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Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 15. Mai 1915.

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Allgemeine Zeitung 15. Mai 1915.
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schaft, der Industrie und des Handels unterzeichnet ist, auf, Bei-
träge und Anmeldungen zur Mitgliedschaft (Geschäftsstelle Linden-
straße 1, am Belle-Alliance-Platz) einzusenden.

Das neue, zweite Kriegssemester hat begonnen. "Der die
Sonne lenket am Himmelszelt, der ist's, der unsere Fahne hält",
so sangen die Studenten in dem schönen Liede "Frei ist der Bursch",
als sie hinauszogen, um für das Vaterland zu kämpfen. Sie sind
sich klar, daß nur der Allerhöchste es weiß, ob Krieg oder Friede
dies Kriegssemester beendet. Aber des sind sie gewiß, ob Krieg
oder Frieden: der Deutsche Bursch, und mit ihm alle Volksgenossen
im Felde sollen wissen, daß unsere Gedanken immer bei ihnen an
der Front weilen und daß die Heimat bestrebt ist, die Dankesschuld,
wenn überhaupt, dann in glänzender Weise abzutragen. Vor allem
werden unsere Hochschulen den müden Kämpfern ihre Türen weit
öffnen, damit sie ihren Durst stillen können an dem Lebensquell
deutscher Wissenschaft. Sie sollen nicht fühlen, daß sie Invalide
sind, sie sollen in der heiligen Begeisterung für deutsche Wissenschaft
sich als vollkommen gleichwertige Glieder der Alma mater betrach-
ten. Jhre Sorge sei unsere Sorge und Treue um Treue!

"Wir wollen immer Treue halten des Kanzlers schlichtem Helden-
wort,
Der selber stand vor Sturmgewalten, so fest wie unser Eichen Hort.
Ob donnergleich die Stürme toben, das deutsche Herz bleibt mut-
geschwellt:
Wir Deutschen fürchten Gott da droben, sonst aber nichts auf dieser
Welt!"
Theater und Musik
Yorza Savits +.

Drei Tage vor seinem 68. Geburtstag ist Jocza Savits,
der ehemalige Oberregisseur unseres kgl. Schauspiels
und anhaltische Professor, einem tückischen langjährigen
Leiden erlegen, das während der langen Krankheit und
durch den Tod seiner Frau, der ehemaligen Weimarschen
Tragödin Luise Savits, an der er mit allen Fasern seines
Herzens hing, sich schnell verschlechtert hatte. Auch der Krieg,
von dem er sich keine gute Rückwirkung auf das Theater
und seine Kunst erwartete, hat auf sein Befinden ungünstig
eingewirkt. Mit Savits verschwindet die bedeutendste
dramaturgische Persönlichkeit aus unserer Stadt. Die Allge-
meine Zeitung hat sein Wirken durch all die Jahre und
Jahrzehnte, die er an unserer Hofbühne tätig war, wie sich
unsere Leser wohl erinnern, mit dem wärmsten Interesse
begleitet und später auch die Bedeutung seiner literarischen
Tätigkeit vollauf gewürdigt. Vom ersten Augenblick an, als
seine mit Perfall zusammen geschaffene Shakespeare-Bühne
ins Leben trat, haben wir, allen Gegnern zum Trotz, bis
auf diese Stunde den gesunden Gedanken dieser verein-
fachten Szene hochgehalten und verteidigt. Shakespeare, dem
größten Dramatiker, und seiner Bühne galten auch Savits'
letzte Gedanken, letzte Studien und Arbeiten. Er hat ein
Werk über ihn hinterlassen, das wohl erst nach dem Kriege
herauskommen wird, dessen Korrekturen er aber noch auf
seinem Krankenbett gelesen hat.

