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Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 18. Januar 1929.

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Freitag, den 18. Januar "AZ am Abend" Nr. 15


[Spaltenumbruch]
Wann werden Strafen für
Kindsmißhandlung erhöht
Nur 6 Monate Gesängnis

Eine Bestie in Menschengestalt ist der
verheiratete Hirte Ludwig Breit-
schacht
in Degerndorf. Er schlug mit einem
starken Fichtenstecken, an dem sich noch zahl-
reiche Stücke abgehackter Aeste befanden,
seine sechsjährige Tochter aus Wut
darüber, daß sie ihm nicht sofort Wasser
holte, so lange auf den Kopf, bis der Prügel
abbrach. Schließlich warf er das Kind auf
die Straße, wo es bewußtlos liegen blieb.
So oft es sich wieder erheben wollte, stieß er
es mit dem Fuß nieder. Das Kind erlitt
einen Schlüsselbeinbruch. Breitschacht war
vom Schöffengericht Amberg wegen Körper-
verletzung zu sechs Monaten Gefängnis ver-
urteilt worden. Die von ihm eingelegte
Berufung wurde nun verworfen.



Vier Mädchen
durch Kohlengas vergiftet
Rettung im letzten Augenblick

Wie der "Würzburger Generalanzeiger"
aus Schonungen berichtet, vernahm die Frau
eines hier wohnenden Schweinfurter Ange-
stellten in einer der letzten Nächte aus dem
anstoßenden Schlafzimmer ihrer Kinder ein
Röcheln, das sie und ihren Mann zur Nach-
schau veranlaßte. Zu ihrem Schrecken nah-
men die Eltern wahr, daß ihre vier Mäd-
chen im Alter bis zu 20 Jahren teilweise
bewußtlos waren. Mit Hilfe eines Arztes
gelang es, die Kinder, die sich stark erbre-
chen mußten, wieder auf den Weg der Besse-
rung zu bringen.

Durch Versagen einer am Hausschlot an-
gebrachten Windklappfahne waren die durch
Brikettfeuerung im Ofen erzeugten Kohlen-
gase vom Kamin aus wieder in das Zimmer
zurückgedrängt worden.



Seinen Kollegen
im Gerichtssaal erschossen
Der Mordprozeß gegen den Redakteur
Pöffl

Der auf vier Tage berechnete Mordprozeß
gegen den früheren Redakteur des "Neuen
Wiener Journals" Oskar Pöffl, der
im Juni 1928 im Verlaufe einer Gerichts-
verhandlung seinen früheren Kollegen, den
Redakteur des "Neuen Wiener Journals"
Bruno Wolf durch vier Revolverschüsse
tötete, hat begonnen. 40 Zeugen, vorwie-
gend Journalisten, sind geladen.

Die Verhandlung erfuhr gestern nachmit-
tag dadurch eine vorzeitige Unterbrechung,
daß der eine Verteidiger Dr. Gürtig durch
Gerichtsbeschluß seiner Tätigkeit als Vertei-
diger des Angeklagten Pöffl enthoben
wurde, weil er wiederholt der Mahnung des
Vorsitzenden, sich in seiner Fragestellung auf
das Prozeßthema zu beschränken nicht Folge
leistete.



Der Film "Die Hellseherin"
bleibt verboten

Die Filmoberprüfstelle hat das von der
Filmprüfstelle ausgesprochene Verbot des
Filmes "Die Hellseherin" in dem die durch
ihren Prozeß in Insterburg bekannt gewor-
dene Frau Günther-Geffers die Rolle der
Hellseherin spielt, bestätigt. Kriminalrat
Gennat vom Berliner Polizeipräsidium er-
klärte als Sachverständiger, daß die Krimi-
nalpolizei nach dem Kriege ein besonderes
Versuchsdezernat eingerichtet habe, in dem
alle die Fälle nachgeprüft worden seien, in
denen angeblich der Tatbestand durch Hell-
seherei aufgeklärt sein solle. Die Nach-
prüfung aller dieser Fälle sei aber negativ
verlaufen. Gerade Frau Günther-Geffers
habe in der letzten Zeit verschiedentlich ver-
sucht, Kriminalfälle aufzuklären, jedoch stets
ohne Erfolg. Bei jedem großen Kriminal-
fall werde die Kriminalpolizei von Hell-
sehern, Astrologen, Radiologen usw. über-
laufen, die als unerwünschte Mitarbeiter
angesehen werden und der Kriminalpolizei
durch falsche Spuren ungeheure Arbeit ver-
ursachten. Man könne sogar direkt von
einer Hellsehereiindustrie sprechen. Die
Filmoberprüsstelle kam nach längerer Bera-
tung zu einer Bestätigung des Verbotes,
weil der Film geeignet sei, die Oeffentlich-
keit irre zu führen.

[Spaltenumbruch]
Auch der Winter in Berchtesgaden lockt!
[Abbildung]

Ein Ski-Paradies, das Steinerne Meer mit Schönfeldspitze



Ein Maler und sein Modell
Tragödie in der Londoner Boheme
[Spaltenumbruch]

Es gibt noch eine Boheme in London:
Der Tod des zwanzigjährigen Malers
Atkinson vor dem Gasofen seines Ate-
liers hat eine Tragödie von Kunst, Armut
und Liebe ans Licht gebracht, die alle
Elemente jener totgeglaubten Welt enthält.
Wer die wohlgenährten Besucher der Künst-
lerkneipen von Chelsea, des Studio-Klubs
oder der berühmten Kunstspelunke "Zum
Schinkenbein" gesehen hat, mußte zu der
Ueberzeugung kommen, daß die Zeit des
Hungerns für die Kunst endgültig vorbei
ist. Und wer gar die Literatenkreise von
Bloomsbury kennt, trägt sich längst mit dem
Verdacht, daß auch die letzten Reste von
"Künstlerleben" purer Snobbismus sind.
Doch die Geschichte des jungen Malers be-
weist, daß es immer noch arme Ritter der
Kunst,

Don Quichottes der Boheme

gibt.

