Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 15. Januar 1872.Allgemeine Zeitung. Nr. 15. Augsburg, Montag, 15 Januar 1872.Montags erscheint nur ein Blatt. Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen. Uebersicht. Rückblicke auf die Entstehung und Ausführung der Mont-Cenis-Tunnel-Bahn. (I.) Telegraphische Berichte. * Berlin, 13 Jan. Die "Kreuzzeitung" erklärt: Die Mittheilungen hie- * Liverpool, 13 Jan. Baumwollbericht. Tagesumsatz 30,000 Ballen, hievon (*) Lissabon, 13 Jan. Nach Berichten aus Rio de Janeiro vom 23 Dec. (per Börsenbericht.Frankfurt a. M., 13 Jan. Nordd. 5proc. Schatzscheine 100 G., preuß. Rückblicke auf die Entstehung und Ausführung der Mont- L Von den Ufern der Aare. Cenis-Tunnel-Bahn. I. Unter dem Eindrucke der welterschüt- Wenn wir es unternehmen bei diesem rastlos kühnen Drängen nach vor- Der Gedanke einer Schienenverbindung über die cottischen Alpen ist schon Schon in den dreißiger Jahren unternahm es ein Bewohner der Savoyer Obschon der weitaus wichtigere und volkreichere Theil des Landes südwärts Seitdem die ersterwähnte Bahn, von Karl Albert aufgenommen, auf den. Allgemeine Zeitung. Nr. 15. Augsburg, Montag, 15 Januar 1872.☛ Montags erſcheint nur ein Blatt. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen. Ueberſicht. Rückblicke auf die Entſtehung und Ausführung der Mont-Cenis-Tunnel-Bahn. (I.) Telegraphiſche Berichte. * Berlin, 13 Jan. Die „Kreuzzeitung“ erklärt: Die Mittheilungen hie- * Liverpool, 13 Jan. Baumwollbericht. Tagesumſatz 30,000 Ballen, hievon (*) Liſſabon, 13 Jan. Nach Berichten aus Rio de Janeiro vom 23 Dec. (per Börſenbericht.Frankfurt a. M., 13 Jan. Nordd. 5proc. Schatzſcheine 100 G., preuß. Rückblicke auf die Entſtehung und Ausführung der Mont- L Von den Ufern der Aare. Cenis-Tunnel-Bahn. I. Unter dem Eindrucke der welterſchüt- Wenn wir es unternehmen bei dieſem raſtlos kühnen Drängen nach vor- Der Gedanke einer Schienenverbindung über die cottiſchen Alpen iſt ſchon Schon in den dreißiger Jahren unternahm es ein Bewohner der Savoyer Obſchon der weitaus wichtigere und volkreichere Theil des Landes ſüdwärts Seitdem die erſterwähnte Bahn, von Karl Albert aufgenommen, auf den. <TEI> <text> <pb facs="#f0001"/> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung.</hi> </titlePart> </docTitle><lb/> <docDate>Nr. 15. Augsburg, Montag, 15 Januar 1872.</docDate> </titlePage><lb/> <div type="jExpedition" n="1"> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">☛ Montags erſcheint nur ein Blatt.</hi> </hi> </p> </div><lb/> <div type="imprint" n="1"> <p> <hi rendition="#c">Verlag der J. 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Nur<lb/> wenige Wochen trennen uns von der Eröffnung der Mont-Cenis-Tunnel-Bahn,<lb/> und ſchon ſcheinen die Waſſer der Lethe, mit dem letzten der officiellen Toaſte in<lb/> Turin, auch jedwede Erinnerung an die lange und ſorgenvolle Zeit des Ent-<lb/> ſtehens und der Ausführung jenes Rieſenbaues hinweggeſchwemmt zu haben. Jene<lb/> lange Periode der Studien, der Verſuche und der Vorbereitungen; jene Zeit des<lb/> beſtändigen Schwankens zwiſchen Furcht und Hoffnung, zwiſchen ſcheinbarer Ge-<lb/> wißheit und unerhoffter Enttäuſchung — ſie liegt längſt vergeſſen hinter uns.