Sein Leben hat Savits selbst geschildert in dem "Großen
Biographischen Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahr-
hundert", das sein bald darauf verstorbener Freund Ludwig
Eisenberg 1903 bei Paul List in Leipzig herausgab:

Jocza Savits war geboren am 10. Mai 1847 in Torök-
Becse (Ungarn) als Sohn eines Kaufmannes. 1854 über-
siedelte sein Vater nach Wien, und dort wurde Jocza in
die Realschule zu St. Johann geschickt, da er nach Wunsch der
Eltern Architekt werden sollte. Kaufmännisches Mißgeschick
hinderte seinen Vater jedoch, ihn die Studien fortsetzen zu
lassen, und so wurde er in ein großes Geschäftshaus gegeben,
um in das Getriebe des Handels eingeführt zu werden;
allein er spürte gar keine Bestimmung zum Kaufmann, son-
dern verschaffte sich durch Stundengeben die Mittel, um, seiner
dringenden Neigung folgend, beim Schauspieler Conradi,
von Lewinsky empfohlen, schauspielkünstlerischen Unterricht
nehmen zu können. Am 30. April 1865 veranstalteten die

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Universitätshörer zugunsten der akademischen Lesehalle eine
Räuber-Vorstellung (mit Magda Irschik als Amalie), er
sollte den Kosinsky spielen, weil Mangel an Talent unter
den Studenten fühlbar war. Der Darsteller des Karl Moor
jedoch erschien auf den Proben so unzulänglich, daß man
S. diese wichtige Rolle anvertraute. Sonnenthal, der der
Aufführung beiwohnte, nahm sich des jungen Mannes
liebevoll an, ließ ihn öfters zu sich kommen und nahm mit
ihm so lange Rollen durch, bis dieser sein erstes Engagement
in Basel erhielt (Antrittsrolle: Karl Moll in Il baccio am
4. Oktober 1865). Von dort kam der junge Künstler nach
St. Gallen und schloß während der Tätigkeit an dieser Bühne
an das Stadttheater nach Augsburg ab, bewarb sich
jedoch gleichzeitig um ein Engagement am Münchener Hof-
theater. Er gastierte in München am 27. April 1866 als
Eduard in "Die junge Pate", gefiel und sollte auch für diese
Hofbühne verpflichtet werden, doch da ihn der Augsburger
Direktor nicht freigab, blieb nichts anderes übrig, als das
Engagement in Augsburg anzutreten. Vorher jedoch
absolvierte er vom 2. August bis 9. September ein Gastspiel
am Gärtnerplatztheater (erste Rolle: Reinhold in Bade-
kuren) und trat am 14. September 1866 als Clavigo sein
Engagement in Augsburg an. Dort sah ihn Dingelstedt am
8. November als Masham im "Glas Wasser", am 10. No-
vember als Wilhelm Tell und engagierte ihn für das Hof-
theater in Weimar. Dingelstedt schätzte S. sehr hoch und
versprach ihm größtmögliche Förderung. Er hat Wort ge-
halten. Denn als er 1867 als Direktor der Hofoper nach
Wien berufen wurde, empfahl er seinen Schützling sofort
dem Freiherrn von Münch-Bellinghausen (Friedrich Halm)
zum Engagement ans Burgtheater. Nach kaum zwei-
jähriger Mitgliedschaft schied er jedoch wieder aus dem
Verbande der Hofbühne, weil er in jugendlicher Unge-
duld eine bessere Beschäftigung nicht erwarten konnte und
weil ihm von Weimar, wo er noch im besten Andenken stand,
im Namen des Großherzogs ein sehr gutes Angebot zum
Wiedereintritt gemacht wurde.