Atkinson war der Sohn eines Bergmanns
in Rotherham. Schon als Kind erregten
seine Zeichnungen allgemeine Aufmerksam-
keit. Während er das Handwerk eines An-
streichers und Schilderzeichners erlernte,
malte er in seiner Freizeit Aquarelle. Als
während des Generalstreiks im Jahre 1926
die Arbeit ruhte, beschloß er, sie ganz auf-
zugeben und auf gut Glück nach London zu
gehen. Er legte die Reise zu Fuß zurück und
hielt sich zunächst durch Schildermalen über
Wasser. Es gelang ihm bald, einige kleine
Bilder zu verkaufen, und nach einem Jahre
besaß er ein Atelier in Chelsea, dem Künst-
lerquartier von London. Mit

viel Enthusiasmus und wenig Geld

entwickelte er sich zu einem Maler, dessen
Bilder zwar selten gekauft, aber immerhin
schon besprochen wurden. Ein Kunsthändler,
der ihn gelegentlich unterstützte, erklärt, daß
Atkinson in kurzer Zeit bekannt, ja be-
rühmt geworden wäre, da er ein ungewöhn-
liches Talent besaß. Doch auf der Schwelle
des Erfolges begann sein Unglück.

Das Unglück hieß Dolores und war
[Spaltenumbruch] eine stadtbekannte Schönheit, die in unzäh-
ligen Bildern und Skulpturen verewigt
worden ist. Dolores ist ein Modell und ver-
dient es zu sein. Sie ist nicht mehr jung --
sie gibt selbst 36 Jahre zu -- aber das er-
höht nur ihre

außergewöhnliche Schönheit.

Atkinson verliebte sich, wie viele andere vor
ihm, auf den ersten Blick in Dolores. Er
malte sie, bedichtete sie mit durchaus ansehn-
lichen Versen und machte ihr Geschenke, die
seine geringen Ersparnisse und seinen noch
geringeren Kredit bald erschöpften. Die
Reporter behaupten, er habe sie heiraten
wollen, aber das ist sicherlich eine Erfin-
dung, die der Geschichte einen Rahmen von
Wohlanständigkeit geben soll, ohne den das
englische Publikum sich nicht getrauen würde,
den jungen Selbstmörder offen zu bemit-
leiden. Es ging um mehr als einen zurück-
gewiesenen Heiratsantrag. Dolores teilte
des Malers Atelierwohnung und mußte bald
die letzte Zigarette, das letzte Stück Brot
mit ihm teilen. Sie hielt die Armut nicht
lange aus und verschwand eines Tages, um
zu einem besser situierten Künstler zu zie-
hen. Der Zwanzigjährige

überlebte die Enttäuschung nicht.

Man fand ihn, eine Bettdecke über den Kopf
gezogen, über die geöffneten Hähne des
Gasofens gelehnt. Er war tot, und sein
Vater, der Bergmann, erbt nur ein paar
Bilder und ein Bündel seltsamer Liebes-
gedichte.

Die schöne Dolores aber fanden die Re-
porter in einer kleinen Kirche kniend, ange-
tan mit einem neuen Pelzmantel. Sie blieb
in dieser Stellung, bis sich die Kirche geleert
hatte und der Geistliche verwundert auf sie
zutrat. Da brach sie ohnmächtig zusammen.
Später, vor einer Tasse Kaffee, erzählte sie,
haftig rauchend, jedem, der es hören wollte,
die Geschichte eines jungen Malers.

"Er hätte mein Sohn sein können,"

sagte Dolores.



Lloyd George -- Präsident
der Republik England

Die amerikanische Astrologin Belle Bart
hatte für 1928 dem großen englischen
Staatsmann Lloyd George das Horoskop
gestellt. Sie kommt dabei zu dem kühnen
Schluß, daß Lloyd George im Laufe des
Jahres 1929 zu den höchsten Ehren gelan-
gen wird, und zwar stellt sie die phanta-
stische Prophezeiung auf, daß England --
Republik und Lloyd George der erste Prä-
sident werden wird. Schon in dem letzten
Horoskop Lloyd Georges hatte Miß Bart
die Umwandlung der englischen Monarchie
in eine Republik geweissagt, nun wiederholt
sie, da sich die Weltgeschichte unbegreiflicher-
weise geirrt hat, ihren sibyllischen Spruch.

[Spaltenumbruch]
Konzert-Vorschau

Am Sonntag, den 20. Januar, finden statt:
71/2 Uhr im Herkulessaal der Mozart-Abend des
Münchner Streichquartetts.

Abends 8 Uhr im Odeon das Meisterkon-
zert zugunsten der Altershilfe
(unter
dem Protektorat des Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Held). Leitung: Staatskapellmeister Karl
Elmendorff. Mitwirkende: Kammersängerin Elisa-
beth Feuge, Kammersängerin Luise Willer, Kam-
mersänger Paul Bender, Staatsopernsänger Ju-
lius Patzak, Kammersänger Wilhelm Rode, das
Studeny-Quartett unter Mitwirkung von Kam-
mervirtuos Prof. Karl Wagner.

Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid, im
Amtl. Bayer. Reisebüro und an der Abendkasse.



Kammerspiele im Schauspielhaus. Es ist der
Direktion im Schauspielhaus gelungen, Karl
Valentin
und Lisl Karlstadt für ein
Gastspiel zu gewinnen. Die Künstler werden am
Sonntag, den 20. Januar, nach "Charleys Tante",
mit Heinz Rühmann in der Titelrolle, die
"Rundfunkßene" spielen. Beginn: 31/2 Uhr.

[Spaltenumbruch]
Deutsche Stunde in Bayern
Samstag, den 19. Januar 1929.
6.45 Morgengymnastik.
11.45 Im Bedarfsfalle Nachtrag zum Schnee-
bericht.
14.30 Unterhaltungskonzert. Ausgef. mit Schall-
platten vom Musikhaus Alfred Schmid
Nachf. (Unico Hensel), München, Residenz-
straße 7. Deutsche Pioniere im Ausland.
15.30 Eine Viertelftunde Deutsche Volksgeschichte.
16.00 Unterhaltungskonzert des Kammerquartetts
Anny Rosenberger.
Mitwirkend: Ema-
nuel Gianna (Bariton) -- Am Flügel:
Richard Staab.
17.30 Das Volk und seine Kulturkräfte. Vor-
trag von Dr. Franz Bernauer.
18.00 Schrammelkonzert Karl Weiß -- Josef
Riederer -- Max Rotbahler.

18.35 Arbeitsmarktbericht.
19.00 Funkbriefkasten.
19.30 Lesestunde. Moderne norwegische Litera-
tur. Kampf um den Fisch -- Ein Kapitel
aus dem Roman "Die Lofotfischer" von
Johanna Bojer.
-- Gelesen von Rud. Hoch.
20.00 Heiterer Abend.
22.20 Abendmelbungen.
22.45--24.00 Tanzmusik Kapelle Heinrich Frick.
Uebertragung aus der Galerie Arkadia,
München
0.30--1.30 Nachtkonzert des Rundfunktrios.


Wenn ein Hahn
nicht krähen will

Seltsame Dinge ereignen sich in Holly-
wood in Zusammenhang mit dem Sprech-
film. Kürzlich sollte in einem Bilde ein
Hahn krähen -- aber er tat es nicht. Schließ-
lich zitierte man einen Tierstimmenimitator,
der dem Hahn etwas vorkrähen mußte;
man hoffte; das würde den Böswilligen
zum Erwidern anregen; aber er legte nur
den Kopf auf die Seite und starrte die
menschliche Konkurrenz verblüfft an.
Schließlich kam man auf die Idee, der Hahn
würde antworten, wenn er den Kräher nicht
sehen würde. Der Mann ging auf die
Straße und krähte dort aus Leibeskräften
weiter, -- gerade jedoch als der Hahn An-
stalten machte, endlich zu erwidern, brach
das Krähen plötzlich ab. Es stellte sich dann
heraus, daß ein Polizist den Mann ver-
haftet hatte, weil er ihn für -- geistesgestört
hielt!

[irrelevantes Material]
Freitag, den 18. Januar „AZ am Abend“ Nr. 15


[Spaltenumbruch]
Wann werden Strafen für
Kindsmißhandlung erhöht
Nur 6 Monate Geſängnis

Eine Beſtie in Menſchengeſtalt iſt der
verheiratete Hirte Ludwig Breit-
ſchacht
in Degerndorf. Er ſchlug mit einem
ſtarken Fichtenſtecken, an dem ſich noch zahl-
reiche Stücke abgehackter Aeſte befanden,
ſeine ſechsjährige Tochter aus Wut
darüber, daß ſie ihm nicht ſofort Waſſer
holte, ſo lange auf den Kopf, bis der Prügel
abbrach. Schließlich warf er das Kind auf
die Straße, wo es bewußtlos liegen blieb.
So oft es ſich wieder erheben wollte, ſtieß er
es mit dem Fuß nieder. Das Kind erlitt
einen Schlüſſelbeinbruch. Breitſchacht war
vom Schöffengericht Amberg wegen Körper-
verletzung zu ſechs Monaten Gefängnis ver-
urteilt worden. Die von ihm eingelegte
Berufung wurde nun verworfen.



Vier Mädchen
durch Kohlengas vergiftet
Rettung im letzten Augenblick

Wie der „Würzburger Generalanzeiger“
aus Schonungen berichtet, vernahm die Frau
eines hier wohnenden Schweinfurter Ange-
ſtellten in einer der letzten Nächte aus dem
anſtoßenden Schlafzimmer ihrer Kinder ein
Röcheln, das ſie und ihren Mann zur Nach-
ſchau veranlaßte. Zu ihrem Schrecken nah-
men die Eltern wahr, daß ihre vier Mäd-
chen im Alter bis zu 20 Jahren teilweiſe
bewußtlos waren. Mit Hilfe eines Arztes
gelang es, die Kinder, die ſich ſtark erbre-
chen mußten, wieder auf den Weg der Beſſe-
rung zu bringen.

Durch Verſagen einer am Hausſchlot an-
gebrachten Windklappfahne waren die durch
Brikettfeuerung im Ofen erzeugten Kohlen-
gaſe vom Kamin aus wieder in das Zimmer
zurückgedrängt worden.