<lb/> Mit dem endlichen Siege der zähen Beharrlichkeit ſind die Opfer und Mühen des<lb/> langjährigen Ringens dem Gedächtniß entſchwunden, und während der Strom<lb/> des Verkehrs ſich allmählich dem durchbrochenen Wall der Alpen zuwendet; wäh-<lb/> rend die Reiſehandbücher noch eine kurze Nachleſe halten, uns die Schönheit der<lb/> durchzogenen Gegend, die Schnelligkeit, Bequemlichkeit und Sicherheit der Fahrt<lb/> durch den Alpentunnel ſchildern, ſchickt ſich unſere Generation bereits zur Her-<lb/> ſtellung eines noch großartigern Werkes, zur Durchbohrung der ſchweizeriſchen<lb/> Alpen, an.</p><lb/> <p>Wenn wir es unternehmen bei dieſem raſtlos kühnen Drängen nach vor-<lb/> wärts nach einem Ruhepunkt zu haſchen, und noch einen Blick auf die Vergangen-<lb/> heit zu werfen, ſo ſchwebt uns hiebei ein doppelter Zielpunkt vor. Einmal iſt es<lb/> unſer Zweck großen und vielſeitigen Verdienſten noch ein Wort der Anerkennung<lb/> zu ſpenden, welches in einer andern, ruhigern Periode wohl längſt ſchon reichlicher<lb/> ausgefallen wäre; in zweiter Linie beabſichtigen wir auch einige Fehler und<lb/> Schwächen aufzudecken, welche, weil von der Tendenz übergroßer nationaler<lb/> Ruhmesſucht getragen, nicht minder tadelnswerth erſcheinen, und bei der Wieder-<lb/> holung eines ähnlichen Werkes wohl beſſer vermieden werden. Wir ſuchen Licht<lb/> und Wahrheit zu verbreiten, wir ſuchen Gerechtigkeit einem jeden Verdienſt zu-<lb/> kommen zu laſſen, und wir kennen kein Land in welchem dieſem Streben eine<lb/> beſſere Aufnahme zutheil werden könnte als im wiedererſtandenen Deutſchen<lb/> Reiche.</p><lb/> <p>Der Gedanke einer Schienenverbindung über die cottiſchen Alpen iſt ſchon<lb/> ſehr alt, viel älter als es bei der ſpätern Vollendung dieſes Werkes gewöhnlich<lb/> angenommen zu werden pflegt.</p><lb/> <p>Schon in den dreißiger Jahren unternahm es ein Bewohner der Savoyer<lb/> Hochgebirge, der Geometer Joſeph Médail, auf die relativ günſtigen Verhältniſſe<lb/> aufmerkſam zu machen welche die Thäler des Arc und der Dora Riparia für die<lb/> Herſtellung eines derartigen Verkehrswegs, d. i. für die Durchtunnelung der Kette,<lb/> bieten. Dieſer Gedanke wurde von M<hi rendition="#aq">é</hi>dail gegen Ende jenes Decenniums dem<lb/> König Karl Albert unterbreitet, und von letzterm ſofort mit einer Wärme und Vorliebe<lb/> erfaßt die nicht unweſentlich zum Gelingen des großen Werkes beigetragen haben.<lb/> Die eigenthümlichen Verhältniſſe des damaligen Königreichs Piemont begünſtigten<lb/> in der That die Verbreitung einer Idee die an Großartigkeit faſt einen Gegenſatz<lb/> bildet zu der Kleinheit des Staats, deſſen kühner Initiative ſie entſproſſen iſt.