Allgemeine Zeitung, Nr. 160, 8. Juni 1860.Beilage zu Nr. 160 der Allg. Zeitung. Freitag 8 Junius 1860.[Spaltenumbruch] Uebersicht. H. H. Wilson noch einmal. -- Sir Charles Barry. (Nekrolog.) -- Neueste Posten. Stuttgart. (Die Ulmer Erklärung.) -- Mar- Die Politik der Ver. Staaten von Nordamerika und die National- Telegraphische Berichte. *** Stuttgart, 6 Jun.*) Heute Abends ist die Kaiserin-Mutter *** Paris, 6 Jun. Die Depeschen aus Neapel versichern: *** Paris, 7 Jun. Die "Patrie" meldet aus Neapel: Die * Frankfurt a. M., 7 Jun. Oesterr. 5proc. National-Anleihe 57 7/8 G.; * London, 6 Jun. 3proc. Consols 95. H. H. Wilson noch einmal. Zur Ergänzung unserer nenlichen kurzen Notiz entnehmen wir einem Wilson war im J. 1808 nach Indien gekommen. Er hatte seine erste Im J. 1832 wurde Wilson zum Professor der neugegründeten Lehrkanzel für "Wir haben hier," schließt die Times, "bloß die bedeutendsten Arbeiten Um den erledigten Lehrstuhl in Oxford bewerben sich, außer Dr. M. Sir Charles Barry. Dieser unlängst in der Westminster-Abtei bestattete englische Architekt *) Diese und die folgende Depesche aus dem gestrigen Hauptblatt hier wiederholt *) Die englischen Blätter verfehlen nicht anzumerken daß Hr. Wilson trotz seiner
lebenslangen Beschäftigung mit dem pantheistischen Indien ein guter Christ ge- blieben sey; -- also unähnlich unserem A. W. Schlegel, welcher sich in den letzten Jahrzehnten seines Lebens als eine Art Brahmane gebärdete (wie er denn auch als solcher in einer Novelle seines Freundes Tieck spaßhaft sigurirt), und seine Geringschätzung der Bibel und des Christenthums offen zur Schan trug. Er sprach das in den französischen Versen aus: Je vous quitte a jamais, tristes Nazareens, Disciples de Saül, vains theologiens: Vos sacres auteurs Juifs sont pour moi des profanes. Pythagore, Platon, les sublimes Brahmanes Sont mes oracles saints, interpretes des dieux, Ma boussole sur mer et mon vel vers les cieux. Beilage zu Nr. 160 der Allg. Zeitung. Freitag 8 Junius 1860.[Spaltenumbruch] Ueberſicht. H. H. Wilſon noch einmal. — Sir Charles Barry. (Nekrolog.) — Neueſte Poſten. Stuttgart. (Die Ulmer Erklärung.) — Mar- Die Politik der Ver. Staaten von Nordamerika und die National- Telegraphiſche Berichte. ⁂ Stuttgart, 6 Jun.*) Heute Abends iſt die Kaiſerin-Mutter ⁂ Paris, 6 Jun. Die Depeſchen aus Neapel verſichern: ⁂ Paris, 7 Jun. Die „Patrie“ meldet aus Neapel: Die * Frankfurt a. M., 7 Jun. Oeſterr. 5proc. National-Anleihe 57⅞ G.; * London, 6 Jun. 3proc. Conſols 95. H. H. Wilſon noch einmal. Zur Ergänzung unſerer nenlichen kurzen Notiz entnehmen wir einem Wilſon war im J. 1808 nach Indien gekommen. Er hatte ſeine erſte Im J. 1832 wurde Wilſon zum Profeſſor der neugegründeten Lehrkanzel für „Wir haben hier,“ ſchließt die Times, „bloß die bedeutendſten Arbeiten Um den erledigten Lehrſtuhl in Oxford bewerben ſich, außer Dr. M. Sir Charles Barry. Dieſer unlängſt in der Weſtminſter-Abtei beſtattete engliſche Architekt *) Dieſe und die folgende Depeſche aus dem geſtrigen Hauptblatt hier wiederholt *) Die engliſchen Blätter verfehlen nicht anzumerken daß Hr. Wilſon trotz ſeiner