Seinen Kollegen
im Gerichtsſaal erſchoſſen
Der Mordprozeß gegen den Redakteur
Pöffl

Der auf vier Tage berechnete Mordprozeß
gegen den früheren Redakteur des „Neuen
Wiener Journals“ Oskar Pöffl, der
im Juni 1928 im Verlaufe einer Gerichts-
verhandlung ſeinen früheren Kollegen, den
Redakteur des „Neuen Wiener Journals“
Bruno Wolf durch vier Revolverſchüſſe
tötete, hat begonnen. 40 Zeugen, vorwie-
gend Journaliſten, ſind geladen.

Die Verhandlung erfuhr geſtern nachmit-
tag dadurch eine vorzeitige Unterbrechung,
daß der eine Verteidiger Dr. Gürtig durch
Gerichtsbeſchluß ſeiner Tätigkeit als Vertei-
diger des Angeklagten Pöffl enthoben
wurde, weil er wiederholt der Mahnung des
Vorſitzenden, ſich in ſeiner Frageſtellung auf
das Prozeßthema zu beſchränken nicht Folge
leiſtete.



Der Film „Die Hellſeherin“
bleibt verboten

Die Filmoberprüfſtelle hat das von der
Filmprüfſtelle ausgeſprochene Verbot des
Filmes „Die Hellſeherin“ in dem die durch
ihren Prozeß in Inſterburg bekannt gewor-
dene Frau Günther-Geffers die Rolle der
Hellſeherin ſpielt, beſtätigt. Kriminalrat
Gennat vom Berliner Polizeipräſidium er-
klärte als Sachverſtändiger, daß die Krimi-
nalpolizei nach dem Kriege ein beſonderes
Verſuchsdezernat eingerichtet habe, in dem
alle die Fälle nachgeprüft worden ſeien, in
denen angeblich der Tatbeſtand durch Hell-
ſeherei aufgeklärt ſein ſolle. Die Nach-
prüfung aller dieſer Fälle ſei aber negativ
verlaufen. Gerade Frau Günther-Geffers
habe in der letzten Zeit verſchiedentlich ver-
ſucht, Kriminalfälle aufzuklären, jedoch ſtets
ohne Erfolg. Bei jedem großen Kriminal-
fall werde die Kriminalpolizei von Hell-
ſehern, Aſtrologen, Radiologen uſw. über-
laufen, die als unerwünſchte Mitarbeiter
angeſehen werden und der Kriminalpolizei
durch falſche Spuren ungeheure Arbeit ver-
urſachten. Man könne ſogar direkt von
einer Hellſehereiinduſtrie ſprechen. Die
Filmoberprüſſtelle kam nach längerer Bera-
tung zu einer Beſtätigung des Verbotes,
weil der Film geeignet ſei, die Oeffentlich-
keit irre zu führen.

[Spaltenumbruch]
Auch der Winter in Berchtesgaden lockt!
[Abbildung]

Ein Ski-Paradies, das Steinerne Meer mit Schönfeldſpitze



Ein Maler und ſein Modell
Tragödie in der Londoner Bohême
[Spaltenumbruch]

Es gibt noch eine Bohême in London:
Der Tod des zwanzigjährigen Malers
Atkinſon vor dem Gasofen ſeines Ate-
liers hat eine Tragödie von Kunſt, Armut
und Liebe ans Licht gebracht, die alle
Elemente jener totgeglaubten Welt enthält.
Wer die wohlgenährten Beſucher der Künſt-
lerkneipen von Chelſea, des Studio-Klubs
oder der berühmten Kunſtſpelunke „Zum
Schinkenbein“ geſehen hat, mußte zu der
Ueberzeugung kommen, daß die Zeit des
Hungerns für die Kunſt endgültig vorbei
iſt. Und wer gar die Literatenkreiſe von
Bloomsbury kennt, trägt ſich längſt mit dem
Verdacht, daß auch die letzten Reſte von
„Künſtlerleben“ purer Snobbismus ſind.
Doch die Geſchichte des jungen Malers be-
weiſt, daß es immer noch arme Ritter der
Kunſt,

Don Quichottes der Bohême

gibt.

Atkinſon war der Sohn eines Bergmanns
in Rotherham. Schon als Kind erregten
ſeine Zeichnungen allgemeine Aufmerkſam-
keit. Während er das Handwerk eines An-
ſtreichers und Schilderzeichners erlernte,
malte er in ſeiner Freizeit Aquarelle. Als
während des Generalſtreiks im Jahre 1926
die Arbeit ruhte, beſchloß er, ſie ganz auf-
zugeben und auf gut Glück nach London zu
gehen. Er legte die Reiſe zu Fuß zurück und
hielt ſich zunächſt durch Schildermalen über
Waſſer. Es gelang ihm bald, einige kleine
Bilder zu verkaufen, und nach einem Jahre
beſaß er ein Atelier in Chelſea, dem Künſt-
lerquartier von London. Mit

viel Enthuſiasmus und wenig Geld

entwickelte er ſich zu einem Maler, deſſen
Bilder zwar ſelten gekauft, aber immerhin
ſchon beſprochen wurden. Ein Kunſthändler,
der ihn gelegentlich unterſtützte, erklärt, daß
Atkinſon in kurzer Zeit bekannt, ja be-
rühmt geworden wäre, da er ein ungewöhn-
liches Talent beſaß. Doch auf der Schwelle
des Erfolges begann ſein Unglück.