</p><lb/> <p>Obſchon der weitaus wichtigere und volkreichere Theil des Landes ſüdwärts<lb/> der Alpen lag und — von den Waſſern des Po und des Liguriſchen Meers beſpült<lb/> — ſeinen Hauptverkehrsweg faſt ausſchließlich in letzterer Richtung ſuchte, blieb<lb/> eine an Bevölkerung nicht unwichtige Provinz, das Herzogthum Savoyen, durch<lb/> die gerade hier höchſtanſteigenden Gipfel der Alpen, von der Metropole faſt gänz-<lb/> lich abgeſchloſſen. Dieſes Land war die Wiege der ſardiſchen Dynaſtie, welcher<lb/> es zu allen Zeiten eine Reihe hervorragender Feldherren und Staatsmänner, ein<lb/> Contingent braver Soldaten geſtellt hatte. Dem Süden fremd an Sprache und<lb/> an Sitten, beſaß dieſe Provinz nicht minder zu dem Mutterland und zu ſeinem<lb/> Königshaus einen hohen Grad von Anhänglichkeit, den man aber mit Unrecht auf<lb/> Grund der ſpätern Trennung zu bezweifeln geneigt ſein könnte. Die Morgenröthe<lb/> der liberalen Politik, in deren Bahnen damals ſchon Piemonts Regierung ent-<lb/> ſchloſſen einlenkte, hatte nach allem Anſchein auch ſehr weſentlich dazu beigetragen<lb/> ihr die warmen Sympathien aller vorgeſchrittenen Elemente jener Alpenlande zu<lb/> ſichern. Unter der Kette von Umſtänden welche die Blicke des damaligen Piemont<lb/> oft, öfter als jetzt, nordwärts der Alpen lenkten, mögen auch die in jenen Tagen<lb/> ſchon ſo intenſiven Beſtrebungen zur Abwerfung des fremden Joches eine her-<lb/> vorragende und nicht zu unterſchätzende Rolle einnehmen. Jenes Endziel welches<lb/> ſeit den Jahrhunderten Rienzi’s und Machiavelli’s den Zukunftstraum ſo vieler<lb/> edlen und begabten Söhne der Halbinſel gebildet hat, wurde von dieſen auf zwei<lb/> ſehr verſchiedenen Wegen verfolgt. Während der hochſtrebende Römer und der im<lb/> allgemeinen ſo ſcharfdenkende Florentiner ihr ganzes Dichten und Trachten dahin<lb/> lenkten aus eigener Kraft ein einiges, freies und ſtarkes Italien herzuſtellen, gab<lb/> es zu allen Zeiten auch italieniſche Realpolitiker, denen dieſe große Aufgabe ab-<lb/> ſolut nur mit fremder Hülfe ausführbar erſchien. Dieſe letztere Anſchauung war<lb/> auch in der öffentlichen Meinung vertreten, welche von jeher, und zwar mit einer<lb/> ſelbſt erſtaunlichen Leichtigkeit und Mobilität, geneigt ſchien in den Unterdrückern<lb/> der jüngſten Vergangenheit die Befreier der nächſten Zukunft zu erblicken — eine<lb/> Auffaſſung welche Machiavelli in ſeinem Buch „Vom Fürſten“ einer ſo einſchnei-<lb/> denden Kritik unterzieht.</p><lb/> <p>Seitdem die erſterwähnte Bahn, von Karl Albert aufgenommen, auf den.<lb/> Feldern von Cuſtozza und Novara ihren tragiſchen Abſchluß gefunden hat, mußten<lb/> wohl bei der Mehrzahl der Italiener die Hoffnungen auf deren Erfolg eine ſehr<lb/> weſentliche Beeinträchtigung erleiden. Selbſt vorher aber, in einer Zeit wo die<lb/> Geſchicke der Halbinſel noch unter dem ſtrengen Joch und unter dem ausſchließ-<lb/> lichen Einfluß Oeſterreichs ſtanden, war es theilweiſe erklärlich daß die liberalen<lb/> und die nationalen Beſtrebungen Italiens eine Stütze und ein Gegengewicht im<lb/> Weſten ſuchten. So wenig auch Frankreichs italieniſche Politik von Eigenſucht frei<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0001]
Allgemeine Zeitung.