lebenslangen Beſchäftigung mit dem pantheiſtiſchen Indien ein guter Chriſt ge- blieben ſey; — alſo unähnlich unſerem A. W. Schlegel, welcher ſich in den letzten Jahrzehnten ſeines Lebens als eine Art Brahmane gebärdete (wie er denn auch als ſolcher in einer Novelle ſeines Freundes Tieck ſpaßhaft ſigurirt), und ſeine Geringſchätzung der Bibel und des Chriſtenthums offen zur Schan trug. Er ſprach das in den franzöſiſchen Verſen aus: Je vous quitte à jamais, tristes Nazaréens, Disciples de Saül, vains théologiens: Vos sacrés auteurs Juifs sont pour moi des profanes. Pythagore, Platon, les sublimes Brahmanes Sont mes oracles saints, interprètes des dieux, Ma boussole sur mer et mon vel vers les cieux. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009"/> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Beilage zu Nr. 160 der Allg. 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Bald darauf fan-<lb/> den ſich Arbeiter in Menge, begierig das Gold einzuſammeln das auf der<lb/> Oberfläche zu liegen ſchien; doch nur wenige derſelben haben Arbeiten von<lb/> dauerndem Werth hinterlaſſen, und in der That verdanken wir’s nur zweien<lb/> Männern daß das Sanskritſtudium nicht in eitelm Gerede über die Weisheit<lb/> der Brahmanen, über den melodiſchen Tonfall indiſcher Poeſie, oder das un-<lb/> ergründliche Alter indiſcher Chronologie verdampft iſt. Dieſe beiden waren<lb/> Colebrooke und Wilſon. Sie, zuſammen mit William Jones, werden immer<lb/> als die Gründer der Sanskrit-Philologie verehrt werden — eines Zweigs<lb/> modernen Studiums deſſen Ergebniſſe, die er bereits geliefert hat und noch<lb/> täglich liefert, an Intereſſe und Wichtigkeit von keiner der glänzendſten Ent-<lb/> deckungen unſeres Zeitalters übertroffen werden.</p><lb/> <p>Wilſon war im J. 1808 nach Indien gekommen. 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Auch konnte die<lb/> erſte Ausgabe weder vollſtändig noch frei von Irrthümern ſeyn; doch<lb/> kann bis auf den heutigen Tag kein Fachgelehrter dieſes Werks ent-<lb/> rathen, und was immer feſtländiſche Indianiſten, wie Wilhelm v. Hum-<lb/> boldt, die beiden Schlegel, Bopp, Laſſen, Burnouf, Benſey, Roth,<lb/> Bshtlingk, A. Weber, und andere, im Sanskrit oder in der vergleichenden<lb/> Philologie geleiſtet haben, den Dank dafür ſchulden ſie in erſter Reihe dem<lb/><cb/> Wilſonſchen Lexikon. Eine zweite Auflage desſelben erſchien 1832, eine<lb/> dritte, ſehr erweiterte, Ausgabe beſindet ſich gegenwärtig unter der Preſſe,<lb/> und iſt vom Verfaſſer dem Profeſſor Goldſtücker an der Londoner Univerſität<lb/> anvertraut. Im J. 1820 war Wilſon nach Benares geſchickt worden, um<lb/> die dortigen Erziehungsanſtalten für die Eingebornen, beſonders das brah-<lb/> maniſche Sanskrit-Collegium zu reorganiſiren. 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Von dieſer Zeit an erſchienen ſeine Werke in raſcher Aufein-<lb/> anderfolge, und jedes derſelben bezeichnet einen beſtimmten Fortſchritt in un-<lb/> ſerer Kenntniß der Sprache, Litteratur, Geſchichte, Religion, ſowie der In-<lb/> ſtitutionen Indiens. So erſchien 1838 ſeine Ausgabe der <hi rendition="#aq">Sankhja-kârikâ</hi><lb/> und machte uns eines der intereſſanteſten Syſteme der alten Hindu-Philo-<lb/> ſophie zugänglich. (Seine weitern Hauptwerke haben wir ſchon früher auf-<lb/> geführt.) Ab und zu wurde ihm von deutſchen und franzöſiſchen Gelehrten<lb/> Mangel an kcitiſcher Genanigkeit zum Vorwurf gemacht, aber er antwortete<lb/> mit vollkommenem Recht: daß wenige von ihnen etwas herausgegeben oder<lb/> überſetzt was nicht ſchon früher herausgegeben oder überſetzt war, und daß es<lb/> leichter ſey einige Textverbeſſerungen zu machen als jene ſchwierigen Werke nach<lb/> Manuſcripten zu ediren von denen einige ſelbſt den gelehrteſten Panditas<lb/> in Indien unverſtändlich ſind. 