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Allgemeine Zeitung, Nr. 160, 8. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] Turin die toscanischen Sommitäten schwer zur Anerkennung kommen, da die
Turiner nothwendig alles besser wissen müssen, und auf die meisten Institu-
tionen eines Landes, das sich ihnen mit solchem Aufwand von Mangel an
Würde in die Arme geworfen hat, mit schlecht verhehlter Mißachtung her-
abblicken, ist der Baron Ricasoli äußerst malcontent in seinem Palazzo
vecchio, und hat Lust das Regieren an den Ragel zu hängen. Die Autono-
mie muß also ihre Schäden haben, denn sonst wäre ein so autonomischer
Mann wie "der Baron" an seinem Platz. Von gedachten toscanischen
Sommitäten ist nun auch der Advocat Guerrazzi, welcher als Deputirter für
Rocca San Casciano im Parlament sitzt, zum Fall gekommen: man lacht
über seine Declamationen, und meint er möge ein talentvoller Romanschrei-
ber seyn, sey aber ein schlechter Politiker. Wer gedenkt da nicht der Floren-
tinischen Erhebung von 1849 wider den Dictator? So wenig Lorbeeren
auch in gedachtem Parlament einzusammeln seyn mögen, so bewerben sich
doch immer mehr Leute um die Ehre. Der Signor G. Canestrini, welcher ein
Buch über toscanische Geschichte schreiben soll und für jeden Band auf Kosten
des Landes 3000 Franken erhält, ist auch Deputirter geworden, nicht weil
er ein großer Redner, sondern weil er -- aus Trient ist, und weil man einen
Wälschtiroler in Turin haben will! Man weiß nicht, soll man die Logik
mehr oder die Kinderei bewundern. -- Wie es hier mit der sogenannten öffent-
lichen Meinung steht, zeigt ein hübsches Factum. Der Conte Pieri, dessen
ich vor wenigen Tagen als eines der hiesigen (neugebackenen) Italianissimi er-
wähnte, sindet es nöthig sich in den Zeitungen zu rechtfertigen weil sein Name
unter solchen gedruckt worden sey die dem Papst Geldunterstützung gesandt.
Er habe, sagt er, dem heil. Vater in seinen weltlichen Nöthen beispringen,
nicht aber den Feinden Italiens Hülfe leisten wollen. Je mehr der
Besitz der Kirche verringert werde, um so bereitwilliger sey
er seine wohlthätige Hand zu öffnen.
In Rom wird man dem
gutgesinnten Mann gewiß sehr dankbar seyn! Hierzuland nennt man dieß
Ziege und Kohl retten.

= Die hiesige Universität ist ein Zwittergeschöpf
mit lahmen Beinen. In Zeiten wo die Verbindungen langsam waren, mochte
eine Anstalt dieser Art ihre Berechtigung haben. Man wollte diese Berech-
tigung auch darin finden daß Siena eine überaus wohlfeile Stadt, daß die
stenesische Provinz eine verhältnißmäßig arme war, so daß, bei der großen
Zahl von Stipendien, meist alter Stiftung, eine Menge junge Leute ihre Stu-
dien absolviren konnten denen diese Studien in Pisa unmöglich gewesen wären.
Zunächst fragt es sich freilich: ob dieß ein Vorzug ist? Denn die Folge wohlfeiler
Studien ist daß Toscana mit einer Unzahl von Doctoren, namentlich der
Jurisprudenz und Medicin, überschwemmt worden, daß man die geringsten
Subalternstellen selbst der Polizei mit Doctores juris besetzt findet, daß diese
Titel solcherart über allen Begriff heruntergekommen, und beinahe werthlos
sind, indem jedem, was immer er wissen oder nicht wissen möge, die laurea
ertheilt wird. Sodann sind, schon vermittelst der außerordentlichen Erleich-
terung und Vermehrung der Communicationen, die großen Preisunterschiede
sehr gemindert. Ich finde Siena wohlfeiler als Pisa, aber manches mag sich
bei längerm Aufenthalt doch ausgleichen, und während es hier eine weit ge-
ringere Anzahl guter Wohnungen gibt als dort, haben in Folge der gemehrten
Nachfrage und der erhöhten Bedürfnisse die Preise sich gesteigert. Akade-
misches Leben soll hier jederzeit sich minder bemerklich gemacht haben als in
Pisa; im gegenwärtigen Augenblick ist wenig davon zu merken, und ich ver-
nehme daß es mit den Studien sehr schwach steht. Die Gehalte der Professo-
ren, die an der alten Universität unendlich gering waren, so daß meist nur
Einheimische, und namentlich solche die irgendein kleines Einkommen hatten,
sich um Professuren bewarben, sind zwar durchgehends erhöht worden, aber ge-
machte Leute von auswärts haben keinen Hang gespürt hieher zu kommen, wo
sie keine wissenschaftliche Thätigkeit zu entwickeln, und noch weniger Ruhm zu
erlangen erwarteten, und so hat man, abgesehen von einigen früher schon hier
befindlichen, großentheils bisherige Gymnasiallehrer zu Professoren gemacht.