Das Unglück hieß Dolores und war
[Spaltenumbruch] eine ſtadtbekannte Schönheit, die in unzäh-
ligen Bildern und Skulpturen verewigt
worden iſt. Dolores iſt ein Modell und ver-
dient es zu ſein. Sie iſt nicht mehr jung —
ſie gibt ſelbſt 36 Jahre zu — aber das er-
höht nur ihre

außergewöhnliche Schönheit.

Atkinſon verliebte ſich, wie viele andere vor
ihm, auf den erſten Blick in Dolores. Er
malte ſie, bedichtete ſie mit durchaus anſehn-
lichen Verſen und machte ihr Geſchenke, die
ſeine geringen Erſparniſſe und ſeinen noch
geringeren Kredit bald erſchöpften. Die
Reporter behaupten, er habe ſie heiraten
wollen, aber das iſt ſicherlich eine Erfin-
dung, die der Geſchichte einen Rahmen von
Wohlanſtändigkeit geben ſoll, ohne den das
engliſche Publikum ſich nicht getrauen würde,
den jungen Selbſtmörder offen zu bemit-
leiden. Es ging um mehr als einen zurück-
gewieſenen Heiratsantrag. Dolores teilte
des Malers Atelierwohnung und mußte bald
die letzte Zigarette, das letzte Stück Brot
mit ihm teilen. Sie hielt die Armut nicht
lange aus und verſchwand eines Tages, um
zu einem beſſer ſituierten Künſtler zu zie-
hen. Der Zwanzigjährige

überlebte die Enttäuſchung nicht.

Man fand ihn, eine Bettdecke über den Kopf
gezogen, über die geöffneten Hähne des
Gasofens gelehnt. Er war tot, und ſein
Vater, der Bergmann, erbt nur ein paar
Bilder und ein Bündel ſeltſamer Liebes-
gedichte.

Die ſchöne Dolores aber fanden die Re-
porter in einer kleinen Kirche kniend, ange-
tan mit einem neuen Pelzmantel. Sie blieb
in dieſer Stellung, bis ſich die Kirche geleert
hatte und der Geiſtliche verwundert auf ſie
zutrat. Da brach ſie ohnmächtig zuſammen.
Später, vor einer Taſſe Kaffee, erzählte ſie,
haftig rauchend, jedem, der es hören wollte,
die Geſchichte eines jungen Malers.

„Er hätte mein Sohn ſein können,“

ſagte Dolores.



Lloyd George — Präſident
der Republik England

Die amerikaniſche Aſtrologin Belle Bart
hatte für 1928 dem großen engliſchen
Staatsmann Lloyd George das Horoſkop
geſtellt. Sie kommt dabei zu dem kühnen
Schluß, daß Lloyd George im Laufe des
Jahres 1929 zu den höchſten Ehren gelan-
gen wird, und zwar ſtellt ſie die phanta-
ſtiſche Prophezeiung auf, daß England —
Republik und Lloyd George der erſte Prä-
ſident werden wird. Schon in dem letzten
Horoſkop Lloyd Georges hatte Miß Bart
die Umwandlung der engliſchen Monarchie
in eine Republik geweisſagt, nun wiederholt
ſie, da ſich die Weltgeſchichte unbegreiflicher-
weiſe geirrt hat, ihren ſibylliſchen Spruch.

[Spaltenumbruch]
Konzert-Vorschau

Am Sonntag, den 20. Januar, finden ſtatt:
7½ Uhr im Herkulesſaal der Mozart-Abend des
Münchner Streichquartetts.

Abends 8 Uhr im Odeon das Meiſterkon-
zert zugunſten der Altershilfe
(unter
dem Protektorat des Herrn Miniſterpräſidenten
Dr. Held). Leitung: Staatskapellmeiſter Karl
Elmendorff. Mitwirkende: Kammerſängerin Eliſa-
beth Feuge, Kammerſängerin Luiſe Willer, Kam-
merſänger Paul Bender, Staatsopernſänger Ju-
lius Patzak, Kammerſänger Wilhelm Rode, das
Studeny-Quartett unter Mitwirkung von Kam-
mervirtuos Prof. Karl Wagner.

Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid, im
Amtl. Bayer. Reiſebüro und an der Abendkaſſe.



Kammerſpiele im Schauſpielhaus. Es iſt der
Direktion im Schauſpielhaus gelungen, Karl
Valentin
und Lisl Karlſtadt für ein
Gaſtſpiel zu gewinnen. Die Künſtler werden am
Sonntag, den 20. Januar, nach „Charleys Tante“,
mit Heinz Rühmann in der Titelrolle, die
Rundfunkſzene“ ſpielen. Beginn: 3½ Uhr.

[Spaltenumbruch]
Deutsche Stunde in Bayern
Samstag, den 19. Januar 1929.
6.45 Morgengymnaſtik.
11.45 Im Bedarfsfalle Nachtrag zum Schnee-
bericht.
14.30 Unterhaltungskonzert. Ausgef. mit Schall-
platten vom Muſikhaus Alfred Schmid
Nachf. (Unico Henſel), München, Reſidenz-
ſtraße 7. Deutſche Pioniere im Ausland.
15.30 Eine Viertelftunde Deutſche Volksgeſchichte.
16.00 Unterhaltungskonzert des Kammerquartetts
Anny Roſenberger.
Mitwirkend: Ema-
nuel Gianna (Bariton) — Am Flügel:
Richard Staab.
17.30 Das Volk und ſeine Kulturkräfte. Vor-
trag von Dr. Franz Bernauer.
18.00 Schrammelkonzert Karl Weiß — Joſef
Riederer — Max Rotbahler.