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Der vierte Band der Ueberſetzung<lb/> iſt unter der Preſſe, und weiteres Manuſcript derſelben, ſoweit es fertig ge-<lb/> worden, der indiſchen Regierung übergeben. Das letzte Product aus Wil-<lb/> ſons Feder iſt ein Artikel über Max Müllers im vorigen Jahr erſchienene<lb/><hi rendition="#aq">„History of Ancient Sanskrit Literature“</hi> für die Edinburgh Review.</p><lb/> <p>„Wir haben hier,“ ſchließt die Times, „bloß die bedeutendſten Arbeiten<lb/> des Geſchiedenen aufgezählt. Seine Thätigkeit als Bibliothekar im Indien-<lb/> haus und ſeine liebenswürdige Zuvorkommenheit gegen jeden Fachgenoſſen<lb/> ſind allgemein anerkannt und gewürdigt worden. Faſt alle Akademien<lb/> und orientaliſchen Geſellſchaften Europa’s und Aſiens zählten ihn als eines<lb/> ihrer geehrteſten Mitglieder, und mit Hallam, Macanlay, Owen und Fara-<lb/> day genoß er die Ehre ein Genoſſe des Inſtituts von Frankreich zu ſeyn.<lb/> Nicht bloß in England, ſondern auch in Frankreich, Deutſchland, Italien und<lb/> Indien wird man ſeinen Berluſt betrauern.“</p><lb/> <p>Um den erledigten Lehrſtuhl in Oxford bewerben ſich, außer <hi rendition="#aq">Dr.</hi> M.<lb/> Müller, Hr. Ballanbyne, zur Zeit Profeſſor der Moralphiloſophie in Bena-<lb/> res und Berfaſſer von <hi rendition="#aq">„Christianity contrasted with Hindu Philo-<lb/> sophy,“</hi><note place="foot" n="*)">Die engliſchen Blätter verfehlen nicht anzumerken daß Hr. Wilſon trotz ſeiner<lb/> lebenslangen Beſchäftigung mit dem pantheiſtiſchen Indien ein guter Chriſt ge-<lb/> blieben ſey; — alſo unähnlich unſerem A. W. <hi rendition="#g">Schlegel,</hi> welcher ſich in den<lb/> letzten Jahrzehnten ſeines Lebens als eine Art Brahmane gebärdete (wie er<lb/> denn auch als ſolcher in einer Novelle ſeines Freundes Tieck ſpaßhaft ſigurirt),<lb/> und ſeine Geringſchätzung der Bibel und des Chriſtenthums offen zur Schan<lb/> trug. Er ſprach das in den franzöſiſchen Verſen aus:<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Je vous quitte à jamais, tristes Nazaréens,<lb/> Disciples de Saül, vains théologiens:<lb/> Vos sacrés auteurs Juifs sont pour moi des profanes.<lb/> Pythagore, Platon, les sublimes Brahmanes<lb/> Sont mes oracles saints, interprètes des dieux,<lb/> Ma boussole sur mer et mon vel vers les cieux.</hi></hi></note> und Hr. 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Beilage zu Nr. 160 der Allg. Zeitung.Freitag 8 Junius 1860.
Ueberſicht.
H. H. Wilſon noch einmal. — Sir Charles Barry. (Nekrolog.) —
Das Programm der revolutionären Propaganda in Italien. — Die deutſche
Bewegung in Belgien. — Deutſchland. (München: Frankreich vor dem
Richterſtuhl Europa’s. Engliſches Urtheil über Kaulbach. Von der Iſar:
Bergwerks-, Hütten- und Salinenbetrieb in Bayern 1858/59. Pyrmont:
Bad-Saiſon. Köln: Zur Geſchichte des Städteweſens im Mittelalter.) —
Oſtindien. (Der neue Statthalter von Bombay. Steigende Abneigung gegen
den neuen Finanzplan. Verheerungen der Cholera.)