Die Kosten des neuen Etablissements, obgleich nicht übermäßig, stehen doch noch
im Mißverhältniß zu der Zahl der Studierenden und zu den Resultaten
welche in diesem nun zu Ende gehenden Studienjahr gleich Null seyn sollen.
Ueberdieß hat man den Mißgriff begangen neben einer auf drei Facultäten
reducirten Universität und einem immer noch vielbesuchten Collegium, dem
Tolomeischen, ein Lyceum hinzupflanzen, welches in den Bereich der erstern
hinübergreift -- ein Mißgriff so in die Augen fallend, daß einzelne Lehrstühle
des Lyceums seitdem an die Universität versetzt worden sind. Man glaubt
selbst hier nicht daß die ganze Sache Bestand haben werde, aber man klam-
mert sich an diesen Schatten von Universität mit einem Eifer und einer Eifer-
sucht welche nur von dem ganz verstanden werden können der längere Zeit in
italienischen Provincialstädten gelebt hat die von ihrer vorigen Höhe herab-
gesunken sind. -- Ein Theil der hiesigen vornehmen Familien ist auf dem
Lande, wie gewöhnlich im Spätfrühling. Die Begetation ist prachtvoll,
und ein Blick von den hochliegenden Punkten der Stadt, besonders von dem
Plateau der Festung bei dem Spaziergang der Lizza, auf die bewaldeten Hügel
[Spaltenumbruch] und die schöne Ebene höchst belohnend. Ungeachtet dieser Abwesenheit vieler
mustert die Lizza an heitern Nachmittagen noch eine ansehnliche Zahl zum
Theil eleganter, Equipagen. Gesellschaft gibt es nicht, wenigstens keine solche
woran Ausländer theilnehmen können.

Die letzten Tage circulirten mehrfache Gerüchte
über Personalveränderungen im Ministerium. Bis jetzt sind sie un-
gegründet, und beruhen, wie so oft, auf frommen Wünschen einer zur Un-
thätigkeit verdammten Opposition. Es ist wahr daß der Minister des öffent-
lichen Unterrichts, Graf Mamiani, seines vorgerückten Alters halber auf die
Dauer den angestrengten Geschäften seines Portefeuille's nicht mehr gewachsen
ist; allein auch bei seinem Rücktritt kann sich die Opposition keine Hoffnung
machen einen der ihrigen in das Cabinet zu bringen, da die Stelle für den
weiland Verweser Toscana's und, aus Borgefühl seines künftigen Berufs als
Unterrichtsminister, jetzigen Docenten des constitutionellen Rechts an der
Universität Turin, Comm. Boncompagni, vorbehalten ist. -- In der
letzten Kammersitzung wurde Graf Cavour vom Marchese Pareto über
den Stand der Flotte interpellirt, und um die Ursache gefragt war-
um der Schiffsbau nicht einheimischen Schiffsbauern anvertraut werde.
Graf Cavour erwiederte: das Ministerium sey mit voller Thätig-
keit beschäftigt die Marine zu verstärken; allein leider brauche es zur
Erbauung eines Kriegsschiffs längere Zeit als zur Bildung eines Ba-
taillons. Außer den drei großen Fregatten "Victor Emmanuel," "Maria
Adelaida" und "Carlo Alberto" sey der "Duca di Genova" der Vollendung
nahe. Ferner seyen zu Genna zwei weitere Fregatten im Bau begriffen;
ebenso zwei Corvetten mit gedeckten Batterien. Was die Erbauung der
Schiffe von einheimischen Schiffsbauern betreffe, so sey er, obgleich Gegner
des Protectionssystems und Begünstiger der Concurrenz, dennoch geneigt, wenn
auch kein Privilegium zu ertheilen, so doch die Bemühungen einheimischer
Capitalisten zu unterstützen, falls sich solche bewerben wollten. Uebrigens
möge man sich mit dem Bau nicht übereilen, und abwarten zu welchen Re-
sultaten in England das System der bepanzerten Schiffe führe; die Regierung
werde im günstigen Fall dann sofort einige in Angriff nehmen lassen. --
Zu Pavia ist der berühmte Physiker und Mathematiker Bella gestorben.

