. Die von der Reichsregierung ge- ſchaffenen zentralen Anmeldeſtellen werden einen Ueberblick ermög- lichen über die Höhe derjenigen Schäden, für die ein Erſatz durch die feindlichen Mächte bei Friedensſchluß zu fordern ſein wird. Scharf trennt die Kundgebung der Reichsregierung von dem Erſatz der Kriegsſchäden die Fürſorge für die Verluſte an deutſchen Privatforderungen im feindlichen Auslande und lehnt die zahlreichen Vorſchläge, die einen ſo- fortigen Ausgleich der deutſchen Forderungen und der deutſchen Schulden anſtreben und die deutſchen Forderungen an das Ausland in einfachſter Weiſe noch während des Krieges ganz oder teilweiſe aus den Schulden anderer deutſcher Kreiſe an das Ausland decken wollen, ab. Nach den Ausführungen in der „Denkſchrift über die wirtſchaftlichen Maßnahmen“ an den Reichstag konnte eine andere Entſcheidung der Reichsregierung kaum erwartet werden. Ein der- artig weitgehender Eingriff in die privaten Rechte einzelner würde einſtweilen nicht zu rechtfertigen ſein; auch die Mitteilungen über ähnliche Maßnahmen der feindlichen Mächte haben ſich bei genauer Nachprüfung als übertrieben oder entſtellt erwieſen. Wenn aber auch die Kundgebung der Regierung die deutſchen Auslandforderungen von den Kriegsſchäden ſcharf trennt, ſo erklärt ſie doch, daß „bei den Friedensverhandlungen darauf Bedacht ge- nommen werden wird, dieſe Forderungen mit allen ihren Rechts- behelfen grundſätzlich wiederherzuſtellen“. Damit erkennt ſie grund- ſätzlich die Notwendigkeit an, daß beim Friedensſchluß auch die Frage der privaten Auslandforderungen erörtert und geregelt wird und daß ſie bereit iſt, für deren Schutz einzutreten. Die Formel, daß dieſe Forderungen „mit allen ihren Rechts- behelfen grundſätzlich wieder herzuſtellen“ ſind, kann allerdings nicht befriedigen; ſie ſtrebt zwar theoretiſch die Wiederherſtellung des Zu- ſtandes vor dem Kriege an, aber ſie wird nach den Erfahrungen, welche Handel und Induſtrie bereits in Friedenszeiten mit ihren „Rechtsbehelfen“ vielfach vor ausländiſchen Gerichten gemacht haben, praktiſch noch keinen genügenden Schutz der deutſchen Ausland- intereſſen darſtellen. Es darf nicht vergeſſen werden, daß der aus- ländiſche Gläubiger auf Grund ſeiner Beweismittel vor den deut- ſchen Gerichten ſchnell, ſicher und mit geringen Koſten zu ſeinem Rechte kommt, daß dagegen bereits in Friedenszeiten der deutſche Gläubiger bei Beſchreitung des Rechtsweges im Auslande über ſchleppende Gerichtsbarkeit, unſichere Rechtſprechung und unver- hältnismäßig hohe Koſten des Rechtsverfahrens begründete Klagen führen mußte. Dieſer Zuſtand dürfte nach dem Kriege jedenfalls nicht beſſer, eher in einem den feindlichen Schuldner begünſtigenden Sinne verſchlechtert werden; das aber bedeutet für zahlloſe an ſich geſunde Einzelglieder des deutſchen Wirtſchaftslebens die Gefahr ſchwerer Schädigungen, wenn nicht gar des wirtſchaftlichen Ruins. Trotz militäriſchen und politiſchen Sieges würde daher der von _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-24T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 15. Mai 1915, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine20_1915/13>, abgerufen am 23.11.2024.