Neueſte Poſten. Stuttgart. (Die Ulmer Erklärung.) — Mar-
burg. (Hofrath Platner †.) — Berlin. (Tagesbericht.) — Wien. (Erz-
herzog Albrecht.) — Madrid. (Aus den Cortes.) — Paris. (Inhalt der
Tagesblätter.) — Marſeille. (Aus Sieilien.) — Rom. (Der neapolita-
niſche Miniſter abgereist. Ruhe in Rom. Der Papſt.) — Turin. (Zum
Aufſtand in Sicilien. Die Annexion Mittelitaliens. Die Krondotation.) —
Nizza. (Zur Annexion.) — Konſtantinopel. (Miniſterwechſel.) —
Hongkong. (Die engliſch-franzöſiſche Expedition.)
Die Politik der Ver. Staaten von Nordamerika und die National-
convention in Chicago.
Telegraphiſche Berichte.
⁂ Stuttgart, 6 Jun. *)Heute Abends iſt die Kaiſerin-Mutter
in der kronprinzlichen Villa bei Berg eingetroffen.
⁂ Paris, 6 Jun.Die Depeſchen aus Neapel verſichern:
der Waffenſtillſtand werde auf unbeſtimmte Zeit verlängert, der Kampf
um Palermo wieder beginnen. (Das iſt ein Widerſpruch.) Einem
Gerücht zufolge werde die Frage in die Phaſe der Unterhandlungen
eintreten.
⁂ Paris, 7 Jun.Die „Patrie“ meldet aus Neapel: Die
Capitulation iſt nicht unterzeichnet worden. Garibaldi hat ein Mini-
ſterium eingeſetzt, und eine außerordentliche Aushebung angeordnet.
Der Aufſtand iſt Herr in Girgenti.
* Frankfurt a. M., 7 Jun.Oeſterr. 5proc. National-Anleihe 57⅞ G.;
5proc. Metall. 50¾; Bankactien 750; Lotterie-Anlehenslooſe von 1854 72¾; von
1858 92¾; von 1860 72⅜; Ludwigshafen-Bexbacher C.-B.-A. 123⅞; bayer.
Oſtbahn-Actien 100¼ P.; voll eingezahlt 101¾ P.; öſterr. Credit-Mobilier-Actien
168½. Wechſeleurſe: Paris 92⅞; London 116¾; Wien 88.
* London, 6 Jun.3proc. Conſols 95.
H. H. Wilſon noch einmal.
Zur Ergänzung unſerer nenlichen kurzen Notiz entnehmen wir einem
Nekrolog der Times über dieſen unlängſt verſtorbenen Orientaliſten folgen-
des: Mit Horace Hayman Wilſon hat England einen ſeiner thätigſten
und berühmteſten orientaliſchen Gelehrten verloren. Er iſt 75 Jahre alt
geworden, und ſein Name führt uns beinahe in die Tage von Warren Haſtings
und Sir William Jones zurück. Die Fundgrube der Sanskrit-Litteratur war
eben erſt erſchloſſen worden als Wilſon nach Indien kam. Bald darauf fan-
den ſich Arbeiter in Menge, begierig das Gold einzuſammeln das auf der
Oberfläche zu liegen ſchien; doch nur wenige derſelben haben Arbeiten von
dauerndem Werth hinterlaſſen, und in der That verdanken wir’s nur zweien
Männern daß das Sanskritſtudium nicht in eitelm Gerede über die Weisheit
der Brahmanen, über den melodiſchen Tonfall indiſcher Poeſie, oder das un-
ergründliche Alter indiſcher Chronologie verdampft iſt. Dieſe beiden waren
Colebrooke und Wilſon. Sie, zuſammen mit William Jones, werden immer
als die Gründer der Sanskrit-Philologie verehrt werden — eines Zweigs
modernen Studiums deſſen Ergebniſſe, die er bereits geliefert hat und noch
täglich liefert, an Intereſſe und Wichtigkeit von keiner der glänzendſten Ent-
deckungen unſeres Zeitalters übertroffen werden.