Die "Gazz. di Torino" von gestern Abend bringt
eine Nachricht aus Paris, nach welcher ein Officier Garibaldi's mit einer
wichtigen Mission dort angekommen ist. In derselben Nummer bringt dieses
Blatt folgende Nachrichten aus Sicilien: "Der Waffenstillstand wurde von
dem königl. Befehlshaber verlangt, der durch die kühnen Angriffe Garibaldi's
auf seine in und außerhalb der Stadt zerstreuten Truppen hiezu gezwungen
ward, nachdem noch durch die Insurgenten in der Stadt mehrere Abtheilun-
gen abgeschnitten worden. Eine Verlängerung des Waffenstillstands trat deß-
halb ein, weil der neapolitanische Führer Weisungen aus Neapel bedurfte um
über die Annahme der von Garibaldi gestellten Bedingungen entscheiden zu
können. Diese Bedingungen find: Räumung der ganzen Insel, unbehinderte
Einschiffung mit Waffen und Bagage." -- Der Dampfer "Utile," welcher
in Genua Freiwillige, Waffen und Munition für Garibaldi aufnahm, ist
glücklich in Marsala angekommen. -- In einem Brief an seinen Freund und
Agenten Bertani ertheilt Garibaldi der Direction Rubattino den Rath ihre
beiden Dampfer "Lombardo" und "Piemonte" von der Regierung zu recla-
miren, die sie sodann von Neapel zurückfordern werde. (Das deutet doch auf
ein Berständniß Garibaldi's mit der piemontesischen Regierung hin!) Im
übrigen solle ihm die Direction von dem Fonds für die Gewehre so viel wie
möglich Waffen und Munition senden, Leute würden ihm dann auch nicht
fehlen. -- Unter den Wälschtirolern welche sich mit Garibaldi auf Sicilien
befinden sind zu nennen: Manci, Tranquillini, Pezzi, Zanolli, Fontana und
Camillo Zancani. -- Der russische Gesandte dahier, Graf v. Stackelberg,
hatte neuerdings eine Besprechung mit Cavour, bei welcher er sich wiederum
über das Benehmen des Cabinets Garibaldi gegenüber beschwerte. Der Mi-
nister stellte wiederholt jede Theilnahme der Regierung an der Expedition in
Abrede, und versicherte sogar daß sie derselben so viel wie möglich Hindernisse
in den Weg gelegt habe! -- Da Fanti seine Entlassung eingereicht, so hat
die Regierung, wie verlautet, das Portefeuille des Kriegsministeriums dem
General Cialdini angeboten. Dieser lehnte die Annahme ab. Die Antwort
Durando's, an welchen sich hierauf die Regierung gewendet, ist noch nicht be-
kannt. -- Die "Unita Italiana" vom 3 d. meldet aus Bologna: daß Ales-
sandro Reggio, ein venetianischer Emigrirter, "als aufrichtiger italienischer
Patriot bekannt," seit mehreren Tagen sich in Haft befindet. Die Polizei hielt
bei ihm eine lange Haussuchung, ohne Beweise gegen ihn auffinden zu können.
Seine einzige Schuld ist, sagt das genannte Blatt, ein eifriger Anhänger der
italienischen Sache zu seyn. Wenn man das Gebahren der Polizei unter Ci-
priani Farini und Cavour verfolgt, so müsse man gestehen daß sie nur das
Gewand gewechselt habe. Die Verfolgungen welche in den letzten Tagen in
Bologna vorfielen, und deren Gegenstand die Patrioten waren, zeigen zur
Genüge die Frucht des Regiments welches Cavour einführte. Und warum
alles dieses? Nur darum weil diese Männer, wie Ricasoli, in einem Decret

[Spaltenumbruch] Turin die toscaniſchen Sommitäten ſchwer zur Anerkennung kommen, da die
Turiner nothwendig alles beſſer wiſſen müſſen, und auf die meiſten Inſtitu-
tionen eines Landes, das ſich ihnen mit ſolchem Aufwand von Mangel an
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abblicken, iſt der Baron Ricaſoli äußerſt malcontent in ſeinem Palazzo
vecchio, und hat Luſt das Regieren an den Ragel zu hängen. Die Autono-
mie muß alſo ihre Schäden haben, denn ſonſt wäre ein ſo autonomiſcher
Mann wie „der Baron“ an ſeinem Platz. Von gedachten toscaniſchen
Sommitäten iſt nun auch der Advocat Guerrazzi, welcher als Deputirter für
Rocca San Caſciano im Parlament ſitzt, zum Fall gekommen: man lacht
über ſeine Declamationen, und meint er möge ein talentvoller Romanſchrei-
ber ſeyn, ſey aber ein ſchlechter Politiker. Wer gedenkt da nicht der Floren-
tiniſchen Erhebung von 1849 wider den Dictator? So wenig Lorbeeren
auch in gedachtem Parlament einzuſammeln ſeyn mögen, ſo bewerben ſich
doch immer mehr Leute um die Ehre. Der Signor G. Caneſtrini, welcher ein
Buch über toscaniſche Geſchichte ſchreiben ſoll und für jeden Band auf Koſten
des Landes 3000 Franken erhält, iſt auch Deputirter geworden, nicht weil
er ein großer Redner, ſondern weil er — aus Trient iſt, und weil man einen
Wälſchtiroler in Turin haben will! Man weiß nicht, ſoll man die Logik
mehr oder die Kinderei bewundern. — Wie es hier mit der ſogenannten öffent-
lichen Meinung ſteht, zeigt ein hübſches Factum. Der Conte Pieri, deſſen
ich vor wenigen Tagen als eines der hieſigen (neugebackenen) Italianiſſimi er-
wähnte, ſindet es nöthig ſich in den Zeitungen zu rechtfertigen weil ſein Name
unter ſolchen gedruckt worden ſey die dem Papſt Geldunterſtützung geſandt.