18.35 Arbeitsmarktbericht.
19.00 Funkbriefkaſten.
19.30 Leſeſtunde. Moderne norwegiſche Litera-
tur. Kampf um den Fiſch — Ein Kapitel
aus dem Roman „Die Lofotfiſcher“ von
Johanna Bojer.
— Geleſen von Rud. Hoch.
20.00 Heiterer Abend.
22.20 Abendmelbungen.
22.45—24.00 Tanzmuſik Kapelle Heinrich Frick.
Uebertragung aus der Galerie Arkadia,
München
0.30—1.30 Nachtkonzert des Rundfunktrios.


Wenn ein Hahn
nicht krähen will

Seltſame Dinge ereignen ſich in Holly-
wood in Zuſammenhang mit dem Sprech-
film. Kürzlich ſollte in einem Bilde ein
Hahn krähen — aber er tat es nicht. Schließ-
lich zitierte man einen Tierſtimmenimitator,
der dem Hahn etwas vorkrähen mußte;
man hoffte; das würde den Böswilligen
zum Erwidern anregen; aber er legte nur
den Kopf auf die Seite und ſtarrte die
menſchliche Konkurrenz verblüfft an.
Schließlich kam man auf die Idee, der Hahn
würde antworten, wenn er den Kräher nicht
ſehen würde. Der Mann ging auf die
Straße und krähte dort aus Leibeskräften
weiter, — gerade jedoch als der Hahn An-
ſtalten machte, endlich zu erwidern, brach
das Krähen plötzlich ab. Es ſtellte ſich dann
heraus, daß ein Poliziſt den Mann ver-
haftet hatte, weil er ihn für — geiſtesgeſtört
hielt!