Wilſon war im J. 1808 nach Indien gekommen. Er hatte ſeine erſte
Anſtellung bei der Münze, begann ſofort ſeine Sprachſtudien, und veröſſent-
lichte 1813 ſein erſtes Werk, eine Ausgabe von Kâlidâſa’s „Meghadûta,“
Text, Commentar und Ueberſetzung. Dann widmete er alle ſeine Zeit den
Borarbeiten zu ſeinem Sanskrit-Wörterbuch, deſſen erſte Ausgabe 1819 er-
ſchien. Es wurde die Grundlage der europäiſchen Sanskrit-Philologie, und
bleibt für immer ein Denkmal für Wilſons unbeugſame Thatkraft und Aus-
dauer. Natürlich hätte kein einzelner Menſch ein ſolches Wer in jener Zeit
ausführen können, und der Autor erkennt die ihm von ſeinen Panditas (ein-
gebornen indiſchen Gelehrten) geleiſtete Hülfe dankbar an. Auch konnte die
erſte Ausgabe weder vollſtändig noch frei von Irrthümern ſeyn; doch
kann bis auf den heutigen Tag kein Fachgelehrter dieſes Werks ent-
rathen, und was immer feſtländiſche Indianiſten, wie Wilhelm v. Hum-
boldt, die beiden Schlegel, Bopp, Laſſen, Burnouf, Benſey, Roth,
Bshtlingk, A. Weber, und andere, im Sanskrit oder in der vergleichenden
Philologie geleiſtet haben, den Dank dafür ſchulden ſie in erſter Reihe dem
Wilſonſchen Lexikon. Eine zweite Auflage desſelben erſchien 1832, eine
dritte, ſehr erweiterte, Ausgabe beſindet ſich gegenwärtig unter der Preſſe,
und iſt vom Verfaſſer dem Profeſſor Goldſtücker an der Londoner Univerſität
anvertraut. Im J. 1820 war Wilſon nach Benares geſchickt worden, um
die dortigen Erziehungsanſtalten für die Eingebornen, beſonders das brah-
maniſche Sanskrit-Collegium zu reorganiſiren. Dort ſammelte er das Ma-
terial für ſein „Hindu Theatre“ (ſ. Nr. 141 der Allgem. Ztg.). Seine
Ueberſetzung der ſechs populärſten indiſchen Dramen iſt nicht bloß correct,
ſondern, mit Ausnahme vielleicht von W. Jones’ claſſiſcher Uebertragung der
Sakuntalâ, eleganter und fließender als die meiſten ähnlichen Arbeiten. Was
er ſonſt dem „Journal of the Aſiatic Society“ und andern Zeitſchriften an
Beiträgen lieferte, ließe ſich kaum aufzählen, und wird hoffentlich, gleich
Prinſeps und Colebrooke’s „Eſſays.“ bald geſammelt erſcheinen.