Er habe, ſagt er, dem heil. Vater in ſeinen weltlichen Nöthen beiſpringen,
nicht aber den Feinden Italiens Hülfe leiſten wollen. Je mehr der
Beſitz der Kirche verringert werde, um ſo bereitwilliger ſey
er ſeine wohlthätige Hand zu öffnen.
In Rom wird man dem
gutgeſinnten Mann gewiß ſehr dankbar ſeyn! Hierzuland nennt man dieß
Ziege und Kohl retten.

= Die hieſige Univerſität iſt ein Zwittergeſchöpf
mit lahmen Beinen. In Zeiten wo die Verbindungen langſam waren, mochte
eine Anſtalt dieſer Art ihre Berechtigung haben. Man wollte dieſe Berech-
tigung auch darin finden daß Siena eine überaus wohlfeile Stadt, daß die
ſteneſiſche Provinz eine verhältnißmäßig arme war, ſo daß, bei der großen
Zahl von Stipendien, meiſt alter Stiftung, eine Menge junge Leute ihre Stu-
dien abſolviren konnten denen dieſe Studien in Piſa unmöglich geweſen wären.
Zunächſt fragt es ſich freilich: ob dieß ein Vorzug iſt? Denn die Folge wohlfeiler
Studien iſt daß Toscana mit einer Unzahl von Doctoren, namentlich der
Jurisprudenz und Medicin, überſchwemmt worden, daß man die geringſten
Subalternſtellen ſelbſt der Polizei mit Doctores juris beſetzt findet, daß dieſe
Titel ſolcherart über allen Begriff heruntergekommen, und beinahe werthlos
ſind, indem jedem, was immer er wiſſen oder nicht wiſſen möge, die laurea
ertheilt wird. Sodann ſind, ſchon vermittelſt der außerordentlichen Erleich-
terung und Vermehrung der Communicationen, die großen Preisunterſchiede
ſehr gemindert. Ich finde Siena wohlfeiler als Piſa, aber manches mag ſich
bei längerm Aufenthalt doch ausgleichen, und während es hier eine weit ge-
ringere Anzahl guter Wohnungen gibt als dort, haben in Folge der gemehrten
Nachfrage und der erhöhten Bedürfniſſe die Preiſe ſich geſteigert. Akade-
miſches Leben ſoll hier jederzeit ſich minder bemerklich gemacht haben als in
Piſa; im gegenwärtigen Augenblick iſt wenig davon zu merken, und ich ver-
nehme daß es mit den Studien ſehr ſchwach ſteht. Die Gehalte der Profeſſo-
ren, die an der alten Univerſität unendlich gering waren, ſo daß meiſt nur
Einheimiſche, und namentlich ſolche die irgendein kleines Einkommen hatten,
ſich um Profeſſuren bewarben, ſind zwar durchgehends erhöht worden, aber ge-
machte Leute von auswärts haben keinen Hang geſpürt hieher zu kommen, wo
ſie keine wiſſenſchaftliche Thätigkeit zu entwickeln, und noch weniger Ruhm zu
erlangen erwarteten, und ſo hat man, abgeſehen von einigen früher ſchon hier
befindlichen, großentheils bisherige Gymnaſiallehrer zu Profeſſoren gemacht.
Die Koſten des neuen Etabliſſements, obgleich nicht übermäßig, ſtehen doch noch
im Mißverhältniß zu der Zahl der Studierenden und zu den Reſultaten
welche in dieſem nun zu Ende gehenden Studienjahr gleich Null ſeyn ſollen.
Ueberdieß hat man den Mißgriff begangen neben einer auf drei Facultäten
reducirten Univerſität und einem immer noch vielbeſuchten Collegium, dem
Tolomeiſchen, ein Lyceum hinzupflanzen, welches in den Bereich der erſtern
hinübergreift — ein Mißgriff ſo in die Augen fallend, daß einzelne Lehrſtühle
des Lyceums ſeitdem an die Univerſität verſetzt worden ſind. Man glaubt
ſelbſt hier nicht daß die ganze Sache Beſtand haben werde, aber man klam-
mert ſich an dieſen Schatten von Univerſität mit einem Eifer und einer Eifer-
ſucht welche nur von dem ganz verſtanden werden können der längere Zeit in
italieniſchen Provincialſtädten gelebt hat die von ihrer vorigen Höhe herab-
geſunken ſind. — Ein Theil der hieſigen vornehmen Familien iſt auf dem
Lande, wie gewöhnlich im Spätfrühling. Die Begetation iſt prachtvoll,
und ein Blick von den hochliegenden Punkten der Stadt, beſonders von dem
Plateau der Feſtung bei dem Spaziergang der Lizza, auf die bewaldeten Hügel
[Spaltenumbruch] und die ſchöne Ebene höchſt belohnend. Ungeachtet dieſer Abweſenheit vieler
muſtert die Lizza an heitern Nachmittagen noch eine anſehnliche Zahl zum
Theil eleganter, Equipagen. Geſellſchaft gibt es nicht, wenigſtens keine ſolche
woran Ausländer theilnehmen können.