Nr. 15. Augsburg, Montag, 15 Januar 1872.
☛ Montags erſcheint nur ein Blatt.
Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen.
Ueberſicht.
Rückblicke auf die Entſtehung und Ausführung der Mont-Cenis-Tunnel-Bahn. (I.)
— Die bayeriſchen Spitalzüge während des deutſch-franzöſiſchen Kriegs. —
General Halleck. (Nekrolog.)
Neueſte Poſten. Berlin: Aus dem Abgeordnetenhaus. Wien: Die
Adreßdebatte. Staatsvertrag mit Rußland. Graf Andraſſy. London: Hof-
nachrichten. Perſonalien. Bankett. Gewerkverein-Congreß. Schulweſen. Staats-
werft von Deptford. Ablehnung eines Ehrenamts. Schweres Geſchütz. Qua-
rantäne. Paris: Nationalverſammlung. Proclamirung der definitiven Re-
publik. Geſetzvorſchlag Duchâtel. Klerus und Bonapartiſten. Graf Arnim.
Pariſer Blätter. Rom: Käufe und Verkäufe für den König. Die Commiſſion
der Fünfzehn. Florentiniſches. Konſtantinopel: Anleihe. — Verſchie-
denes. — Induſtrie, Handel und Verkehr.
Die „Studentinnen“ auf der Züricher Hochſchule.
Telegraphiſche Berichte.
* Berlin, 13 Jan.
Die „Kreuzzeitung“ erklärt: Die Mittheilungen hie-
ſiger Blätter über den angeblich ſchon erfolgten Rücktritt des Cultusminiſters
ſeien weſentlich Vermuthungen. Die Angelegenheit befinde ſich noch in einem
Stadium daß ſich das Nähere der öffentlichen Kenntniß und Beſprechung entziehe.
* Liverpool, 13 Jan.
Baumwollbericht. Tagesumſatz 30,000 Ballen, hievon
12,000 B. für Speculation. Tendenz: ſteigend. Orleans 10⅞, middl. Amerik. 10⅝, fair
Dhollera 8⅛, middl. fair Dhollera 7⅝, good middl Dhollera 7⅜, middl. Dhollera 6¾,
fair Bengal 6⅜—½. fair Omra 8⅛—8¼, good fair Omra 8½, Pernam 10¼—⅜,
Smyrna 8⅝, Egyptian 11. Tagesimport 4000 B.
(*) Liſſabon, 13 Jan.
Nach Berichten aus Rio de Janeiro vom 23 Dec. (per
Dampfer „Newa“) betrugen ſeit letzter Poſt die Abladungen von Kaffee nach dem Canal
und der Elbe 12,300, nach Havre, engliſchen Häfen, Belgien, Holland und Bremen 1200,
nach der Oſtſee, Schweden, Norwegen und Kopenhagen 6000, nach Gibraltar und dem
Mittelmeer 4000, nach Nordamerika 8440 Sack. Vorrath von Kaffee in Rio 160,000,
tägliche Durchſchnittszufuhr 5300 Sack. Preis für good firſt 8400 à 8600 Reis. Curs
auf London 24½ à 25 P. Fracht nach dem Canal 50 Sh. Abladungen von Santos
nach Nordeuropa 3600 Sack.
Börſenbericht.Frankfurt a. M., 13 Jan.
Nordd. 5proc. Schatzſcheine 100 G., preuß.
5proc. Obl. 100 G., 4proc. —, Naſſ 4½proc. Obl. 99½ G., 4proc. 92⅝ G., 3½proc.