Ueber sein Wirken in Weimar entnehme ich einer
interessanten von Martin Greif verfaßten Lebensschilderung
des Künstlers:

"Im Lustspiel, Schauspiel und Trauerspiel
gleich verwendbar, bot er durch seine hinreißende Darstellung
als junger Held, durch sein temperamentvolles und lebens-
wahres Spiel als ernster, wie auch durch seinen sprudelnden
Witz und seine unerschöpfliche Laune als komischer Liebhaber
stets hervorragende Leistungen dar, was auch von der
dortigen Kritik bald einstimmig anerkannt wurde. Nament-
lich in den Schöpfungen unserer großen Dichter und denen
Shakespeares war er Träger oft der wichtigsten Rollen: er
spielte u. a. den Don Carlos, Mortimer, Don Cäsar, den
Melchthal, Ferdinand in Kabale und Liebe, Egmont,
Clavigo, Prinz Heinz in Heinrich V., Richard II. voll Geist
und Empfindung, doch auch als Karl Sittig in Bürgerlich
und romantisch und überhaupt in den humoristischen wie
ernsten Rollen der bürgerlichen Komödie und des neuen
Konversationsstückes war er ein vornehmer, unterhaltender
und gerngesehener Darsteller. 1875 wurde ihm das Amt als
Regisseur übertragen, zu dem ihn seine gründliche Bildung,
seine genaue Kenntnis sämtlicher Kultursprachen, sein aus-
gebildeter, sicherer Geschmack, sein geläuterter Kunstsinn, sein
unbestechliches Urteil und seine begeisterte Liebe zur Kunst
in hohem Maße befähigten, und er entfaltete auch in diesem
schwierigen Berufe den gleichen Eifer und hingebungsvollen
Fleiß, wie als rein darstellender Künstler. Sein Wissen zu
erweitern, seine Bildung zu vertiefen und sich dabei künstle-
risch immer tüchtiger selbst heranzuziehen, war, wie ihm
von berufener Seite im feierlichen Augenblick seines Ab-
schiedes von dieser Bühne bezeugt wurde, ihm zum unent-
behrlichen Bedürfnisse geworden und machte jederzeit sein
ganzes Trachten aus. Dem Studium der neuhochdeutschen
Sprache und aller sonstigen Wissenszweige, die zur dar-
stellenden Kunst in näherer Beziehung stehen, lag er eben-
falls mit seltener Beharrlichkeit ob und nahm bei der ihm
nur karg zugemessenen Muße freiwillig, um dieser Aufgabe
zu genügen, die größten Anstrengungen auf sich. Die Nähe
Jenas mit seinen reichen Bildungsanstalten und seinen
mannigfaltigen geistigen Anstrengungen kam dabei seinem

Allgemeine Zeitung 15. Mai 1915.
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ſchaft, der Induſtrie und des Handels unterzeichnet iſt, auf, Bei-
träge und Anmeldungen zur Mitgliedſchaft (Geſchäftsſtelle Linden-
ſtraße 1, am Belle-Alliance-Platz) einzuſenden.

Das neue, zweite Kriegsſemeſter hat begonnen. „Der die
Sonne lenket am Himmelszelt, der iſt’s, der unſere Fahne hält“,
ſo ſangen die Studenten in dem ſchönen Liede „Frei iſt der Burſch“,
als ſie hinauszogen, um für das Vaterland zu kämpfen. Sie ſind
ſich klar, daß nur der Allerhöchſte es weiß, ob Krieg oder Friede
dies Kriegsſemeſter beendet. Aber des ſind ſie gewiß, ob Krieg
oder Frieden: der Deutſche Burſch, und mit ihm alle Volksgenoſſen
im Felde ſollen wiſſen, daß unſere Gedanken immer bei ihnen an
der Front weilen und daß die Heimat beſtrebt iſt, die Dankesſchuld,
wenn überhaupt, dann in glänzender Weiſe abzutragen. Vor allem
werden unſere Hochſchulen den müden Kämpfern ihre Türen weit
öffnen, damit ſie ihren Durſt ſtillen können an dem Lebensquell
deutſcher Wiſſenſchaft. Sie ſollen nicht fühlen, daß ſie Invalide
ſind, ſie ſollen in der heiligen Begeiſterung für deutſche Wiſſenſchaft
ſich als vollkommen gleichwertige Glieder der Alma mater betrach-
ten. Jhre Sorge ſei unſere Sorge und Treue um Treue!