Die letzten Tage circulirten mehrfache Gerüchte
über Perſonalveränderungen im Miniſterium. Bis jetzt ſind ſie un-
gegründet, und beruhen, wie ſo oft, auf frommen Wünſchen einer zur Un-
thätigkeit verdammten Oppoſition. Es iſt wahr daß der Miniſter des öffent-
lichen Unterrichts, Graf Mamiani, ſeines vorgerückten Alters halber auf die
Dauer den angeſtrengten Geſchäften ſeines Portefeuille’s nicht mehr gewachſen
iſt; allein auch bei ſeinem Rücktritt kann ſich die Oppoſition keine Hoffnung
machen einen der ihrigen in das Cabinet zu bringen, da die Stelle für den
weiland Verweſer Toscana’s und, aus Borgefühl ſeines künftigen Berufs als
Unterrichtsminiſter, jetzigen Docenten des conſtitutionellen Rechts an der
Univerſität Turin, Comm. Boncompagni, vorbehalten iſt. — In der
letzten Kammerſitzung wurde Graf Cavour vom Marcheſe Pareto über
den Stand der Flotte interpellirt, und um die Urſache gefragt war-
um der Schiffsbau nicht einheimiſchen Schiffsbauern anvertraut werde.
Graf Cavour erwiederte: das Miniſterium ſey mit voller Thätig-
keit beſchäftigt die Marine zu verſtärken; allein leider brauche es zur
Erbauung eines Kriegsſchiffs längere Zeit als zur Bildung eines Ba-
taillons. Außer den drei großen Fregatten „Victor Emmanuel,“ „Maria
Adelaida“ und „Carlo Alberto“ ſey der „Duca di Genova“ der Vollendung
nahe. Ferner ſeyen zu Genna zwei weitere Fregatten im Bau begriffen;
ebenſo zwei Corvetten mit gedeckten Batterien. Was die Erbauung der
Schiffe von einheimiſchen Schiffsbauern betreffe, ſo ſey er, obgleich Gegner
des Protectionsſyſtems und Begünſtiger der Concurrenz, dennoch geneigt, wenn
auch kein Privilegium zu ertheilen, ſo doch die Bemühungen einheimiſcher
Capitaliſten zu unterſtützen, falls ſich ſolche bewerben wollten. Uebrigens
möge man ſich mit dem Bau nicht übereilen, und abwarten zu welchen Re-
ſultaten in England das Syſtem der bepanzerten Schiffe führe; die Regierung
werde im günſtigen Fall dann ſofort einige in Angriff nehmen laſſen. —
Zu Pavia iſt der berühmte Phyſiker und Mathematiker Bella geſtorben.

Die „Gazz. di Torino“ von geſtern Abend bringt
eine Nachricht aus Paris, nach welcher ein Officier Garibaldi’s mit einer
wichtigen Miſſion dort angekommen iſt. In derſelben Nummer bringt dieſes
Blatt folgende Nachrichten aus Sicilien: „Der Waffenſtillſtand wurde von
dem königl. Befehlshaber verlangt, der durch die kühnen Angriffe Garibaldi’s
auf ſeine in und außerhalb der Stadt zerſtreuten Truppen hiezu gezwungen
ward, nachdem noch durch die Inſurgenten in der Stadt mehrere Abtheilun-
gen abgeſchnitten worden. Eine Verlängerung des Waffenſtillſtands trat deß-
halb ein, weil der neapolitaniſche Führer Weiſungen aus Neapel bedurfte um
über die Annahme der von Garibaldi geſtellten Bedingungen entſcheiden zu
können. Dieſe Bedingungen find: Räumung der ganzen Inſel, unbehinderte
Einſchiffung mit Waffen und Bagage.“ — Der Dampfer „Utile,“ welcher
in Genua Freiwillige, Waffen und Munition für Garibaldi aufnahm, iſt
glücklich in Marſala angekommen. — In einem Brief an ſeinen Freund und
Agenten Bertani ertheilt Garibaldi der Direction Rubattino den Rath ihre
beiden Dampfer „Lombardo“ und „Piemonte“ von der Regierung zu recla-
miren, die ſie ſodann von Neapel zurückfordern werde. (Das deutet doch auf
ein Berſtändniß Garibaldi’s mit der piemonteſiſchen Regierung hin!) Im
übrigen ſolle ihm die Direction von dem Fonds für die Gewehre ſo viel wie
möglich Waffen und Munition ſenden, Leute würden ihm dann auch nicht
fehlen. — Unter den Wälſchtirolern welche ſich mit Garibaldi auf Sicilien
befinden ſind zu nennen: Manci, Tranquillini, Pezzi, Zanolli, Fontana und
Camillo Zancani. — Der ruſſiſche Geſandte dahier, Graf v. Stackelberg,
hatte neuerdings eine Beſprechung mit Cavour, bei welcher er ſich wiederum
über das Benehmen des Cabinets Garibaldi gegenüber beſchwerte. Der Mi-