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[9/0009] Freitag, den 18. Januar „AZ am Abend“ Nr. 15 Wann werden Strafen für Kindsmißhandlung erhöht Nur 6 Monate Geſängnis Amberg, 17. Januar. Eine Beſtie in Menſchengeſtalt iſt der verheiratete Hirte Ludwig Breit- ſchacht in Degerndorf. Er ſchlug mit einem ſtarken Fichtenſtecken, an dem ſich noch zahl- reiche Stücke abgehackter Aeſte befanden, ſeine ſechsjährige Tochter aus Wut darüber, daß ſie ihm nicht ſofort Waſſer holte, ſo lange auf den Kopf, bis der Prügel abbrach. Schließlich warf er das Kind auf die Straße, wo es bewußtlos liegen blieb. So oft es ſich wieder erheben wollte, ſtieß er es mit dem Fuß nieder. Das Kind erlitt einen Schlüſſelbeinbruch. Breitſchacht war vom Schöffengericht Amberg wegen Körper- verletzung zu ſechs Monaten Gefängnis ver- urteilt worden. Die von ihm eingelegte Berufung wurde nun verworfen. Vier Mädchen durch Kohlengas vergiftet Rettung im letzten Augenblick Würzburg, 17. Januar. Wie der „Würzburger Generalanzeiger“ aus Schonungen berichtet, vernahm die Frau eines hier wohnenden Schweinfurter Ange- ſtellten in einer der letzten Nächte aus dem anſtoßenden Schlafzimmer ihrer Kinder ein Röcheln, das ſie und ihren Mann zur Nach- ſchau veranlaßte. Zu ihrem Schrecken nah- men die Eltern wahr, daß ihre vier Mäd- chen im Alter bis zu 20 Jahren teilweiſe bewußtlos waren. Mit Hilfe eines Arztes gelang es, die Kinder, die ſich ſtark erbre- chen mußten, wieder auf den Weg der Beſſe- rung zu bringen. Durch Verſagen einer am Hausſchlot an- gebrachten Windklappfahne waren die durch Brikettfeuerung im Ofen erzeugten Kohlen- gaſe vom Kamin aus wieder in das Zimmer zurückgedrängt worden. Seinen Kollegen im Gerichtsſaal erſchoſſen Der Mordprozeß gegen den Redakteur Pöffl Wien, 17. Januar. Der auf vier Tage berechnete Mordprozeß gegen den früheren Redakteur des „Neuen Wiener Journals“ Oskar Pöffl, der im Juni 1928 im Verlaufe einer Gerichts- verhandlung ſeinen früheren Kollegen, den Redakteur des „Neuen Wiener Journals“ Bruno Wolf durch vier Revolverſchüſſe tötete, hat begonnen. 40 Zeugen, vorwie- gend Journaliſten, ſind geladen. Die Verhandlung erfuhr geſtern nachmit- tag dadurch eine vorzeitige Unterbrechung, daß der eine Verteidiger Dr. Gürtig durch Gerichtsbeſchluß ſeiner Tätigkeit als Vertei- diger des Angeklagten Pöffl enthoben wurde, weil er wiederholt der Mahnung des Vorſitzenden, ſich in ſeiner Frageſtellung auf das Prozeßthema zu beſchränken nicht Folge leiſtete. Der Film „Die Hellſeherin“ bleibt verboten Die Filmoberprüfſtelle hat das von der Filmprüfſtelle ausgeſprochene Verbot des Filmes „Die Hellſeherin“ in dem die durch ihren Prozeß in Inſterburg bekannt gewor- dene Frau Günther-Geffers die Rolle der Hellſeherin ſpielt, beſtätigt. Kriminalrat Gennat vom Berliner Polizeipräſidium er- klärte als Sachverſtändiger, daß die Krimi- nalpolizei nach dem Kriege ein beſonderes Verſuchsdezernat eingerichtet habe, in dem alle die Fälle nachgeprüft worden ſeien, in denen angeblich der Tatbeſtand durch Hell- ſeherei aufgeklärt ſein ſolle. Die Nach- prüfung aller dieſer Fälle ſei aber negativ verlaufen. Gerade Frau Günther-Geffers habe in der letzten Zeit verſchiedentlich ver- ſucht, Kriminalfälle aufzuklären, jedoch ſtets ohne Erfolg. Bei jedem großen Kriminal- fall werde die Kriminalpolizei von Hell- ſehern, Aſtrologen, Radiologen uſw. über- laufen, die als unerwünſchte Mitarbeiter angeſehen werden und der Kriminalpolizei durch falſche Spuren ungeheure Arbeit ver- urſachten. Man könne ſogar direkt von einer Hellſehereiinduſtrie ſprechen. Die Filmoberprüſſtelle kam nach längerer Bera- tung zu einer Beſtätigung des Verbotes, weil der Film geeignet ſei, die Oeffentlich- keit irre zu führen. Auch der Winter in Berchtesgaden lockt! [Abbildung Ein Ski-Paradies, das Steinerne Meer mit Schönfeldſpitze] Ein Maler und ſein Modell Tragödie in der Londoner Bohême Es gibt noch eine Bohême in London: Der Tod des zwanzigjährigen Malers Atkinſon vor dem Gasofen ſeines Ate- liers hat eine Tragödie von Kunſt, Armut und Liebe ans Licht gebracht, die alle Elemente jener totgeglaubten Welt enthält. Wer die wohlgenährten Beſucher der Künſt- lerkneipen von Chelſea, des Studio-Klubs oder der berühmten Kunſtſpelunke „Zum Schinkenbein“ geſehen hat, mußte zu der Ueberzeugung kommen, daß die Zeit des Hungerns für die Kunſt endgültig vorbei iſt. Und wer gar die Literatenkreiſe von Bloomsbury kennt, trägt ſich längſt mit dem Verdacht, daß auch die letzten Reſte von „Künſtlerleben“ purer Snobbismus ſind. Doch die Geſchichte des jungen Malers be- weiſt, daß es immer noch arme Ritter der Kunſt, Don Quichottes der Bohême gibt. Atkinſon war der Sohn eines Bergmanns in Rotherham. Schon als Kind erregten ſeine Zeichnungen allgemeine Aufmerkſam- keit. Während er das Handwerk eines An- ſtreichers und Schilderzeichners erlernte, malte er in ſeiner Freizeit Aquarelle. Als während des Generalſtreiks im Jahre 1926 die Arbeit ruhte, beſchloß er, ſie ganz auf- zugeben und auf gut Glück nach London zu gehen. Er legte die Reiſe zu Fuß zurück und hielt ſich zunächſt durch Schildermalen über Waſſer. Es gelang ihm bald, einige kleine Bilder zu verkaufen, und nach einem Jahre beſaß er ein Atelier in Chelſea, dem Künſt- lerquartier von London. Mit viel Enthuſiasmus und wenig Geld entwickelte er ſich zu einem Maler, deſſen Bilder zwar ſelten gekauft, aber immerhin ſchon beſprochen wurden. Ein Kunſthändler, der ihn gelegentlich unterſtützte, erklärt, daß Atkinſon in kurzer Zeit bekannt, ja be- rühmt geworden wäre, da er ein