„Wir wollen immer Treue halten des Kanzlers ſchlichtem Helden-
wort,
Der ſelber ſtand vor Sturmgewalten, ſo feſt wie unſer Eichen Hort.
Ob donnergleich die Stürme toben, das deutſche Herz bleibt mut-
geſchwellt:
Wir Deutſchen fürchten Gott da droben, ſonſt aber nichts auf dieſer
Welt!“
Theater und Musik
Yorza Savits †.

Drei Tage vor ſeinem 68. Geburtstag iſt Jocza Savits,
der ehemalige Oberregiſſeur unſeres kgl. Schauſpiels
und anhaltiſche Profeſſor, einem tückiſchen langjährigen
Leiden erlegen, das während der langen Krankheit und
durch den Tod ſeiner Frau, der ehemaligen Weimarſchen
Tragödin Luiſe Savits, an der er mit allen Faſern ſeines
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von dem er ſich keine gute Rückwirkung auf das Theater
und ſeine Kunſt erwartete, hat auf ſein Befinden ungünſtig
eingewirkt. Mit Savits verſchwindet die bedeutendſte
dramaturgiſche Perſönlichkeit aus unſerer Stadt. Die Allge-
meine Zeitung hat ſein Wirken durch all die Jahre und
Jahrzehnte, die er an unſerer Hofbühne tätig war, wie ſich
unſere Leſer wohl erinnern, mit dem wärmſten Intereſſe
begleitet und ſpäter auch die Bedeutung ſeiner literariſchen
Tätigkeit vollauf gewürdigt. Vom erſten Augenblick an, als
ſeine mit Perfall zuſammen geſchaffene Shakeſpeare-Bühne
ins Leben trat, haben wir, allen Gegnern zum Trotz, bis
auf dieſe Stunde den geſunden Gedanken dieſer verein-
fachten Szene hochgehalten und verteidigt. Shakeſpeare, dem
größten Dramatiker, und ſeiner Bühne galten auch Savits’
letzte Gedanken, letzte Studien und Arbeiten. Er hat ein
Werk über ihn hinterlaſſen, das wohl erſt nach dem Kriege
herauskommen wird, deſſen Korrekturen er aber noch auf
ſeinem Krankenbett geleſen hat.

Sein Leben hat Savits ſelbſt geſchildert in dem „Großen
Biographiſchen Lexikon der Deutſchen Bühne im XIX. Jahr-
hundert“, das ſein bald darauf verſtorbener Freund Ludwig
Eiſenberg 1903 bei Paul Liſt in Leipzig herausgab:

Jocza Savits war geboren am 10. Mai 1847 in Torök-
Becſe (Ungarn) als Sohn eines Kaufmannes. 1854 über-
ſiedelte ſein Vater nach Wien, und dort wurde Jocza in
die Realſchule zu St. Johann geſchickt, da er nach Wunſch der
Eltern Architekt werden ſollte. Kaufmänniſches Mißgeſchick
hinderte ſeinen Vater jedoch, ihn die Studien fortſetzen zu
laſſen, und ſo wurde er in ein großes Geſchäftshaus gegeben,
um in das Getriebe des Handels eingeführt zu werden;
allein er ſpürte gar keine Beſtimmung zum Kaufmann, ſon-
dern verſchaffte ſich durch Stundengeben die Mittel, um, ſeiner
dringenden Neigung folgend, beim Schauſpieler Conradi,
von Lewinsky empfohlen, ſchauſpielkünſtleriſchen Unterricht
nehmen zu können. Am 30. April 1865 veranſtalteten die

[Spaltenumbruch]