niſter ſtellte wiederholt jede Theilnahme der Regierung an der Expedition in
Abrede, und verſicherte ſogar daß ſie derſelben ſo viel wie möglich Hinderniſſe
in den Weg gelegt habe! — Da Fanti ſeine Entlaſſung eingereicht, ſo hat
die Regierung, wie verlautet, das Portefeuille des Kriegsminiſteriums dem
General Cialdini angeboten. Dieſer lehnte die Annahme ab. Die Antwort
Durando’s, an welchen ſich hierauf die Regierung gewendet, iſt noch nicht be-
kannt. — Die „Unità Italiana“ vom 3 d. meldet aus Bologna: daß Aleſ-
ſandro Reggio, ein venetianiſcher Emigrirter, „als aufrichtiger italieniſcher
Patriot bekannt,“ ſeit mehreren Tagen ſich in Haft befindet. Die Polizei hielt
bei ihm eine lange Hausſuchung, ohne Beweiſe gegen ihn auffinden zu können.
Seine einzige Schuld iſt, ſagt das genannte Blatt, ein eifriger Anhänger der
italieniſchen Sache zu ſeyn. Wenn man das Gebahren der Polizei unter Ci-
priani Farini und Cavour verfolgt, ſo müſſe man geſtehen daß ſie nur das
Gewand gewechſelt habe. Die Verfolgungen welche in den letzten Tagen in
Bologna vorfielen, und deren Gegenſtand die Patrioten waren, zeigen zur
Genüge die Frucht des Regiments welches Cavour einführte. Und warum
alles dieſes? Nur darum weil dieſe Männer, wie Ricaſoli, in einem Decret

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[2671/0007] Turin die toscaniſchen Sommitäten ſchwer zur Anerkennung kommen, da die Turiner nothwendig alles beſſer wiſſen müſſen, und auf die meiſten Inſtitu- tionen eines Landes, das ſich ihnen mit ſolchem Aufwand von Mangel an Würde in die Arme geworfen hat, mit ſchlecht verhehlter Mißachtung her- abblicken, iſt der Baron Ricaſoli äußerſt malcontent in ſeinem Palazzo vecchio, und hat Luſt das Regieren an den Ragel zu hängen. Die Autono- mie muß alſo ihre Schäden haben, denn ſonſt wäre ein ſo autonomiſcher Mann wie „der Baron“ an ſeinem Platz. Von gedachten toscaniſchen Sommitäten iſt nun auch der Advocat Guerrazzi, welcher als Deputirter für Rocca San Caſciano im Parlament ſitzt, zum Fall gekommen: man lacht über ſeine Declamationen, und meint er möge ein talentvoller Romanſchrei- ber ſeyn, ſey aber ein ſchlechter Politiker. Wer gedenkt da nicht der Floren- tiniſchen Erhebung von 1849 wider den Dictator? So wenig Lorbeeren auch in gedachtem Parlament einzuſammeln ſeyn mögen, ſo bewerben ſich doch immer mehr Leute um die Ehre. Der Signor G. Caneſtrini, welcher ein Buch über toscaniſche Geſchichte ſchreiben ſoll und für jeden Band auf Koſten des Landes 3000 Franken erhält, iſt auch Deputirter geworden, nicht weil er ein großer Redner, ſondern weil er — aus Trient iſt, und weil man einen Wälſchtiroler in Turin haben will! Man weiß nicht, ſoll man die Logik mehr oder die Kinderei bewundern. — Wie es hier mit der ſogenannten öffent- lichen Meinung ſteht, zeigt ein hübſches Factum. Der Conte Pieri, deſſen ich vor wenigen Tagen als eines der hieſigen (neugebackenen) Italianiſſimi er- wähnte, ſindet es nöthig ſich in den Zeitungen zu rechtfertigen weil ſein Name unter ſolchen gedruckt worden ſey die dem Papſt Geldunterſtützung geſandt. Er habe, ſagt er, dem heil. Vater in ſeinen weltlichen Nöthen beiſpringen, nicht aber den Feinden Italiens Hülfe leiſten wollen. Je mehr der Beſitz der Kirche verringert werde, um ſo bereitwilliger ſey er ſeine wohlthätige Hand zu öffnen. In Rom wird man dem gutgeſinnten Mann gewiß ſehr dankbar ſeyn! Hierzuland nennt man dieß Ziege und Kohl retten. Siena, 1 Jun.