ungewöhn- liches Talent beſaß. Doch auf der Schwelle des Erfolges begann ſein Unglück. Das Unglück hieß Dolores und war eine ſtadtbekannte Schönheit, die in unzäh- ligen Bildern und Skulpturen verewigt worden iſt. Dolores iſt ein Modell und ver- dient es zu ſein. Sie iſt nicht mehr jung — ſie gibt ſelbſt 36 Jahre zu — aber das er- höht nur ihre außergewöhnliche Schönheit. Atkinſon verliebte ſich, wie viele andere vor ihm, auf den erſten Blick in Dolores. Er malte ſie, bedichtete ſie mit durchaus anſehn- lichen Verſen und machte ihr Geſchenke, die ſeine geringen Erſparniſſe und ſeinen noch geringeren Kredit bald erſchöpften. Die Reporter behaupten, er habe ſie heiraten wollen, aber das iſt ſicherlich eine Erfin- dung, die der Geſchichte einen Rahmen von Wohlanſtändigkeit geben ſoll, ohne den das engliſche Publikum ſich nicht getrauen würde, den jungen Selbſtmörder offen zu bemit- leiden. Es ging um mehr als einen zurück- gewieſenen Heiratsantrag. Dolores teilte des Malers Atelierwohnung und mußte bald die letzte Zigarette, das letzte Stück Brot mit ihm teilen. Sie hielt die Armut nicht lange aus und verſchwand eines Tages, um zu einem beſſer ſituierten Künſtler zu zie- hen. Der Zwanzigjährige überlebte die Enttäuſchung nicht. Man fand ihn, eine Bettdecke über den Kopf gezogen, über die geöffneten Hähne des Gasofens gelehnt. Er war tot, und ſein Vater, der Bergmann, erbt nur ein paar Bilder und ein Bündel ſeltſamer Liebes- gedichte. Die ſchöne Dolores aber fanden die Re- porter in einer kleinen Kirche kniend, ange- tan mit einem neuen Pelzmantel. Sie blieb in dieſer Stellung, bis ſich die Kirche geleert hatte und der Geiſtliche verwundert auf ſie zutrat. Da brach ſie ohnmächtig zuſammen. Später, vor einer Taſſe Kaffee, erzählte ſie, haftig rauchend, jedem, der es hören wollte, die Geſchichte eines jungen Malers. „Er hätte mein Sohn ſein können,“ ſagte Dolores. Lloyd George — Präſident der Republik England Die amerikaniſche Aſtrologin Belle Bart hatte für 1928 dem großen engliſchen Staatsmann Lloyd George das Horoſkop geſtellt. Sie kommt dabei zu dem kühnen Schluß, daß Lloyd George im Laufe des Jahres 1929 zu den höchſten Ehren gelan- gen wird, und zwar ſtellt ſie die phanta- ſtiſche Prophezeiung auf, daß England — Republik und Lloyd George der erſte Prä- ſident werden wird. Schon in dem letzten Horoſkop Lloyd Georges hatte Miß Bart die Umwandlung der engliſchen Monarchie in eine Republik geweisſagt, nun wiederholt ſie, da ſich die Weltgeſchichte unbegreiflicher- weiſe geirrt hat, ihren ſibylliſchen Spruch. Konzert-Vorschau Am Sonntag, den 20. Januar, finden ſtatt: 7½ Uhr im Herkulesſaal der Mozart-Abend des Münchner Streichquartetts. Abends 8 Uhr im Odeon das Meiſterkon- zert zugunſten der Altershilfe (unter dem Protektorat des Herrn Miniſterpräſidenten Dr. Held). Leitung: Staatskapellmeiſter Karl Elmendorff. Mitwirkende: Kammerſängerin Eliſa- beth Feuge, Kammerſängerin Luiſe Willer, Kam- merſänger Paul Bender, Staatsopernſänger Ju- lius Patzak, Kammerſänger Wilhelm Rode, das Studeny-Quartett unter Mitwirkung von Kam- mervirtuos Prof. Karl Wagner. Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid, im Amtl. Bayer. Reiſebüro und an der Abendkaſſe. Kammerſpiele im Schauſpielhaus. Es iſt der Direktion im Schauſpielhaus gelungen, Karl Valentin und Lisl Karlſtadt für ein Gaſtſpiel zu gewinnen. Die Künſtler werden am Sonntag, den 20. Januar, nach „Charleys Tante“, mit Heinz Rühmann in der Titelrolle, die „Rundfunkſzene“ ſpielen. Beginn: 3½ Uhr. Deutsche Stunde in Bayern Samstag, den 19. Januar 1929. 6.45 Morgengymnaſtik. 11.45 Im Bedarfsfalle Nachtrag zum Schnee- bericht. 14.30 Unterhaltungskonzert. Ausgef. mit Schall- platten vom Muſikhaus Alfred Schmid Nachf. (Unico Henſel), München, Reſidenz- ſtraße 7. Deutſche Pioniere im Ausland. 15.30 Eine Viertelftunde Deutſche Volksgeſchichte. 16.00 Unterhaltungskonzert des Kammerquartetts Anny Roſenberger. Mitwirkend: Ema- nuel Gianna (Bariton) — Am Flügel: Richard Staab. 17.30 Das Volk und ſeine Kulturkräfte. Vor- trag von Dr. Franz Bernauer. 18.00 Schrammelkonzert Karl Weiß — Joſef Riederer — Max Rotbahler. 18.35 Arbeitsmarktbericht. 19.00 Funkbriefkaſten. 19.30 Leſeſtunde. Moderne norwegiſche Litera- tur. Kampf um den Fiſch — Ein Kapitel aus dem Roman „Die Lofotfiſcher“ von Johanna Bojer. — Geleſen von Rud. Hoch. 20.00 Heiterer Abend. 22.20 Abendmelbungen. 22.45—24.00 Tanzmuſik Kapelle Heinrich Frick. Uebertragung aus der Galerie Arkadia, München 0.30—1.30 Nachtkonzert des Rundfunktrios. Wenn ein Hahn nicht krähen will Seltſame Dinge ereignen ſich in Holly- wood in Zuſammenhang mit dem Sprech- film. Kürzlich ſollte in einem Bilde ein Hahn krähen — aber er tat es nicht. Schließ- lich zitierte man einen Tierſtimmenimitator, der dem Hahn etwas vorkrähen mußte; man hoffte; das würde den Böswilligen zum Erwidern anregen; aber er legte nur den Kopf auf die Seite und ſtarrte die menſchliche Konkurrenz verblüfft an. Schließlich kam man auf die Idee, der Hahn würde antworten, wenn er den Kräher nicht ſehen würde. Der Mann ging auf die Straße und krähte dort aus Leibeskräften weiter, — gerade jedoch als der Hahn An- ſtalten machte, endlich zu erwidern, brach das Krähen plötzlich ab. Es ſtellte ſich dann heraus, daß ein Poliziſt den Mann ver- haftet hatte, weil er ihn für — geiſtesgeſtört hielt! _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-03-29T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 18. Januar 1929, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine15_1929/9>, abgerufen am 24.11.2024.