—, Kurheſſ. 4proc. Obl. 93⅜ G., Sächſiſche 5proc. Obl. —, Brannſchw. 3½proc. —,
S.-Gotha 5proc. 84½ G., Bayer. 3½proc. —, Württemb. 5proc. 103⅛ G.,
4½proc. 99¾ G, 4proc. 94⅞ bez, 3½proc. 88¾ bez, Bad. 5proc. 103½ G.,
4½proc. 99⅛ G., 4proc. —, 3½proc. 89¼ G., Gr. heſſ. 5proc. 102½ G., 4proc.
97⅛ G., 3½proc. —, Ung. 5proc. Eiſenb.-Anl. i. Silber 81¾ G., 5proc. Gömörer
Hyp. i. S. 84 G., 5proc. ruſſ. conſ. Obl. v. 1870 88 G., 6proc. Nordamerikaner
rückzb. 1881 102¼ bez., r. 1884 96¼ bez, r. 1887 98⅛ G., Frankf. Bank. 137 bez. ex Div.
Bad. Bankactien 122⅜ G. ex Div., Mitteld. Creditactien — ex Div., 5proc. verloosb. Hyp.-
Pfdbr. d. Preuß. Bod.-Cred.-Act.-Bank 103 P., 4proc. Pfdbr. d. bayer. Hypoth.- u.
Wechſel-Bank 95¾ P., 5proc. öſterr. Bod.-Cred.-Pfdbr. 93½ G., 5proc. ruſſ. Bod.-Cred.-
Pfdbr. 93⅝ G., 4½proc. Finnländiſche 90 G., 4½proc. Schwediſche 94⅛ G.,
Pfälz. Maxbahn 144 bez. ex Div., Ludwigsh.-Bexbacher 193 bez. ex Div., heſſ. Ludwigsbahn
185 G. ex Div., 5proc. Buſhtiehrader E.-B.-A. Lit. B. 229 G., 5proc. Donan-Drau-
E.-B.-A. i. S. 174½ G., 5proc. Rudolfsbahn-A. i. S. 173 bez, 5proc. Vorarlb.-
E.-B.-A. i. S. 203 bez., 5proc. heſſ. Ludwigsb.-Pr. 103 G., 5proc. oberſchl. Pr.
102¾ P., 5proc. pfälz. Ludwigsb.-Pr. 103⅛ G., 4½proc. —, 4proc. —,
5proc. pfälz. Nordb.-Pr. 102¾ P., 5proc. Alföld-Fiumaner-Pr. ſteuerfr. 84⅛ G, 5proc.
Buſhtiehrader-Pr. ſtrfr. — bez., 5proc. Dnieſter-Pr. ſtrfr. 73½ G., 5proc. Donau-
Drau-Pr. ſtrfr. 81 G., 5proc. Eliſabeth Pr. I. Emiſſion —, v. 1862 —,
5proc. Mähr.-Schleſ.-Ctr. Pr. ſtrfr. 79 bez., 5proc. Ungar. Nordoſtb.-Pr. ſtrfr. 78 bez.,
6proc. Donau-Dampfſchiff-Pr. ſtrfr. 101 G., 5proc. Südbahn-Pr. 85⅛ P., kurheſſ.
40Thlr.-L. —, naſſ. 25fl.-L. —, bad. 35fl.-L. 69⅝ G., großh. heſſ. 50fl.-L. —,
25fl.-L. —, preuß. Friedrichsd’or 9.57—58, Piſtolen 9.40—42, doppelte 9.40—42,
Ducaten 5.31—33, al marco 5.33—35, Sovereigns 11 45—47, ruſſ. Imperiales 9.41—43.
(Oeff. B.-Cursbl. d. Frankfurter Wechsler-Makler-Syndicats.)
Rückblicke auf die Entſtehung und Ausführung der Mont-
Cenis-Tunnel-Bahn.
I.