Univerſitätshörer zugunſten der akademiſchen Leſehalle eine
Räuber-Vorſtellung (mit Magda Irſchik als Amalie), er
ſollte den Koſinsky ſpielen, weil Mangel an Talent unter
den Studenten fühlbar war. Der Darſteller des Karl Moor
jedoch erſchien auf den Proben ſo unzulänglich, daß man
S. dieſe wichtige Rolle anvertraute. Sonnenthal, der der
Aufführung beiwohnte, nahm ſich des jungen Mannes
liebevoll an, ließ ihn öfters zu ſich kommen und nahm mit
ihm ſo lange Rollen durch, bis dieſer ſein erſtes Engagement
in Baſel erhielt (Antrittsrolle: Karl Moll in Il baccio am
4. Oktober 1865). Von dort kam der junge Künſtler nach
St. Gallen und ſchloß während der Tätigkeit an dieſer Bühne
an das Stadttheater nach Augsburg ab, bewarb ſich
jedoch gleichzeitig um ein Engagement am Münchener Hof-
theater. Er gaſtierte in München am 27. April 1866 als
Eduard in „Die junge Pate“, gefiel und ſollte auch für dieſe
Hofbühne verpflichtet werden, doch da ihn der Augsburger
Direktor nicht freigab, blieb nichts anderes übrig, als das
Engagement in Augsburg anzutreten. Vorher jedoch
abſolvierte er vom 2. Auguſt bis 9. September ein Gaſtſpiel
am Gärtnerplatztheater (erſte Rolle: Reinhold in Bade-
kuren) und trat am 14. September 1866 als Clavigo ſein
Engagement in Augsburg an. Dort ſah ihn Dingelſtedt am
8. November als Masham im „Glas Waſſer“, am 10. No-
vember als Wilhelm Tell und engagierte ihn für das Hof-
theater in Weimar. Dingelſtedt ſchätzte S. ſehr hoch und
verſprach ihm größtmögliche Förderung. Er hat Wort ge-
halten. Denn als er 1867 als Direktor der Hofoper nach
Wien berufen wurde, empfahl er ſeinen Schützling ſofort
dem Freiherrn von Münch-Bellinghauſen (Friedrich Halm)
zum Engagement ans Burgtheater. Nach kaum zwei-
jähriger Mitgliedſchaft ſchied er jedoch wieder aus dem
Verbande der Hofbühne, weil er in jugendlicher Unge-
duld eine beſſere Beſchäftigung nicht erwarten konnte und
weil ihm von Weimar, wo er noch im beſten Andenken ſtand,
im Namen des Großherzogs ein ſehr gutes Angebot zum
Wiedereintritt gemacht wurde.

Ueber ſein Wirken in Weimar entnehme ich einer
intereſſanten von Martin Greif verfaßten Lebensſchilderung
des Künſtlers:

„Im Luſtſpiel, Schauſpiel und Trauerſpiel
gleich verwendbar, bot er durch ſeine hinreißende Darſtellung
als junger Held, durch ſein temperamentvolles und lebens-
wahres Spiel als ernſter, wie auch durch ſeinen ſprudelnden
Witz und ſeine unerſchöpfliche Laune als komiſcher Liebhaber
ſtets hervorragende Leiſtungen dar, was auch von der
dortigen Kritik bald einſtimmig anerkannt wurde. Nament-
lich in den Schöpfungen unſerer großen Dichter und denen
Shakeſpeares war er Träger oft der wichtigſten Rollen: er
ſpielte u. a. den Don Carlos, Mortimer, Don Cäſar, den
Melchthal, Ferdinand in Kabale und Liebe, Egmont,
Clavigo, Prinz Heinz in Heinrich V., Richard II. voll Geiſt
und Empfindung, doch auch als Karl Sittig in Bürgerlich
und romantiſch und überhaupt in den humoriſtiſchen wie
ernſten Rollen der bürgerlichen Komödie und des neuen
Konverſationsſtückes war er ein vornehmer, unterhaltender
und gerngeſehener Darſteller. 1875 wurde ihm das Amt als
Regiſſeur übertragen, zu dem ihn ſeine gründliche Bildung,
ſeine genaue Kenntnis ſämtlicher Kulturſprachen, ſein aus-
gebildeter, ſicherer Geſchmack, ſein geläuterter Kunſtſinn, ſein
unbeſtechliches Urteil und ſeine begeiſterte Liebe zur Kunſt
in hohem Maße befähigten, und er entfaltete auch in dieſem
ſchwierigen Berufe den gleichen Eifer und hingebungsvollen
Fleiß, wie als rein darſtellender Künſtler. Sein Wiſſen zu
erweitern, ſeine Bildung zu vertiefen und ſich dabei künſtle-
riſch immer tüchtiger ſelbſt heranzuziehen, war, wie ihm
von berufener Seite im feierlichen Augenblick ſeines Ab-
ſchiedes von dieſer Bühne bezeugt wurde, ihm zum unent-
behrlichen Bedürfniſſe geworden und machte jederzeit ſein
ganzes Trachten aus. Dem Studium der neuhochdeutſchen
Sprache und aller ſonſtigen Wiſſenszweige, die zur dar-
ſtellenden Kunſt in näherer Beziehung ſtehen, lag er eben-
falls mit ſeltener Beharrlichkeit ob und nahm bei der ihm
nur karg zugemeſſenen Muße freiwillig, um dieſer Aufgabe
zu genügen, die größten Anſtrengungen auf ſich. Die Nähe
Jenas mit ſeinen reichen Bildungsanſtalten und ſeinen
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[296/0010] Allgemeine Zeitung 15. Mai 1915. ſchaft, der Induſtrie und des Handels unterzeichnet iſt, auf, Bei- träge und Anmeldungen zur Mitgliedſchaft (Geſchäftsſtelle Linden- ſtraße 1, am Belle-Alliance-Platz) einzuſenden. Das neue, zweite Kriegsſemeſter hat begonnen. „Der die Sonne lenket am Himmelszelt, der iſt’s, der unſere Fahne hält“, ſo ſangen die Studenten in dem ſchönen Liede „Frei iſt der Burſch“, als ſie hinauszogen, um für das Vaterland zu kämpfen. Sie ſind ſich klar, daß nur der Allerhöchſte es weiß, ob Krieg oder Friede dies Kriegsſemeſter beendet. Aber des ſind ſie gewiß, ob Krieg oder Frieden: der Deutſche Burſch, und mit ihm alle Volksgenoſſen im Felde ſollen wiſſen, daß unſere Gedanken immer bei ihnen an der Front weilen und daß die Heimat beſtrebt iſt, die Dankesſchuld, wenn überhaupt, dann in glänzender Weiſe abzutragen. Vor allem werden unſere Hochſchulen den müden Kämpfern ihre Türen weit öffnen, damit ſie ihren Durſt ſtillen können an dem Lebensquell deutſcher Wiſſenſchaft. Sie ſollen nicht fühlen, daß ſie Invalide ſind, ſie ſollen in der heiligen Begeiſterung für deutſche Wiſſenſchaft ſich als vollkommen gleichwertige Glieder der Alma mater betrach- ten. Jhre Sorge ſei unſere Sorge und Treue um Treue! „Wir wollen immer Treue halten des Kanzlers ſchlichtem Helden- wort, Der ſelber ſtand vor Sturmgewalten, ſo feſt wie unſer Eichen Hort. Ob donnergleich die Stürme toben, das deutſche Herz bleibt mut- geſchwellt: Wir Deutſchen fürchten Gott da droben, ſonſt aber nichts auf dieſer Welt!