Im J. 1832 wurde Wilſon zum Profeſſor der neugegründeten Lehrkanzel für
Sanskrit in Oxford erwählt, bei welcher Gelegenheit der verſtorbene Dr. Millſein
Mitbewerber war. Von dieſer Zeit an erſchienen ſeine Werke in raſcher Aufein-
anderfolge, und jedes derſelben bezeichnet einen beſtimmten Fortſchritt in un-
ſerer Kenntniß der Sprache, Litteratur, Geſchichte, Religion, ſowie der In-
ſtitutionen Indiens. So erſchien 1838 ſeine Ausgabe der Sankhja-kârikâ
und machte uns eines der intereſſanteſten Syſteme der alten Hindu-Philo-
ſophie zugänglich. (Seine weitern Hauptwerke haben wir ſchon früher auf-
geführt.) Ab und zu wurde ihm von deutſchen und franzöſiſchen Gelehrten
Mangel an kcitiſcher Genanigkeit zum Vorwurf gemacht, aber er antwortete
mit vollkommenem Recht: daß wenige von ihnen etwas herausgegeben oder
überſetzt was nicht ſchon früher herausgegeben oder überſetzt war, und daß es
leichter ſey einige Textverbeſſerungen zu machen als jene ſchwierigen Werke nach
Manuſcripten zu ediren von denen einige ſelbſt den gelehrteſten Panditas
in Indien unverſtändlich ſind. Einen großen Theil ſeiner Zeit widmete er
ſpäter der Fortſetzung von Mills „Geſchichte Indiens“ von 1805 bis 1835,
von welcher (Fortſetzung) der erſte Band 1844 erſchien. In ſeinen letz-
ten Lebensjahren beſchäftigte er ſich faſt ausſchließlich mit dem Studium der
Wedas, den älteſten Quellen für die religiöſen und geſellſchaftlichen Ein-
richtungen der indiſchen Arier. Schon war er im Begriff den Rigweda zu
veröffentlichen, als ihm Prof. Max Müller darin zuvorkam, der das Mate-
rial geſammelt hatte, und auf Wilſons Empfehlung vom Directorenhof der
oſtindiſchen Compagnie mit der Herausgabe betraut wurde. Prof. Wilſon
behielt ſich bloß die engliſche Ueberſetzung vor. Von dieſer erſchienen in den
Jahren 1850, 1854 und 1857 drei Bände, entſprechend den drei Bänden
Text und Commentar von Prof. Müller. Der vierte Band der Ueberſetzung
iſt unter der Preſſe, und weiteres Manuſcript derſelben, ſoweit es fertig ge-
worden, der indiſchen Regierung übergeben. Das letzte Product aus Wil-
ſons Feder iſt ein Artikel über Max Müllers im vorigen Jahr erſchienene
„History of Ancient Sanskrit Literature“ für die Edinburgh Review.
„Wir haben hier,“ ſchließt die Times, „bloß die bedeutendſten Arbeiten
des Geſchiedenen aufgezählt. Seine Thätigkeit als Bibliothekar im Indien-
haus und ſeine liebenswürdige Zuvorkommenheit gegen jeden Fachgenoſſen
ſind allgemein anerkannt und gewürdigt worden. Faſt alle Akademien
und orientaliſchen Geſellſchaften Europa’s und Aſiens zählten ihn als eines
ihrer geehrteſten Mitglieder, und mit Hallam, Macanlay, Owen und Fara-
day genoß er die Ehre ein Genoſſe des Inſtituts von Frankreich zu ſeyn.
Nicht bloß in England, ſondern auch in Frankreich, Deutſchland, Italien und
Indien wird man ſeinen Berluſt betrauern.“
Um den erledigten Lehrſtuhl in Oxford bewerben ſich, außer Dr. M.
Müller, Hr. Ballanbyne, zur Zeit Profeſſor der Moralphiloſophie in Bena-
res und Berfaſſer von „Christianity contrasted with Hindu Philo-
sophy,“ *) und Hr. Monier Williams.
Sir Charles Barry.
Dieſer unlängſt in der Weſtminſter-Abtei beſtattete engliſche Architekt
war (nach einem Nekrolog im Athenäum) am 23 Mai 1795 in London
*) Dieſe und die folgende Depeſche aus dem geſtrigen Hauptblatt hier wiederholt
*) Die engliſchen Blätter verfehlen nicht anzumerken daß Hr. Wilſon trotz ſeiner
lebenslangen Beſchäftigung mit dem pantheiſtiſchen Indien ein guter Chriſt ge-
blieben ſey; — alſo unähnlich unſerem A. W. Schlegel, welcher ſich in den
letzten Jahrzehnten ſeines Lebens als eine Art Brahmane gebärdete (wie er
denn auch als ſolcher in einer Novelle ſeines Freundes Tieck ſpaßhaft ſigurirt),
und ſeine Geringſchätzung der Bibel und des Chriſtenthums offen zur Schan
trug. Er ſprach das in den franzöſiſchen Verſen aus:
Je vous quitte à jamais, tristes Nazaréens,
Disciples de Saül, vains théologiens:
Vos sacrés auteurs Juifs sont pour moi des profanes.
Pythagore, Platon, les sublimes Brahmanes
Sont mes oracles saints, interprètes des dieux,
Ma boussole sur mer et mon vel vers les cieux.
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(2022-02-11T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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