L Von den Ufern der Aare. Unter dem Eindrucke der welterſchüt-
ternden Ereigniſſe welche die Wiedergeburt des Deutſchen Reichs begleitet haben,
iſt eine Schöpfung, minder bedeutungsvoller, aber immerhin durchaus großartiger
und intereſſanter Natur, faſt ſtill und lautlos an uns vorübergegangen. Nur
wenige Wochen trennen uns von der Eröffnung der Mont-Cenis-Tunnel-Bahn,
und ſchon ſcheinen die Waſſer der Lethe, mit dem letzten der officiellen Toaſte in
Turin, auch jedwede Erinnerung an die lange und ſorgenvolle Zeit des Ent-
ſtehens und der Ausführung jenes Rieſenbaues hinweggeſchwemmt zu haben. Jene
lange Periode der Studien, der Verſuche und der Vorbereitungen; jene Zeit des
beſtändigen Schwankens zwiſchen Furcht und Hoffnung, zwiſchen ſcheinbarer Ge-
wißheit und unerhoffter Enttäuſchung — ſie liegt längſt vergeſſen hinter uns.
Mit dem endlichen Siege der zähen Beharrlichkeit ſind die Opfer und Mühen des
langjährigen Ringens dem Gedächtniß entſchwunden, und während der Strom
des Verkehrs ſich allmählich dem durchbrochenen Wall der Alpen zuwendet; wäh-
rend die Reiſehandbücher noch eine kurze Nachleſe halten, uns die Schönheit der
durchzogenen Gegend, die Schnelligkeit, Bequemlichkeit und Sicherheit der Fahrt
durch den Alpentunnel ſchildern, ſchickt ſich unſere Generation bereits zur Her-
ſtellung eines noch großartigern Werkes, zur Durchbohrung der ſchweizeriſchen
Alpen, an.
Wenn wir es unternehmen bei dieſem raſtlos kühnen Drängen nach vor-
wärts nach einem Ruhepunkt zu haſchen, und noch einen Blick auf die Vergangen-
heit zu werfen, ſo ſchwebt uns hiebei ein doppelter Zielpunkt vor. Einmal iſt es
unſer Zweck großen und vielſeitigen Verdienſten noch ein Wort der Anerkennung
zu ſpenden, welches in einer andern, ruhigern Periode wohl längſt ſchon reichlicher
ausgefallen wäre; in zweiter Linie beabſichtigen wir auch einige Fehler und
Schwächen aufzudecken, welche, weil von der Tendenz übergroßer nationaler
Ruhmesſucht getragen, nicht minder tadelnswerth erſcheinen, und bei der Wieder-
holung eines ähnlichen Werkes wohl beſſer vermieden werden. Wir ſuchen Licht
und Wahrheit zu verbreiten, wir ſuchen Gerechtigkeit einem jeden Verdienſt zu-
kommen zu laſſen, und wir kennen kein Land in welchem dieſem Streben eine
beſſere Aufnahme zutheil werden könnte als im wiedererſtandenen Deutſchen
Reiche.
Der Gedanke einer Schienenverbindung über die cottiſchen Alpen iſt ſchon
ſehr alt, viel älter als es bei der ſpätern Vollendung dieſes Werkes gewöhnlich
angenommen zu werden pflegt.
Schon in den dreißiger Jahren unternahm es ein Bewohner der Savoyer
Hochgebirge, der Geometer Joſeph Médail, auf die relativ günſtigen Verhältniſſe
aufmerkſam zu machen welche die Thäler des Arc und der Dora Riparia für die
Herſtellung eines derartigen Verkehrswegs, d. i. für die Durchtunnelung der Kette,
bieten. Dieſer Gedanke wurde von Médail gegen Ende jenes Decenniums dem
König Karl Albert unterbreitet, und von letzterm ſofort mit einer Wärme und Vorliebe
erfaßt die nicht unweſentlich zum Gelingen des großen Werkes beigetragen haben.
Die eigenthümlichen Verhältniſſe des damaligen Königreichs Piemont begünſtigten
in der That die Verbreitung einer Idee die an Großartigkeit faſt einen Gegenſatz
bildet zu der Kleinheit des Staats, deſſen kühner Initiative ſie entſproſſen iſt.