“ Theater und Musik Yorza Savits †. Drei Tage vor ſeinem 68. Geburtstag iſt Jocza Savits, der ehemalige Oberregiſſeur unſeres kgl. Schauſpiels und anhaltiſche Profeſſor, einem tückiſchen langjährigen Leiden erlegen, das während der langen Krankheit und durch den Tod ſeiner Frau, der ehemaligen Weimarſchen Tragödin Luiſe Savits, an der er mit allen Faſern ſeines Herzens hing, ſich ſchnell verſchlechtert hatte. Auch der Krieg, von dem er ſich keine gute Rückwirkung auf das Theater und ſeine Kunſt erwartete, hat auf ſein Befinden ungünſtig eingewirkt. Mit Savits verſchwindet die bedeutendſte dramaturgiſche Perſönlichkeit aus unſerer Stadt. Die Allge- meine Zeitung hat ſein Wirken durch all die Jahre und Jahrzehnte, die er an unſerer Hofbühne tätig war, wie ſich unſere Leſer wohl erinnern, mit dem wärmſten Intereſſe begleitet und ſpäter auch die Bedeutung ſeiner literariſchen Tätigkeit vollauf gewürdigt. Vom erſten Augenblick an, als ſeine mit Perfall zuſammen geſchaffene Shakeſpeare-Bühne ins Leben trat, haben wir, allen Gegnern zum Trotz, bis auf dieſe Stunde den geſunden Gedanken dieſer verein- fachten Szene hochgehalten und verteidigt. Shakeſpeare, dem größten Dramatiker, und ſeiner Bühne galten auch Savits’ letzte Gedanken, letzte Studien und Arbeiten. Er hat ein Werk über ihn hinterlaſſen, das wohl erſt nach dem Kriege herauskommen wird, deſſen Korrekturen er aber noch auf ſeinem Krankenbett geleſen hat. Sein Leben hat Savits ſelbſt geſchildert in dem „Großen Biographiſchen Lexikon der Deutſchen Bühne im XIX. Jahr- hundert“, das ſein bald darauf verſtorbener Freund Ludwig Eiſenberg 1903 bei Paul Liſt in Leipzig herausgab: Jocza Savits war geboren am 10. Mai 1847 in Torök- Becſe (Ungarn) als Sohn eines Kaufmannes. 1854 über- ſiedelte ſein Vater nach Wien, und dort wurde Jocza in die Realſchule zu St. Johann geſchickt, da er nach Wunſch der Eltern Architekt werden ſollte. Kaufmänniſches Mißgeſchick hinderte ſeinen Vater jedoch, ihn die Studien fortſetzen zu laſſen, und ſo wurde er in ein großes Geſchäftshaus gegeben, um in das Getriebe des Handels eingeführt zu werden; allein er ſpürte gar keine Beſtimmung zum Kaufmann, ſon- dern verſchaffte ſich durch Stundengeben die Mittel, um, ſeiner dringenden Neigung folgend, beim Schauſpieler Conradi, von Lewinsky empfohlen, ſchauſpielkünſtleriſchen Unterricht nehmen zu können. Am 30. April 1865 veranſtalteten die Univerſitätshörer zugunſten der akademiſchen Leſehalle eine Räuber-Vorſtellung (mit Magda Irſchik als Amalie), er ſollte den Koſinsky ſpielen, weil Mangel an Talent unter den Studenten fühlbar war. Der Darſteller des Karl Moor jedoch erſchien auf den Proben ſo unzulänglich, daß man S. dieſe wichtige Rolle anvertraute. Sonnenthal, der der Aufführung beiwohnte, nahm ſich des jungen Mannes liebevoll an, ließ ihn öfters zu ſich kommen und nahm mit ihm ſo lange Rollen durch, bis dieſer ſein erſtes Engagement in Baſel erhielt (Antrittsrolle: Karl Moll in Il baccio am 4. Oktober 1865). Von dort kam der junge Künſtler nach St. Gallen und ſchloß während der Tätigkeit an dieſer Bühne an das Stadttheater nach Augsburg ab, bewarb ſich jedoch gleichzeitig um ein Engagement am Münchener Hof- theater. Er gaſtierte in München am 27. April 1866 als Eduard in „Die junge Pate“, gefiel und ſollte auch für dieſe Hofbühne verpflichtet werden, doch da ihn der Augsburger Direktor nicht