= Die hieſige Univerſität iſt ein Zwittergeſchöpf mit lahmen Beinen. In Zeiten wo die Verbindungen langſam waren, mochte eine Anſtalt dieſer Art ihre Berechtigung haben. Man wollte dieſe Berech- tigung auch darin finden daß Siena eine überaus wohlfeile Stadt, daß die ſteneſiſche Provinz eine verhältnißmäßig arme war, ſo daß, bei der großen Zahl von Stipendien, meiſt alter Stiftung, eine Menge junge Leute ihre Stu- dien abſolviren konnten denen dieſe Studien in Piſa unmöglich geweſen wären. Zunächſt fragt es ſich freilich: ob dieß ein Vorzug iſt? Denn die Folge wohlfeiler Studien iſt daß Toscana mit einer Unzahl von Doctoren, namentlich der Jurisprudenz und Medicin, überſchwemmt worden, daß man die geringſten Subalternſtellen ſelbſt der Polizei mit Doctores juris beſetzt findet, daß dieſe Titel ſolcherart über allen Begriff heruntergekommen, und beinahe werthlos ſind, indem jedem, was immer er wiſſen oder nicht wiſſen möge, die laurea ertheilt wird. Sodann ſind, ſchon vermittelſt der außerordentlichen Erleich- terung und Vermehrung der Communicationen, die großen Preisunterſchiede ſehr gemindert. Ich finde Siena wohlfeiler als Piſa, aber manches mag ſich bei längerm Aufenthalt doch ausgleichen, und während es hier eine weit ge- ringere Anzahl guter Wohnungen gibt als dort, haben in Folge der gemehrten Nachfrage und der erhöhten Bedürfniſſe die Preiſe ſich geſteigert. Akade- miſches Leben ſoll hier jederzeit ſich minder bemerklich gemacht haben als in Piſa; im gegenwärtigen Augenblick iſt wenig davon zu merken, und ich ver- nehme daß es mit den Studien ſehr ſchwach ſteht. Die Gehalte der Profeſſo- ren, die an der alten Univerſität unendlich gering waren, ſo daß meiſt nur Einheimiſche, und namentlich ſolche die irgendein kleines Einkommen hatten, ſich um Profeſſuren bewarben, ſind zwar durchgehends erhöht worden, aber ge- machte Leute von auswärts haben keinen Hang geſpürt hieher zu kommen, wo ſie keine wiſſenſchaftliche Thätigkeit zu entwickeln, und noch weniger Ruhm zu erlangen erwarteten, und ſo hat man, abgeſehen von einigen früher ſchon hier befindlichen, großentheils bisherige Gymnaſiallehrer zu Profeſſoren gemacht. Die Koſten des neuen Etabliſſements, obgleich nicht übermäßig, ſtehen doch noch im Mißverhältniß zu der Zahl der Studierenden und zu den Reſultaten welche in dieſem nun zu Ende gehenden Studienjahr gleich Null ſeyn ſollen. Ueberdieß hat man den Mißgriff begangen neben einer auf drei Facultäten reducirten Univerſität und einem immer noch vielbeſuchten Collegium, dem Tolomeiſchen, ein Lyceum hinzupflanzen, welches in den Bereich der erſtern hinübergreift — ein Mißgriff ſo in die Augen fallend, daß einzelne Lehrſtühle des Lyceums ſeitdem an die Univerſität verſetzt worden ſind. Man glaubt ſelbſt hier nicht daß die ganze Sache Beſtand haben werde, aber man klam- mert ſich an dieſen Schatten von Univerſität mit einem Eifer und einer Eifer- ſucht welche nur von dem ganz verſtanden werden können der längere Zeit in italieniſchen Provincialſtädten gelebt hat die von ihrer vorigen Höhe herab- geſunken ſind. — Ein Theil der hieſigen vornehmen Familien iſt auf dem Lande, wie gewöhnlich im Spätfrühling. Die Begetation iſt prachtvoll, und ein Blick von den hochliegenden Punkten der Stadt, beſonders von dem Plateau der Feſtung bei dem Spaziergang der Lizza, auf die bewaldeten Hügel und die ſchöne Ebene höchſt belohnend. Ungeachtet dieſer Abweſenheit vieler muſtert die Lizza an heitern Nachmittagen noch eine anſehnliche Zahl zum Theil eleganter, Equipagen. Geſellſchaft gibt es nicht, wenigſtens keine ſolche woran Ausländer theilnehmen können. ↓ Turin, 3 Jun.Die letzten Tage circulirten mehrfache Gerüchte über Perſonalveränderungen im Miniſterium. Bis jetzt ſind ſie un- gegründet, und beruhen, wie ſo oft, auf frommen Wünſchen einer zur Un- thätigkeit verdammten Oppoſition. Es iſt wahr daß der Miniſter des öffent- lichen Unterrichts, Graf Mamiani, ſeines vorgerückten Alters halber auf die Dauer den angeſtrengten Geſchäften ſeines Portefeuille’s nicht mehr gewachſen iſt; allein auch bei ſeinem Rücktritt kann ſich die Oppoſition keine Hoffnung machen einen der ihrigen in das Cabinet zu bringen, da die Stelle für den weiland Verweſer Toscana’s und, aus Borgefühl ſeines künftigen Berufs als