Obſchon der weitaus wichtigere und volkreichere Theil des Landes ſüdwärts
der Alpen lag und — von den Waſſern des Po und des Liguriſchen Meers beſpült
— ſeinen Hauptverkehrsweg faſt ausſchließlich in letzterer Richtung ſuchte, blieb
eine an Bevölkerung nicht unwichtige Provinz, das Herzogthum Savoyen, durch
die gerade hier höchſtanſteigenden Gipfel der Alpen, von der Metropole faſt gänz-
lich abgeſchloſſen. Dieſes Land war die Wiege der ſardiſchen Dynaſtie, welcher
es zu allen Zeiten eine Reihe hervorragender Feldherren und Staatsmänner, ein
Contingent braver Soldaten geſtellt hatte. Dem Süden fremd an Sprache und
an Sitten, beſaß dieſe Provinz nicht minder zu dem Mutterland und zu ſeinem
Königshaus einen hohen Grad von Anhänglichkeit, den man aber mit Unrecht auf
Grund der ſpätern Trennung zu bezweifeln geneigt ſein könnte. Die Morgenröthe
der liberalen Politik, in deren Bahnen damals ſchon Piemonts Regierung ent-
ſchloſſen einlenkte, hatte nach allem Anſchein auch ſehr weſentlich dazu beigetragen
ihr die warmen Sympathien aller vorgeſchrittenen Elemente jener Alpenlande zu
ſichern. Unter der Kette von Umſtänden welche die Blicke des damaligen Piemont
oft, öfter als jetzt, nordwärts der Alpen lenkten, mögen auch die in jenen Tagen
ſchon ſo intenſiven Beſtrebungen zur Abwerfung des fremden Joches eine her-
vorragende und nicht zu unterſchätzende Rolle einnehmen. Jenes Endziel welches
ſeit den Jahrhunderten Rienzi’s und Machiavelli’s den Zukunftstraum ſo vieler
edlen und begabten Söhne der Halbinſel gebildet hat, wurde von dieſen auf zwei
ſehr verſchiedenen Wegen verfolgt. Während der hochſtrebende Römer und der im
allgemeinen ſo ſcharfdenkende Florentiner ihr ganzes Dichten und Trachten dahin
lenkten aus eigener Kraft ein einiges, freies und ſtarkes Italien herzuſtellen, gab
es zu allen Zeiten auch italieniſche Realpolitiker, denen dieſe große Aufgabe ab-
ſolut nur mit fremder Hülfe ausführbar erſchien. Dieſe letztere Anſchauung war
auch in der öffentlichen Meinung vertreten, welche von jeher, und zwar mit einer
ſelbſt erſtaunlichen Leichtigkeit und Mobilität, geneigt ſchien in den Unterdrückern
der jüngſten Vergangenheit die Befreier der nächſten Zukunft zu erblicken — eine
Auffaſſung welche Machiavelli in ſeinem Buch „Vom Fürſten“ einer ſo einſchnei-
denden Kritik unterzieht.
Seitdem die erſterwähnte Bahn, von Karl Albert aufgenommen, auf den.
Feldern von Cuſtozza und Novara ihren tragiſchen Abſchluß gefunden hat, mußten
wohl bei der Mehrzahl der Italiener die Hoffnungen auf deren Erfolg eine ſehr
weſentliche Beeinträchtigung erleiden. Selbſt vorher aber, in einer Zeit wo die
Geſchicke der Halbinſel noch unter dem ſtrengen Joch und unter dem ausſchließ-
lichen Einfluß Oeſterreichs ſtanden, war es theilweiſe erklärlich daß die liberalen
und die nationalen Beſtrebungen Italiens eine Stütze und ein Gegengewicht im
Weſten ſuchten. So wenig auch Frankreichs italieniſche Politik von Eigenſucht frei
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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