freigab, blieb nichts anderes übrig, als das Engagement in Augsburg anzutreten. Vorher jedoch abſolvierte er vom 2. Auguſt bis 9. September ein Gaſtſpiel am Gärtnerplatztheater (erſte Rolle: Reinhold in Bade- kuren) und trat am 14. September 1866 als Clavigo ſein Engagement in Augsburg an. Dort ſah ihn Dingelſtedt am 8. November als Masham im „Glas Waſſer“, am 10. No- vember als Wilhelm Tell und engagierte ihn für das Hof- theater in Weimar. Dingelſtedt ſchätzte S. ſehr hoch und verſprach ihm größtmögliche Förderung. Er hat Wort ge- halten. Denn als er 1867 als Direktor der Hofoper nach Wien berufen wurde, empfahl er ſeinen Schützling ſofort dem Freiherrn von Münch-Bellinghauſen (Friedrich Halm) zum Engagement ans Burgtheater. Nach kaum zwei- jähriger Mitgliedſchaft ſchied er jedoch wieder aus dem Verbande der Hofbühne, weil er in jugendlicher Unge- duld eine beſſere Beſchäftigung nicht erwarten konnte und weil ihm von Weimar, wo er noch im beſten Andenken ſtand, im Namen des Großherzogs ein ſehr gutes Angebot zum Wiedereintritt gemacht wurde. Ueber ſein Wirken in Weimar entnehme ich einer intereſſanten von Martin Greif verfaßten Lebensſchilderung des Künſtlers: „Im Luſtſpiel, Schauſpiel und Trauerſpiel gleich verwendbar, bot er durch ſeine hinreißende Darſtellung als junger Held, durch ſein temperamentvolles und lebens- wahres Spiel als ernſter, wie auch durch ſeinen ſprudelnden Witz und ſeine unerſchöpfliche Laune als komiſcher Liebhaber ſtets hervorragende Leiſtungen dar, was auch von der dortigen Kritik bald einſtimmig anerkannt wurde. Nament- lich in den Schöpfungen unſerer großen Dichter und denen Shakeſpeares war er Träger oft der wichtigſten Rollen: er ſpielte u. a. den Don Carlos, Mortimer, Don Cäſar, den Melchthal, Ferdinand in Kabale und Liebe, Egmont, Clavigo, Prinz Heinz in Heinrich V., Richard II. voll Geiſt und Empfindung, doch auch als Karl Sittig in Bürgerlich und romantiſch und überhaupt in den humoriſtiſchen wie ernſten Rollen der bürgerlichen Komödie und des neuen Konverſationsſtückes war er ein vornehmer, unterhaltender und gerngeſehener Darſteller. 1875 wurde ihm das Amt als Regiſſeur übertragen, zu dem ihn ſeine gründliche Bildung, ſeine genaue Kenntnis ſämtlicher Kulturſprachen, ſein aus- gebildeter, ſicherer Geſchmack, ſein geläuterter Kunſtſinn, ſein unbeſtechliches Urteil und ſeine begeiſterte Liebe zur Kunſt in hohem Maße befähigten, und er entfaltete auch in dieſem ſchwierigen Berufe den gleichen Eifer und hingebungsvollen Fleiß, wie als rein darſtellender Künſtler. Sein Wiſſen zu erweitern, ſeine Bildung zu vertiefen und ſich dabei künſtle- riſch immer tüchtiger ſelbſt heranzuziehen, war, wie ihm von berufener Seite im feierlichen Augenblick ſeines Ab- ſchiedes von dieſer Bühne bezeugt wurde, ihm zum unent- behrlichen Bedürfniſſe geworden und machte jederzeit ſein ganzes Trachten aus. Dem Studium der neuhochdeutſchen Sprache und aller ſonſtigen Wiſſenszweige, die zur dar- ſtellenden Kunſt in näherer Beziehung ſtehen, lag er eben- falls mit ſeltener Beharrlichkeit ob und nahm bei der ihm nur karg zugemeſſenen Muße freiwillig, um dieſer Aufgabe zu genügen, die größten Anſtrengungen auf ſich. Die Nähe Jenas mit ſeinen reichen Bildungsanſtalten und ſeinen mannigfaltigen geiſtigen Anſtrengungen kam dabei ſeinem

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-24T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 15. Mai 1915, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine20_1915/10>, abgerufen am 23.11.2024.