Unterrichtsminiſter, jetzigen Docenten des conſtitutionellen Rechts an der Univerſität Turin, Comm. Boncompagni, vorbehalten iſt. — In der letzten Kammerſitzung wurde Graf Cavour vom Marcheſe Pareto über den Stand der Flotte interpellirt, und um die Urſache gefragt war- um der Schiffsbau nicht einheimiſchen Schiffsbauern anvertraut werde. Graf Cavour erwiederte: das Miniſterium ſey mit voller Thätig- keit beſchäftigt die Marine zu verſtärken; allein leider brauche es zur Erbauung eines Kriegsſchiffs längere Zeit als zur Bildung eines Ba- taillons. Außer den drei großen Fregatten „Victor Emmanuel,“ „Maria Adelaida“ und „Carlo Alberto“ ſey der „Duca di Genova“ der Vollendung nahe. Ferner ſeyen zu Genna zwei weitere Fregatten im Bau begriffen; ebenſo zwei Corvetten mit gedeckten Batterien. Was die Erbauung der Schiffe von einheimiſchen Schiffsbauern betreffe, ſo ſey er, obgleich Gegner des Protectionsſyſtems und Begünſtiger der Concurrenz, dennoch geneigt, wenn auch kein Privilegium zu ertheilen, ſo doch die Bemühungen einheimiſcher Capitaliſten zu unterſtützen, falls ſich ſolche bewerben wollten. Uebrigens möge man ſich mit dem Bau nicht übereilen, und abwarten zu welchen Re- ſultaten in England das Syſtem der bepanzerten Schiffe führe; die Regierung werde im günſtigen Fall dann ſofort einige in Angriff nehmen laſſen. — Zu Pavia iſt der berühmte Phyſiker und Mathematiker Bella geſtorben. × Turin, 4 Jun.Die „Gazz. di Torino“ von geſtern Abend bringt eine Nachricht aus Paris, nach welcher ein Officier Garibaldi’s mit einer wichtigen Miſſion dort angekommen iſt. In derſelben Nummer bringt dieſes Blatt folgende Nachrichten aus Sicilien: „Der Waffenſtillſtand wurde von dem königl. Befehlshaber verlangt, der durch die kühnen Angriffe Garibaldi’s auf ſeine in und außerhalb der Stadt zerſtreuten Truppen hiezu gezwungen ward, nachdem noch durch die Inſurgenten in der Stadt mehrere Abtheilun- gen abgeſchnitten worden. Eine Verlängerung des Waffenſtillſtands trat deß- halb ein, weil der neapolitaniſche Führer Weiſungen aus Neapel bedurfte um über die Annahme der von Garibaldi geſtellten Bedingungen entſcheiden zu können. Dieſe Bedingungen find: Räumung der ganzen Inſel, unbehinderte Einſchiffung mit Waffen und Bagage.“ — Der Dampfer „Utile,“ welcher in Genua Freiwillige, Waffen und Munition für Garibaldi aufnahm, iſt glücklich in Marſala angekommen. — In einem Brief an ſeinen Freund und Agenten Bertani ertheilt Garibaldi der Direction Rubattino den Rath ihre beiden Dampfer „Lombardo“ und „Piemonte“ von der Regierung zu recla- miren, die ſie ſodann von Neapel zurückfordern werde. (Das deutet doch auf ein Berſtändniß Garibaldi’s mit der piemonteſiſchen Regierung hin!) Im übrigen ſolle ihm die Direction von dem Fonds für die Gewehre ſo viel wie möglich Waffen und Munition ſenden, Leute würden ihm dann auch nicht fehlen. — Unter den Wälſchtirolern welche ſich mit Garibaldi auf Sicilien befinden ſind zu nennen: Manci, Tranquillini, Pezzi, Zanolli, Fontana und Camillo Zancani. — Der ruſſiſche Geſandte dahier, Graf v. Stackelberg, hatte neuerdings eine Beſprechung mit Cavour, bei welcher er ſich wiederum über das Benehmen des Cabinets Garibaldi gegenüber beſchwerte. Der Mi- niſter ſtellte wiederholt jede Theilnahme der Regierung an der Expedition in Abrede, und verſicherte ſogar daß ſie derſelben ſo viel wie möglich Hinderniſſe in den Weg gelegt habe! — Da Fanti ſeine Entlaſſung eingereicht, ſo hat die Regierung, wie verlautet, das Portefeuille des Kriegsminiſteriums dem General Cialdini angeboten. Dieſer lehnte die Annahme ab. 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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-02-11T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 160, 8. Juni 1860, S. 2671. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine160_1860/7>, abgerufen am 08.07.2024.